"Kollaboration mit einem Folterstaat"
Das deutsch-syrische Rückführungsabkommen bedroht KurdInnen mit der Abschiebung- und verdient noch mehr Proteste

von Birgit v. Criegern

04/09

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Am 12. März 2009 wurden dreißig Studenten in Aleppo verhaftet, die den fünften Jahrestag des kurdischen Volksaufstandes von Qamishli feierlich begangen hatten. In Berlin gedachten rund 800 DemonstrantInnen vor der syrischen Botschaft dieses Jahrestages.

Am 16. März verschwanden zwei Kurden in Damaskus – laut der Partei für ein demokratisches Syrien  - wurden sie vom Geheimdienst gekidnappt.   

Währenddessen befürchten syrische KurdInnen in Deutschland die Abschiebung. Denn der deutsche Innenminister Schäuble unterzeichnete mit dem syrischen Innenminister Bassam Abdelmajid ein Abkommen, das die Rückführung von syrischen MigrantInnen, die in Deutschland kein Asyl erhielten, vorsieht. Das geschah – wie wäre es anders zu erwarten – unter dem Etikett der "Sicherheit".  Und es soll damit wieder ein Schritt zur "Bekämpfung der illegalen Migration" getan werden. In der Tat dürften sich die MigrantInnen ganz konkret bekämpft fühlen.

Die einhellige deutsch-syrische Zusammenarbeit zeigt, wie wenig Europas Staatsleuten an der globalen Zusicherung demokratischer Rechte gelegen ist, die sie immer behaupten. Dass es in syrischen Gefängnissen zu Misshandlungen und Folterungen kommt, bestätigt selbst das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht. Und demokratische Rechte für KurdInnen sind in dem arabischen Staat nicht gegeben (http://www.shrc.org/default.aspx) – doch das interessierte nicht.

Seit dem Januar ist das Abkommen in Kraft - demnach könnten jetzt auch syrische MigrantInnen, die keinen Pass haben oder als Drittstaatsangehörige gelten, abgeschoben werden – also auch KurdInnen, von rund 7000 syrischen Flüchtlingen in Deutschland eine Vielzahl. Die suchten hier Schutz, weil sie in Syrien diskriminiert und verfolgt wurden. Sie dürfen dort nicht öffentlich arbeiten und nicht wählen. Ihre demokratische Yakiti-Partei ist  verboten. Eine eilige Vorladung vor einer syrischen Delegation, ein rasch ausgestelltes Reisedokument - so stellt sich die deutsche Regierung die Rückführungen vor.

Dagegen gab es seit Ende Februar in Berlin Proteste. Zu einer Demonstration der syrischen KurdInnen gegen das Abkommen kamen rund tausend Personen – zumeist aus dem Umfeld der kurdischen Gemeinde. Dann, am 26.2., begannen zwölf Kurden einen Hungerstreik vor dem Innenministerium. Sie forderten den Stop des Abkommens, sendeten Briefe an Schäuble und Außenminister Steinmeier. Sechzehn Tage lang, bis zum 13. März, standen die Aktivisten bei Nässe und Kälte vor dem Ministerium. Sie waren zumeist von ihren Unterkünften außerhalb der Metropole angereist. Zu ihnen gehörte u. a. der Autor Abdelhamid Osman, Vater eines schwerkranken Sohnes, der in Syrien politisch aktiv war. Und Salah Ali, der ebenfalls in Zeitungen für demokratische Rechte der KurdInnen schrieb. Der siebenfache Familienvater befürchtet die Abschiebung. Unterstützt wurden sie aus dem Umfeld der migrantischen Hilfe, vom Flüchtlingsrat Berlin, der Kontakt- und Beratungsstelle für Migranten aus der Oranienstraße und der Antirassistischen Initiative Berlin. Das Komitee zur syrisch-kurdischen Zusammenarbeit in Deutschland (Hevbesh) und die kurdische Gemeinde in Berlin halfen bei der Organisierung der Aktion. Öffentlich wurde kaum von dem Hungerstreik berichtet, auch zeigten sich deutsche linke Gruppen zurückhaltend. Fünf Aktivisten mussten bald im Krankenhaus versorgt werden. Der Streik wurde beendet. 

Mezkin Mikari vom Komitee Hevbesh:  "Seit 1962 war es Plan der syrischen Regierung, die Kurden komplett zu arabisieren, ihre Kultur auszutilgen, angefangen bei der Sprache. Damals wurden viele von ihnen ausgebürgert, weshalb heute 400 000 Kurden in Syrien als Staatenlose leben. Sie haben keine demokratischen Rechte." 

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl verurteilt das Abkommen als "direkte Kollaboration mit einem Folterstaat". Bislang habe es noch wenige Aufforderungen an Migranten gegeben, das Land zu verlassen, so Bernd Mesovic von Pro Asyl. Nun müsse zivilgesellschaftlich gegen die Umsetzung des Abkommens protestiert werden. 

In der zunehmenden Kontrollzusammenarbeit Europas mit den Staaten in Nahost und in Afrika, wobei Flüchtlinge von den europäischen Außengrenzen ferngehalten, oder "gesteuert" zurückgeführt werden sollen, ist dieses ein weiterer deutlicher Schritt. Politisch regte sich kaum ein Veto dagegen, auch der Menschenrechtsbeauftragte Günther Nooke hielt bislang die Füße still. Während die Grünen sich im Hintergrund hielten, stellte nur die Linkspartei in einer Kleinen Anfrage dem Bundestag ihre Kritikpunkte entgegen. Deren Abgeordnete Ulla Jelpke unterzeichnete dann auch eine Unterschriftenliste der Hungerstreiker zum Stop der Abschiebungen. Mehr Protest von Seiten linker Bündnisse würde das Abkommen jedoch sicherlich noch verdienen. Dass Schäubles Einschnitte in Bürgerrechte hierzulande übel vermerkt werden, bewiesen Großdemonstrationen gegen den Überwachungsstaat, indessen bekamen die migrantischen Betroffenen bei diesem "Sicherheitspakt" besonderer Art kaum Rückenwind. 

Die Flüchtlingsräte der Länder zeigten sich seit dem Abkommen vom Sommer 2008 besorgt. Und vermeldeten von Schritten, die syrische KurdInnen gegen drohende Abschiebungen einlegen könnten uhttp://www.fluechtlingsrat-nrw.de/3048/index.html . Sie sollten versuchen, mit Eilanträgen und Klagen gegen die Rückführungen einen Riegel vorzuschieben, und dafür möglichst bald einen Anwalt aufsuchen. Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat Berlin : "Jetzt gilt es, Abschiebungen auf unmittelbarem Weg zu verhindern, dafür sollten sich die Betroffenen an die Flüchtlingsräte wenden. Oder die Härtefallkommission konsultieren."

Editorische Anmerkungen

Den Artikel und das Titelfoto erhielten wir von der Autorin zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.