Nach dem Debakel
der Regenbogen-Linken (La Sinistra-L'Arcobaleno), die bei den
Wahlen zur italienischen Abgeordnetenkammer und zum Senat am
13./14.4.2008 nur auf 3,1 % bzw. 3,2 % kam und damit den Einzug
in beide Kammern verpasste, schlagen innerhalb von Rifondazione
Comunista (PRC) als wichtigstem Bestandteil und Initiatorin
dieser Vier-Parteien-Allianz, die sich demnächst in eine
neo-sozialdemokratische Einheitspartei nach dem Vorbild der
deutschen Linkspartei verwandeln sollte, die Wellen hoch.
Das Nationale Sekretariat bot
unter dem Druck der Basis geschlossen seinen Rücktritt an.
Kein Wunder, kamen doch Rifondazione, PdCI und die Grünen allein
vor zwei Jahren addiert auf 10,2 % und droht im zweiten Wahlgang
der Kommunalwahlen in Rom am 27.April 2008 ein Verlust der
wichtigsten bislang von der Mitte-Linken gehaltenen Kommune an
Berlusconis Rechtsallianz „Volk der Freiheit" (PdL). Die tritt
dort unter Führung des ehemaligen bekannten faschistischen
Schlägers und heutigen Chefs des rechten Flügels von Alleanza
Nazionale (AN), Gianni Alemanno, an. In Rom hatten die Parteien
der Regenbogenlinken bei den Kommunalwahlen vor zwei Jahren als
einzeln kandidierende Parteien noch insgesamt 12,3 % geholt.
Jetzt landeten sie bei 4,6 %. Wie stark die Verluste unter den
Arbeiterinnen und Arbeitern sind, zeigt ein Blick auf den
Stadtteil Turin-Mirafiori-Süd, wo viele Beschäftigte des
FIAT-Hauptwerkes wohnen, die traditionell links wählten. Bei den
Parlamentswahlen 1996 erhielten die Parteien der
Sinistra-Arcobaleno dort noch 5.865 Stimmen. 2001 schrumpfte
ihre Zahl auf 3.140, erholte sich bei den Wahlen 2006 etwas auf
3.657, um nun auf katastrophale 1.124 Stimmen abzusacken.
In den zahlreichen Reportagen und Hintergrundartikeln der
letzten Tage machen viele Arbeiter keinen Hehl daraus, dass sie
insbesondere die Führung von Rifondazione Comunista und ihren
Spitzenkandidaten Fausto Bertinotti abstrafen wollten, da sie
sich verraten und durch eine zunehmend linksliberale Politik,
die überwiegend auf Bürgerrechts- und Gattungsfragen setzt,
nicht mehr vertreten fühlen. Unerfreulicherweise sind in
Norditalien viele ehemalige linke und mitte-linke Arbeiterwähler
zur rechtspopulistischen, regionalistischen und rassistischen
Lega Nord abgewandert, die als die eigentliche Gewinnerin dieser
Wahlen betrachtet werden muss.
Im Piemont steigerte sich die Truppe von Umberto Bossi binnen
zwei Jahren von 8,5 % auf 16,7 %, in der Lombardei von 16,1 %
auf 28,1 % und im Veneto sogar von 11,6% auf 28,5%. Selbst in
der ehemals roten Hochburg Reggio Emilia in der
mittelitalienischen Region Emilia-Romagna kam die Lega Nord auf
8,5% und schaffte damit so etwas wie einen Durchbruch. Francesco
Guerreros Wahlanalyse in der unabhängigen linksradikalen
Tageszeitung „il manifesto" vom 17.4.2008 trägt denn auch zu
Recht den Titel „Der große Fluss nach rechts".
An diesem Wochenende (19./20.4.2008) wird das Nationale
Politische Komitee (CPN) Rifondaziones die Lage beraten und
wahrscheinlich eine neue Parteiführung wählen, möglicherweise
nur als Übergangslösung bis zu einem Sonderparteitag im Sommer.
Hinter den Kulissen gab es in den vergangenen Tagen scharfe
Auseinandersetzungen und einen massiven Versuch des aus der
Democrazia Proletaria (einer Art Maxiversion des deutschen KB)
kommenden bisherigen Sozialministers Paolo Ferrero, mit
Unterstützung der verbliebenen Parteilinken, die knapp 30% der
Basis repräsentiert, die Dominanz der Bertinotti-Fraktion zu
brechen und den jetzigen Parteichef Franco Giordano abzulösen,
um sich wieder mehr auf Rifondazione Comunista, die verloren
gegangene proletarische Basis und die außerparlamentarischen
Bewegungen zu konzentrieren. Ob das a) gelingt und Ferrero b)
eine echte Alternative ist, bleibt die Frage. Das nach der
Regierungsbeteiligung im April 2006 zusammen mit anderen
ausgetretene ehemalige linke Leitungsmitglied Francesco Ricci
nannte Ferrero vor nicht allzu langer Zeit „die authentische
Imitation eines Revolutionärs".
Zur Einschätzung der Lage und den Vorschlägen des radikalsten
Teils des verbliebenen linken Flügels von Rifondazione brachte
das unabhängige, kommunistische Internetportal „Il Pane e le
Rose" (Das Brot und die Rosen; www.pane-rose.it) am 15.4.2008
das folgende Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden von
Rifondazione im „Landtag" der Emilia Romagna, Leonardo Masella.
Er ist einer der Sprecher der Strömung um die Zeitschrift „l'Ernesto"
(www.lernesto.it).
Bauen wir wieder eine
Kommunistische Partei auf!
Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden des PRC in der
Emiglia Romagna, Leonardo Masella
Nach dem desaströsen Wahlergebnis der Sinistra Arcobaleno haben
wir den Fraktionsvorsitzenden in der Emilia Romagna, Leonardo
Masella, interviewt, der einen Appell für den Wiederaufbau einer
kommunistischen Partei lanciert.
Was meinen Sie zu dem Erdbeben, das die Linke getroffen
hat?
„Die Dinge sind ganz klar. Es handelt sich zum Großteil um eine
angekündigte Katastrophe (wenn auch nicht in diesen Ausmaßen)
und es gibt zwei grundlegende Ursachen dafür: Als Erstes die von
Bertinotti auf dem Parteitag in Venedig ((Anfang März 2005))
beschlossene Beteiligung an der Regierung Prodi; Diese zwei
Jahre der Beteiligung an einer gemäßigten und unfähigen
Regierung, die dem Industriellenverband Confindustria, den
Bankiers der Europäischen Union und der NATO gegenüber
unterwürfig war, hat zu dem Einbruch des Vertrauens der
Arbeiter, Jugendlichen und prekär Beschäftigten geführt, die
Rifondazione Comunista als einen Bezugspunkt betrachteten. Die
zweite, eng mit der ersten verbundene, Ursache ist der
Antikommunismus. Bertinotti war der Paladin des Antikommunismus,
weil er kontinuierlich seine Absicht manifestiert hat, die
Partei und die kommunistischen Ideale zu liquidieren, was soweit
ging, dass er um jeden Preis Hammel & Sichel aus dem Symbol der
Regenbogenlinken heraushalten wollte, die so unter allen anderen
Symbolen nicht mehr weiter auffiel."
Was meinen Sie, könnte Abhilfe schaffen?
„Die Parteiführung muss ein Minimum an Würde zeigen. So wie es
((der Parteichef der bei 0,9% gelandeten Sozialistischen Partei
(PS))) Boselli getan hat, der zurückgetreten ist. Der Rücktritt
Bertinottis reicht nicht aus, unter anderem weil er bereits seit
langem angekündigt wurde. ((Parteichef)) Giordano und das
gesamte Sekretariat muss zurücktreten. Außerdem muss vor dem
Parteitag jede antidemokratische Verdrehung / Verzerrung
verhindert werden. Die Regenbogenlinke ist am Ende, aber man
muss sofort einen Parteitag abhalten, noch vor dem Sommer und
zwar so, dass die Demokratie wieder an die Mitglieder zurück
übertragen wird, um die politische Linie und die Führungsgruppe
radikal zu verändern."
Welche politische Linie sollte man jetzt verfolgen?
„Sicherlich sollte man nicht Rifondazione auflösen, sondern das
Experiment der Sinistra-Arcobaleno beenden und zusammen mit
allen, die dabei sind, eine Phase des Wiederaufbaus einer
starken kommunistischen Partei eröffnen, um die kommunistische
Diaspora neu zusammenzufügen, die entstanden ist, seit
Bertinotti Generalsekretär wurde. Jetzt sollte er von der
politischen Bühne abtreten und die von ihm produzierte Diaspora
beendet werden. Diese neue kommunistische Kraft wird den
Kämpfen, den Bewegungen, den Arbeitern und der gesamten Linken
zur Verfügung stehen. Das Szenario, das sich auf der Linken
abzeichnet, wird in der Tat zwei Parteien vorsehen: die
Demokratische Partei und eine kommunistische Kraft. Ich möchte
am Ende einen Appell an alle Genossen, an die Mitglieder
richten, nicht auf die Direktiven von oben zu warten, sondern
selbst zu handeln und Initiativen zu ergreifen. In schwachen
Worten ausgedrückt: Wieder das Schicksal der Partei und des
Kommunismus in die Hand zu nehmen. Der Kommunismus ist die
Zukunft, der Kapitalismus ist die Vergangenheit."
Editorische
Anmerkungen
((Vorbemerkung, Übersetzung und
Einfügungen in doppelten Klammern: * Rosso))
Der Name * Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums
Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover.
Erstveröffentlicht wurde der Artikel bei Indymedia
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