Hohe Stimmenanteile für den Front
National, aber „nur“ zwei Sitze in den Bezirksparlamenten –
aufgrund des Mehrheitswahlrechts. Unterdessen ist die
konservativ-wirtschaftsliberale Regierungspartei UMP
gespaltener denn je, was ihre Haltung zu den „Werten der
Republik“ und ihre grundsätzliche Position zur immer
dynamischer auftretenden rechtsextremen Konkurrenz betrifft.
Ausgerechnet Carpentras. Die 30.000
Einwohner zählende Stadt in der Provence, bei Avignon, wählte am
Sonntag, den 27. März 11 einen Kandidaten des rechtsextremen
Front National (FN) zu ihrem Vertreter im Bezirksparlament des
Départements Vaucluse. Patrick Bassot, ihr Bewerber im
Wahlkreis von Carpentras, erhielt dabei gut 54,3 Prozent der
Stimmen. Neben ihm gelang es nur noch einem weiteren Kandidaten
des FN, Jean-Paul Dispard, die Hürde des Mehrheitswahlrechts zu
überwinden und mit absoluter Mehrheit ins Bezirksparlament
gewählt zu werden. In Brignoles, in der Nähe von Toulon, erhielt
er genau 50,03 Prozent der abgegeben Stimmen.
Der 41jährige Vizepräsident des FN, Louis
Aliot, sprach daraufhin von einem „Augenzwinkern der
Geschichte“. Denn Carpentras hat in der Geschichte des FN eine
besondere Bedeutung. In der Nacht des 8. Mai 1990 wurde der
dortige jüdische Friedhof geschändet, auf eine Weise, die die
öffentliche Meinung besonders frappierte. Es wurden nicht allein
Grabsteine beschmiert und zerstört, sondern die Leiche des
frisch beerdigten 83jährigen Félix Germon wurde auf einen
Sonnenschirmpfahl aufgespiebt.
Die Tat führte zu einer Massenmobilisierung – 200.000 Menschen
demonstrierten wenig später in Paris unter Anwesenheit von
Staatspräsident François Mitterrand -, die sich gegen besonders
auch den damals stark im Aufwind befindlichen FN richtete.
Dessen damaliger Chef Jean-Marie Le Pen hatte zuvor durch
antisemitische Wortspiele auf sich aufmerksam gemacht.
Doch die Täter wurden zunächst nicht
gefasst. Der FN rief daraufhin nach Rache, sprach von einem
„staatlichen Komplott“ gegen die eigene Partei und machte Jahre
hindurch mobil, um seine „Rehabilitierung“ zu fordern. Am 11
November 1995 (einem französischen Feiertag) mobilisierte die
rechtsextreme Partei frankreichweit ihre Kader und fuhr von
Paris aus in einem so genannten „Zug der Wahrheit“ nach
Carpentras, um dort zu demonstrieren. Sieben Monate später
allerdings wurden die Täter gefasst: Ein früherer Neonazi, der
sich inzwischen zum Buddhismus und zur Gewaltlosigkeit bekehrt
hatte, Yannick Garnier, stellte sich Ende Juli 1996 der Polizei.
Dank seines Geständnisses wurden die vier Täter gefasst und
später zu Haftstrafen verurteilt. Es handelte sich um Neonazis
und Ehemalige, die zwar nicht dem FN angehörten, sondern dem
Skinheadmilieu und in zwei Fällen auch der Splitterpartei PNFE
(Französische und europäische nationalistische Partei). Der
Urheber des Geständnisses sprach allerdings gleichzeitig davon,
wie er in seiner Jugend zunächst dem FN beigetreten war, der ihm
als Durchlauferhitzer diente und seine Ideologie entscheidend
mit prägte.
Heute hat die Spitze des FN unter seiner
neuen Chefin Marine Le Pen, ihrem Vizepräsidenten &
Lebensgefährten Louis Aliot (der selbst
kolonialfranzösisch-jüdischer Abstammung ist) und ihrem
Generalsekretär Steeve Briois sich offiziell ebenfalls bekehrt.
Die neue Parteilinie möchte offiziell von Auschwitzleugnung und
NS-Nostalgie nichts mehr wissen und kehrt eher eine Mischung aus
Philosemitismus und Einwandererfeindlichkeit nach auben.
Vorbild sind dabei erfolgreiche rechtsextreme Wahlparteien in
Westeuropa, die es im Gegensatz zum FN schafften, mit
bürgerlichen Kräften „bündnisfähig“ zu werden, von den
Niederlanden bis Dänemark und Norditalien. Doch mitunter kehrt
das Verdrängte schnell zurück. Am Samstag, den 26. März 11
kündigte die rechtsextreme Partei in Windeseile den Ausschluss
eines 20jährigen Kandidaten für die Bezirksparlamentswahlen in
Grenoble an, nachdem Fotos von ihm publik geworden waren, auf
denen er den Hitlergrub
zeigt. Doch der 20jährige Alexandre Gabriac war schon zuvor
alles andere als ein Unbekannter. 2009 war er aufgrund
rassistischer Sprüche und Prügeleien zu einer Bewährungsstrafe
verurteilt worden. Seit den Regionalparlamentswahlen vom März
2010 sitzt er im Regionalparlament in Lyon. Am Sonntag erhielt
er in seinem Wahlkreis im Namen des FN, der nicht rechtzeitig
seinen Bewerber austauschen konnte, übrigens 24,3 Prozent.
Drei Sitze für Rechtsextreme
insgesamt
Bei den französischen
Bezirksparlamentswahlen, deren beide Wahlgänge an den letzten
beiden Sonntagen (20. und 27. März 11) stattfanden, trug die
Partei nun insgesamt zwei Sitze davon. Hinzu zählen könnte man
noch eine dritte rechtsextreme Kandidatin, die eine absolute
Mehrheit erreichte, jedoch nicht mehr dem Front National
angehört, sondern der von ihm abgespalteten Splitterpartei unter
dem Namen Ligue du Sud. Marie-Claude Bompard, die Ehefrau des
rechtsextremen Bürgermeisters von Orange – Jacques Bompard,
ebenfalls ein „Dissident“ des FN – und selbst Bürgermeisterin
im Nachbarstädtchen Bollène, erhielt im Wahlkreis Orange-Ost
ebenfalls einen Sitz im Bezirksparlament. Beide
Stadtoberhäupter, die Bompards, gehören der rechtsextremen
Splitterpartei ,Ligue du Sud’ an.
An den letzten beiden Sonntagen wurden
insgesamt 2.026 Sitze in den französischen Bezirksparlamenten
neu besetzt, das bedeutet, es wurden insgesamt die Hälfte der
Mandatsträger in den insgesamt 100 französischen Départements
neu gewählt. Dabei handelt es sich um die einzige Wahl von
Bedeutung im ganzen Jahr 2011, also um eine Art letzter
„Generalprobe“ vor den Präsidentschafts- und kurz darauf
folgenden Parlamentswahlen im Frühjahr kommenden Jahres.
Der rechtsextreme Front National tat
natürlich alles, um „den Marine-Effekt zu bestätigen“, um also
von dem gewaltigen Auftrieb zu profitieren, den seine neue
Chefin und Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen derzeit in
den Umfragen profitiert. In fast allen Wahlkreisen blieben die
lokalen Bewerber/innen der rechtsextremen Partei im Übrigen
weitestgehend unbekannt: Plakatiert wurde überwiegend nur das
Konterfei von Marine Le Pen, Veranstaltungen vor Ort fanden kaum
statt, dagegen ,Chats’ im Internet (deren Inhalt durch Berater
aus der Parteizentrale kontrolliert werden konnte).
Bei den Bezirksparlamentswahlen trat der
FN im ersten Durchgang vom 20. März 11 in insgesamt 1.440
„Kantonen“ oder Wahlkreisen – von den 2026 - mit eigenen
Kandidaten an. Nicht überall hatte er Bewerber finden können,
übrigens in insgesamt rund 400 Kantonen weniger als bei der
letzten vergleichbaren Wahl im jahr 2004.
Dort, wo er antrat, erhielt der Front
National dabei in der ersten Runde im Durchschnitt 19,18 % aller
abgegebenen Schnitten. Dies ist, auf überregionaler Ebene, ein
Rekordergebnis für ihn. Zwei Drittel seiner Wahlkreisergebnisse
in der ersten Runde lagen über 15 Prozent.
400 Wahlkreise, im Durchschnitt über
35 %
Bei den Stichwahlen am vergangenen
Sonntag, den 27. März konnte der FN in 402 Wahlkreisen dabei
sein. Voraussetzung dafür war es (infolge einer jüngst erfolgten
Änderung am Wahlrecht, welche die Anforderungen hochschraubte),
dass seine Kandidaten in der ersten Runde durch mindestens 12,5
Prozent der Wahlberechtigten gewählt wurden. Dies erforderte, je
nach Wahlbeteiligung – die Wahlenthaltung überstieg in beiden
Durchgängen die 50 Prozent –, in der Regel mindestens 20 Prozent
der abgegeben Stimmen einzustreichen.
Dort, wo er am Sonntag, den 27. März
antrat, erreichten die Ergebnisse des FN im Durchschnitt 35,5
Prozent; doch vielerorts überschritten sie die 40-Prozent-Marke.
Im landesweiten Durchschnittsergebnis erhielt er laut Angaben
des Innenministers 11,1 Prozent, aber diese Zahl berücksichtigt
nicht, dass die Partei in nur einem Viertel der im Rennen
stehenden Wahlkreise auch tatsächlich dabei war.
Übrigens stimmt das zur Beruhigung oder
Selbstberuhigung angeführte Argument der Bürgerlichen, der FN
habe bei diesen Bezirksparlamentswahlen zum überwiegenden Teil
lediglich von der hohen Wahlenthaltung profitiert
(durchschnittlich 55,68 % im ersten Durchgang und 55,19 % in der
zweiten Runde), überhaupt nicht. Dieses Argument besagt im Kern,
weil die Wählerschaft der übrigen politischen Kräfte von den
Urnen ferngeblieben sei, sehe das Ergebnis des FN dadurch –
sozusagen „künstlich“ aufgepeppt – höher aus, als es in
Wirklichkeit sei. Doch dies ist falsch. Denn der FN profitierte
keineswegs automatisch von der Stimmenthaltung (der Wähler/innen
der Anderen,), eher im Gegenteil. Erstens sind die
Bezirksparlamentswahlen, im Gegensatz zur Präsidentschaftswahl –
bei welcher der Wahlkampf der Rechtsextremen auf die
Persönlichkeit von Jean-Marie Le Pen oder zukünftig Marine Le
Pen zugeschnitten wird – keine einfache Wahl. Vielerorts
verfügen sie zwar über Kandidaten, aber nicht über
„vorzeigbare“. An den vergangenen beiden Sonntagen überspielte
die rechtsextreme Partei dieses Problem, indem sie fast
nirgendwo das Gesicht ihrer Kandidaten plakatierte oder diese
selbst irgendwo zu Wort kommen lieb,
sondern fast überall ausschlieblich
mit dem Konterfei von Marine Le Pen für sich warb. Doch dies ist
auch politisch angreifbar, und die UMP-Spitze spottete bereits,
Marine Le Pen sei „Kandidatin in 1.500 Wahlkreisen auf einmal“
(worauf diese konterte, „unsere Kandidaten“ seien „Arbeitslose,
Rentner, Studierende“ und „einfache Leute“, im Gegensatz zu den
Elitehochschulabgängern der etablierten Parteien, die
entsprechen geschliffen reden könnten).
Zum Zweiten hatte sich auch ein Teil der
Anhängerschaft, des potentiellen Wählerpublikums des FN selbst
sich mindestens im ersten Wahlgang massiv der Stimme enthalten.
Denn dies wird im Vergleich zu den Stichwahlen erkennbar: Hier
konnte der FN in jenen Wahlkreisen, wo er noch antreten konnte,
fast ein Drittel Stimmen (in absoluten Zahlen) mehr mobilisieren
als im ersten Durchgang. In jenen 402 Wahlkreisen, wo er in die
Stichwahlen einzog, erhielt der FN im ersten Wahlgang 621.837
Stimmen; in der zweiten Runde waren es dann 915.049. Ein Teil
dieser Wähler/innen mag von anderen Parteien kommen (etwa aus
den Reihen der Konservativen, besonders stark dort, wo die Linke
in der Stichwahl durch eine/n Vertreter/in der KP und nicht der
Sozialdemokratie repräsentiert wurde), doch überwiegend dürften
diese neu hinzukommenden Stimmen aus dem Lager der vorherigen
Nichtwähler/innen geschöpft worden sein.
Insgesamt schnitt der FN besonders in
mehreren Départements in Südostfrankreich am höchsten ab: den
Bezirken von Marseille, von Toulon und von Nizza. In diesen
mittelmeernahen Zonen sind es vor allem die früheren
französischen Algeriensiedler oder Pieds Noirs -
eine Art Äquivalent zum deutschen „Vertriebenen“milieu - , auf
denen die hohen Wahlergebnisse des FN beruhen. Seit den 1980er
Jahren hatte dieses Milieu oftmals massiv für die extreme Rechte
gestimmt, mit Ausnahme der Präsidentschaftswahl 2007, bei denen
es vorübergehend Jean-Marie Le Pen zugunsten von Nicolas Sarkozy
den Rücken gekehrt hatte.
Auch vom Mittelmeer und der früheren
Siedlungskolonie Algerien weit entfernte Zonen sind unterdessen
vom neuen Durchbruch des FN betroffen. Dies gilt insbesondere
für industrielle Krisenbezirke im Norden und Osten Frankreichs,
wo die FN-Wählerschaft anders als im Falle des Pieds Noirs-Milieus
zum Teil auch aus der früheren Anhängerschaft der Linken kommt.
Viele Wähler rekrutierte der FN bei den Bezirksparlamentswahlen
so im Bezirk Pas-de-Calais, einem früheren
Bergbaurevier, im Bezirk von Lille (Nord). Aber
auch in Lothringen im Département Moselle, geprägt
durch das Verschwinden der früheren Stahlindustrie.
Eine wichtige politische Frage zwischen
den beiden Wahlgängen lautete, wie sich der
konservativ-wirtschaftsliberale Bürgerblock dort positionieren
würde, wo nur noch rechtsextreme und sozialdemokratische
Kandidaten in der Stichwahl gegeneinander antraten. Dies war in
206 Wahlkreisen der Wahl. Der Parteivorsitzende der in Paris
regierenden UMP, Jean-François Copé, erklärte am Abend des
ersten Wahlgangs, seinen Wähler/inne/n „die Freiheit (der
Entscheidung) zu überlassen“. Er erklärte, für die UMP komme
dabei „weder eine Allianz mit dem FN noch eine ,republikanische
Front’“ in Betracht. Also weder ein Stimmaufruf zugunsten
rechtsextremer Kandidaten noch ein Bündnis mit den übrigen
pro-demokratischen Parteien – und konkret vor allem ein Aufruf
dazu, für die sozialdemokratischen Bewerber/innen zu stimmen -,
um dem FN den Weg zu versperren.
Diese Positionierung rief teilweise
heftige Kritik hervor, da die konservativ-wirtschaftsliberale
Rechte dadurch offenkundig keinen qualitativen Unterschied
zwischen Sozialdemokratie und Neofaschisten aufzumachen bereit
war. Auch der amtierende Premierminister François Fillon
distanzierte sich von dieser Linie, die jedoch am Mittwoch, den
23. März 11 – nach zwei Tagen öffentlich ausgetragener Polemik –
durch Präsident Nicolas Sarkozy ausdrücklich bekräftigt und
festgeklopft wurde.
In den Wahlkreisen, wo der FN gegen
sozialdemokratische, besonders aber gegen parteikommunistische
Bewerber (wie in Brignoles, wo er einen Sitz davontrug) antrat,
konnte er offenkundig auch von der Zufuhr vieler bürgerlicher
Stimmen profitieren. Um die Hürde der absoluten Mehrheit zu
nehmen, reichte es vielerorts jedoch nicht aus: Dies wird die
extreme Rechte auch künftig wohl nur in einem Bündnis mit
konservativen Kräften schaffen. Aber ein Teil der bürgerlichen
Rechten bereitet sich darauf immer offenkundiger vor.
Regierungspartei UMP: Fröhlich
fliegen die Fetzen...
Unterdessen geht dort der Streit weiter.
Nichts geht mehr, allem Anschein nach, innerhalb der
konservativ-wirtschaftsliberalen französischen Regierungspartei
UMP. Spitzenpolitiker wie Premierminister François Fillon und
Parteivorsitzender Jean-François Copé gifteten sich seit dem
Montag nach dem zweiten Durchgang der Bezirksparlamentswahlen
tagelang in aller Öffentlichkeit an; Copé warf dem
Regierungschef etwa vor, „kein Mannschaftsspiel zu betreiben",
sondern sozusagen politische Sonderinteressen zu verfolgen.
Hauptgrund dafür ist, dass Fillon - wie
auch einzelne andere Politiker der UMP - einen Stopp der
unseligen „Islamdebatte" forderte, welche die UMP seit mehreren
Wochen unter dem offiziellen Titel „Debatte über den Laizismus
und den Platz der Religionen" anleierte. Am 5. April (dem
Dienstag kommender Woche) soll ein Seminar der UMP zu dem Thema
stattfinden. Niemand zweifelt daran, dass es dabei in
Wirklichkeit allein um den Platz des Islam und der muslimischen
Einwanderer gehen wird. Als Parteichef Jean-Fraçois Copé vor
anderthalb Monaten die Initiative dazu ergriff und Präsident
Nicolas Sarkozy ihn sofort öffentlich ermutigte, hatte Sarkozy
sofort klargestellt, dass es nicht in Frage komme, dass es einen
„Islam in Frankreich" geben könne - sondern wenn, dann nur einen
den Anforderungen der so genannten Integration genügenden „Islam
Frankreichs" geben dürfe. Und er fügte hinzu, es komme „nicht in
Frage, dass der französischen Gesellschaft ein (ihr fremder)
Lebensstil aufgezwungen wird". Es handelt sich ganz offenkundig
um eine Spielart der uralten Einwanderer- oder Fremdendebate.
Der seit dem letzten Wochenende im Februar
2011 amtierende Innenminister (zuvor Chefberater des Präsidenten
im Elysée-Palast), Claude Guéant, hat Ende März Woche zusätzlich
präzisiert, seines Erachtens hätten beispielsweise „religiöse
Glaubensbekenntnisse" nichts in öffentlichen Krankenhäusern
verloren. Dabei ging es, wohlgemerkt, nicht um Kreuze an den
Wänden oder die religiöse Neutralität der Räumlichkeiten,
sondern um die persönlichen Glaubensbekenntnisse von Patienten.
Derselbe Guéant hatte am 17. März 11 und nochmals vier Tage auch
öffentlich darauf insistiert, dass ein „Zu viel an Zuwanderung"
(excès d'immigration) daran schuld sei, dass
„viele Franzosen sich in ihrem Land nicht mehr zu Hause fühlen".
Daraufhin erklärte die Parteivorsitzende des rechtsextremen
Front National (FN), Marine Le Pen, sie überreiche Guéant „den
Ehren-Mitgliedsausweis" und hielt selbigen
öffentlichkeitswirksam in die Kameras.
Gleichzeitig weisen derzeit alle Umfragen
die Rechtsextreme Marine Le Pen als wahrscheinliche Teilnehmerin
am zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl in dreizehn
Monaten, an der nur zwei KandidatInnen teilnehmen können, aus.
Prognostiziert werden ihr bis zu 24 Prozent.
Höchstwahrscheinlich kalkuliert Nicolas Sarkozy genau mit diesem
Risiko: Er glaubt, das Szenario der Präsidentschaftswahl von
2002 wiederholen zu können. Damals hatte der Bürgerliche Jacques
Chirac die Wahl nur deswegen gewonnen, weil er in der Stichwahl
gegen Marine Le Pens Vater, Jean-Marie Le Pen, und nicht den
Sozialdemokraten Lionel Jospin - gegenüber dem er wohl haushoch
verloren hätte - antrat. Jospin war, auch aufgrund der
Zersplitterung der Kandidaturen der Linken im ersten Wahlgang,
in der ersten Runde hinter dem damaligen Chef des FN gelandet.
Sarkozy glaubt, genau dieses Szenario im April/Mai 2012
wiederholen zu können. Deswegen sorgt er dafür, dass ständig
über den FN und seine Themen gesprochen wird, um die rechte
„Alternative" aufzuwerten. Nur droht sein Kalkül sich gegen ihn
selbst zu kehren: Momentan zeichnet sich ab, dass bei der
zweiten Runde der nächsten Präsidentschaftswahl eher ein/e
Sozialdemokrat/in und Marine Le Pen gegeneinander antreten
dürften.
Deswegen auch beginnen Teile seiner UMP
kalte Fübe
zu bekommen. Auch Regierungssprecher François Baroin – welcher
selbst als Redner auf der Tagung vom 05. April vorgesehen war -
forderte am Montag, den 28. März das sofortige „Ende dieser
Debatten", um Islam, Einwanderung und fremde Bedrohungen. Doch
Parteichef Copé und Präsident Sarkozy stauchten ihn sofort
zusammen. Ein moderater Abgeordneter der Regierungspartei,
Etienne Pinte - ein christlicher Humanist, der in
Einwanderungsfragen regelmäbig
ausgesprochen gemäbigte
Positionen verteidigt und ansonsten François Fillon unterstützt
- forderte am Dienstag früh (29. März) den Rücktritts Copés vom
Parteivorsitz.
Der äuberst
heftige Streit verlängerte den, der vorige Woche zwischen den
beiden Durchgängen der Bezirksparlamentswahlen ausgetragen
wurde. Dabei forderte die Mehrheitsposition der UMP, vertreten
durch Sarkozy und Copé, keine Wahlempfehlung bei Stichwahlen
zwischen Sozialdemokraten und Rechtsextremen auszusprechen:
Beide seien gleichweit von den eigenen Grunz-, pardon:
„Grundwerten" entfernt. François Fillon und andere hielten dies
für gefährlich und betonten, die Rechtsextremen stünden anders
als die Sozialdemokraten doch auberhalb
der „Werte der Republik". Teile der regierenden Rechten proben
jedoch unverhohlen die schrittweise Annäherung an den FN.