Die seltsame Welt des
Dr. Dieter Dehm


von Klaus Sczepanski
 

04/09

trend
onlinezeitung

Am 28. März 2009 gab es auf einer Demonstration in Frankfurt/Main deutlich hörbare Proteste vieler TeilnehmerInnen gegen den Auftritt des Vorsitzenden der Partei »Die Linke«, Oskar Lafontaine. In einer Pressemiiteilung bezeichnete daraufhin der niedersächsische Landesvorsitzende der Partei, Dieter Dehm, die Demonstrationsteilnehmer, die Lafontaines Beitrag störten, als "Militante fanatisierte Anhänger von israelischer Regierung und Geheimdienst". Die Presserklärung des Landesverbandes Niedersachsen der Partei »die Linke« läßt auch ansonsten auf ein bemerkenswertes Weltbild schließen.

Die Vorgeschichte

Am 28. März 2009 trat Oskar Lafontaine als Redner für die Partei »die Linke« auf der Demonstration »Wir zahlen nicht für eure Krise« in Frankfurt/Main auf. Dieser Auftritt war bereits im Vorfeld umstritten, mehrere Gruppen des Vorbereitungsbündnisses hatten die Partei gebeten, einen anderen Sprecher oder eine andere Sprecherin zu nominieren. Oskar Lafontaine, so die Bedenken z.B. von Flüchtlingsgruppen, würde für viele DemonstrationsteilnehmerInnen aufgrund früherer, gegen Flüchtlinge gefoderter Maßnahmen, untragbar sein. Andere Gruppen erinnerten sich noch gut daran, dass Lafontaine mehrfach den Schutz einheimischer Arbeiter gegen die Konkurrenz durch - so Lafontaine - »Fremdarbeiter« gefordert hatte ( http://www.antifa-frankfurt.org/). Die Partei »die Linke« bestand jedoch auf Lafontaine als Redner und da sie ein wichtiger Financier der Demonstration war, konnte sie diesen Auftritt schließlich auch durchsetzen. In Folge trat dann genau das ein, was von Vorneherein absehbar war, tausende von DemonstrantInnen verwandelten Lafontaines Rede in ein tosendes Pfeifkonzert. Gegen vereinzelte rohe Eier musste Herr Lafontaine von seinem polizeilichen und privaten Personenschutz mit Schirmen und Schilden geschützt werden.

Die Entgleisungen des Dr. Dieter Dehm

Am Sonntag, den 29. März veröffentlichte Maren Kaminski, als Presseverantwortliche für den Landesverband Niedersachsen der Linkspartei, eine Presserklärung im Auftag des niedersächsischen Landesverbandes der Partei. In dieser Presseerklärung bezeichnete der Landesvorsitzende, Dieter Dehm, die protestierenden DemonstrantInnen als "Militante fanatisierte Anhänger von israelischer Regierung und Geheimdienst" und behauptete, diese hätten Lafontaine "gewalttätig angegriffen". Er bemängelte, die anwesende Polizei sei in "Frankfurt zum Schutz der Demonstrierenden wirkungsarm" gewesen. Das legt den Schluß nahe, dass die Linkspartei Niedersachsens der Meinung ist, die Polizei hätte gegen tausende von DemonstrantInnen einschreiten sollen, die Lafontaine nicht ungestört reden lassen wollten. Im weiteren Verlauf der Pressemitteilung rief Dieter Dehm dann nach der Justiz und fordert diese auf, es müssten "alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten geprüft werden, mit denen insbesondere fundamentalistische Gewalttäter, die unter dem Decknamen 'antideutsch' vernünftige nationalstaatliche Sozialstandards dem EU-Neoliberalismus opfern wollen, wirkungsvoll zur Ordnung zu rufen sind". Die Partei »die Linke« solidarisiere sich mit Oskar Lafontaine.

Dehm und Lafontaine sind gute Freunde. Beide waren SPD-Bundestagsabgeordnete, bevor sie zur Partei »Die Linke« wechselten. Dehm ist außerdem Vorsitzender des Unternehmerverbandes OWUS, welcher der Linkspartei nahesteht und auf deren Parteitagen vertreten ist. Zuvor hatte Dehm schon die Unternehmervereinigung der SPD gemanaged.

Schnell vertuschen

Offensichtlich waren diese "Erkenntnisse" des Landesvorsitzenden und Europapolitischen Sprechers der Bundespartei, anderen in der Partei »die Linke« denn doch zu peinlich. Einen Tag nach der Veröffentlichung der Pressemitteilung wurde diese still und heimlich aus dem Content-Management-System der Website der Partei gelöscht. Die Meldung trug die Artikel-Nummer 240. Diese konnte seit dem 31.3. nicht mehr abgerufen werden. Die Artikel 239 und 241 hingegen sind nach wie vor vorhanden. Was jedoch einmal im Netz veröffentlicht wurde, lässt sich im Nachhinein schlecht wieder rückgängig machen: diverse Websites und auch der Suchmaschinenbetreiber Google hatten die Seite mit den Ausfällen Dehms mittlerweile gespiegel bzw. in den Such-Index und den Such-Cache aufgenommen. So kann im Cache von Google die hastig entfernte Seite immer noch abgerufen werden ( http://209.85.129.132/) (Stand 9.4.09- red. trend). Auf Nachfrage bei der Pressestelle der Partei »die Linke« in Niedersachsen, wollte man sich zu dem Vorgang nicht äußern.

Und jetzt?

Es mag ja durchaus verständlich für einen Parteipolitiker in wichtiger Funktion und Multifunktinär wie Dr. Dehm sein, wenn bei ihm angesichts des erkennbaren negativen Echos auf die Rede Lafontaines, Befürchtungen aufkommen. Dies umso mehr, als in diesem Jahr verschiedene Wahlen stattfinden sollen. Bezeichnend ist allerdings, dass in diesem Zusammenhang nicht etwa nach eigenen Fehlern gesucht wird, sondern dass man bei der Linkspartei in Niedersachsen die Flucht nach vorne antritt und dabei ein abenteuerliches Weltbild zu Tage tritt, in dem es offensichtlich von dumpfen Verschwörungstheorien nur so wimmelt. Es ist immerhin positiv zu bewerten, dass man Dehms Eskapade in diesem Fall offensichtlich ein Ende bereitet hat und die Presseerklärung still und heimlich "entsorgt" hat. Für das nächste Mal. Ob das beim Unternehmersprecher Dehm allerdings lange vorhält, wird sich zeigen müssen.
 

Editorische Anmerkungen

Den Text erschien zuerst bei Indymedia am 5.4.09.