Krise bei Rifondazione Comunista

von Leonardo Masella

04/08

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Nach dem Debakel der Regenbogen-Linken (La Sinistra-L'Arcobaleno), die bei den Wahlen zur italienischen Abgeordnetenkammer und zum Senat am 13./14.4.2008 nur auf 3,1 % bzw. 3,2 % kam und damit den Einzug in beide Kammern verpasste, schlagen innerhalb von Rifondazione Comunista (PRC) als wichtigstem Bestandteil und Initiatorin dieser Vier-Parteien-Allianz, die sich demnächst in eine neo-sozialdemokratische Einheitspartei nach dem Vorbild der deutschen Linkspartei verwandeln sollte, die Wellen hoch.

Das Nationale Sekretariat bot unter dem Druck der Basis geschlossen seinen Rücktritt an.
Kein Wunder, kamen doch Rifondazione, PdCI und die Grünen allein vor zwei Jahren addiert auf 10,2 % und droht im zweiten Wahlgang der Kommunalwahlen in Rom am 27.April 2008 ein Verlust der wichtigsten bislang von der Mitte-Linken gehaltenen Kommune an Berlusconis Rechtsallianz „Volk der Freiheit" (PdL). Die tritt dort unter Führung des ehemaligen bekannten faschistischen Schlägers und heutigen Chefs des rechten Flügels von Alleanza Nazionale (AN), Gianni Alemanno, an. In Rom hatten die Parteien der Regenbogenlinken bei den Kommunalwahlen vor zwei Jahren als einzeln kandidierende Parteien noch insgesamt 12,3 % geholt. Jetzt landeten sie bei 4,6 %.  Wie stark die Verluste unter den Arbeiterinnen und Arbeitern sind, zeigt ein Blick auf den Stadtteil Turin-Mirafiori-Süd, wo viele Beschäftigte des FIAT-Hauptwerkes wohnen, die traditionell links wählten. Bei den Parlamentswahlen 1996 erhielten die Parteien der Sinistra-Arcobaleno dort noch 5.865 Stimmen. 2001 schrumpfte ihre Zahl auf 3.140, erholte sich bei den Wahlen 2006 etwas auf 3.657, um nun auf katastrophale 1.124 Stimmen abzusacken.

In den zahlreichen Reportagen und Hintergrundartikeln der letzten Tage machen viele Arbeiter keinen Hehl daraus, dass sie insbesondere die Führung von Rifondazione Comunista und ihren Spitzenkandidaten Fausto Bertinotti abstrafen wollten, da sie sich verraten und durch eine zunehmend linksliberale Politik, die überwiegend auf Bürgerrechts- und Gattungsfragen setzt, nicht mehr vertreten fühlen. Unerfreulicherweise sind in Norditalien viele ehemalige linke und mitte-linke Arbeiterwähler zur rechtspopulistischen, regionalistischen und rassistischen Lega Nord abgewandert, die als die eigentliche Gewinnerin dieser Wahlen betrachtet werden muss.

Im Piemont steigerte sich die Truppe von Umberto Bossi binnen zwei Jahren von 8,5 % auf 16,7 %, in der Lombardei von 16,1 % auf 28,1 % und im Veneto sogar von 11,6% auf 28,5%. Selbst in der ehemals roten Hochburg Reggio Emilia in der mittelitalienischen Region Emilia-Romagna kam die Lega Nord auf 8,5% und schaffte damit so etwas wie einen Durchbruch. Francesco Guerreros Wahlanalyse in der unabhängigen linksradikalen Tageszeitung „il manifesto" vom 17.4.2008 trägt denn auch zu Recht den Titel „Der große Fluss nach rechts".

An diesem Wochenende (19./20.4.2008) wird das Nationale Politische Komitee (CPN) Rifondaziones die Lage beraten und wahrscheinlich eine neue Parteiführung wählen, möglicherweise nur als Übergangslösung bis zu einem Sonderparteitag im Sommer. Hinter den Kulissen gab es in den vergangenen Tagen scharfe Auseinandersetzungen und einen massiven Versuch des aus der Democrazia Proletaria (einer Art Maxiversion des deutschen KB) kommenden bisherigen Sozialministers Paolo Ferrero, mit Unterstützung der verbliebenen Parteilinken, die knapp 30% der Basis repräsentiert, die Dominanz der Bertinotti-Fraktion zu brechen und den jetzigen Parteichef Franco Giordano abzulösen, um sich wieder mehr auf Rifondazione Comunista, die verloren gegangene proletarische Basis und die außerparlamentarischen Bewegungen zu konzentrieren. Ob das a) gelingt und Ferrero b) eine echte Alternative ist, bleibt die Frage. Das nach der Regierungsbeteiligung im April 2006 zusammen mit anderen ausgetretene ehemalige linke Leitungsmitglied Francesco Ricci nannte Ferrero vor nicht allzu langer Zeit „die authentische Imitation eines Revolutionärs".

Zur Einschätzung der Lage und den Vorschlägen des radikalsten Teils des verbliebenen linken Flügels von Rifondazione brachte das unabhängige, kommunistische Internetportal „Il Pane e le Rose" (Das Brot und die Rosen; www.pane-rose.it) am 15.4.2008 das folgende Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden von Rifondazione im „Landtag" der Emilia Romagna, Leonardo Masella. Er ist einer der Sprecher der Strömung um die Zeitschrift „l'Ernesto" (www.lernesto.it).


Bauen wir wieder eine Kommunistische Partei auf!

Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden des PRC in der Emiglia Romagna, Leonardo Masella

Nach dem desaströsen Wahlergebnis der Sinistra Arcobaleno haben wir den Fraktionsvorsitzenden in der Emilia Romagna, Leonardo Masella, interviewt, der einen Appell für den Wiederaufbau einer kommunistischen Partei lanciert.

Was meinen Sie zu dem Erdbeben, das die Linke getroffen hat?

„Die Dinge sind ganz klar. Es handelt sich zum Großteil um eine angekündigte Katastrophe (wenn auch nicht in diesen Ausmaßen) und es gibt zwei grundlegende Ursachen dafür: Als Erstes die von Bertinotti auf dem Parteitag in Venedig ((Anfang März 2005)) beschlossene Beteiligung an der Regierung Prodi; Diese zwei Jahre der Beteiligung an einer gemäßigten und unfähigen Regierung, die dem Industriellenverband Confindustria, den Bankiers der Europäischen Union und der NATO gegenüber unterwürfig war, hat zu dem Einbruch des Vertrauens der Arbeiter, Jugendlichen und prekär Beschäftigten geführt, die Rifondazione Comunista als einen Bezugspunkt betrachteten. Die zweite, eng mit der ersten verbundene, Ursache ist der Antikommunismus. Bertinotti war der Paladin des Antikommunismus, weil er kontinuierlich seine Absicht manifestiert hat, die Partei und die kommunistischen Ideale zu liquidieren, was soweit ging, dass er um jeden Preis Hammel & Sichel aus dem Symbol der Regenbogenlinken heraushalten wollte, die so unter allen anderen Symbolen nicht mehr weiter auffiel."

Was meinen Sie, könnte Abhilfe schaffen?


„Die Parteiführung muss ein Minimum an Würde zeigen. So wie es ((der Parteichef der bei 0,9% gelandeten Sozialistischen Partei (PS))) Boselli getan hat, der zurückgetreten ist. Der Rücktritt Bertinottis reicht nicht aus, unter anderem weil er bereits seit langem angekündigt wurde. ((Parteichef)) Giordano und das gesamte Sekretariat muss zurücktreten. Außerdem muss vor dem Parteitag jede antidemokratische Verdrehung / Verzerrung verhindert werden. Die Regenbogenlinke ist am Ende, aber man muss sofort einen Parteitag abhalten, noch vor dem Sommer und zwar so, dass die Demokratie wieder an die Mitglieder zurück übertragen wird, um die politische Linie und die Führungsgruppe radikal zu verändern."

Welche politische Linie sollte man jetzt verfolgen?

„Sicherlich sollte man nicht Rifondazione auflösen, sondern das Experiment der Sinistra-Arcobaleno beenden und zusammen mit allen, die dabei sind, eine Phase des Wiederaufbaus einer starken kommunistischen Partei eröffnen, um die kommunistische Diaspora neu zusammenzufügen, die entstanden ist, seit Bertinotti Generalsekretär wurde. Jetzt sollte er von der politischen Bühne abtreten und die von ihm produzierte Diaspora beendet werden. Diese neue kommunistische Kraft wird den Kämpfen, den Bewegungen, den Arbeitern und der gesamten Linken zur Verfügung stehen. Das Szenario, das sich auf der Linken abzeichnet, wird in der Tat zwei Parteien vorsehen: die Demokratische Partei und eine kommunistische Kraft. Ich möchte am Ende einen Appell an alle Genossen, an die Mitglieder richten, nicht auf die Direktiven von oben zu warten, sondern selbst zu handeln und Initiativen zu ergreifen. In schwachen Worten ausgedrückt: Wieder das Schicksal der Partei und des Kommunismus in die Hand zu nehmen. Der Kommunismus ist die Zukunft, der Kapitalismus ist die Vergangenheit."
 

Editorische Anmerkungen

((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern: * Rosso))

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover.

Erstveröffentlicht wurde der Artikel bei Indymedia