Peter O. Chotjewitz hat sich
als Schriftsteller einen Namen gemacht. 2007 hat er mit dem
Roman „Mein Freund Klaus“ an den leider weitgehenden
vergessenen Rechtsanwalt und Verteidiger mehrerer
RAF-Gefangenen Klaus Croissant ein literarisches Denkmal
gesetzt. Croissant kam in den 70er Jahren als entschiedener
Verteidiger seiner Mandanten ins Visier des Staates, der
damals die ganze Palette von Repression, Haft, Verleumdung
gegen ihn auffahren ließ. Zur damaligen Zeit war auch Peter
Chotjewitz, was viele nicht wissen, kurze Zeit Rechtsanwalt.
Er verteidigte Andreas Baader und Peter Paul Zahl, danach
hängte er den Rechtsanwaltsberuf an den Nagel. Darüber schrieb
er 1977 das damals viel gelesene Buch „Die Herren des
Morgengrauens“. Warum Peter Chotjewitz vor kurzem wieder nach
Stuttgart-Stammhein ging, erzählt er in dem Gespräch.
Warum haben Sie kürzlich
Mustafa Atalay in der JVA Stuttgart-Stammheim besucht?
P.C.:
Weil er einer von fünf türkischen Genossen ist, die nach dem
neuen Paragraphen 129 b angeklagt sind. Ihnen wird
Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in der Türkei
vorgeworfen. Ich halte das ganze Verfahren für eine Farce.
Woran machen Sie diese Beurteilung fest?
P.C.: Der
Hauptbelastungszeuge in dem Verfahren ist ein psychopathischer
Doppelagent, der für den türkischen Geheimdienst und das
Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz gearbeitet hat. Eine
Marionette. Er beschuldigt die Angeklagten fälschlich, in
einen Waffentransport verwickelt zu sein. Seine Aussagen sind
widersprüchlich und verworren. Ich vermute, dass der türkische
Staat hier mit Hilfe der deutschen Justiz mit politischen
Gegnern abrechnen will.
Welche Gruppierung sollen die Angeklagten unterstützt
haben?
P.C.: Die DHKP/C, eine
marxistisch-leninistische Partei. Ihre Vorgängerin war Dev
Sol, die 1981 nach dem Militärputsch in der Türkei verboten
wurde. Die DHKP/C ist seit 1998 auch in Deutschland verboten
und steht auf den schwarzen Listen von USA und EU. Gegen ihre
Sympathisanten finden in Deutschland regelmäßig Hetzjagden
statt.
Wie ist die Situation von Mustafa Atalay in der Haft?
P.C.: Ihm geht es gesundheitlich sehr schlecht. Er war
mehrere Jahre in der Türkei inhaftiert, weil er angeblich
Kontakt zu Dev Sol hatte, und wurde dort gefoltert. An den
Folgen leidet er noch heute. Er wurde 2006 drei Wochen nach
einer schweren Herzoperation aus einer deutschen
Rehabilitationsklinik verschleppt, verhaftet und sitzt seit
längerer Zeit in der berüchtigten Haftanstalt
Stuttgart-Stammheim, wo im Prozeßbunker auch das
Strafverfahren über die Bühne geht. Seine Verteidiger halten
ihn für haftunfähig und nicht für verhandlungsfähig. Er müßte
wegen seiner defekten Herzkranzgefäße dringend weiter
behandelt werden, wird aber nur medikamentös auf den Beinen
gehalten.
Sie haben als Rechtsanwalt in den 70er Jahren Andreas
Baader verteidigt. Sehen Sie Parallelen zu diesen Verfahren?
P.C.: Die sind
vorhanden. Genau wie bei dem Verfahren gegen Meinhof, Baader
u.a. wurde in dem aktuellen Verfahren ein „Hilfssenat“
eingesetzt, der nach Prozessende wieder aufgelöst wird. Also
ein Sondergericht an der kurzen Leine der
Staatsschutzbehörden. Die Haftbedingungen und die Art der
Prozeßführung ähneln sich stark. Die Schikanen gegen Besucher
sind ähnlich. Die anwaltlichen Rechte sind beschnitten.
Welche Parallelen gibt es bei den Haftbedingungen?
P.C.: Teilweise sind die
heutigen Angeklagten schlechter daran, als die Gefangenen in
den 70er Jahren. Sie haben keinen Umschluss und müssen 23
Stunden allein in der Zelle oder wie Mustafa Atalay in der
Krankenstation verbringen. Sie können also keine
Verteidigungslinie bestimmen und drohen seelisch und
intellektuell zu verkümmern. Da sie keine politischen
Schriften erhalten, ist es für sie schwierig, sich über
aktuelle Probleme zu informieren oder an Auseinandersetzungen
teilzunehmen.
Planen Sie die Wiederholung des Besuchs?
P.C.: Atalay ist
Journalist und Sozialist, kein Terrorist. Er schreibt auch
Gedichte und plant einen Roman. Er ist also ein Kollege, und
ich möchte mich deshalb öfter mit ihm unterhalten – möglichst
nicht, wie bisher, mit einem Beamten des BKA im Nacken und
ohne Trennscheibe. Da Mustafa aber nur zwei Stunden monatlich
Besuch empfangen darf, muss er sich gut überlegen, wen er
einlädt.
Editorische
Anmerkungen
Den Text
erhielten wir von Peter Nowak für diese Ausgabe.
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