Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Rechts-Rechts-Techtelmechtel
Die französischen Konservativen & Rechtsextremen nach den Stichwahlen für die Bezirksparlamente

04/11

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Hohe Stimmenanteile für den Front National, aber „nur“ zwei Sitze in den Bezirksparlamenten – aufgrund des Mehrheitswahlrechts. Unterdessen ist die konservativ-wirtschaftsliberale Regierungspartei UMP gespaltener denn je, was ihre Haltung zu den „Werten der Republik“ und ihre grundsätzliche Position zur immer dynamischer auftretenden rechtsextremen Konkurrenz betrifft.

Ausgerechnet Carpentras. Die 30.000 Einwohner zählende Stadt in der Provence, bei Avignon, wählte am Sonntag, den 27. März 11 einen Kandidaten des rechtsextremen Front National (FN) zu ihrem Vertreter im Bezirksparlament des Départements Vaucluse. Patrick Bassot, ihr Bewerber im Wahlkreis von Carpentras, erhielt dabei gut 54,3 Prozent der Stimmen. Neben ihm gelang es nur noch einem weiteren Kandidaten des FN, Jean-Paul Dispard, die Hürde des Mehrheitswahlrechts zu überwinden und mit absoluter Mehrheit ins Bezirksparlament gewählt zu werden. In Brignoles, in der Nähe von Toulon, erhielt er genau 50,03 Prozent der abgegeben Stimmen. 

Der 41jährige Vizepräsident des FN, Louis Aliot, sprach daraufhin von einem „Augenzwinkern der Geschichte“. Denn Carpentras hat in der Geschichte des FN eine besondere Bedeutung. In der Nacht des 8. Mai 1990 wurde der dortige jüdische Friedhof geschändet, auf eine Weise, die die öffentliche Meinung besonders frappierte. Es wurden nicht allein Grabsteine beschmiert und zerstört, sondern die Leiche des frisch beerdigten 83jährigen Félix Germon wurde auf einen Sonnenschirmpfahl aufgespiebt. Die Tat führte zu einer Massenmobilisierung – 200.000 Menschen demonstrierten wenig später in Paris unter Anwesenheit von Staatspräsident François Mitterrand -, die sich gegen besonders auch den damals stark im Aufwind befindlichen FN richtete. Dessen damaliger Chef Jean-Marie Le Pen hatte zuvor durch antisemitische Wortspiele auf sich aufmerksam gemacht. 

Doch die Täter wurden zunächst nicht gefasst. Der FN rief daraufhin nach Rache, sprach von einem „staatlichen Komplott“ gegen die eigene Partei  und machte Jahre hindurch mobil, um seine „Rehabilitierung“ zu fordern. Am 11 November 1995 (einem französischen Feiertag) mobilisierte die rechtsextreme Partei frankreichweit ihre Kader und fuhr von Paris aus in einem so genannten „Zug der Wahrheit“ nach Carpentras, um dort zu demonstrieren. Sieben Monate später allerdings wurden die Täter gefasst: Ein früherer Neonazi, der sich inzwischen zum Buddhismus und zur Gewaltlosigkeit bekehrt hatte, Yannick Garnier, stellte sich Ende Juli 1996 der Polizei. Dank seines Geständnisses wurden die vier Täter gefasst und später zu Haftstrafen verurteilt. Es handelte sich um Neonazis und Ehemalige, die zwar nicht dem FN angehörten, sondern dem Skinheadmilieu und in zwei Fällen auch der Splitterpartei PNFE (Französische und europäische nationalistische Partei). Der Urheber des Geständnisses sprach allerdings gleichzeitig davon, wie er in seiner Jugend zunächst dem FN beigetreten war, der ihm als Durchlauferhitzer diente und seine Ideologie entscheidend mit prägte. 

Heute hat die Spitze des FN unter seiner neuen Chefin Marine Le Pen, ihrem Vizepräsidenten & Lebensgefährten Louis Aliot (der selbst kolonialfranzösisch-jüdischer Abstammung ist) und ihrem Generalsekretär Steeve Briois sich offiziell ebenfalls bekehrt. Die neue Parteilinie möchte offiziell von Auschwitzleugnung und NS-Nostalgie nichts mehr wissen und kehrt eher eine Mischung aus Philosemitismus und Einwandererfeindlichkeit nach auben. Vorbild sind dabei erfolgreiche rechtsextreme Wahlparteien in Westeuropa, die es im Gegensatz zum FN schafften, mit bürgerlichen Kräften „bündnisfähig“ zu werden, von den Niederlanden bis Dänemark und Norditalien. Doch mitunter kehrt das Verdrängte schnell zurück. Am Samstag, den 26. März 11 kündigte die rechtsextreme Partei in Windeseile den Ausschluss eines 20jährigen Kandidaten für die Bezirksparlamentswahlen in Grenoble an, nachdem Fotos von ihm publik geworden waren, auf denen er den Hitlergrub zeigt. Doch der 20jährige Alexandre Gabriac war schon zuvor alles andere als ein Unbekannter. 2009 war er aufgrund rassistischer Sprüche und Prügeleien zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Seit den Regionalparlamentswahlen vom März 2010 sitzt er im Regionalparlament in Lyon. Am Sonntag erhielt er in seinem Wahlkreis im Namen des FN, der nicht rechtzeitig seinen Bewerber austauschen konnte, übrigens 24,3 Prozent. 

Drei Sitze für Rechtsextreme insgesamt 

Bei den französischen Bezirksparlamentswahlen, deren beide Wahlgänge an den letzten beiden Sonntagen (20. und 27. März 11) stattfanden, trug die Partei nun insgesamt zwei Sitze davon. Hinzu zählen könnte man noch eine dritte rechtsextreme Kandidatin, die eine absolute Mehrheit erreichte, jedoch nicht mehr dem Front National angehört, sondern der von ihm abgespalteten Splitterpartei unter dem Namen Ligue du Sud. Marie-Claude Bompard, die Ehefrau des rechtsextremen Bürgermeisters von Orange – Jacques Bompard, ebenfalls ein „Dissident“ des FN –  und selbst Bürgermeisterin im Nachbarstädtchen Bollène, erhielt im Wahlkreis Orange-Ost ebenfalls einen Sitz im Bezirksparlament. Beide Stadtoberhäupter, die Bompards, gehören der rechtsextremen Splitterpartei ,Ligue du Sud’ an. 

An den letzten beiden Sonntagen wurden insgesamt 2.026 Sitze in den französischen Bezirksparlamenten neu besetzt, das bedeutet, es wurden insgesamt die Hälfte der Mandatsträger in den insgesamt 100 französischen Départements neu gewählt. Dabei handelt es sich um die einzige Wahl von Bedeutung im ganzen Jahr 2011, also um eine Art letzter „Generalprobe“ vor den Präsidentschafts- und kurz darauf folgenden Parlamentswahlen im Frühjahr kommenden Jahres.

Der rechtsextreme Front National tat natürlich alles, um „den Marine-Effekt zu bestätigen“, um also von dem gewaltigen Auftrieb zu profitieren, den seine neue Chefin und Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen derzeit in den Umfragen profitiert. In fast allen Wahlkreisen blieben die lokalen Bewerber/innen der rechtsextremen Partei im Übrigen weitestgehend unbekannt: Plakatiert wurde überwiegend nur das Konterfei von Marine Le Pen, Veranstaltungen vor Ort fanden kaum statt, dagegen ,Chats’ im Internet (deren Inhalt durch Berater aus der Parteizentrale kontrolliert werden konnte).

Bei den Bezirksparlamentswahlen trat der FN im ersten Durchgang vom 20. März 11 in insgesamt 1.440 „Kantonen“ oder Wahlkreisen – von den 2026 - mit eigenen Kandidaten an. Nicht überall hatte er Bewerber finden können, übrigens in insgesamt rund 400 Kantonen weniger als bei der letzten vergleichbaren Wahl im jahr 2004.

Dort, wo er antrat, erhielt der Front National dabei in der ersten Runde im Durchschnitt 19,18 % aller abgegebenen Schnitten. Dies ist, auf überregionaler Ebene, ein Rekordergebnis für ihn. Zwei Drittel seiner Wahlkreisergebnisse in der ersten Runde lagen über 15 Prozent.

400 Wahlkreise, im Durchschnitt über 35 %

Bei den Stichwahlen am vergangenen Sonntag, den 27. März konnte der FN in 402 Wahlkreisen dabei sein. Voraussetzung dafür war es (infolge einer jüngst erfolgten Änderung am Wahlrecht, welche die Anforderungen hochschraubte), dass seine Kandidaten in der ersten Runde durch mindestens 12,5 Prozent der Wahlberechtigten gewählt wurden. Dies erforderte, je nach Wahlbeteiligung – die Wahlenthaltung überstieg in beiden Durchgängen die 50 Prozent –, in der Regel mindestens 20 Prozent der abgegeben Stimmen einzustreichen.

Dort, wo er am Sonntag, den 27. März antrat, erreichten die Ergebnisse des FN im Durchschnitt 35,5 Prozent; doch vielerorts überschritten sie die 40-Prozent-Marke. Im landesweiten Durchschnittsergebnis erhielt er laut Angaben des Innenministers 11,1 Prozent, aber diese Zahl berücksichtigt nicht, dass die Partei in nur einem Viertel der im Rennen stehenden Wahlkreise auch tatsächlich dabei war.

Übrigens stimmt das zur Beruhigung oder Selbstberuhigung angeführte Argument der Bürgerlichen, der FN habe bei diesen Bezirksparlamentswahlen zum überwiegenden Teil lediglich von der hohen Wahlenthaltung profitiert (durchschnittlich 55,68 % im ersten Durchgang und 55,19 % in der zweiten Runde), überhaupt nicht. Dieses Argument besagt im Kern, weil die Wählerschaft der übrigen politischen Kräfte von den Urnen ferngeblieben sei, sehe das Ergebnis des FN dadurch – sozusagen „künstlich“ aufgepeppt – höher aus, als es in Wirklichkeit sei. Doch dies ist falsch. Denn der FN profitierte keineswegs automatisch von der Stimmenthaltung (der Wähler/innen der Anderen,), eher im Gegenteil. Erstens sind die Bezirksparlamentswahlen, im Gegensatz zur Präsidentschaftswahl – bei welcher der Wahlkampf der Rechtsextremen auf die Persönlichkeit von Jean-Marie Le Pen oder zukünftig Marine Le Pen zugeschnitten wird – keine einfache Wahl. Vielerorts verfügen sie zwar über Kandidaten, aber nicht über „vorzeigbare“. An den vergangenen beiden Sonntagen überspielte die rechtsextreme Partei dieses Problem, indem sie fast nirgendwo das Gesicht ihrer Kandidaten plakatierte oder diese selbst irgendwo zu Wort kommen lieb, sondern fast überall ausschlieblich mit dem Konterfei von Marine Le Pen für sich warb. Doch dies ist auch politisch angreifbar, und die UMP-Spitze spottete bereits, Marine Le Pen sei „Kandidatin in 1.500 Wahlkreisen auf einmal“ (worauf diese konterte, „unsere Kandidaten“ seien „Arbeitslose, Rentner, Studierende“ und „einfache Leute“, im Gegensatz zu den Elitehochschulabgängern der etablierten Parteien, die entsprechen geschliffen reden könnten).

Zum Zweiten hatte sich auch ein Teil der Anhängerschaft, des potentiellen Wählerpublikums des FN selbst sich mindestens im ersten Wahlgang massiv der Stimme enthalten. Denn dies wird im Vergleich zu den Stichwahlen erkennbar: Hier konnte der FN in jenen Wahlkreisen, wo er noch antreten konnte, fast ein Drittel Stimmen (in absoluten Zahlen) mehr mobilisieren als im ersten Durchgang. In jenen 402 Wahlkreisen, wo er in die Stichwahlen einzog, erhielt der FN im ersten Wahlgang 621.837 Stimmen; in der zweiten Runde waren es dann 915.049. Ein Teil dieser Wähler/innen mag von anderen Parteien kommen (etwa aus den Reihen der Konservativen, besonders stark dort, wo die Linke in der Stichwahl durch eine/n Vertreter/in der KP und nicht der Sozialdemokratie repräsentiert wurde), doch überwiegend dürften diese neu hinzukommenden Stimmen aus dem Lager der vorherigen Nichtwähler/innen geschöpft worden sein.

Insgesamt schnitt der FN besonders in mehreren Départements in Südostfrankreich am höchsten ab: den Bezirken von Marseille, von Toulon und von Nizza. In diesen mittelmeernahen Zonen sind es vor allem die früheren französischen Algeriensiedler oder Pieds Noirs - eine Art Äquivalent zum deutschen „Vertriebenen“milieu - , auf denen die hohen Wahlergebnisse des FN beruhen. Seit den 1980er Jahren hatte dieses Milieu oftmals massiv für die extreme Rechte gestimmt, mit Ausnahme der Präsidentschaftswahl 2007, bei denen es vorübergehend Jean-Marie Le Pen zugunsten von Nicolas Sarkozy den Rücken gekehrt hatte.

Auch vom Mittelmeer und der früheren Siedlungskolonie Algerien weit entfernte Zonen sind unterdessen vom neuen Durchbruch des FN betroffen. Dies gilt insbesondere für industrielle Krisenbezirke im Norden und Osten Frankreichs, wo die FN-Wählerschaft anders als im Falle des Pieds Noirs-Milieus zum Teil auch aus der früheren Anhängerschaft der Linken kommt. Viele Wähler rekrutierte der FN bei den Bezirksparlamentswahlen so im Bezirk Pas-de-Calais, einem früheren Bergbaurevier, im Bezirk von Lille (Nord). Aber auch in Lothringen im Département Moselle, geprägt durch das Verschwinden der früheren Stahlindustrie.

Eine wichtige politische Frage zwischen den beiden Wahlgängen lautete, wie sich der konservativ-wirtschaftsliberale Bürgerblock dort positionieren würde, wo nur noch rechtsextreme und sozialdemokratische Kandidaten in der Stichwahl gegeneinander antraten. Dies war in 206 Wahlkreisen der Wahl. Der Parteivorsitzende der in Paris regierenden UMP, Jean-François Copé, erklärte am Abend des ersten Wahlgangs, seinen Wähler/inne/n „die Freiheit (der Entscheidung) zu überlassen“. Er erklärte, für die UMP komme dabei „weder eine Allianz mit dem FN noch eine ,republikanische Front’“ in Betracht. Also weder ein Stimmaufruf zugunsten rechtsextremer Kandidaten noch ein Bündnis mit den übrigen pro-demokratischen Parteien – und konkret vor allem ein Aufruf dazu, für die sozialdemokratischen Bewerber/innen zu stimmen -, um dem FN den Weg zu versperren.

Diese Positionierung rief teilweise heftige Kritik hervor, da die konservativ-wirtschaftsliberale Rechte dadurch offenkundig keinen qualitativen Unterschied zwischen Sozialdemokratie und Neofaschisten aufzumachen bereit war. Auch der amtierende Premierminister François Fillon distanzierte sich von dieser Linie, die jedoch am Mittwoch, den 23. März 11 – nach zwei Tagen öffentlich ausgetragener Polemik – durch Präsident Nicolas Sarkozy ausdrücklich bekräftigt und festgeklopft wurde.

In den Wahlkreisen, wo der FN gegen sozialdemokratische, besonders aber gegen parteikommunistische Bewerber (wie in Brignoles, wo er einen Sitz davontrug) antrat, konnte er offenkundig auch von der Zufuhr vieler bürgerlicher Stimmen profitieren. Um die Hürde der absoluten Mehrheit zu nehmen, reichte es vielerorts jedoch nicht aus: Dies wird die extreme Rechte auch künftig wohl nur in einem Bündnis mit konservativen Kräften schaffen. Aber ein Teil der bürgerlichen Rechten bereitet sich darauf immer offenkundiger vor.

Regierungspartei UMP: Fröhlich fliegen die Fetzen...

Unterdessen geht dort der Streit weiter. Nichts geht mehr, allem Anschein nach, innerhalb der konservativ-wirtschaftsliberalen französischen Regierungspartei UMP. Spitzenpolitiker wie Premierminister François Fillon und Parteivorsitzender Jean-François Copé gifteten sich seit dem Montag nach dem zweiten Durchgang der Bezirksparlamentswahlen tagelang in aller Öffentlichkeit an; Copé warf dem Regierungschef etwa vor, „kein Mannschaftsspiel zu betreiben", sondern sozusagen politische Sonderinteressen zu verfolgen.

Hauptgrund dafür ist, dass Fillon - wie auch einzelne andere Politiker der UMP - einen Stopp der unseligen „Islamdebatte" forderte, welche die UMP seit mehreren Wochen unter dem offiziellen Titel „Debatte über den Laizismus und den Platz der Religionen" anleierte. Am 5. April (dem Dienstag kommender Woche) soll ein Seminar der UMP zu dem Thema stattfinden. Niemand zweifelt daran, dass es dabei in Wirklichkeit allein um den Platz des Islam und der muslimischen Einwanderer gehen wird. Als Parteichef Jean-Fraçois Copé vor anderthalb Monaten die Initiative dazu ergriff und Präsident Nicolas Sarkozy ihn sofort öffentlich ermutigte, hatte Sarkozy sofort klargestellt, dass es nicht in Frage komme, dass es einen „Islam in Frankreich" geben könne - sondern wenn, dann nur einen den Anforderungen der so genannten Integration genügenden „Islam Frankreichs" geben dürfe. Und er fügte hinzu, es komme „nicht in Frage, dass der französischen Gesellschaft ein (ihr fremder) Lebensstil aufgezwungen wird". Es handelt sich ganz offenkundig um eine Spielart der uralten Einwanderer- oder Fremdendebate.

Der seit dem letzten Wochenende im Februar 2011 amtierende Innenminister (zuvor Chefberater des Präsidenten im Elysée-Palast), Claude Guéant, hat Ende März Woche zusätzlich präzisiert, seines Erachtens hätten beispielsweise „religiöse Glaubensbekenntnisse" nichts in öffentlichen Krankenhäusern verloren. Dabei ging es, wohlgemerkt, nicht um Kreuze an den Wänden oder die religiöse Neutralität der Räumlichkeiten, sondern um die persönlichen Glaubensbekenntnisse von Patienten. Derselbe Guéant hatte am 17. März 11 und nochmals vier Tage auch öffentlich darauf insistiert, dass ein „Zu viel an Zuwanderung" (excès d'immigration) daran schuld sei, dass „viele Franzosen sich in ihrem Land nicht mehr zu Hause fühlen". Daraufhin erklärte die Parteivorsitzende des rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, sie überreiche Guéant „den Ehren-Mitgliedsausweis" und hielt selbigen öffentlichkeitswirksam in die Kameras.

Gleichzeitig weisen derzeit alle Umfragen die Rechtsextreme Marine Le Pen als wahrscheinliche Teilnehmerin am zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl in dreizehn Monaten, an der nur zwei KandidatInnen teilnehmen können, aus. Prognostiziert werden ihr bis zu 24 Prozent. Höchstwahrscheinlich kalkuliert Nicolas Sarkozy genau mit diesem Risiko: Er glaubt, das Szenario der Präsidentschaftswahl von 2002 wiederholen zu können. Damals hatte der Bürgerliche Jacques Chirac die Wahl nur deswegen gewonnen, weil er in der Stichwahl gegen Marine Le Pens Vater, Jean-Marie Le Pen, und nicht den Sozialdemokraten Lionel Jospin - gegenüber dem er wohl haushoch verloren hätte - antrat. Jospin war, auch aufgrund der Zersplitterung der Kandidaturen der Linken im ersten Wahlgang, in der ersten Runde hinter dem damaligen Chef des FN gelandet. Sarkozy glaubt, genau dieses Szenario im April/Mai 2012 wiederholen zu können. Deswegen sorgt er dafür, dass ständig über den FN und seine Themen gesprochen wird, um die rechte „Alternative" aufzuwerten. Nur droht sein Kalkül sich gegen ihn selbst zu kehren: Momentan zeichnet sich ab, dass bei der zweiten Runde der  nächsten Präsidentschaftswahl eher ein/e Sozialdemokrat/in und Marine Le Pen gegeneinander antreten dürften.

Deswegen auch beginnen Teile seiner UMP kalte Fübe zu bekommen. Auch Regierungssprecher François Baroin – welcher selbst als Redner auf der Tagung vom 05. April vorgesehen war - forderte am Montag, den 28. März das sofortige „Ende dieser Debatten", um Islam, Einwanderung und fremde Bedrohungen. Doch Parteichef Copé und Präsident Sarkozy stauchten ihn sofort zusammen. Ein moderater Abgeordneter der Regierungspartei, Etienne Pinte - ein christlicher Humanist, der in Einwanderungsfragen regelmäbig ausgesprochen gemäbigte Positionen verteidigt und ansonsten François Fillon unterstützt - forderte am Dienstag früh (29. März) den Rücktritts Copés vom Parteivorsitz.

Der äuberst heftige Streit verlängerte den, der vorige Woche zwischen den beiden Durchgängen der Bezirksparlamentswahlen ausgetragen wurde. Dabei forderte die Mehrheitsposition der UMP, vertreten durch Sarkozy und Copé, keine Wahlempfehlung bei Stichwahlen zwischen Sozialdemokraten und Rechtsextremen auszusprechen: Beide seien gleichweit von den eigenen Grunz-, pardon: „Grundwerten" entfernt. François Fillon und andere hielten dies für gefährlich und betonten, die Rechtsextremen stünden anders als die Sozialdemokraten doch auberhalb der „Werte der Republik". Teile der regierenden Rechten proben jedoch unverhohlen die schrittweise Annäherung an den FN.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.