Rasmussen & Rassismus
Rassistenfreund wird NATO-Generalsekretär

von Bernard Schmid

04/09

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Anders Fogh Rasmussen regiert Dänemark schon seit 2001 im Tolerierungsbündnis mit Rechtsextremen. Die türkische Regierung sorgte Ende vergangener Woche für eine kurzzeitige Polemik – allerdings eher aus falschen denn aus den richtigen Gründen..

Nun wurde er es also doch: Am Samstag Abend, den o4. April stand anlässlich des Jubiläumsgipfels der NATO in Strasbourg fest, dass der aktuelle dänische Premierminister zum NATO-Generalsekretär wird. Wenn der ausscheidende derzeitige Generalsekretär, der Niederländer Jaap de Hoop Scheffer, am 31. Juli dieses Jahres sein Mandat beendet, dann wird der Däne seine Nachfolge antreten. Die Kandidatur des 56jährigen wurde sicherlich dadurch begünstigt, dass die Armee seines Landes von Kopf bis Fub mit US-Militärmaterial ausgerüstet ist, und dass Dänemark als wichtiges Einfallstor für US-Rüstungsfirmen auf den europäischen Markt gilt. (Vgl. http://cozop.com/) Rasmussen gilt als Intimus des ausgeschiedenen US-Präsidenten Bush, als Freund auch des französischen Staatschefs Nicolas „Speedy“ Sarkozy sowie als Unterstützer der israelischen Militär- und Siedlungspolitik. Dänemark hat derzeit 700 Soldaten auf dem Kriegsschauplatz Irak stationiert. 

Diese Personalentscheidung ist nicht ohne Brisanz. Denn der dänische Premierminister, der künftig das „westliche Militärbündnis“ – das dereinst (1949) als „Abwehr“bündnis gegen den sowjetischen Block gegründet wurde, und seit dessen Ableben 1989/1990 vor allem gegen den globalen Süden orientiert ist (1) – repräsentiert, ist ein ausgeprägter Rassistenfreund. Nicht unbedingt auf der Ebene seiner persönlichen Empfindungen (die soweit unbekannt sind), wohl aber in jedem Falle auf der Ebene seiner politischen Allianzen. 

Seit November 2001, als die „rechtspopulistische“ bis rechtsextreme Dansk Folkeparti (DFP, „Dänische Volkspartei“) mit 12 Prozent der Wählerstimmen erstmals ein stattliches Ergebnis erhielt, regiert der „Liberale“ Anders Fogh Rasmussen in Kopenhagen mit Hilfe dieser Partei. Die DFP unter Pia Kjaersgaard wurde 1995 als Abspaltung von der Fremskridtspartiet (Frp, „Fortschrittspartei“) des Mogens Glistrup gegründet. Die Frp, die 1972 entstand und bei den Parlamentswahlen von 1973 aus dem Stand ein hohes Wahlergebnis (15,9 %) erzielte, trat von Anfang an gegen den dänischen Sozialstaat und gegen dessen „Geldverschwendung an allen Stellen“ auf. Ein wichtiges Unterthema war dabei schon früh die Hetze gegen Einwanderer, die den dänischen Staat angeblich „überall Geld kosteten“. Aber die Partei hatte zugleich ein „ultraliberales“ (marktradikales, extrem wirtschaftsliberales) Profil.  

Anlässlich der Abspaltung von 1995, bei der noch andere Fragen – u.a. der persönliche Machtanspruch ihres Gründers Glistrup – ins Spiel kamen, nahm die neu entstandene DFP ein „sozialeres“ Profil an, jedenfalls was ihre Aussagen in Wahlkämpfen und in der Öffentlichkeit betrifft. Beide Parteien behielten einen im Laufe der Jahre eher stärker werdenden denn sich abschwächenden Rassismus, in Form einer Agitation gegen Einwanderer im Allgemeinen und solche moslemischer Konfession im Besonderen, bei. Die ursprüngliche Frp ist allerdings inzwischen quasi in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Allein die DFP konnte sich auf der politischen Bühne behaupten; dieselbe erhielt bei den zeitlich letzten Folketingswahlen (Parlamentswahlen) im November 2007 nun 13,8 % der Stimmen gegenüber 13,3 % bei der Wahl zuvor, d.h. im Februar 2005. Im Vorfeld der letzten Wahl von 2007 war zunächst erwartet worden, dass eine neu gegründete Mitte-Rechts-Partei - die „Neue Allianz“ unter Naser Khader - als Gegengewicht zu ihr innerhalb des bürgerlichen Lagers auftreten und künftig die DFP in ihrer Rolle als Mehrheitsbeschaffer für die konservativ-liberale Regierung Rasmussens ersetzten könne. Doch die „Neue Allianz“ erhielt nur 2,4 % der Stimmen, was ihr nicht genügte, um ein hinreichendes Gewicht auf die Waage zu legen. Die DFP blieb in ihrer Rolle als „Königsmacher“ und fühlte sich durch den Zuwachs an Wählerstimmen sogar ausdrücklich bestätigt. 

In dieser Zeit der Tolerierung eines konservativ-liberalen Kabinetts durch die DFP wurde unter Rasmussen die Einwanderungs- und Asylgesetzgebung beträchtlich verschärft. Einzelne Bestimmungen erscheinen als rechtlich bedenklich und suchen anderswo in Europa ihresgleichen. So verbietet eine gesetzliche Bestimmung allen in Dänemark lebenden Ausländer/inne/n den Eheschluss im Alter unter 24 Jahren. Dieser Paragraph wurde unter dem Vorwand, „Zwangsehen“ zu bekämpfen, verabschiedet, schränkt dabei aber die persönliche Freiheit  (insbesondere in Bevölkerungsgruppen, in denen Zusammenleben ohne Trauschein unüblich oder sehr schwer ist) über Gebühr ein. Er beruht zudem auf einer expliziten Pauschalverdächtigung breiter Bevölkerungsgruppen. 

Aufgrund der anti-moslemischen und rassistischen Färbung seiner Regierungspolitik hätte – und hat – es also hinreichend Gründe gegeben, Rasmussens Kandidatur zum Amt des obersten NATO-Repräsentanten zu attackieren. Tatsächlich hat die Regierung der Republik Türkei auch Kritik an ihr geübt. Allerdings wählte sie dafür ihrerseits eine ausgesprochen fragwürdige Grundlage. Denn die Regierung des „moderaten Islamisten“ und Premierministers Recip Teyyep Erdogan vermengte in ihren Stellungnahmen die Kritik am rassistischen antimoslemischen Charakter der dänischen Regierungspolitik mit der Propaganda für die eigene Staatspolitik und eigene konservative Interessen. Erdogan griff die Kandidatur Rasmussens an zwei Punkten an: Erstens habe Rasmussen sich anlässlich der Krise um die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in dänischen Zeitungen (Ende 2005 und Anfang 2006) geweigert, deren Publikation zu verurteilen. Er hatte zudem den damaligen Wunsch u.a. der arabischen Botschafter in Kopenhagen, empfangen zu werden, abgewehrt und hatte sich darauf berufen, die dänische Presse sei keiner Weisungsbefugnis der Regierung unterworfen. (Wobei letzter Punkt selbstverständlich zutrifft.) Ägypten und die Türkei mussten daraufhin ihre Botschafterinnen, die aufgrund des Vortrags dieses ihres Wunsches in Kopenhagen in Ungnade fielen, abberufen und ihre diplomatischen Vertreter/innen austauschen. Dabei handelte es sich bei den Abberufenen durchaus nicht um bärtige Extremisten, sondern um zwei ziemlich moderat auftretende Damen. Zum Zweiten lautete der Vorwurf Erdogans, Dänemark beherberge den kurdischen, „separatistischen“ Fernsehsender Roj TV.  

Durch diese Stobrichtung hat Erdogan – der in seinem Land natürlich eher auf der politischen Rechten denn auf der Linken steht – seine Kritik aus progressiver Sicht entlegitimiert. Hätte man ansonsten der dänischen Politik mit Fug und Recht Rassismus vorwerfen können, so erscheinen Erdogans Vorstöbe illegitim. Dass Dänemark einen kurdischen Fernsehsender beherbergt (auch wenn Ankara ihn als „PKK-nahe“ betrachtet), hat er nicht zu kritisieren, denn es ist nur eine Unterfolge der Jahrzehnte lang währenden staatlichen Unterdrückung kurdischer Rechte in der Türkei – selbst wenn letztere inzwischen leicht abgeschwächt wird. Am anderen Punkt seiner Vorwürfe liegen die Dinge sicherlich komplizierter: Die Affäre um die Polemik betreffend die Mohammed-Karikaturen war sicherlich dadurch mit besonderer Spannung aufgeladen, dass in Dänemark antimoslemischer Rassismus unbestritten die Politik (mit)bestimmt. Und die Tatsache, dass der Autor der umstrittensten der zwölf Karikaturen – Kurt Westergaard, dessen Zeichnung den Propheten des Islam mit einem Turban in Form einer Bombe mit brennender Zündschur zeigte und so die üble Assoziation „Moslems = Terroristen“ begünstigt – im September 2008 als Gast an einem Parteitag der rassistischen DFP teilnahm, macht die Sache im Nachhinein nicht besser. Kurt Westergaard wurde dort mit stehenden Ovationen gefeiert; einige Tage später hat er seinen Auftritt dort freilich als Fehler bezeichnet. (Vgl. http://www.earthtimes.org) Dennoch kann man auch nicht mit solchem Eifer, wie moslemische Konservative oder Extremisten dies tun, einfach über die Meinungsfreiheit, oder die Freiheit der Presse gegenüber jeglichen Anweisungen der Regierung, hinweg schreiten. 

Am Sonntag berichtete die türkische Presse, Ankara habe erfolgreich Vorbehalte gegenüber der Ernennung Rasmussens geltend machen können, die zu erheblichen Konzessionen an die Adresse der offiziellen Türkei geführt hätten. Barack Obama haben eine Vermittlerrolle zwischen beiden Seiten  übernommen und Ankara daraufhin Garantien zu den betreffenden Punkten erteilt. So werde dem Sender RojTV – angeblich – demnächst Sendeverbot von dänischem Staatsgebiet aus erteilt, wie mehrere Zeitungen behaupteten. Auch werde Rasmussen sich demnächst bei den Muslimen in der Türkei für die Affäre um die Karikaturen entschuldigen (so das Massenblatt ‚Hürriyet’) respektive „deine positive Botschaft an die moslemische Welt richten“ (laut der Tageszeitung ‚Zaman’). Dies werde möglicherweise schon an diesem Montag, o6. April, anlässlich des zweiten Gipfels der „Allianz der Zivilisationen“ – an dem auch Barack Obama teilnimmt – in Istanbul passieren, behauptet die Zeitung ‚Akscham’. Und schlieblich sollen türkische Militärs oder Staatsvertreter auf hohe Posten bei der Nordatlantik-Allianz befördert werden, u. a. – laut den Berichten der türkischen Presse – als stellvertretender Generalsekretär und als Repräsentant der NATO in Afghanistan. 

ANMERKUNG 1: Zu dieser Nord-Süd-Dimension: Diese kam schon im Sommer 1990, kurz nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Blocks, unverhüllt zum Ausdruck. Am 21. Juni 1990 erklärte der damalige NATO-Generalsekretär (und frühere westdeutsche Bundesminister der Verteidigung) Manfred Wörner bei einem Vortrag in Paris, vor dem Institut für Internationale Beziehungen IFRI, die Nordatlantik-Allianz müsse nun „für neue militärische Fragen, die durch die Entwicklung der Dritten Welt“ entstanden seien, bereit stehen. Besonders im Nahen und Mittleren Osten sowie im ganzen Mittelmeerraum bestünden „gestiegene Risiken“, „deren Entwicklung Europas Sicherheit direkt angeht“.

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.