Der kommende Aufstand und die sozialen Kämpfe
Eine Erwiderung auf die Veranstaltungskritik von Meinhardt Creydt "
Fetisch Bewegung"

von Peter Nowak

04/11

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Als Teilnehmer der von Meinhardt Creydt kritisierten Veranstaltung habe ich ein völlig anderes Urteil davon. Ich fand es sehr positiv, wie es den Referenten gelungen ist, so unterschiedliche Baustellen wie das Manifest „Der kommende Aufstand“, das Manifest „Empört Euch“ von Stephane Hessel und soziale Kämpfe zusammen zu denken. Wenige Tage vor dieser Veranstaltung hatte ich im Festsaal Kreuzberg eine von der Gruppe Theorie, Organisation, Praxis (TOP) besuchte Diskussionsveranstaltung zum Manifest „Der kommende Aufstand“ besucht. Beide waren sehr gut besucht, bei beiden gab es sehr interessante Diskussionen über einen grundlegenden Bruch mit der kapitalistischen Verwertungslogik. Dass der Text „Der kommende Aufstand“, den ich persönlich wegen seiner Zivilisations- statt Kapitalismuskritik durchaus kritisch gegenüberstehe, den Anlass dafür bot, ist auf jeden Fall positiv. Es bleibt aber abzuwarten, ob es nur ein kurzer Hype ist, wie bei der Debatte um Empire von Hardt/Negri, oder ob sich aus der Debatte auch praktische Konsequenzen ergeben. Da ich auf den beiden Veranstaltungen war, konnte ich auch gut beobachten, wie die unterschiedlichen Spektren über den Text diskutieren, oder besser gesagt, wie sie den Text nutzen, um die Notwendigkeit des kommenden Aufstands zu diskutieren.

Im Festsaal Kreuzberg gingen die unterschiedlichen ReferentInnen eher ideologiekritisch vor. Dabei wurde aber im Eingangsreferat der veranstaltenden Gruppe schon deutlich, dass den realen Aufstände vom arabischen Raum bis zu den Protesten nach der Räumung der Liebigstraße 14, die zeitlich sehr nah an der Veranstaltung lag, mit sehr viel Sympathie begegnet wurde.

Im Haus der Demokratie ist es nun darum gegangen, die Texte mit den tatsächlichen sozialen Bewegungen zu konfrontieren. Dabei wurden unter den Referenten natürlich Unterschiede in der Beurteilung des Textes, der zur Veranstaltung führte, deutlich. So hat Roland Roth deutlich gemacht, dass er ihn inhaltlich kritisiert, Lutz Schulenburg hat ihn auch mit einer kulturrevolutionären Attitüde verteidigt und Willi Hajek hat konkrete Verbindungen zu Streiks und sozialen Kämpfen in Frankreich im letzten Jahr gezogen. Er führte einerseits aus, dass in Teilen der politisierten ArbeiterInnen nach der Streikniederlage vom letzten Herbst diskutiert wird, dass es nicht mehr reicht, Einzelforderungen aufzustellen, weil die Regierung darauf nicht eingeht. Die Konsequenz müsse daher sein, dass System als Ganzes ins Frage zu stellen. Es muss sich natürlich zeigen, wie sich diese Haltung organisatorisch und auch in praktischen Aktionen niederschlägt. Aber allein, die Tatsache, dass sie von einer relevanten Strömung der ArbeiterInnen als Konsequenz aus der Streikniederlage vertreten wird, scheint mit sehr wichtig. Daher kann ich Creydt auch nicht zustimmen, wenn er kritisiert, dass es bei der Veranstaltung darum ging, Kämpfe zu hypen ohne sich um die Inhalte zu kümmern. Es ist sehr wohl ein Inhalt, wenn der Kampf gegen das kapitalistische Gesamtsystem überhaupt wieder in die Diskussion kommt. Es ist klar, dass daraus viele weiteren Diskussionen der Strategie und Taktik folgen müssen, wenn sich eine solche antagonistische Strömung längerfristig konstituiert. Dazu gehören auch Fragen nach den Organisationen, in denen eine solche Strömung ihren Platz haben könnte. Sollen ganz neue Organisationen geschaffen oder schon bestehende wie die von Creydt erwähnte Sud genutzt werden? Die von ihn eingeforderten Fragen ergeben sich also aus der Tatsache, dass es eine antagonistische Strömung gibt und die muss sie auch diskutieren und praktisch lösen.

Neue Kampfformen

Ein weiterer Punkt schien mir an diesem Abend wesentlich. Willi Hajek erwähnte, dass Lohnabhängige in Frankreich wieder vermehrt dazu übergehen, bestimme sanktionierenden und repressiven Maßnahmen der Staatsapparate nicht auszuführen. ElektrikerInnen weigern sich, Strom oder Wasser bei Menschen mit wenig Geld abzustellen, MitarbeiterInnen von Arbeitsämtern lehnen Sanktionen gegen Erwerbslose ab. Kontrolleure im Nah- und Fernverkehr lehnen es ab, Leute nach dem Ticket zu fragen. Die Liste ließ sich fortsetzen. Hier könnten Konturen von einer neuen Form von Arbeitskampf entstehen, der Lohnarbeit und Gesellschaft wieder zu verbinden versucht. Was dabei wichtig ist, dass ist tatsächlich keine französische Angelegenheit. Warum sollten nicht auch hier beim nächsten Arbeitskampf bei der Bahn die KontrolleurInnen streiken, die Bahn aber fahren? Das Ziel, die Kapitalverwertung des Konzern zu blockieren, um ihn zu Verhandlungen und zu Konzessionen zu bewegen, würde damit erreicht und die BahnkundInnen könnten besser für die Ziele der Streikenden eingenommen werden und sich dabei natürlich auch selber fragen, wo sie im Job oder im Stadtteil den Kapitalverwertungsinteressen Grenzen setzen können. Mir scheinen diese Fragen entscheidet zu sein und gar nicht im Widerspruch zu den von Creydt angemahnten Diskussionen zu stehen. Nur sind diese Fragen eben mit der realen Bewegung (in Frankreich) verbunden und das war gerade die Stärke der Veranstaltung.

Es rettet uns kein höheres Wesen und kein Internet

Creydt bezieht sich in seinen Text selber positiv auf Erfahrungen konkreter sozialer Bewegungen, die diese in Kämpfen, beispielsweise bei der Besetzung der Uhrenfabrik Lip gemacht hat. Lange Zeit wurde uns eingeredet und viele glauben es noch immer, die Zeit für diese Kämpfe sei mit dem Ende der fordistischen Regulationsphase endgültig vorbei. Es hat sich aber gezeigt, dass es nicht mehr überall geglaubt wird, auch dass war ein Fazit beider Veranstaltungen zum kommenden Aufstand. Die Machthaber irren, denn ihre Herrschaft ist nicht nur im arabischen Raum auf Sand gebaut. Doch um den kommenden zum werdenden Aufstand zu machen, um also wirklich eine neue Seite in der Geschichte aufzuschlagen, müssen wir uns organisieren. Denn, wie hieß es schon in einem populären Lied schon vor mehr als 100 Jahren. „Es rettet uns kein höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun.“ „und kein Internet“, diese Modernisierung sei erlaubt.
 

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.

Peter Nowak gab uns noch folgenden Veranstaltungstipp:
Im Kunstverein von Frankfurt Main ist noch bis zum 8.Mai die Ausstellung „Metropolis. Bericht über China“ zu sehen, die die Darstellung der Arbeitswelt in dem Film Metropolis mit der aktuellen Situation in China vergleicht und dabei hervorragend Einblicke in die Arbeitswelt des Landes gibt. Weitere Infos unter: www.fkv.de