Atomismus, logischer -
neupositivistische Lehre, nach der die «Welt» aus atomaren,
d.h. ursprünglichen, unteilbaren, diskreten und voneinander
isolierten Einzeltatsachen besteht, wobei unter «Welt» meist
das unmittelbar Gegebene, die Gesamtheit der menschlichen
Sinnesempfindungen, verstanden wird.
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Philosophischstorischer
Ausgangspunkt des logischen Atomismus ist der subjektive
Idealismus HUMES. Nach HUME bilden einfache, unteilbare und aus
diesen zusammengesetzte Sinneseindrücke
die notwendige und hinreichende Grundlage der menschlichen
Vorstellungen, Erinnerungen und Gedanken (ideas), d.h. der
gesamten Denktätigkeit; eine gewisse Beständigkeit und
Wiederkehr bestimmter Eindrücke erwecke die Illusion real, d. h.
außerhalb des Menschen existierender Dinge.
Die Welt, wie sie in unseren
Perzeptionen existiert, besteht aus atomartigen Ereignissen, die
zusammengesetzt erscheinen, aber nie kausal verknüpft sind. Im
Anschluß an HUME zerlegt MACH die Welt in unteilbare «Elemente»
(Farben, Töne, Räume, Zeiten usw.) neutralen (weder materiellen
noch geistigen) Charakters, die sich, in dieser oder jener Weise
geordnet, zu gewissen Komplexen verbinden können.
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RUSSELL und WITTGENSTEIN kommen
im Rückgriff auf HUME und in Anlehnung an MACH so wie über die
logische Analyse der Sprache zur Auffassung vom atomaren
Charakter der «Welt». RUSSELL unterscheidet zunächst drei
grundlegende Satzformen: 1. Elementarsätze, 2.
Wahrheitsfunktionen von Elementarsätzen, 3. Generalisationen. 2.
und 3. sind durch einfache logische Operationen aus 1.
ableitbar. Der Elementarsatz
kann dagegen nicht in andere
Sätze zerlegt werden; er ist ursprünglich, atomar, setzt
sich jedoch aus Ausdrücken (Worten) zusammen. Dem
Ausdruck entspricht ein Gegenstand (eine Sache) der «Welt»; der
Ordnung zwischen den Ausdrücken im Satz entspricht ein gewisser
Zusammenhang zwischen den Gegenständen (Sachen); dem ganzen
Elementarsatz ein Ereignis bzw. eine Einzeltatsache.
Elementarsätze sind Bilder von Tatsachen. «Daß sich die Elemente
des Bildes in bestimmter Art und Weise zueinander verhalten,
stellt vor, daß sich die Sachen so zueinander verhalten» (wittgenstein,
Tractatus logico-philosophicus 2.15).
Der logische Atomismus
russells und
wittgensteins
beruht auf apriorischen Grundlagen. Die diskrete Struktur der
Sätze wird verabsolutiert und auf die Struktur der «Welt»
übertragen. Ebenso wie der Elementarsatz eine Kombination von
Ausdrücken ist, ist die Tatsache eine Kombination von
Gegenständen. Ebenso wie (nach Wittgenstein)
der Ausdruck nur Bedeutung innerhalb eines Satzgefüges hat, hat
der Gegenstand nur «Bestand» innerhalb einer Tatsache. Der
Ausdruck (das Wort) ist der einfachste Baustein des Satzes - die
Gegenstände «bilden die Substanz der Welt. Darum können sie
nicht zusammengesetzt sein» (Tractatus 2.0211).
Russels und Wittgensteins Analyse
der «Welt» bedeutet nur scheinbar eine Hinwendung des
Neupositivismus zu sog. ontologischen Fragestellungen. russell
betrachtet die These vom substantiell-attributiven Charakter der
objektiven Realität als eine Ontologisierung der
Subjekt-Prädikat-Struktur von grammatischen Sätzen und leugnet,
daß den menschlichen Empfindungen etwas objektiv Reales
entspreche. Nach Wittgenstein sind
Gegenstände letztlich nur Namen für logisch nicht weiter
zerlegbare Atome der Erkenntnis. Der logische Atomismus steht
und fällt mit dem Begriff der atomaren Tatsache bzw. des
Elementarsatzes (-»• Protokollaussage). Es läßt sich zeigen, daß
weder ursprüngliche und voneinander isolierte «Tatsachen» noch
atomare Sätze im Sinne des logischen Positivismus existieren
können.
Editorische
Anmerkungen
Der Text wurde entnommen
aus:
Buhr, Manfred,
Klaus, Georg
Philosophisches Wörterbuch Band 1, Berlin 1970, S.132
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