Irak & Libanon & Israel & Iran & Palästina & Ägypten & Marokko
Der Klassenkampf brodelt im Nahen Osten

Eine Analyse von Fred Weston
04/07

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Die Widersprüche im Weltkapitalismus kommen im Nahen Osten sehr deutlich zum Ausdruck und der Krieg im Irak hat all diese Widersprüche verschärft. Die Ereignisse im Nahen Osten können nicht verstanden werden, wenn wir nicht die wirklichen Bedingungen der dort lebenden Menschen verstehen; die der Menschen im Irak oder die der palästinensischen Massen, die gewissermaßen in riesigen offenen Gefängnissen leben. In Gaza leben die Menschen manchmal am Rande des Verhungerns, während der Lebensstandard in Israel, auf der anderen Seite der Grenze, wesentlich höher ist. Es gibt kaum größere Widersprüche.

Der Libanon hat sich dazugesellt. Nachdem das Land wiederaufgebaut wurde und einen gewissen Grad an Stabilität erlangte, hat der israelische Imperialismus es im letztjährigen Krieg um 20 Jahre oder mehr zurückgebombt.

Die schrecklichen Lebensbedingungen im Nahen Osten sind eine direkte Konsequenz aus dem Kapitalismus und dem Imperialismus. Gleichzeitig sehen wir die Grenzen des Systems. Trotz seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht, ist der Imperialismus nicht in der Lage in der Region für stabile Verhältnisse zu sorgen. Es war das Hauptziel des US-Imperialismus mit dem Krieg im Irak, eine Kontrolle über die enormen Ölreserven des Landes zu erlangen. Aber trotz aller Anstrengungen haben sie dieses Ziel wegen des gegenwärtigen Chaos, das sie selbst verursacht haben, vollkommen verfehlt. Ein größeres, globaleres Ziel war die Kontrolle über den gesamten Nahen Osten.

Der US-Imperialismus sieht seine Interessen in der Region mehrfach bedroht, da viele despotische Regime, die den USA treu ergeben sind, sich inneren Unruhen und dem Risiko gestürzt zu werden, gegenübersehen. Es gab deshalb die Vorstellung, die Region von ihrem Stützpunkt Irak aus zu kontrollieren. Die US-Amerikaner waren besonders besorgt über die Krisenanfälligkeit Saudi-Arabiens und meinten, dass sie vom Irak aus die saudischen Ölfelder im Falle eines Zusammenbruchs des Regimes besetzen konnten. Das gleiche trifft auf den Iran zu, mit dem sie von einem starken Stützpunkt im Irak aus leichter umzugehen glaubten.

Sie hatten geplant, einen Korridor von Militärstützpunkten in der gesamten Region aufzubauen. Diese Pläne haben sich in Luft aufgelöst, da der Krieg im Irak sich anders als geplant entwickelte. Anstatt mit größerer Beständigkeit haben wir es mit einer größeren Instabilität zu tun. Anstatt die Systeme, die sich dem Imperialismus gegenüber loyal verhalten, zu stärken, sehen sich diese mit großer Unruhe von unten konfrontiert.

Der Krieg im Irak

Die US-Imperialisten wollten den so genannten "Schurkensaaten" wie den Iran und Syrien die weitergehende Botschaft aussenden, "entweder ihr verhaltet Euch so, wie wir es möchten oder ihr seid als nächste dran". Diese Botschaft richtete sich auch an die ehemaligen Kolonialstaaten, an die Regierungen und Völker, die es wagen, auszuscheren. Die USA hatten die Vorstellung, sie könnten die Welt ungezügelt regieren und den Völkern ihre seltsame Form von "Demokratie" aufzwingen, nicht die Herrschaft des Volkes, sondern die Herrschaft über das Volk durch eine ausländische Macht.

Das ist gescheitert und nun haben sie im Irak die Niederlage vor Augen. Daraus können wir lernen, dass der Imperialismus nicht so mächtig ist, wie es schien und er besiegt werden kann. Jetzt haben sie das Gegenteil von dem erreicht, was sie eigentlich wollten. Vom Standpunkt der fundamentalen Interessen der herrschenden Klasse in den USA ist der Krieg in diesem Sinne ein kompletter Fehlschlag.

Wie sich doch die Dinge in nur einigen Jahren geändert haben. Nach dem ursprünglich schnellen Vormarsch und der Einnahme Bagdads, vergossen Teile der "Linken" Tränen über die unumschränkte Macht des Imperialismus und die Jahrzehnte reaktionärer Politik, die vor uns lägen. Das widerspiegelt ihre vollkommene Unfähigkeit, die eigentlichen Prozesse, die sich in der Welt vollziehen, zu verstehen. Diese Menschen sehen nur die Macht der herrschenden Klasse, nicht aber die Widersprüche die durch alle Ebenen der Gesellschaft gehen.

Jetzt ist das genaue Gegenteil eingetreten. Die Menschen können die wirklichen Auswirkungen des Krieges sehen. Sie können beobachten, dass die mächtigste Armee der Welt nicht in der Lage ist, ein Volk zu unterdrücken, das die Besatzer nicht in seinem Land will. Erinnerungen an Vietnam werden wach. Der Vietnamkrieg hatte einen großen Einfluss auf das Bewusstsein der US-amerikanischen ArbeiterInnen und erteilte der herrschenden Klasse der USA eine wichtige Lektion. Augenscheinlich hat Bush diese Lektion vergessen (oder sie überhaupt nicht gelernt).

Dies alles ist eine logische Konsequenz aus dem Ende des Stalinismus. Ein Teil der Bourgeoisie in den USA setzte sich in den Kopf, er sei allmächtig. Der jahrzehntelange Konflikt zwischen den Supermächten USA und UdSSR war von den US-Amerikanern gewonnen worden. Ein neues Zeitalter wurde eingeführt, das der Neuen Weltordnung mit den USA als einzig verbliebener Supermacht. Nun müssen sie Lehrgeld bezahlen und erkennen, dass es sich um ein Märchen gehandelt hat. Es ist eine Sache, eine ökonomische und militärische Weltmacht zu sein, eine andere aber die Völker der Welt zu unterdrücken.
Und trotz seiner Erfahrungen im Irak, ist Bush fest entschlossen, sich Syrien und den Iran vorzunehmen. Bei diesem Vorgehen steht ihm allerdings die Opposition gegenüber, die mit Syrien und dem Iran Verhandlungen will (wie es z. B. im Bericht der Baker-Kommission angedeutet wird). Diese reflektiert den wirklichen Zustand der herrschenden Klasse der USA. Sie ist im Weltmaßstab in einer verzweifelten Situation, was auf eine allgemeine Krise des Systems weist. Die Spaltung innerhalb der herrschenden Klasse der USA widerspiegelt die Krise, in der sich ihr System befindet.

Wir haben das in all unseren Publikationen und Diskussionen in der Vergangenheit vorhergesagt. Wie Trotzki erklärte, hat der Marxismus den Vorteil, dass wir vorausschauen können, anstatt uns überraschen zu lassen. MarxistInnen gestatten es sich nicht, durch dieses oder jenes Ereignis im Weltgeschehen hin und her geschoben zu werden. Wir stützen uns auf wirkliche und grundlegende Prozesse. Wir stützen uns auf die Tatsache, dass der Kapitalismus ein System ist, das durch innere Widersprüche gespalten ist, die eines Tages an die Oberfläche kommen.

Ursprünglich war Bush davon überzeugt, dass er den 11. September benutzen konnte, um den Krieg im Irak, in Afghanistan –und falls nötig- anderswo zu rechtfertigen. Nun hat das Schlamassel im Irak Auswirkungen in den USA selbst. Die letzten Midterm-Wahlen (die Wahlen, die zwischen den alle vier Jahre stattfindenden Präsidentenwahlen liegen, bezeichnet man als "midterm" Wahlen) zum US-Kongress widerspiegeln die allgemeine Ablehnung der Politik Bushs. Auch innerhalb der US-Armee und bei den Angehörigen der Soldaten gibt es Folgeerscheinungen. In den USA besteht momentan eine Antikriegsstimmung. Trotzdem zieht es Bush vor, diese zu ignorieren und so unbekümmert weiterzumachen, als ob nichts geschehen wäre. Er hat beschlossen, weitere 20.000 Soldaten in den Irak zu schicken. Er verhält sich wie ein Spieler, der seinen letzten großen Einsatz verwettet und damit versucht, alles zurückzugewinnen. Er hat sich eine Million Lichtjahre von den ArbeiterInnen in den USA entfernt und ist nicht in der Lage, die wirkliche Stimmung in den USA zu verstehen.

Die Kosten für den Krieg, sowohl in finanzieller als auch in Hinsicht auf die getöteten und verwundeten Soldaten, sind für die USA immens. Es handelte sich um keine gute Investition. Die Zahl der durch den Krieg direkt oder indirekt getöteten Iraker wird auf 600.000 geschätzt. Als Auswirkung der steigenden Anzahl getöteter US-Soldaten und der schrecklichen Zerstörungen, die dem irakischen Volk zugefügt wurde, radikalisierte sich die Stimmung in den USA selbst.

Trotz ihrer enormen militärischen Hardware haben die USA die Kontrolle über Bagdad und den Westen des Irak verloren. Ganze Gebiete sind unter der Kontrolle der Milizen. Die Schwäche der USA wird durch die Tatsache deutlich, dass sie auf die Idee gekommen sind, ihre Soldaten dort in ihre Stützpunkten einzuschließen, weil das der einzige "sichere" Ort für sie ist.

Die Situation für die Regierung Maliki ist symptomatisch. Sie stützt sich auf die militärische Macht der USA und ist in diesem Sinne eine "Marionette". Aber die US-Amerikaner kontrollieren diese Marionette nicht völlig. Maliki sucht seit der Vollstreckung des Todesurteils gegen Saddam Hussein das Bündnis mit den schiitischen Milizen, um diese zu beschwichtigen. Aber während das die Schiiten vielleicht beschwichtigt, macht es die Sunniten zornig. Mittlerweile werden die Kurden als Pfand betrachtet – soweit zu ihrem Recht der Selbstbestimmung.

Es gibt momentan Gerüchte über einen Staatsstreich, um Maliki aus dem Amt zu entfernen. Das erinnert uns an die Positionen des US-Imperialismus gegen Ende des Vietnamkrieges in den 1970ern. Auch dort konnten sie nicht die Marionette finden, die ihre Wünsche erfüllte und so beschlossen sie das Geschehen selbst in die Hand zu nehmen. Wir erinnern uns noch gut daran, wie das endete. Die Situation im Irak ist dermaßen schlecht und es gibt schon Gerüchte, dass die US-Amerikaner einen neuen Diktator – vielleicht einen wie Saddam – einsetzen wollen.

Da die USA nicht in der Lage sind, das Land ausschließlich mit militärischen Mitteln zu halten, versuchen sie die alte "Teile-und-Herrsche-Politik" anzuwenden und verschärfen so einfach die zunehmenden Spannungen zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden. Am Ende könnte dabei ein Bürgerkrieg und schließlich der Zerfall des Landes herauskommen. Das alles war so nicht geplant.

Der Krieg im Irak hat deshalb keines der Probleme des US-Imperialismus gelöst, sondern diese ganz einfach verschlimmert sowie die wirklich bestehenden Widersprüche an die Oberfläche gebracht, das Tempo des Klassenkampfes in den USA beschleunigt und den gesamten Nahen Osten weiter destabilisiert.

Der Libanon nach dem Krieg

Im letzten Sommer wurde Israel eine barsche Lektion erteilt. Das Land besitzt die am besten ausgerüstete und trainierte Armee im Nahen Osten und trotzdem wurde die stärkste imperialistische Kraft in der Region durch die Hisbollah besiegt. Das hatte eine starke psychologische Wirkung auf die Völker in dem Gebiet. Wie im Fall der USA im Irak, hat die Niederlage Israels die Botschaft verbreitet, dass es nicht allmächtig und unbesiegbar ist. Das hat natürlich auch eine psychologische Wirkung auf die israelische Bevölkerung. Im Norden des Landes wurden die Städte bombardiert und es gelang der israelischen Armee nicht, die Bevölkerung dort zu schützen. Dies warf ernsthafte Zweifel über die Fähigkeit der israelischen Armee zur Verteidigung der eigenen Bevölkerung auf.

Israel wurde auf der psychologischen Grundlage errichtet, dass es ein "sicherer Ort" in der Welt für die Juden sei. In den vergangenen Kriegen war Israel stets der Sieger. Obwohl das Land von vielen Feinden umgeben ist, konnte es militärisch mit diesen fertig werden. Diese Vorstellung hatte sich festgesetzt.

Nun beginnt die Bevölkerung zu begreifen, dass die israelische Armee trotz ihrer auf dem Papier bestehenden Macht nicht unbesiegbar ist. Sie war nicht in der Lage den Volkswiderstand im Süden des Libanon zu besiegen. Wir sollten uns daran erinnern, dass die Hisbollah sich ursprünglich nicht als eine von außen unterstützte Kraft entwickelte. Sie wurde nicht vom Iran in den Libanon verpflanzt, sondern entstand als Widerstandsgruppe gegen die letzte Besatzung durch israelische Truppen.

Die Hisbollah ist ein Ausdruck des islamischen Fundamentalismus, wurde aber errichtet, weil die libanesische Bevölkerung sie brauchte. Deshalb wäre es falsch, an dieses Phänomen einseitig und mechanisch heranzugehen.

Wenn man sich dem islamischen Fundamentalismus einseitig nähern würde, müsste man tatsächlich ein sehr dunkles Bild von reaktionären Kräften entwerfen, die den Nahen Osten beherrschen und würde dabei die wirkliche Lage aus den Augen verlieren. Man müsste erklären, warum der Kapitalismus in Lateinamerika Revolutionen hervorruft und eine revolutionäre Wellen der nächsten folgt, in einem anderen Teil der Welt aber das genaue Gegenteil zu passieren scheint.

Eine genauere und abgerundetere Herangehensweise an die Situation im Nahen Osten lässt erkennen, dass auch hier Klassenwidersprüche bestehen. Sie drücken sich einfach nur auf eine andere Art und mit einer anderen Geschwindigkeit aus. Es wäre sehr oberflächlich zu dem Schluss zu kommen, der Klassenkampf befände sich im Nahen Osten nicht auf der Tagesordnung. Es würde auch bedeuten, die Tatsachen selbst zu ignorieren.

Wir wurden im Januar 2007 Zeugen eines massiven Generalstreiks im Libanon. Es gab Demonstrationen, an denen zwei Millionen Menschen – in einem Land mit vier Millionen Einwohnern – teilnahmen. Es ist wahr, dass die Hisbollah die Lücke gefüllt hat, das liegt daran, dass eine echte linke Alternative fehlt, nicht aber an einem Mangel an Bereitschaft bei den Massen, für ihre Interessen zu kämpfen.

Die Hisbollah wirft soziale Fragen auf, die Frage nach der Armut, der Wohnungsnot etc. Aus diesem Grund steht sie mit den Armen, besonders den Schiiten, in Verbindung. Wir haben es im Libanon mit einem enormen revolutionären Potential und nicht mit der schwarzen Reaktion zu tun. Die gegenwärtige Regierung ist prowestlich, für "Reformen", wie sie es selbst ausdrückt. In Wirklichkeit steht sie für Kürzungen, Privatisierungen etc. Ihr Ziel ist es, den Libanon mit allen dazugehörigen Auflagen in die Welthandelsorganisation zu bekommen. Das Land hat hohe Schulden, die nach dem Willen der Imperialisten abgebaut werden müssen. Dafür sollen die ArbeiterInnen und die Armen zahlen und das hat im Land selbst soziale und radikalisierende Folgen.

Im letztjährigen Libanonkrieg starben 1200 Zivilisten, eine Million Menschen wurden zwangsvertrieben, 30.000 Häuser zerstört und die Infrastruktur erheblich zerstört. Das libanesische Bruttoinlandsprodukt war am Steigen, jetzt wird eine Abnahme um drei Prozent erwartet. Die Regierung kann keine Alternativen anbieten.

Die Bewegung gegen Ministerpräsident Siniora hat, trotz allem was die Hisbollah sagt, mit der Unzufriedenheit der Massen, mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen zu tun. Die Hisbollah ist in der Klemme, sie unterstützte, wie der Gewerkschaftsverband, den Generalstreik, wollte aber lieber einen leisen Streik, bei dem die Menschen in ihren Häusern geblieben wären.

Die Hisbollah will die Bewegung ausnutzen, um für sich selbst eine größere Macht in einem kapitalistischem System und mehr Macht im Parlament zu erlangen. Sie will nicht den direkten Sturz der Regierung Siniora, denn sie hat keine wirkliche Alternative zu Sinioras Wirtschaftspolitik. Aber die Massen wollen den Sturz einer Regierung, welche die Interessen der ArbeiterInnen mit Füßen tritt und sie wollen eine Lösung für die drängendsten sozialen Probleme.

Aus diesem Grund werden die Führer der Hisbollah mit der Zeit als bürgerliche Politiker entlarvt werden, die keine grundlegenden Änderungen anbieten können. Momentan verfügen sie natürlich über ein großes Ansehen, denn sie sind diejenigen, die "Israel besiegt haben". Aber die Massen und die Hisbollah-Kämpfer an der Basis kämpfen für mehr als nur einen Personenwechsel an der Spitze des Staates.

Die Hisbollah stützt sich auf eine Massenbewegung. Dieses Phänomen ist nicht so einfach zu verstehen, denn es ist ein fundamentaler Populismus und dieses Phänomen kann sich als äußerst rechte Tendenz ausdrücken oder als antiimperialistische Kraft, die den Anschein weckt, sie "kämpft für die Massen". Es gibt Versuche, die Hisbollah als revolutionäre Formation, aber auch als halbfaschistisches Phänomen zu charakterisieren. Aber in ihrem Wesen ist sie populistisch, mit einer bürgerlichen Führung, die sich auf eine Massenbewegung stützt. In unserer Orientierung auf die Massen, die auf diese Bewegungen wie die Hisbollah schauen, dürfen wir weder sektiererisch noch opportunistisch herangehen. Wir müssen verstehen, was die Massen und was die Führer dieser Bewegungen wollen, und das ist überhaupt nicht identisch.

Wir könnten den Aufstieg solcher Kräfte wie der Hisbollah nicht verstehen, ohne die Frage der Führung der Arbeiterklasse zu verstehen oder vielmehr das Fehlen dieser Führung. Die Führung des Gewerkschaftsverbands ist vollkommen korrupt und hat keine wirkliche Antwort auf die Fragen der libanesischen ArbeiterInnen.

Es gibt die Kommunistische Partei des Libanon, die mit der Hisbollah verbündet ist. Vor dem Krieg hatte sie nur ein paar hundert Mitglieder, jetzt sind es Tausende. Wir dürfen nicht vergessen, dass die libanesischen KommunistInnen am Widerstand beteiligt waren. Das beweist, dass es ein Potenzial für eine linke Kraft in der arabischen Welt gibt. Ein Teil der libanesischen ArbeiterInnen und der Jugend hat sich auf der Suche nach einer linken Alternative der KP zugewandt. Es ist jedoch bedauernswert, dass sich die Führer der Partei die Etappentheorie auf dem Weg zur Revolution zu eigen gemacht hat, zuerst die demokratische Etappe und danach viel später die sozialistische. Das führt sie dazu, "progressive Kräfte" in der Bourgeoisie zu suchen und die Rolle der Arbeiterklasse herunterzuspielen. Vermutlich ist die Hisbollah eine solche "fortschrittliche" Kraft. Aber die Tatsache, dass die KP existiert und angewachsen ist, zeigt, dass es unter den ArbeiterInnen und der Jugend Kräfte gibt, die nach einer sozialistischen Alternative suchen. Unter den Bedingungen, die in diesem kleinen Land existieren, sollte uns das nicht überraschen.

In Israel haben die Auswirkungen des Krieges zu einer tiefen gesellschaftlichen Krise geführt. Die Arbeitsbedingungen haben sich in der letzten Zeit verschlechtert. Die Regierung versucht zwischenzeitlich Privatisierungen durchzusetzen und Kürzungen im Sozialbereich vorzunehmen. Sie betreibt die gleiche Politik wie Siniora auf der anderen Seite der Grenze im Libanon.

Israel – Unruhe im Innern

In dieser Hinsicht sind sie sich – gegen ihre eigene Bevölkerung – einig. Die israelische Regierung verlangt weitere Kürzungen, um die Kosten des Krieges zu bezahlen Große Teile der Bevölkerung in Israel fühlen den Druck. Während täglich neue politische Skandale ans Tageslicht kommen, wächst die Ungleichheit kontinuierlich. Da sie mit inneren Problemen konfrontiert war, hatte die herrschende Klasse die Vorstellung, der Krieg im Libanon wäre eine gute Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Massen von diesen Problemen zu lenken und sie auf den "äußeren Feind" zu richten. Sie hat das Gegenteil erreicht und nur die inneren Widersprüche der israelischen Gesellschaft weiter verschärft.

Die Massen sollen jetzt für den Krieg bezahlen. Die Feuerwehrleute sind hierfür ein herausragendes Beispiel. Einige von ihnen haben seit einem Jahr keinen Lohn mehr bekommen! Es waren aber sie, die gerufen wurden, um die Feuer zu löschen, die während des Krieges durch die Raketenangriffe im Norden hervorgerufen wurden. Und während die ArbeiterInnen ums Überleben kämpfen müssen, gibt es parallel dazu eine Flut von Korruptionsskandalen an der Spitze des Landes, die den Werktätigen deutlich machen, wie die Reichen in Wirklichkeit leben.

Die Stimmung widerspiegelt sich in der Tatsache, dass Israelis, die über zwei Staatsbürgerschaften verfügen, ihre nicht-israelischen Pässe hervorkramen und bereit sind, das Land zu verlassen. In den ersten Jahren nach der Staatsgründung glaubten viele Menschen, dass Israel mit seinem Kibbuz-System "sozialistische Elemente" besitze. Sie glaubten ernsthaft, dass man eine neue, gerechtere Gesellschaft aufbauen könnte. Es gab damals Vollbeschäftigung und einen hohen Lebensstandard. Jetzt wollen viele das Land verlassen oder dass ihre Kinder sich woanders niederlassen. Es besteht allgemein eine pessimistische Stimmung: "Dies ist nicht das Israel, wie es eigentlich sein sollte", zumindest für die Juden. (Für die Palästinenser war das natürlich niemals der Fall.)

Das israelische Militär ist momentan in einem fürchterlichen Zustand. Das zeigt sich an der Tatsache, dass Armeestabschef Dan Halutz zum Rücktritt gezwungen wurde, womit praktisch das Versagen im Libanon bestätigt wurde. Kurz nach dem Libanonkrieg im letzten Jahr sprachen hohe israelische Militärs von einem baldigen neuen Krieg. Sie sind aber nicht in der Lage, diesen zu führen.

Wir sagten voraus, dass die Klassenfragen nach dem Krieg wieder zum Vorschein kommen würden. Es dauerte nicht lange bis das eintraf. Im Dezember kam es zu einem Generalstreik im öffentlichen Dienst. (Außerdem gab es weitere Streiks, wie den der Hafenarbeiter.) Die Arbeitsgerichte intervenierten und erklärten den Streik – zur Erleichterung der Gewerkschaftsführer, die damit gerechnet hatten - für gesetzeswidrig. Aber einen Tag lang hatten wir einen flüchtigen Eindruck von der wahren Situation der israelischen Gesellschaft. Die Beteiligung war stark, und wären da nicht die Gerichte und die Gewerkschaftsführer gewesen, hätte sich der Streik zu etwas Großem entwickeln können.

Wieder einmal haben wir es mit der Führung und dem Zustand der Linken im Allgemeinen zu tun. Es gibt die israelische Arbeiterpartei. Vor einigen Jahren gab es Anzeichen, was in der Partei, die wie alle wichtigen israelischen Parteien in erster Linie eine zionistische ist, passieren könnte. Peretz wurde Parteivorsitzender, nachdem er zuvor Führer des Gewerkschaftsverbandes Histradut gewesen war.

Sein bescheidenes Programm, in dem die Erhöhung der Löhne und Renten gefordert wurde, beängstigte die Bourgeoisie. Die israelischen Medien starteten sofort eine Kampagne und übten enormen Druck auf Peretz aus, der dazu führte, dass er sich schnell nach rechts bewegte. Jetzt ist er Verteidigungsminister und kriecht vor der herrschenden Klasse. Aber für eine kurze Zeit erweckte die Öffnung vor allem bei Teilen der israelischen Jugend die Hoffnung, dass die Dinge sich ändern könnten. Aber diese endete schnell.

Alle wichtigen Parteien sind in der Tat in Verruf geraten und auf der Linken gibt es keine Kraft, die den Weg nach vorne anführen könnte. Das bestreitet nicht die Tatsache, dass das Potenzial zum Aufbau einer wachstumsfähigen Linken in Israel vorhanden wäre. Früher oder später werden alle Alternativen versucht worden sein und die denkenden Kräfte in der Arbeiterbewegung und der Jugend werden beginnen, ihre Schlüsse zu ziehen. Der Klassenkampf wird nicht auf unbestimmte Zeit zurückgehalten werden können.

Iran: Klassenspaltungen und ein Riss in der herrschenden Klasse

Im Iran konnten wir eine Verlagerung innerhalb des Regimes beobachten. Ahmenideschad schnitt bei den letzten Wahlen schlecht ab und die Reformer, die schon am Ende zu sein schienen, erlebten ein Comeback. Die herrschende Elite des Iran ist deutlich gespalten. Es gibt einen Flügel, der mit den USA verhandeln möchte. Dieser hat ein Pendant in der herrschenden Klasse der USA, die den Iran im Moment in Ruhe lassen möchte. Dies wird damit begründet, dass die inneren Spaltungen im Iran zu einer Krise des Regimes führen werden und eine Intervention von außen überflüssig machen. Sie haben auch begriffen, dass man im Irak eine Strategie für den Abzug entwickeln muss und dafür die Hilfe des iranischen Regimes mit seinem Einfluss in der schiitischen Bevölkerung benötigt.

Im Land selbst gibt es eine wachsende Unzufriedenheit. Die Medien konzentrieren sich darauf oder auf die letzte Rede Ahmenideschads oder aber auf das iranische Atomprogramm. Wir dagegen unterstreichen die Bewegung der Arbeiterklasse. In den letzten Jahren gab es verschiedene wichtige Kämpfe der Arbeiterklasse und der Jugend. Ein Beispiel über die Stimmung unter den Jugendlichen waren die Ereignisse am "Studententag". Ahmenideschad sprach zu den StudentInnen an der Universität Teheran und war über die Begrüßung sehr erstaunt. Die StudentInnen protestierten und zerrissen Bilder von ihm, beschimpften ihn als Faschisten und forderten ihn auf zu gehen. Er war gelinde gesagt geschockt, denn er ist es gewohnt vor handverlesenen Massen zu sprechen, die gewöhnlich für ihn auftauchen.

Wenngleich er von den Studenten gehasst wird, befindet sich Ahmenideschad doch in einer guten Gesellschaft, wenn es um das Intellekt geht, dort befindet er sich auf einer Ebene mit Bush. Erst kürzlich organisierte er eine so genannte "objektive" Holocaust-Konferenz mit dem Ziel "überzeugende" Beweise zu finden, dass Millionen Juden während des Zweiten Weltkriegs nicht von den Nazis getötet worden seien. Begleitet wurde dieses Vorhaben mit den wiederkehrenden Drohungen, Israel zu zerstören.

Etwas Besseres konnte der herrschenden Klasse in Israel nicht passieren. Er spielt damit in die Hände der Zionisten. Jetzt, wo sich in Israel die Klassenfragen verschärfen, liefert Ahmenideschad eine passende Ablenkung. Das Gefälle zwischen Reich und Arm ist in Israel noch nie größer gewesen, aber mit der Androhung, die Existenz Israels zu gefährden und dem Atomprogramm liefert das islamische Regime im Iran der israelischen Regierung, was sie benötigt, um "die Nation zu einen": Eine Bedrohung von außen.

Das Atomforschungsprogramm des Iran beunruhigt sowohl die herrschende Klasse Israels als auch die US-Imperialisten. Israel erwägt jetzt ernsthaft Luftangriffe auf iranische Atomeinrichtungen. Die USA bereiten sich ebenfalls darauf vor. Das verursacht im US-Militär große Beunruhigung. Führende US-Offiziere sind nicht davon überzeugt, dass ein Angriff das richtige Mittel wäre. Das israelische Militär ist nach dem Libanon-Debakel ebenfalls nicht in einem guten Zustand. Und, wie wir gesehen haben, ist eine wichtige Gruppe innerhalb der US-Bourgeoisie auch zu dem Schluss gekommen, dass ein schrittweise Abzug aus dem Irak und nicht die Ausweitung der Operationen in der Region nötig ist.

Das schließt nicht die Möglichkeit aus, dass der Iran bombardiert wird. Das Ausmaß an Instabilität wird durch die reale Bedrohung mit der Bombe, sowohl seitens Israels als auch der USA verstärkt. Sie werden allerdings einem Problem gegenüberstehen, der Iran besitzt einen mächtigen Militärapparat.

Der politische Zustand Palästinas

In Palästina werden die Fatah und Abu Mazen dazu getrieben die Hamas anzugreifen. Dadurch wird die Fatah vor den palästinensischen Massen bloßgestellt. Das Problem besteht darin, dass die herrschende Klasse Israels nicht viel davon hält, mit der Fatah zusammenzuarbeiten. Wir MarxistInnen können die Hamas nicht unterstützen, weil wir uns des reaktionären Charakters der Gruppe voll bewusst sind. Uns ist aber auch bekannt, dass sie aufgrund der Fehler der Fatah, der verzweifelten Lage der Massen und dem Fehlen einer glaubwürdigen Klassenalternative ans Ruder gekommen ist. Es ist eine ähnliche Situation wie bei Hisbollah im Libanon.

Die Fatah war zuerst für den jahrzehntelangen individuellen Terror verantwortlich, der vollkommen fehlschlug und nichts erreichte. Die jahrelangen Bombenkampagnen brachten das palästinensische Volk kein bisschen näher an ihr Ziel. Die erste Intifada erreichte in der Tat in der Vergangenheit weit mehr als die Bomben. Anstatt des individuellen Terrorismus erhob sich hier das palästinensische Volk und forderte die israelische Herrschaft heraus.
Mit einer radikalen Wende bemühten sich die Führer der Fatah dann mit dem Imperialismus Übereinkünfte zu schließen und verkauften so de facto viele der Hoffnungen des palästinensischen Volkes. Während das passierte, verschlechterten sich die Lebensbedingungen der Palästinenser kontinuierlich.

In diesem Zusammenhang begann die Hamas zu wirken, zuerst als eine Art soziale Wohlfahrtsorganisation, später nahm sie eine immer größere Rolle in der Politik an. Die Hamas-Führer sind im Wesentlichen bürgerliche Politiker, die von den USA und Israel als rechtmäßig akzeptiert werden möchten. Es besteht allerdings das Problem, dass die Imperialisten sie nicht als solche akzeptieren, denn sie fürchten die Armen und Unterdrückten, die sich massenhaft hinter der Hamas versammelt haben.

Dies alles schafft ein Vakuum in der palästinensischen Gesellschaft. Die Fatah hat sich in der Vergangenheit in der Regierung bloßgestellt, die Hamas stellt sich heute bloß. Wir haben es wiederum mit dem Fehlen einer linken Alternative zu tun. Und dabei hat das palästinensische Volk eine lange Tradition säkularer und linker Politik. Es ist eine Tragödie, dass die reaktionären Vorstellungen des islamischen Fundamentalismus bei diesem Volk Fuß fassen konnten. Das wird aber nicht auf ewig der Fall sein.

Ägypten – eine große Polarisierung zwischen Arm und Reich

Ägypten hat 80 Millionen Einwohner und ist ein Schlüsselland mit einer starken Arbeiterklasse. Das folgende ist paradox: Das BIP wächst jährlich um 7 %, das Haushaltsdefizit liegt bei 1% des BIP, die ausländischen Direktinvestitionen sind seit 2003 um das sechsfache gestiegen, die Auslandsreserve liegt bei 18 Milliarden Dollar. Deshalb scheint zumindest auf dem ersten Blick alles in Ordnung zu sein.

Aber die normalen Ägypter sind im Großen und Ganzen überhaupt nicht glücklich, denn der Reichtum hat keine Auswirkungen nach unten. Die Gesellschaft ist aufs Äußerste gespalten und ein großer Teil der Menschen lebt in bitterer Armut. Momentan wird Druck auf die Regierung ausgeübt, um das Tempo bei der Privatisierung zu beschleunigen. Von den 22 Millionen Werktätigen sind gegenwärtig ein Drittel beim Staat beschäftigt. Aber ihre Arbeitsplätze sind ernsthaft in Gefahr. Wenn die Regierung ihre Pläne umsetzt, wird am Ende des Jahres 80% der Wirtschaft in privater Hand sein und viele Arbeitsplätze werden wegfallen.

44% der Bevölkerung lebt von weniger als zwei Dollar am Tag. In den letzten Wochen wurden die Subventionen für Grundnahrungsmittel, die in erster Linie von den Armen konsumiert werden, gestrichen. Die Preise haben sich in den letzten beiden Jahren verdoppelt. Ägypten ist in der Region nach Israel der zweitgrößte Empfänger von Auslandshilfe aus den USA, die allerdings zu zwei Dritteln aus militärischer Hilfe besteht und keinen Effekt auf die Lebensbedingungen der Massen hat. Die USA versuchen Ägypten als Verbündeten in einer unsicheren Region den Rücken zu stärken. Das Land braucht einen starken Militärapparat, um die eigenen ArbeiterInnen und – falls nötig – diejenigen in den Nachbarstaaten zu kontrollieren.

Vor anderthalb Jahren fanden in Ägypten Wahlen statt. 77% der Wahlberechtigten nahmen nicht daran teil, was ein Indiz für die Stimmung der Massen ist, die sich von keinen der Kandidaten vertreten fühlen. Bei diesen Wahlen trat erstmals die Kefaya-Bewegung auf, die sich vor allem auf die Mittelschichten stützt. Kefaya heißt soviel wie genug. Das zeigt, dass die Mittelschichten in Ägypten die Auswirkungen der Wirtschaftskrise ernsthaft zu spüren bekommen haben und in der ägyptischen Gesellschaft eine schärfere Radikalisierung stattfindet.

Ägypten hat ein sehr repressives antigewerkschaftliches Regime und der Kampf der Arbeiterklasse wird niedergehalten. Die Gewerkschaften werden vom Staat kontrolliert und Streiks müssen zuerst von diesem genehmigt werden. Und trotzdem wurden wir kürzlich Zeugen eines Massenstreiks der TextilarbeiterInnen gegen die Privatisierung. Das Bedeutendste an diesem Streik war, dass er staatlich genehmigt war. Das widerspiegelt den enormen Druck auf das Regime selbst. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass die ArbeiterInnen siegten und die Regierung einlenkte. Dies zeigt die wirkliche Stimmung unter der Oberfläche. Besonders dort, wo Streiks ungesetzlich sind und die ArbeiterInnen kein Ventil haben, ihre Wut loszuwerden, kann es so aussehen, als ob alles in der Gesellschaft ruhig sei. Aber diese wenigen Punkte helfen, um die wirklich in Ägypten stattfindenden Prozesse zu betonen. Die ägyptische Arbeiterklasse ist eine der größten in Afrika und dem Nahen Osten. Wenn sie erst einmal in Bewegung gerät, wird das die gesamte Region erschüttern und Auswirkungen jenseits der Grenzen Ägyptens haben.

Neue Bewegungen in Marokko

Ein Land, welches das bisher Gesagte unterstreicht ist Marokko. Wir haben es hier mit einem großen Wiedererwachen der Arbeiterklasse und der Jugend zu tun. Seit September 2006 gibt es kontinuierliche Aktionen von ArbeiterInnen, Jugendlichen, Bauern und Hausfrauen gegen die hohen Preise, die gleichzeitig in den wichtigsten Städten stattgefunden haben. Diese wurden von einer zunehmenden Zahl von Streiks begleitet. Es gab in den letzten Jahren ständig StudentInnenproteste gegen Kürzungen und Nichtzulassungen zu den Universitäten.

Die Regierung wird von der Sozialistischen Partei dominiert, einer prowestlichen sozialdemokratischen Partei, die eine auf Sozialabbau fußende Politik betreibt. Diese Politik öffnet, aufgrund des Fehlens einer glaubhaften Alternative auf der Linken, Raum für die Fundamentalisten, die bei den kommenden Wahlen zulegen könnten.

Die Linken befinden sich leider nicht in einem guten Zustand, aber die letzten Entwicklungen offenbaren das enorme Potenzial für den Klassenkampf und eine linke Alternative. Es kommt jetzt darauf an, diese aufzubauen.

Das allgemeine Muster

Wir sehen in all den o.g. Ländern das gleiche Muster: Der Imperialismus verlangt, dass sie privatisieren, die Renten und die Lebensmittelsubventionen kürzen (während die Preise dramatisch ansteigen) etc. Wir können auch beobachten, dass auf der politischen Linken ein Vakuum besteht. Die Situation ist für die Entwicklung einer neuen Linken maßgeschneidert. Das Beispiel der KP des Libanon ist ein Beispiel. Sie ist eine Partei, die keine wirkliche Perspektive für den Sozialismus bietet. Sie ist mit der Hisbollah verbündet – und wächst trotzdem, weil sie die einzig brauchbare Alternative auf der Linken ist.

Im gesamten Nahen Osten sucht eine maßgebliche Schicht von ArbeiterInnen und Jugendlichen nach einer Alternative. Wir befinden uns vor einer Veränderung der Lage. Der Klassenkampf steht in der arabischen Welt wieder auf der Tagesordnung. und die Zunahme des Klassenkampfes wird viele Probleme verdeutlichen.

Ein weiterer Einzelbeweis dafür, dass Gruppen nach links schauen, kann man an der Tatsache sehen, dass Bilder von Chávez überall bei Demonstrationen im Nahen Osten auftauchen. Natürlich tragen sie auch Bilder von Nasrallah, dem Führer der Hisbollah im Libanon mit sich. Aber in den Köpfen vieler Araber wird Nasrallah als derjenige gesehen, der den verhassten israelischen Imperialismus besiegt hat. Aber auf einigen Kundgebungen können wir neben seinen Bildern auch die von Chávez und Che Guevara sehen.

Die von Chávez eingenommene Haltung während des Libanon-Krieges hatte ihre Auswirkungen. Widerspiegelt sie nicht das, wonach die Massen suchen? Sie verstehen instinktiv, was in Venezuela passiert. Sie können beobachten, dass Venezuela sich in einem Konflikt mit dem US-Imperialismus befindet, sie sehen, dass Reformen durchgeführt werden. Das ist es, wonach sie suchen!

Statt mit einer schwarzen Reaktion haben wir es mit einem widersprüchlichen Prozess von revolutionären Sehnsüchten unter den Massen zu tun, die verzerrt werden, weil eine glaubwürdige, bei den Massen verankerte sozialistische Alternative fehlt. In diese Lücke treten die Fundamentalisten, die aber keine Antworten auf die drängenden Probleme der arabischen Massen haben. Die Probleme der ArbeiterInnen im Nahen Osten haben ihre Ursachen im Kapitalismus. Deshalb müssen wir uns den fortschrittlichsten Schichten der Arbeiterklasse und der Jugend in diesen Ländern anschließen.

Wir müssen von einem Klassenstandpunkt an das Problem herangehen

Ein zentraler Aspekt der Krise im Nahen Osten ist die Lage der Palästinenser. Über Jahrzehnte ist die Aufmerksamkeit auf die ihnen vom Imperialismus zugefügten Ungerechtigkeiten gerichtet worden. Wir haben in dieser Frage immer einen prinzipientreuen Klassenstandpunkt bewahrt. Wir haben immer betont, dass die Lösung im Klassenkampf liegt und nicht durch irgendwelche Abkommen, die die Vereinten Nationen sich einfallen lassen. Wir haben die Vorstellung systematisch verteidigt, dass der  Klassenkampf letztendlich die nationalen Teilungen überschreitet.

Jahrelang haben uns verschiedene linke Gruppen uns wegen unserer Position zu Israel/Palästina (und auch zu Irland) und zur nationalen Frage allgemein verspottet. Der einfache Grund dafür ist, dass diese Gruppen nicht wirklich das Vertrauen in die Arbeiterklasse haben und keine Vorstellung besitzen, wie sich die Klasse bewegt. Sie können nicht verstehen, wie arabische und jüdische ArbeiterInnen, katholische und protestantische ArbeiterInnen sich vereinen können.

Der Klassenkampf kehrt aber mit aller Macht zurück. Das wird am deutlichsten in Lateinamerika sichtbar, das wird aber früher oder später weltweite Auswirkungen haben. Die sich in der nächsten Zeit ergebenden Ereignisse werden unsere Position bestätigen und es uns gestatten, uns mit den besten Kräften zu verbünden. Wenn wir in allen Fragen einen prinzipienhaften Standpunkt bewahren, wird das früher oder später zu Ergebnissen führen. Unsere Ideen werden in den Kämpfen erprobt und die fortschrittlichsten ArbeiterInnen und Jugendlichen werden erkennen, dass wir über die Vorstellungen verfügen, die die Gesellschaft voranbringt.

Hier ist ein Beispiel: 1969 waren wir gegen die Entsendung britischer Truppen nach Nordirland, während alle anderen linken Gruppen in die Falle gerieten und die Entsendung aus humanitären Gründen zur Unterstützung der Katholiken forderten. Es dauerte nicht lange, bis die Rolle der britischen Armee offensichtlich wurde und die vorgeblichen Befreier die katholische Bevölkerung unterdrückten. Wir können jetzt stolz zu unserem Standpunkt stehen, wenn wir mit den irischen Sozialisten reden, um das Vergangene zu erklären. Gerade wegen unserer Haltung in der Vergangenheit können wir heute mit ihnen reden.

Das Gleiche wird im Nahen Osten geschehen. Wir schauen nicht nach Abkürzungen und verbiegen uns nicht in opportunistischer Weise. Unsere Position ist, dass sich die israelische Arbeiterklasse gegen die eigene Bourgeoisie auflehnt. Die Niederlage der Armee im Libanon hat seine Auswirkungen, genauso wie die der USA im Irak, es besteht nur der kleine Unterschied für die Israelis, dass sie sich nicht wohlbehalten über den Atlantik zurückziehen können wie die USA. Sie müssen ihre Probleme vor Ort klären und einen Ausweg finden – diese Lösung kann nur der Klassenkampf sein.

Bei der Analyse der Ereignisse und der Ausarbeitung von Perspektiven für den Nahen Osten müssen wir uns die internationale Lage als Ganzes ansehen. Die Entwicklung der Revolution im Weltmaßstab wird einen enormen Einfluss auf den Nahen Osten haben. Wir dürfen den allgemeinen Prozess nicht ignorieren und nur einen Teil der Welt isoliert betrachten. Wir können klare Anzeichen erkennen, dass der Klassenkampf überall ausbricht.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien bei www.funke.at im März 2007 in zwei Teilen. Wir spiegelten von dort.