Das Philosophische Wörterbuch  BAND 2

hrg. von Georg Klaus & Manfred Buhr

04/09

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Sinn eines Zeichens oder einer Zeichenreihe ist sein bzw. ihr operativer oder auch eidetischer Sinn.

Nach Gottlob FREGE drücken wir «mit einem Zeichen dessen Sinn aus und bezeichnen mit ihm dessen Bedeutung» (Sinn und Bedeutung, 1892). Danach haben die Wörter «Abendstern» und «Morgenstern» dieselbe Bedeutung, aber nicht denselben Sinn.

FREGES Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung ist heute der Sache nach, nicht aber der Terminologie nach allgemein anerkannt. Was FREGE «Bedeutung» nennt, wird heute als  Designat oder Denotat bezeichnet.


Die Bedeutung eines Zeichens, wie sie hier gefaßt wird, ist demgegenüber als Bestandteil des Sinns dieses Zeichens anzusehen. Eine allgemeine genaue Abgrenzung zwischen dem Sinn und der Bedeutung von beliebigen Zeichen und Zeichenreihen zu geben, ist bisher noch kaum möglich; sie braucht auch vielfach nicht beachtet zu werden. Dagegen kann die Unterscheidung zwischen dem Sinn bzw. der Bedeutung eines Zeichens einerseits und seinem Designat andererseits niemals, ohne Fehler hervorzurufen, vernachlässigt werden.

Der Terminus «Sinn» wird noch in einem ganz anderen Zusammenhang benutzt. Man spricht etwa vom Sinn der Geschichte, vom Sinn des Lebens usw.
 

Für viele Formen der idealistischen Weltbetrachtung ist der Sinn eines Gegenstandes, eines Prozesses, einer Entwicklung durch die Ausrichtung auf ein anzustrebendes Ziel (Teleologie) gegeben. Es wird auch häufig vom Sinn einer Struktur, einer gesellschaftlichen Organisation usw. gesprochen. Hier ist der Begriff des Sinns mit dem der Funktion verknüpft. Sinnvoll ist eine Struktur, die in der Lage ist, eine bestimmte Funktion zu realisieren. In diesem Sinne bezeichnen wir eine technische Konstruktion, eine Maschine usw. als sinnvoll. Der größere oder kleinere Sinngehalt wird hier festgelegt durch die bessere oder schlechtere Art und Weise, wie diese Struktur usw. eine Funktion realisiert.
Der Mensch allein ist bewußter Gestalter von Sinn, und er allein kann durch seine Tätigkeit den Dingen und Prozessen einen Sinn verleihen.

Die unbewußte Natur erscheint sinnvoll insofern, als sie ausschließlich auf Grund des Wirkens von Naturgesetzen Strukturen zuwege bringt, die eine Funktion mehr oder weniger gut realisieren. Das gilt auch für den Bereich der organischen Welt. Dem Beobachter, der nicht in das Wesen der Dinge eindringt, scheinen viele lebende kybernetische Systeme als sinnvoll insofern, als sie bestimmte Funktionen in einer Weise optimal realisieren, die der menschlichen Technik vielfach bis heute verschlossen ist. Dies erweckt dann den Eindruck, als sei ein Sinn von außen her - aus einer übernatürlichen Sphäre - i n diese Systeme hineingetragen. Tatsächlich aber haben sich optimale Strukturen in der Auseinandersetzung der betreffenden Systeme mit der Umwelt, unter Verwendung des Trial-and-error-Verfahrens und auf der Grundlage eines Ausleseprozesses herausgebildet. Es ist deshalb sinnlos, vom «Sinn der Welt», vom «Sinn der Natur» usw., jedoch sinnvoll, vom «Sinn des Lebens», vom «Sinn der Geschichte» usw. zu sprechen.
 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde entnommen aus:

Buhr, Manfred, Klaus, Georg
Philosophisches Wörterbuch Band 2, Berlin 1970, S.982

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