Solche Parolen drücken –
ob gewollt oder nicht - ein gemeinsames Interesse von Lohnarbeit
und Kapital aus. Denn wer wollte allen Ernstes leugnen, dass das
Kapital keine Arbeitsplätze will, nämlich möglichst viele
profitable Arbeitsplätze? Dass sich unprofitable Arbeitsplätze
nicht halten lassen, steht auf einem ganz anderen Blatt. Das
allgemeine Verlangen nach Arbeitsplätzen eröffnet jedenfalls
ungeahnte Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Lohnarbeit und
Kapital und steht quer zu allen Versuchen, die sozialen
Interessen der Lohnabhängigen denen des Kapitals entgegen zu
stellen und dafür zu kämpfen. Doch schauen wir etwas näher hin.
Kleine (ideologische)
Ursache ...
Die bürgerlichen
Meinungsforschungsinstitute haben in Umfragen festgestellt, dass
existentielle Unsicherheit immer mehr Menschen bedrückt. Selbst
relativ gut verdienende Lohnabhängige machten sich „Sorgen um
ihren Arbeitsplatz.“
Weil das so ist,
überbietet sich Politik, auch linke Politik und
gewerkschaftliche Politik, mit praktischen Vorschlägen für und
dem Verlangen nach Erhalt und Vermehrung von Lohnarbeitsplätzen.
Was jedoch bedrückt die
Menschen wirklich? Es ist die Sorge um ihre Lohneinkommen, die
Sorge, vielleicht bald nur noch soviel Geld zu haben, dass es
kaum zum Leben reicht. Würde man LohnarbeiterInnen die Frage
vorlegen:
„Sind
sie bereit, auf ihren Arbeitsplatz zu verzichten, wenn sie
weiterhin die gleiche Summe Geld erhielten?“
so würden wahrscheinlich
80 bis 90 Prozent antworten:
„Aber
gern doch, meinen Arbeitsplatz schenke ich Ihnen!“
Beim letzten Opel-Streik
wurde vor laufender Kamera versehentlich einem Kollegen das
Mikrofon unter die Nase gehalten, mit der Frage, wie denn die
Arbeit drinnen so sei. Der schaute den Reporter entgeistert an
und sagte sinngemäß nur:
„Ja
dann gehen Sie doch mal rein, in dieses Irrenhaus!“
So denken viele
LohnarbeiterInnen zu Recht über ihre Arbeit und „ihren“
Arbeitsplatz. Es ist nichts, worüber man sich freuen, an dem man
hängen könnte; zu beschissen ist oft die Arbeit und sind
meistens die Bedingungen, unter denen sie ausgeführt werden
muss. Zu sozialer Isolierung und mangelnder Anerkennung führt
das Fehlen eines Arbeitsplatzes nur, wenn man von dem geringen
Arbeitslosengeld I oder gar II leben muss. Die Reichen und
Superreichen erleiden auch ohne Arbeitsplatz in dieser
Gesellschaft in der Regel weder soziale Isolation noch mangelnde
Anerkennung. In der kapitalistischen Gesellschaft hängt eben der
soziale Status eines Menschen an der Menge des Geldes, über das
er verfügen kann … auf keinen Fall am Besitz eines „eigenen“
Arbeitsplatzes!
Was also die Leute
wirklich bedrückt, was ihre Existenzsorgen im Kapitalismus
ausmacht, ist der drohende Verlust des Geldeinkommens, nicht der
Verlust „ihres“ Arbeitsplatzes. Die Sorge um den „eigenen“
Arbeitsplatz ist die interessierte Verdolmetschung der Sorge um
das Geldeinkommen. Es handelt sich um eine bürgerliche
Sprachregelung! Wer dieser Sprachregelung einmal auf den Leim
gegangen ist (das ist zweifellos die Mehrheit nicht nur der
LohnarbeiterInnen, sondern auch der linken Agitatoren), der
braucht nur noch einen kleinen Schritt zu gehen, um den
Existenzsorgen durch Lohnabhängigkeit mit dem Kampf für
(Lohn-)Arbeitsplätze zu begegnen.
Große (praktische)
Wirkung …
Je höher die
Arbeitsproduktivität in dieser Gesellschaft (durch Einsatz von
Maschinerie, Wissenschaft und Technik), je schärfer die Krisen
der Kapitalakkumulation, desto unsicherer die Einkommen von
LohnarbeiterInnen. Das Kapital selbst sorgt dafür, dass das
Angebot an Ware Arbeitskraft die Nachfrage übersteigt. Um sich
greifende Lohnarbeitslosigkeit ist die Folge. Die
LohnarbeiterInnen verlieren nicht etwa „ihren“ Arbeitsplatz, der
hat ihnen nämlich nie gehört (weder das Stückchen Fabrik oder
Büro in dem sie arbeiten, noch die sachlichen Mittel, mit deren
Hilfe sie die Arbeit verrichten!), sondern ihre Arbeitskraft
wird nicht mehr nachgefragt, also auch nicht gekauft!
Es ist vielmehr das
Kapital , das profitable Arbeitsplätze, die ihm gehören,
verliert. Es verliert diese Arbeitsplätze, weil sie gar nicht
mehr profitabel oder nicht mehr profitabel genug sind.
Das Kapital schafft und
erhält nur solche Arbeitsplätze, die seinen Profit mehren. Wer
sozialen Widerstand gegen das Kapital unter der zentralen Parole
„Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen“ stellen will, den
hat das Kapital da, wo es ihn haben will! ... und es geht fortan
hauptsächlich darum, zu wie viel Verzicht und Einschränkung man
denn bereit ist, um profitable Arbeitsplätze für das Kapital zu
schaffen und zu sichern.
Nicht der Verlust eines
„eigenen“ Arbeitsplatzes ist Ursache des Verlustes von
Lohneinkommen, sondern die rückläufige Nachfrage des Kapitals
nach Ware Arbeitskraft (nichts anderes nämlich können
Lohnabhängige in dieser famosen Gesellschaft ihr Eigen am
„Produktivvermögen“ dieser Gesellschaft nennen)!
Das interessiert aber
beispielsweise von sozialdemokratischem Geist benommene
GewerkschafterInnen schon lange nicht mehr. Sie kämpfen um
Erhalt und Schaffung „unserer“ (Lohn-)Arbeitsplätzen. Und je
prekärer die Situation von Lohnabhängigen, umso mehr treten
andere Fragen in den Hintergrund und bestimmt der K(r)ampf um
Lohnarbeitsplätze das Geschehen. Begleitet wird das Getöse
vielfach von einer linken Kritik, die den Gewerkschaften
vorwirft, nicht konsequent genug für den Erhalt von
(Lohn-)Arbeitsplätzen zu kämpfen.
Ob
Tarifauseinandersetzung oder Betriebsratswahlen, überall und
immer geht es um zu erstreitende „sichere“ Lohnarbeitsplätze.
„Kluge“ gewerkschaftsnahe Ökonomen, wollen solche Arbeitsplätze
durch stärkere Kaufkraft auf Seiten der Lohnabhängigen
(Nachfrage beleben) herbei zaubern. Die Gewerkschaftsfunktionäre
selbst beklagen das „Missmanagement“ in den Unternehmen. (Warum
eigentlich wechseln sie nicht offen die Seite, werden einfach
alle Manager und zeigen uns, wie es geht?) Unten, an der Basis,
kommt dann schon mal was anderes dabei 'rum. Mir liegen
Wahlprogramme zu Betriebsratswahlen vor, in denen es kurz und
knapp heißt:
„Es
gibt nichts mehr zu verteilen! Es geht um den Erhalt unserer
Arbeitsplätze!“ So gesehen könnte man auch gleich einpacken.
Verzicht ist angesagt, damit die Arbeitsplätze des Kapitals
erhalten bleiben. Die praktische Politik der Gewerkschaften,
auch in den jetzt abgeschossenen Tarifauseinandersetzungen, hat
das schon längst zu ihrer Maxime gemacht. Der ganze K(r)ampf um
Lohnarbeitsplätze hat vor allem ein Resultat, eine große
Wirkung, dass nämlich der Klassenkampf um Forderungen, die einen
Sinn machen, nicht oder schlecht geführt wird und die Klasse der
Lohnabhängigen Stück für Stück Verlust erleidet.
Merke:
„Sobald
daher die Arbeiter hinter das Geheimnis kommen, wie es angeht,
daß im selben Maß, wie sie mehr arbeiten, mehr fremden
Reichtum produzieren und die Produktivkraft ihrer Arbeit
wächst, sogar ihre Funktion als Verwertungsmittel des Kapitals
immer prekärer für sie wird; sobald sie entdecken, daß
der Intensitätsgrad der Konkurrenz unter ihnen selbst ganz und
gar von dem Druck der relativen Übervölkerung abhängt;
sobald sie daher durch Trade's Unions usw. eine planmäßige
Zusammenwirkung zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten
zu organisieren suchen, um die ruinierenden Folgen jenes
Naturgesetzes der kapitalistischen Produktion auf ihre Klasse
zu brechen oder zu schwächen, zetert das Kapital und sein
Sykophant, der politische Ökonom, über Verletzung des "ewigen"
und sozusagen "heiligen" Gesetzes der Nachfrage und Zufuhr.
Jeder Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten und
Unbeschäftigten stört nämlich das "reine" Spiel jenes
Gesetzes.“
Marx, Kapital Bd.
1, S. 669,670
Was hätten unsere
heutigen „Trade Unions“ je mit einem „planmäßigen Zusammenwirken
zwischen Beschäftigten und Unbeschäftigten“ zu tun gehabt?
Nichts, buchstäblich nichts! Das u.a. macht ihre Anerkennung im
System aus, wie die Ohnmacht der Klasse der LohnarbeiterInnen!
Man ist zu sehr dem „ökonomischen Sachverstand“ verpflichtet,
als dass man durch den „Zusammenhalt zwischen Beschäftigten und
Unbeschäftigten das 'reine' Spiel“ von Nachfrage und Zufuhr
stören möchte.
Ohne diesen Zusammenhalt
sind die LohnarbeiterInnen zum Verzicht auf der ganzen Linie
verurteilt, umso mehr, je mehr die industrielle Reservearmee des
Kapitals sich verfestigt und anschwillt.
Ziele, die Sinn
machen
Lohnarbeitslosigkeit ist
das unvermeidliche Produkt von kapitalistischer Produktion und
Akkumulation. Der Erhalt jedes Arbeitsplatzes, den sich das
Kapital schafft und für dessen profitable Nutzung es die Ware
Arbeitskraft braucht, ist weder sinnvoll noch wünschenswert. Es
handelt sich auch nicht um ein realistisches Ziel, das etwa für
gesicherte Geldeinkommen sorgen könnte, sondern führt in die
perspektiv- und ausweglose Sackgasse ständigen Verzichts.
Realistische und
sinnvolle Ziele für die Klasse der Lohnabhängigen, zur
Abschwächung ihrer Spaltung und zur Linderung der sozialen
Folgen von Lohnarbeitslosigkeit könnten sein:
Streichung von Hartz IV,
Erhöhung des Arbeitslosengeldes und Auszahlung während der
gesamten Dauer der Arbeitslosigkeit. Finanzierung der
Arbeitslosenversicherung allein aus Beiträgen des Kapitals.
Unterstellung der Arbeitslosenversicherung unter
Selbstverwaltung.
Solange ein Kampf für
solche sozialen Ziele nicht von erheblichen Teilen der Klasse
geführt wird, stirbt jede Belegschaft unvermeidlich für sich
allein und die Lebensbedingungen der Lohnarbeitslosen, wie der
Beschäftigten wird zunehmend schlechter. Es bleibt dann in der
Tat nur der mehr oder weniger aussichtslose K(r)ampf um jeden
Lohnarbeitsplatz auf Betriebsebene. Was dabei herauskommen kann,
hängt immer von den konkreten Umständen der Pleite oder
„Restrukturierungen“ des Kapitals ab.
Macht ein Unternehmen
große Gewinne und plant Entlassungen, um diese weiter zu
vergrößern, so könnte ein Streik und die Besetzung des Betriebes
das verhindern.
Steht der Laden vor dem
aus, dürfte ein Streik gegen Entlassungen kaum diese
Entlassungen verhindern. Es blieben 2 Alternativen:
-
Ein neuer Investor
tritt auf den Plan und es geht um die Konditionen, zu denen
die Belegschaft oder Teile davon weiter beschäftigt werden.
Viel Stoff für Auseinandersetzungen um den abverlangten
Verzicht.
-
Im Falle einer
endgültigen Schließung käme nur noch „ein großer Sprung nach
vorn“, die Gründung einer Produktivgenossenschaft zur
Fortführung der Produktion, ggf. auch mit anderen Produkten,
in Frage.
In jedem Fall aber lösen
solche betrieblichen Kämpfe nicht die Probleme, die sich den
Lohnabhängigen insgesamt stellen. Da helfen nur soziale Ziele,
die die Konkurrenz unter ihnen abschwächen und auf eine
Verbesserung der Lebensbedingungen aller Lohnabhängigen
abzielen, seien es soziale Reformziele gegen die Folgen der
kapitalistischen Produktionsweise oder seien es Ziele, deren
Durchsetzung eine soziale Revolution zur Beseitigung der
kapitalistischen Produktionsweise einleiten würden.
Editorische Anmerkungen
Peter Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen
Abständen seine Kommentare zum Zeitgeschehen.
|