Betrieb & Gewerkschaft
Betriebsbesetzung in Glückstadt

von "arbeita"

04/10

trend
onlinezeitung

Die Arbeiterinnen und Arbeiter der Wäscherei Berendsen in Glückstadt (bei Hamburg)
hatten bereits im Juni 2009 erfolgreich gestreikt: Der Arbeitgeber wollte die Löhne um 20 Prozent senken, was verhindert werden konnte.

Nun ging aber die Ausschreibung der Landeskliniken Kiel und Lübeck an die preiswertere Konkurrenz in Rostock, die weit unter 7 Euro die Stunde zahlt. In Glückstadt sind es noch 9 bis 11 Euro. Die Landesregierung betont zwar, die Erhaltung der Arbeitsplätze in Glückstadt sei wichtig - jedoch sei sie durch die Ausschreibungsregeln gezwungen, das billigere Angebot zu nehmen.

In der Fabrik arbeiten zu 80 % Frauen, die Belegschaft ist bereits in den letzten Jahren stark geschrumpft. Nach der Besetzung übers Wochenende berät die Belegschaft über einen Hungerstreik.


Die bürgerliche Presse schreibt am 26.4.:

Mitarbeiter der Großwäscherei Berendsen haben über das Wochenende den  Betrieb besetzt. Aus Protest, dass ihnen der Großauftrag der Universitätskliniken zum 1. Mai entzogen wird. Die Mitarbeiter wollen,  dass die Politik tätig wird. Das sagt Uwe Zabel, Gewerkschaftssekretär der IG-Metall.

Die 120 Mitarbeiter und Zabel nutzten bereits die Kundgebung auf dem  Marktplatz nach der Aktion "Menschenkette", um zu einer eigenen Demonstration aufzurufen. Nachdem Jürgen Trittin (Grüne) gesprochen hatte, riefen die Arbeiter zu Solidarität auf. Ihre Arbeitsplätze sind massiv gefährdet, da bei den Ausschreibungen die Rostocker Wäscherei Sitex die Großaufträge der Uni-Kliniken Lübeck und Kiel bekommen hat  (wir berichteten).

Die Mitarbeiter der Firma Sitex, die die Aufträge der Fachkliniken nun bekommen hat, "können damit nicht leben und nicht sterben", sagte Jürgen Kandulla von der IG-Metall. Zu den gleichen Konditionen könne und wolle die Berendsen-Belegschaft daher nicht arbeiten. Die Geschäftsführung von Berendsen wolle 20 Prozent einsparen oder alle Mitarbeiter in Glückstadt ab dem 1. Mai in die Arbeitslosigkeit schicken, erklärte Kandulla. "Die Belegschaft wird um ihre Rechte kämpfen, deswegen besetzen wir symbolisch das Betriebsgebäude."

Von der Polizei begleitet, marschierten dann die Berendsen-Mitarbeiter  und einige Demonstranten vom Marktplatz bis zum Sitz der Großwäscherei an der Stadtstraße. Dabei machten sie mit Megaphonen und Tröten auf sich aufmerksam. Angeführt wurde diese Demonstration von Jürgen Kandulla, Antonio Gagliexdi, Betriebsratsvorsitzender von Berendsen, und Uwe Polkaehn, Vorsitzender vom Deutschen Gewerkschaftsbund Nord (DGB).

Bei der Wäscherei angekommen, öffnete Gagliexdi das Tor zum Gelände. Auf  dem Betriebsgelände versammelten sich dann Mitarbeiter und Gewerkschafter. Uwe Polkaehn: "Die Landespolitik ist mitverantwortlich, dass wir kein Tariftreuegesetz in Schleswig-Holstein haben. Die Devise 'Geiz ist geil' vernichtet etliche Arbeitsplätze - das geht so nicht."

Der Lübecker sprach davon, dass für ordentliche Arbeit ordentliches Geld bezahlt werden müsse. Die Landespolitik habe seiner Meinung nachkomplett versagt. "Wir müssen laut in Richtung Kiel schreien. Ich werde auf jeden Fall den Ministerpräsidenten informieren, was hier los ist undhoffen, dass wir gemeinsam etwas erreichen."

Einige Demonstranten hatten ihre Kinder dabei, sie liefen mit den grünen Luftballons aus der vorherigen Demo umher. Außerdem wurde ein kleiner Stand von der IG-Metall aufgebaut sowie ein Imbiss. Der Plan: Eine Nacht lang sollte das Gelände friedlich besetzt werden. Einige der Mitarbeiter ließen sich an das Tor ketten. Damit wollten sie zeigen: Wir wollen bleiben und dafür auch kämpfen.

SPD-Kreisvorsitzender Rudolf Riep rief dazu auf, sich "gerade zu machen  für Leute, die ordentliche Arbeit leisten". Durch die Kreispolitik habe er das "böse Wechselspiel der letzten Jahre beobachtet und gesehen, dass es immer weiter nach unten ging".

Helga Schwitzer, Vorstand von IG Metall: "Wir wollen saubere  Vergabepolitik und saubere Tariflöhne, denn unsaubere Geschäfte dürfen nicht gemacht werden - ich finde, dann wird auch unsaubere Wäsche  gewaschen!" Die Frankfurterin: "Wer nicht hören will, muss fühlen! Nehmt euer Notwehrrecht in Anspruch, das ist gerechtfertigt. Ich wünsche euch so viel Erfolg, wie wir ihn bei der Menschenkette hatten."

Antonio Gagliexdi verkündete: "Berendsen möchte 1, 4 Millionen Euro einsparen. Wir arbeiten jetzt schon 38,5 Stunden pro Woche und bekommen nur 37 davon bezahlt. Wenn sie noch mehr einsparen, dann werden die  Stunden auf 40 erhöht und Sonderzahlungen wie beispielsweise Weihnachtsgeld fallen aus."

Die meisten der Gewerkschafter und Politiker gingen, nachdem sie den Mitarbeitern Mut gemacht hatten, sich zur Wehr zu setzen. Die Arbeiter der Wäscherei blieben. Bis heute morgen, so das Vorhaben, soll der  Betrieb besetzt bleiben. Ab heute wird wieder normal gearbeitet. Ab morgen beginnen die Verhandlungen, bei denen über die Zukunft des Standortes Glückstadt entschieden wird. Jürgen Kandulla: "Das ist gelebte Demokratie, was wir hier machen. Und es ist nur der Anfang - mit Sicherheit sind weitere Aktionen während der Verhandlungen ab Dienstag erforderlich."

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten den Artikel von Indymedia.