GUINEA-CONAKRY
Militärregierung kündigt freie Wahlen für
Oktober und Dezember 2009 an

von Bernard Schmid

04/09

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„Guinea: Hilfe, Frankreich ist zurück!“ übertitelt das französischsprachige, antiimperialistische Monatsmagazin Afrique Asie (FUSSNOTE 1) einen Artikel in seiner Ausgabe vom März 2009. Die Zeitschrift stellt die Prognose auf, dass eine seit 50 Jahren bestehende Ausnahmesituation, die aus Sicht der französischen politischen Elite als schmerzlich erlebt wurde, derzeit zu Ende gehe. Fraglich ist unterdessen, wie die neue Lage sich längerfristig aus Sicht der guineeischen Bevölkerung darstellen wird.

Rückblick auf 50 Jahre Unabhängigkeit – mit nur zwei Präsidenten

Die Republik Guinea - nicht zu verwechseln mit ihrem Nachbarland Guinea-Bissau, das seinerseits eine frühere portugiesische Kolonie ist - errang im Oktober 1958 ihre Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich. Doch während die Regimes anderer Länder in Westafrika einen „kontrollierten Übergang“ in die Unabhängigkeit akzeptierten, der im Wesentlichen dazu diente, die ökonomischen Interessen Frankreichs zu wahren und die Macht in die Hände „verantwortungsbewusster“ Eliten zu übergeben, entschied die politische Führung in Conakry sich für einen scharfen Bruch. Der erste Präsident des Landes, Ahmed Sékou Touré, ließ das französische Staatsoberhaupt Charles de Gaulle bei seinem Besuch in Guinea im August 1958 durch die Menge seiner Anhänger auspfeifen. De Gaulle war gekommen, um dem Land einen Status politischer Autonomie in engem Verbund mit der Kolonialmacht anzubieten. Er scheiterte.

Frankreich zog sich Hals über Kopf aus Guinea zurück, und die Kolonialherren legten Wert darauf, alle technischen Geräte mitzunehmen oder zu zerstören. Das unabhängige Guinea wurde dadurch wirtschaftlich um Jahrzehnte zurückgeworfen. Zumal das Land zuvor - wie andere Kolonien auch - in seinen ökonomischen Strukturen auf Monokulturen und auf Exporte, die den Interessen Frankreichs dienten, ausgerichtet worden war. Die Umstrukturierung seiner Ökonomie fiel ihm schwer. Der extreme politische Voluntarismus der staatssozialistischen Führung unter Sékou Touré, der von 1958 bis 84 regierte, tat sein Übriges: Guinea war Jahre hindurch von der Außenwelt abgeschottet, wirtschaftlich ruiniert und wurde mit autoritären Methoden geführt. Sékou Touré, den Frankreich mutmaßlich mehrfach zu ermorden versuchte, driftete in eine extreme Paranoia ab, witterte überall „Komplotte“, ließ Tausende hinrichten und Hunderttausende einsperren.

Dass die Armee nach seinem Tod im März 1984 die Macht übernahm,  dem „Tropenstalinismus“ unter Sékou Touré ein Ende setzte, eine Lockerung des rigiden Autoritarismus - verknüpft mit „wirtschaftlicher Öffnung“ gen Westen - versprach, wurde deshalb durch einen Gutteil der Bevölkerung als Erleichterung erlebt. Doch alsbald folgte wieder die Enttäuschung. Der General Lansana Conté, der das Armeeregime führte und sich später zum neuen Präsidenten aufschwang, führte das Land weiterhin mit autoritären Mitteln. Die wirtschaftliche Öffnung wurde zugleich zum Synonym für den Ausverkauf seiner Rohstoffe.

Während die größten Bauxit-Vorräte des Planeten unter der Erde Guineas schlummern - mutmaßlich zwei Drittel der Weltvorräte - und das Land zu den wichtigsten Exporteuren dieses Ausgangsstoffs zur Aluminiumgewinnung zählt, lebt die Bevölkerung in bitterer Armut. Die Studentinnen und Studenten von Conakry fahren zum Lernen an den 15 Kilometer entfernt liegende Flughafen der Hauptstadt: Dessen Parkplatz ist der einzige Ort in Conakry, neben dem Präsidentenpalast und den Villen der Superreichen, der nachts regelmäßig beleuchtet wird. Am Vorabend von Prüfungen kann man dort Tausenden von Studierenden, die in ihre Bücher vertieft sind, begegnen. Unterdessen sehen die Bewohner von Conakry und seiner Vororte die mit Bauxit gefüllten Züge mehrmals täglich an sich vorbeirattern. In dem soeben - am 12. März dieses Jahres - erstmals in einem Pariser Vorort gezeigten Dokumentarfilm „Cona-Cris“ des französischen Filmemachers Gilles Nivet (2009) sieht man regelmäßig die Bauxitzüge an Bahnübergängen in Conakry, und hört die Kommentare der Bewohner zum Ausbluten des Landes und seines Ressourcenreichtums. Während des Generalstreiks im Januar und Februar 2007, der das damalige Regime unter Präsident Lansana Conté zum Wackeln brachte und dessen Niederschlagung rund 130 Todesopfer kostete, wurden wiederholt Steine auf die Bauxitzüge geworfen, und Streikende brachten sie zum Stoppen.

Anfänglich populäre Putschisten

Man hätte glauben können, dass der Tod von Lansana Conté, der am 22. Dezember vergangenen Jahres bekannt wurde - aber möglicherweise in Wirklichkeit schon ein paar Tage früher erfolgte -, die Situation ändert. Bislang hat das Land, in 50 Jahren Unabhängigkeit, erst zwei Präsidenten erlebt. Das Verlangen nach radikaler Veränderung, das sich nicht zuletzt in dem massenhaft befolgten Generalstreik vor zwei Jahren niederschlug, war und ist enorm. Doch das Szenario von 1984 scheint sich derzeit, in kaum abgewandelter Form, zu wiederholen: Nach dem Tod des 73jährigen Präsidenten ergriff - wie damals nach jenem seines Vorgängers Sékou Touré - die Armee die Macht. Oder eher, ein Flügel der Armee.

Der absolut unblutig verlaufene Umsturz vom 23. Dezember 2008 stieß zunächst durchaus auf Begeisterung in der Bevölkerung. Denn gemäß der Verfassung hätte Parlamentspräsident Aboubacar Somparé als Interimspräsident die Amtsgeschäfte führen müssen. Jener war aber, als Repräsentant des hyperkorrupten alten Regimes, derart verhasst, dass der Offiziersputsch in breitesten Kreisen als kleineres Übel empfunden wurde. Zudem fürchteten viele Menschen, dass das alte Regime auf Dauer „implodieren“ werde und sein Zusammenbruch, oder Kontrollverlust in Teilen des Landes, zu „ethnischen“ Zusammenstößen führen werde. Denn wie andere Regimes auf dem afrikanischen Kontinent hatte auch das guineeische eine Ethnisierung der sozialen Beziehungen, durch systematische Bevorzugung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe bei der Vergabe von Ämtern und Pfründen - der Malinké unter Sékou Touré, der Soussou unter seinem Nachfolger Conté -, vollzogen. Gleichzeitig nutzte das Regime in Krisenmomenten die Hetze gegen einzelne Bevölkerungsgruppe, in diesem Falle die Peul, als Blitzableiter für soziale Frustrationen. Da in jüngerer Zeit zahlreiche Waffen in den Vororten von Conakry zirkulierten - die aus den früheren Bürgerkriegen in den Nachbarstaaten Sierra Leone und Liberia stammen, oder aber während des Aufstands 2007 Polizisten abgenommen wurden -; entstanden bewaffnete Jugendbanden auf „ethnischer“ Basis. Hätte das alte Regime, das einen totalen Legitimationsverlust erfuhr, fortbestanden, so wäre auf Dauer ein Bürgerkrieg auf ethnisierter Basis zu befürchten gewesen.

Der Offiziersputsch hat dieses Risiko offenkundig stark verringert. Dazu trug bei, dass der Chef der neuen Militärjunta, der 44jährige und damit relativ junge Offizier Moussa Dadis Camara, keiner der größeren Bevölkerungsgruppen des Landes - Malinké, Peul, Soussou - angehört: Er stammt aus der Waldprovinz Guinée Forestière an der Grenze zu Liberia und gehört damit einer kleinen, in den Eliten kaum repräsentierten Bevölkerungsgruppe an. Somit besteht auch kaum ein Risiko, dass er alle Posten mit Angehörigen seines eigenen „Clans“ besetzt.

Einschnitte in das Netzwerk der (System gewordenen) Korruption

Vor allem aber haben die jungen Offiziere, die nun in führender politischer Position sind - und in den ersten Tagen nach ihrer Übermacht der Macht gleich 25 alte Generäle und hohe Offiziere in Rente schickten - tiefe Einschnitte in die Netzwerke der Korruption vorgenommen. In Guinea hängt eine Position in der politischen und ökonomischen Elite bislang so gut wie überhaupt nicht mit einer Stellung im Produktionsprozess zusammen, da die Wirtschaft des Landes im Wesentlichen nicht auf der Herstellung oder Weiterverarbeitung von Industriewaren beruht - sondern eine Rentiersökonomie darstellt. In ihr stammt Reichtum fast ausschließlich aus dem Abbau und dem Export von Rohstoffen. Um an Wohlstand und günstigen sozialen Positionen teilzuhaben, muss man also eine gute Stellung in einem Netzwerk innehaben, das einen Zugriff auf die staatlichen Einfuhr- und Ausfuhrzölle ausübt. Die Elite verhält sich gegenüber der Nationalökonomie des „eigenen“ Landes weitgehend parasitär. Denn da sie nicht am Produzieren, sondern an Import und Export verdient, haben ihre Mitglieder kein oder kaum ein Interesse daran, dass das Land sich entwickelt. Vielmehr hängt ihr Interesse daran, dass sie sich einerseits einen Anteil am „Kuchen“ der Ausfuhrerlöse der wichtigsten Rohstoffe - insbesondere Bauxit - durch mafiöse Netzwerke in den Zoll- und Steuerbehörden sichert. Andererseits aber strebt sie danach, möglichst viele Bedarfsgüter zu importieren, weil sie so durch ihren Zugriff auf die Einfuhrzölle höhere Einnahmen erzielt, als wenn diese Güter im Land selbst hergestellt würden. So ernährt sich die guineeische Bevölkerung überwiegend - die ärmeren Klassen fast ausschließlich von Reis, der schon seit der Kolonialperiode aus Südostasien, der früheren französischen Besitzung Indochina, importiert wird. Dabei wachsen mannigfaltigste Tropenfrüchte im Land selbst, und Gemüse oder Tomaten könnte ohne Weiteres vor Ort produziert werden, falls ein politischer Wille dazu vorhanden wäre. Aber ihr Anbau erfolgt nur in einigen wenigen Musterfarmen, deren wichtigste sich im Privatbesitz des vormaligen Präsidenten Lansana Conté befand. Überwiegend wird der Nahrungsmittelbedarf durch Import abgedeckt, aufgrund des vorgenannten Interesses der Elite.

Die notorisch durch Korruption zerfressenen Zoll- und Steuerbehörden sorgen für gefüllte Bankkonten bei den Mitgliedern der Oligarchie aus Politikern, Berufsmilitärs und einigen wenigen Geschäftsleuten. Hinzu kommt die Bereicherung durch das Drogengeschäft, da Guinea ebenso wie Guinea-Bissau in den letzten Jahren zum wichtigsten Umschlagplatz für Kokain aus Südamerika in Richtung Europa geworden ist.

Die jungen Offiziere, die derzeit eine Militärregierung unter dem Namen „Nationaler Rat für Demokratie und Entwicklung“ (CNDD) anführen, forderten und versprechen einen Bruch mit diesen bisherigen Praktiken der Macht. Es wäre im Übrigen nicht das erste Mal, dass einige - vor allem jüngere und untere - Offiziere der Armee in einem Land der so genannten Dritten Welt progressiver auftreten als die etablierte „politische Klasse“. Denn in vielen dieser Länder ist eine Armeekarriere oft die einzige Chance für Söhne aus einem armen Elternhaus, eine aussichtsreiche Laufbahn einzuschlagen.

Tatsächlich wurden einige herausragende Repräsentanten der zum System gewordenen Korruption in jüngster Zeit belangt. Gegen den ältesten Sohn des verstorbenen Präsidenten, Ousmane Conté, der bislang eine wichtige Rolle in der Armee - besonders bei der Repression gegen die Streikenden Anfang 2007 - spielte und vor allem eine führende Rolle im Drogenhandel innehatte, wurde ein Strafverfahren eröffnet. Angehörige der Oligarchie wurden durch die regierenden Militärs vor eine Kommission vorgeladen, wo sie über die Herkunft ihres Reichtums Rede und Antwort stehen mussten. Unter ihnen ist der reichste Geschäftsmann des Landes Mamadaou Sylla - der Ende 2006 aufgrund des Diebstahls von Staatseigentum in Höhe von Milliarden guineeischer Francs eingesperrt, aber von seinem Freund Lansana Conté (mit den Worten „Die Justiz bin ich“) persönlich aus dem Knast befreit worden war. Er und andere ultrakorrupte Oligarchiemitglieder werden nun ultimativ dazu aufgefordert, dem guineeischen Staat „das Gestohlene“ zurückzuzahlen. Und am 23. März 2009 wurde im Zuge dieser Anhörungen auch der letzte amtierende Premierminister (bis zum Putsch von Ende Dezember vergangenen Jahres), Ahmed Tidiane Souré, vorübergehend festgenommen. Nach einer Woche in Untersuchungshaft und Einvernehmungen zur Sache kam er Ende März wieder frei. (Wohl zu Recht, denn Souaré ist bei weitem nicht der korrupteste guineeische Politiker.)

Die guineeische Bevölkerung hat also anfänglich das Militärregime eher begrüßt. Und dies gilt auch für die Gewerkschaftsführer/innen - wie die Vorsitzende des wichtigsten Gewerkschaftsbunds CNTG, Frau Rabiatou Diallo -, die 2007 den Generalstreik anführten, aber die Militärregierung des CNDD anfänglich klar willkommen hießen. Doch inzwischen ist die ursprüngliche Euphorie verflogen. Die eigenen autoritären Methoden der Putschoffiziere treten deutlicher zu Tage.

Autoritarismus der Militärs tritt zu Tage. Aber sie kündigen baldige freie Wahlen an

Das politische Leben des Landes hat sich weitgehend auf die Kaserne, die den Sitz der Offiziersgruppe um Moussa Dadis Camara bildet - das Camp Alpha Yaya - konzentriert. Zwar haben die Militärs eine Zivilregierung unter dem Technokraten Kabiné Komara eingesetzt, doch letztere kontrolliert so gut wie nichts. Die wichtigsten Minister amtieren vom Camp Alpha Yaya aus, und wenn es wichtige Entscheidungen zu treffen gilt, dann wird der Regierungschef durch die Militärs dorthin bestellt. Unterdessen ist noch lange nicht klar, ob die Offiziere ihr Versprechen einhalten werden, noch vor Ablauf des Jahres pluralistische Wahlen abzuhalten und sich sodann von der Macht zurückzuziehen - oder ob sie, nachdem sie einmal „am Honig gekostet“ haben, doch allzu viel Gefallen an ihren derzeitigen Machtpositionen finden. In der zweiten Märzwoche haben sich nun Gewerkschaften, „Verbände der Zivilgesellschaft“ - die guineeischen NGOs - und Oppositionsparteien auf einen „Kalender“ geeinigt: Er sieht Parlamentswahlen im November und Präsidentschaftswahlen im Dezember 2009 vor. Abzuwarten bleibt, ob die Militärs ihn einhalten werden.

Derzeit sieht es jedoch danach aus: Ende März/Anfang April wurde auf nationaler und internationaler Ebene bekannt, dass die Militärregierung des CNDD tatsächlich die Abhaltung allgemeiner Wahlen angekündigt hat – trotz der massiven Probleme, die es mit der Eintragung der Stimmberechtigten und der Erstellung von Wähler/innen/registern gibt. Demnach sollen am 11. Oktober 2009 die Parlaments-, und am 13. Dezember 2009 die Präsidentschaftswahlen abgehalten werden. (Vgl. http://www.grioo.com) Tritt diese Ankündigung tatsächlich ein, und fallen die Wahlen frei und fair aus, wäre dies durchaus eine politische Sensation. Es hätte möglicherweise auch damit zu tun, dass der Chef des CNDD, Moussa Dadis Camara, sich von einem „sauberen“ Abgang der Militärregierung eigene Chancen auf eine Wahl zum Präsidenten ausrechnet.

Dennoch dürfte er sich da nicht gar zu sicher gehen, denn er muss – falls er antritt – mit Konkurrenten von Gewicht rechnen, etwa „historischen“ Oppositionspolitikern wie Alpha Condé. Er kehrte, nach mehrjährigem erzwungenem Exil (er wurde 1998 kurz nach den damaligen manipulierten Wahlen verhaftet und blieb bis 2001 in Haft) in Paris, am 21. Dezember 2008 nach Conakry zurück. Übrigens auch ein Anzeichen dafür, dass der Tod des alternden Präsidenten Lansana Conté und das Ende seines Regimes in eingeweihten Kreisen schon länger bekannt war, bevor das Ableben des Staatsoberhaupt am 22. Dezember offiziell verkündet wurde – Zeitschöpfen für die Militärs, um damals in Ruhe ihre Machtübernahme vorzubereiten?

Neue Aushandlung aller Wirtschaftsverträge: bessere Positionen für Guinea, oder nur „Partnerwechsel“?

Auf einer anderen Ebene finden unterdessen massive Veränderungen statt: Eine der ersten Maßnahmen der Militärregierung hatte darin bestanden, eine Neuverhandlung aller Wirtschaftsverträge, die das Land mit internationalen Konzernen verbindet, vorzunehmen. Dafür gibt es tatsächlich gute Gründe: Aufgrund des parasitären Charakters der Oligarchie, gemessen an den Interessen einer Entwicklung der guineeischen Nationalökonomie, räumen viele dieser Verträge den im Land aktiven Konzernen beträchtliche Vorzüge ein - und benachteiligen Guinea. Während den Konzerne etwa enorme Steuervorteile eingeräumt werden, konnten Angehörige der Zoll- und Steuerbehörden in der Vergangenheit von persönlichen Zuwendungen und Schmiergeldzahlungen profitieren.

Diesem Treiben ein hoffentlich schnelles Ende zu setzen, wäre nur zu wünschen. Allerdings: Es zeichnet sich im Moment vor allem ab, dass es zu einem Austausch der bisherigen Wirtschafts„partner“ Guineas kommen wird. Denn in den letzten Jahren hatten vor allem US-amerikanische (Alcan) und russische (Rusal) Konzerne vom Abbau der Immensen Bauxitvorräte Guineas profitiert. Französische Interessen waren zwar seit dem Wechsel im Präsidentenamt von 1984 - nach dem Tod Sékou Tourés - nicht länger verbannt, aber konnten nicht den Ton angeben. Derzeit zeichnet sich ab, dass die Franzosen seit Monaten massiv in die Offensive gehen, um ihre in den letzten Jahrzehnten verlorenen Plätze wieder einzunehmen.

Der französische „Kooperationsminister“ - so heißt in Paris inzwischen der frühere „Kolonialminister“ - Alain Joyandet traf schon Anfang Januar, die Militärregierung war seit kaum einer Woche im Amt, in Conakry ein. Dort verkündete er in einer Art und Weise, die durch die örtliche Bevölkerung als ziemlich arrogant erlebt wurde, die Bedingungen für eine internationale Akzeptanz des Militärregimes und den „Wahlkalender“, den es einhalten müsse. Gleichzeitig führte er zahlreiche Gespräche mit örtlichen Politikern, bei denen er die einschlägigen Interessen Frankreichs angemeldet haben dürfte. Unterdessen zeigen auch die ökonomischen Akteure massiv Präsenz. So sind mehrere leitende Angestellte der guineeischen Filiale des französischen Erdölkonzerns TOTAL in den Ministerialkabinetten der neuen Regierung vertreten. Vor kurzem wurden Off Shore-Vorkommen an Erdöl und Erdgas vor der Küste Guineas entdeckt.

„Hilfe, Frankreich ist zurück“: Wird es also letztendlich nur zu einem Austausch der „Partner“ Guineas unter Beibehaltung bestehender Abhängigkeiten kommen? Wie es wirklich um die „Rückkehr“ der früheren Kolonialmacht mitsamt ihren ökonomischen Interessen in Guinea bestellt ist, wird sich in den kommenden Monaten abzeichnen. Entscheidend für eine Bewertung wird einerseits sein, in welchem Ausmaß eine Demokratisierung stattfindet und damit Transparenz auch in die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Machthaber einzieht - oder aber ob auch künftig Privatinteressen der Oligarchie über jene des Landes gestellt werden. Auf der anderen Seite ist es ebenso wichtig, die Frage aufzuwerfen, ob Guinea seinen Rohstoffreichtum nutzen kann, um sich zumindest einigen Handlungsspielraum gegenüber den Großmächten und internationalen Konzernen zu verschaffen.

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FUSSNOTE 1: ‚Afrique Asie’ denunziert zwar oft (und oftmals zu Recht) die Politik westlicher Grobmächte, tritt aber ebenso häufig als Sprachrohr für amtierende Präsidenten des afrikanischen oder asiatischen Kontinents und ihre Regimes auf. Beispielsweise betreibt die Zeitschrift seit Monaten eine schamlose und unverhüllte Kampagne, um die „Verdienste“ des algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika – der bei der Präsidentschaftswahl am o9. April 2009 um seine Wiederwahl kandiert – mit glühendem Pathos, Trommelwirbel und in blendendem Licht der Welt zu präsentieren.
 
Bezogen auf die Republik Guinea bezog das Blatt insofern ebenfalls eine Extremposition, als es die Aufforderung, freie Wahlen abzuhalten, ALS SOLCHE als „Diktat der früheren Kolonialmacht Frankreich“ verwirft. Es verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Chef der amtierenden Militärjunta, der junge Offizier Moussa Dadis Camara, dem entsprechenden Druck widerstehe. Nun kann man das Fortbestehen eines Militärregimes als solches sicherlich nicht ehrlicherweise als antiimperialistische Glanztat auffassen...

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung in dieser Ausgabe.
Eine stark gekürzte Fassung erschien vor kurzem auf den Auslandsseiten der Tageszeitung ‚Neues Deutschland’, kurz bevor die guineeische Militärregierung die neuen Wahltermine bekannt gegeben hat.