Offener Brief von Mitgliedern der Linksjugend ['solid] an die Mitglieder des Landesverbandes der Linken Niedersachsen

04/08

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In der näheren Vergangenheit haben wir uns als Mitglieder der Linksjugend ['solid] in Niedersachsen oft zurückgehalten, was die Einmischung in Debatten und Konflikte innerhalb der Partei angeht. Dies hatte zum einen den Grund, dass wir uns als Verband, der sich seit seiner Neugründung in einem ständigen Wachstumsprozess befindet,  erst einmal inhaltlich finden und personell festigen und zum anderen den im Vorfeld der Landtagswahl herrschenden "Burgfrieden" der Strömungen im Interesse einer erfolgreichen Kandidatur bei der Landtagswahl nicht stärken wollten.

Die Bestätigung unseres klar antikapitalistischen Kurses durch die  Verabschiedung unseres neuen Programms auf unserem Bundeskongress letztes Wochenende geben uns nun aber genug Kraft und Klarheit auch einmal einen Einwurf zu machen. Uns geht es dabei nicht um parteiinterne Strömungen, sondern um politische Bewegung. Diese
Bewegung kann nur als Bündnis aller antikapitalistischen Kräfte  erfolgreich sein. Solidarität ist die Stärke der Linken!

Jedoch mussten wir leider zur Kenntnis nehmen, dass der nun gekrönte Vorsitzende des sog. "Forum demokratischer Sozialismus" Niedersachsen Michael Höntsch sich dafür ausspricht, dass wir Rosa Luxemburg, Che Guevara und Bertolt Brecht als Emblem der Partei in Niedersachsen streichen sollen. An anderer Stelle verteidigt er die Flexibilisierung des Ladenschlussgesetzes durch den rot-roten Senat in Berlin und vertritt einen Schmusekurs gegenüber Rot-Grün in Hannover. Mit der Diskretion nimmt er es auch nicht so genau und leitet mal einfach eben so ausdrücklich als vertraulich gekennzeichnete Mails an Verteiler weiter zu denen die Presse offensichtlich Zugang hat.

Aber schlimmer geht's immer: Der Kreisverband Soltau-Fallingborstel fordert in einem Antrag an den Landesparteitag tatsächlich, wir sollten uns "bei allen öffentlichen Auftritten" stets von den Kommunisten der DKP distanzieren. Hat er dabei übersehen, dass auch in unseren Reihen z.B. in der Antikapitalistischen Linken und im Jugendverband Menschen aktiv sind, die sich als Kommunisten verstehen? Auch sind wir als Teil der Europäischen Linken in einem Dachverband organisiert in dem so manche der Mitgliedsparteien die Vokabel "kommunistisch" noch im Namen trägt. Und zwar als Qualitätsmerkmal (Es sei hier nur beispielhaft auf die äußerst erfolgreiche "Partito della Rifondazione Comunista" in Italien verwiesen)! Wem wird da in Zukunft noch gnädig weitere Mitgliedschaft zugebilligt? Und wem nicht? Muss die Partei dann aus der europäischen Linken austreten oder soll sich diese von einem Viertel ihrer Mitgliedschaft trennen?

Michael Höntsch und die Antragssteller aus Soltau-Fallingborstel sind zu den niedersächsischen Vorturnern derjenigen Genossinnen und Genossen rund um den FDS-Bundessprecher und Berliner Sozialkahlschläger Stefan Liebich geworden, die uns in Berlin mit ihrem "modernen" und "realistischen" Kurs die Hälfte unserer Wählerschaft vertrieben, unser Ansehen bei den dortigen sozialen Bewegungen schwer beschädigt und nicht zuletzt mit ihrer Verwässerung der sozialen Frage den Einzug der damaligen PDS als Fraktion in den Bundestag 2002 verhindert haben.

Der Erfolg bei der diesjährigen Landtagswahl und unser Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl beweisen jedoch, dass wir nur als kämpferische und glaubwürdige Partei, die ihre Inhalte an der sozialen Frage orientiert, eine fundierte Chance haben uns als echte Alternative zur herrschenden Politik des neoliberalen Kahlschlags, der sozialen Kälte und des kulturellen Verfalls zu etablieren. Es sei an dieser Stelle noch mal auf unsere sensationellen 7,1 % (Erinnert euch: Noch 2 Wochen vor der Wahl sahen uns die Umfragedemagogen bei 3%!) bei der Landtagswahl verwiesen, die vor allem das Ergebnis eines betont linken Wahlkampfes waren.

Besagten linken Wahlkampf und unser Image als "Kampfpartei des kleinen Mannes" verdanken wir unter anderem unserem Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine und unserem an seinem Kurs orientierten Landesvorstand. Das heißt nicht, dass wir als sozialistischer Jugendverband uns nicht öfter eine grundsätzlichere Kritik der Partei am Kapitalismus als Lafontaine, Maurer, Dehm sie haben wünschen würden. Aber wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich in der Partei öffentlichkeitswirksam Kräfte durchgesetzt haben, welche die sozialen Missstände konkret benennen und Alternativen zum bestehenden neoliberalen Einheitsbrei wieder populär machen.

Anstatt also die "Hexenjagd" auf Kommunisten wieder zum Leben zu erwecken und die Hinwendung zu neoliberaler Politik zu predigen sollten wir auch in Zukunft darauf hin arbeiten ein möglichst breites Bündnis aller linken Kräfte zu gestalten um zu einer Bewegung zu werden, die es sich von ihrer Bedeutung, Tatkraft und Massenbasis her
erlauben kann die Systemfrage neu zu stellen und gemeinsam den Sozialismus des 21. Jahrhunderts zu erstreiten.

Eure Mitglieder der Linksjugend ['solid]:

André Owczarek (Wolfenbüttel), Fabian Hennig (Helmstedt), Alexander Steltenkamp (Oldenburg), Franziska Wöckel (Oldenburg), Eike Schölgens (Aurich), Natascha Owczarek (Göttingen), Kai Padberg (Northeim), Antje Rosebrock (Verden), Valentin Luckhardt (Wolfenbüttel), Valentin Dittrich (Braunschweig), Florian Höllen (Göttingen), Robert Haider (Hannover), Gerrit Stürmer
 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den offenen Brief von der Verfassern per Mail.