Am 1.März 2009 sind in Berlin
die neuen Ausführungsbestimmungen Wohnen (AV-Wohnen) in Kraft
getreten, die den Umgang mit Hartz-IV-BezieherInnen regeln,
deren Miete nach den Gesetzen zu hoch ist. Für die Mehrheit
der über 600000 betroffenen Berliner Haushalte, die Hartz IV
beziehen, bedeutet die Neuregelung mehr Druck und weitere
Unsicherheit, so das Fazit einer Pressekonferenz, zu der die
Arbeitsgruppe Notruftelefon am 15. April eingeladen hat. Die
AG berät Erwerbslose, die vom Jobcenter zur Senkung der
Mietkosten aufgefordert wurden.
Der Hauptkritikpunkt ist die
Verkürzung der Frist für die Senkung der Mietkosten von einem
Jahr auf 6 Monate. Nach Ansicht von Eva Willig vom
Notruftelefon ist damit der Berliner Senat vor der massiven
Kritik von Bundesrechnungshof und Bundespolitik eingeknickt.
Stattdessen hätte er offensiv für eine bundesweite Anhebung
der Frist auf 1 Jahr eintreten sollen.
Auch die Erwerbslosenberaterin Anne Allex sieht in der neuen
AV-Wohnen „einen Offenbarungseid von politischer Hilflosigkeit
des Berliner Senats“. Bei ihrer Analyse der neuen Verordnung
hob sie besonders hervor, dass sich jetzt Hartz
IV-BezieherInnen schon bei der Antragsstellung um das Senken
ihrer Mietkosten kümmern müssen. Zudem hätten sich in der
letzten Zeit vermehrt die Erhöhung der Heizkosten eine
Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters zur Folge gehabt.
Besonders belastend seien für die Betroffenen auch, dass sie
sich Wohnungsumzüge vom Jobcenter genehmigen lassen müssen.
„Die Menschen sind verunsichert
und verschulden sich, um in ihrer Wohnung zu bleiben, auch
wenn das Amt nur noch die verminderten Mietkosten übernimmt“,
konstatierte die Soziologin Karin Baumert nach der Auswertung
einer Umfrage zum Komplex Wohnen und Hartz IV. Dafür wurden
ca.2000 Fragebögen vor Anlaufstellen von Erwerbslosen
verteilt.
Die Ergebnisse der knapp 50 ausgefüllten Bögen decken sich mit
den Anrufen beim Notruftelefon, betont Baumert. Für die
Begleichung der Miete leihen sich die Betroffenen Geld,
untervermieten Teile ihrer Wohnung oder sparen beim Essen.
Die Friedrichshainer
Erwerbslosenberaterin Brigitte Block-Kilian, wies darauf hin,
dass vor allem der prekäre Mittelstand, darunter viele
erwerbslose AkademikerInnen, die Beratungsangebote in Anspruch
nehmen und auch zu Gegenwehr bereit sind. Um die Betroffenen
zu erreichen, die oft mit dem Schlagwort des abgehängten
Prekariats bezeichnet werden, bietet die Volkssolidarität in
Friedrichshain seit einem Jahr Beratungsangebote vor
Essentafeln, Suppenküchen und ähnlichen Treffpunkten an.
Zur kurzfristigen Linderung der
Missstände stellte Karin Baumert einen Forderungskatalog der
AG Notruftelefon vor. Dazu gehört die Einführung einer
kostenlosen Hotline für Beratungen sowie die Bereitstellung
eines Pools von Wohnungen, deren Mieten sich im Rahmen der in
der AV-Wohnen festlegten Sätze bewegen, durch die städtischen
Wohnungsbaugesellschaften,. Eugen Kock, der in Neukölln für
den Berliner Mieterverein aktiv ist, konnte durch eigene
Recherchen feststellen, dass Wohnungen mit den in der
AV-Wohnen festgelegten Mieten für Paare und Familien in den
meisten Fällen gar nicht vorhanden waren.
Editorische
Anmerkungen
Den Text erhielten wir vom Autor.
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