In der näheren Vergangenheit
haben wir uns als Mitglieder der Linksjugend ['solid] in
Niedersachsen oft zurückgehalten, was die
Einmischung in Debatten und Konflikte innerhalb der Partei
angeht. Dies hatte zum einen den Grund,
dass wir uns als Verband, der sich seit
seiner Neugründung in einem ständigen Wachstumsprozess befindet,
erst einmal inhaltlich finden und
personell festigen und zum anderen den im
Vorfeld der Landtagswahl herrschenden "Burgfrieden" der
Strömungen im Interesse einer erfolgreichen Kandidatur
bei der Landtagswahl nicht stärken
wollten.
Die Bestätigung unseres klar antikapitalistischen Kurses durch
die Verabschiedung unseres neuen
Programms auf unserem Bundeskongress
letztes Wochenende geben uns nun aber genug Kraft und Klarheit
auch einmal einen Einwurf zu machen. Uns
geht es dabei nicht um parteiinterne
Strömungen, sondern um politische Bewegung. Diese
Bewegung kann nur als Bündnis aller antikapitalistischen Kräfte
erfolgreich sein. Solidarität ist
die Stärke der Linken!
Jedoch mussten wir leider zur Kenntnis nehmen, dass der nun
gekrönte Vorsitzende des sog. "Forum demokratischer Sozialismus"
Niedersachsen Michael Höntsch sich dafür ausspricht, dass wir
Rosa Luxemburg, Che Guevara und Bertolt Brecht als Emblem der
Partei in Niedersachsen streichen sollen. An anderer Stelle
verteidigt er die Flexibilisierung des Ladenschlussgesetzes
durch den rot-roten Senat in Berlin und vertritt einen
Schmusekurs gegenüber Rot-Grün in Hannover. Mit der Diskretion
nimmt er es auch nicht so genau und leitet mal einfach eben so
ausdrücklich als vertraulich gekennzeichnete Mails an Verteiler
weiter zu denen die Presse offensichtlich Zugang hat.
Aber schlimmer geht's immer: Der Kreisverband
Soltau-Fallingborstel fordert in einem Antrag an den
Landesparteitag tatsächlich, wir sollten uns "bei allen
öffentlichen Auftritten" stets von den Kommunisten der DKP
distanzieren. Hat er dabei übersehen, dass auch in unseren
Reihen z.B. in der Antikapitalistischen Linken und im
Jugendverband Menschen aktiv sind, die sich als Kommunisten
verstehen? Auch sind wir als Teil der Europäischen Linken in
einem Dachverband organisiert in dem so manche der
Mitgliedsparteien die Vokabel "kommunistisch" noch im Namen
trägt. Und zwar als Qualitätsmerkmal (Es sei hier nur
beispielhaft auf die äußerst erfolgreiche "Partito della
Rifondazione Comunista" in Italien verwiesen)! Wem wird da in
Zukunft noch gnädig weitere Mitgliedschaft zugebilligt? Und wem
nicht? Muss die Partei dann aus der europäischen Linken
austreten oder soll sich diese von einem Viertel ihrer
Mitgliedschaft trennen?
Michael Höntsch und die Antragssteller aus Soltau-Fallingborstel
sind zu den niedersächsischen Vorturnern derjenigen Genossinnen
und Genossen rund um den FDS-Bundessprecher und Berliner
Sozialkahlschläger Stefan Liebich geworden, die uns in Berlin
mit ihrem "modernen" und "realistischen" Kurs die Hälfte unserer
Wählerschaft vertrieben, unser Ansehen bei den dortigen sozialen
Bewegungen schwer beschädigt und nicht zuletzt mit ihrer
Verwässerung der sozialen Frage den Einzug der damaligen PDS als
Fraktion in den Bundestag 2002 verhindert haben.
Der Erfolg bei der diesjährigen Landtagswahl und unser
Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl beweisen jedoch, dass
wir nur als kämpferische und glaubwürdige Partei, die ihre
Inhalte an der sozialen Frage orientiert, eine fundierte Chance
haben uns als echte Alternative zur herrschenden Politik des
neoliberalen Kahlschlags, der sozialen Kälte und des kulturellen
Verfalls zu etablieren. Es sei an dieser Stelle noch mal auf
unsere sensationellen 7,1 % (Erinnert euch: Noch 2 Wochen vor
der Wahl sahen uns die Umfragedemagogen bei 3%!) bei der
Landtagswahl verwiesen, die vor allem das Ergebnis eines betont
linken Wahlkampfes waren.
Besagten linken Wahlkampf und unser Image als "Kampfpartei des
kleinen Mannes" verdanken wir unter anderem unserem
Parteivorsitzenden Oskar Lafontaine und unserem an seinem Kurs
orientierten Landesvorstand. Das heißt nicht, dass wir als
sozialistischer Jugendverband uns nicht öfter eine
grundsätzlichere Kritik der Partei am Kapitalismus als
Lafontaine, Maurer, Dehm sie haben wünschen würden. Aber wir
begrüßen es ausdrücklich, dass sich in der Partei
öffentlichkeitswirksam Kräfte durchgesetzt haben, welche die
sozialen Missstände konkret benennen und Alternativen zum
bestehenden neoliberalen Einheitsbrei wieder populär machen.
Anstatt also die "Hexenjagd" auf Kommunisten wieder zum Leben zu
erwecken und die Hinwendung zu neoliberaler Politik zu predigen
sollten wir auch in Zukunft darauf hin arbeiten ein möglichst
breites Bündnis aller linken Kräfte zu gestalten um zu einer
Bewegung zu werden, die es sich von ihrer Bedeutung, Tatkraft
und Massenbasis her
erlauben kann die Systemfrage neu zu stellen und gemeinsam den
Sozialismus des 21. Jahrhunderts zu erstreiten.
Eure Mitglieder der Linksjugend ['solid]:
André Owczarek (Wolfenbüttel),
Fabian Hennig (Helmstedt), Alexander Steltenkamp (Oldenburg),
Franziska Wöckel (Oldenburg), Eike Schölgens (Aurich), Natascha
Owczarek (Göttingen), Kai Padberg (Northeim), Antje Rosebrock (Verden),
Valentin Luckhardt (Wolfenbüttel), Valentin Dittrich
(Braunschweig), Florian Höllen (Göttingen), Robert Haider
(Hannover), Gerrit Stürmer
Editorische
Anmerkungen
Wir erhielten den
offenen Brief von der Verfassern per Mail.
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