Texte
zur antikapitalistischen
Organisations- und Programmdebatte

04/12

trend
onlinezeitung

Es gibt einen Überblick über alle bei TREND 2011/12 veröffentlichten Texte zur Debatte über Organisation und Programm, angeregt durch die "Sozialistische Initiative Berlin" (vormals Berlin-Schöneberg)

Vorbemerkung red. trend:  Durch die  Organisations- und Programmdebatte haben folgende Gruppen begonnen, kontinuierlich zusammenzuarbeiten: Interkomm, RSB, SIB, SoKo. Sie beteiligten sich an der M31-Mobilisierung und erarbeiteten dafür ein gemeinsames Flugblatt.

Aufruf zur antikapitalistischen Demonstration am 31. März in Frankfurt am Main (ab 14 h - vom Hauptbahnhof zur EZB-Baustelle)

Die Eigentumsordnung enttabuisieren!

Die kapitalistische Produktionsweise befindet sich in ihrer schwersten Wirtschaftskrise seit Anfang der 1930er Jahre. Der Grund liegt nicht darin, dass wir oder „die Griechen" „über unsere/ihre Verhältnisse gelebt" haben. Vielmehr gehören Krisen zur kapitalistischen Produktionsweise wie der Punkt zum i. Manchmal sind die Pausen zwischen zwei Krisen etwas länger, manchmal etwas kürzer.

Die Krise als Systemfrage begreifen

Denn unter kapitalistischen Produktionsverhältnissen (d.h. bei Konkurrenz und Profitstreben) kommt es zwangsläufig zu Krisen. Es stellt sich nämlich immer erst im Nachhinein heraus, ob eine Investition profitabel ist oder sich aufgrund veränderter Bedingungen (u.a. den Entscheidungen der Kon-kurrent_innen) als Fehlinvestition erweist.

Darüber hinaus kann die herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auch die wachsenden ökologischen Probleme nicht lösen: Überfi-schung und Verschmutzung der Meere, radioaktive Bedrohungen, Nahrungsmittelknappheit für einen wachsenden Teil der Weltbevölkerung. -Am wenigsten kann mit dem herrschenden System der Klimawandel gestoppt oder gemildert werden. Die breite Masse der Lohnabhängigen soll nun für die Krise zahlen: durch Erhöhung des Renteneintrittsal-ters, sinkende Renten und Reallöhne,

höhere Gebühren für öffentliche Dienstleistungen, Zunahme prekärer Beschäftigung usw. Ältere patriarchale Verhältnisse sind von der kapitalistischen Produktionsweise integriert und umgebaut worden: Krisenlasten werden durch die Streichung öffentlicher Dienstleistungen insb. in den südeuropäischen EU-Ländern, wo sich die Krise am deutlichsten zeigt, auf die Privathaushalte und dort - gemäß der überkommenen Arbeitsteilung - auf Frauen abgewälzt.

Wenn wir diesen Entwicklungen nicht tatenlos zuschauen wollen, dann müssen wir eine breite Bewegung aufbauen, die sich den herrschenden „Sachzwängen" und Dogmen von „Wettbewerbsfähigkeit" nicht beugt -eine Bewegung, die (sich) folgende Fragen stellt:

Wollen wir uns weiterhin eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung leisten, die auf ständiger Marktunsicherheit beruht und die Arbeit und Lebensqualität in ausbeuterischer Weise verteilt? Brauchen wir nicht vielmehr eine Wirtschaftsordnung, die Marktkonkurrenz und Profitproduktion als Maßstab für Produktion und Verteilung überwindet? Wollen wir weiterhin die überkommene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern und Nationalökonomien hinnehmen? Oder wollen wir eine Ökonomie, die auf die Befriedigung der Bedürfnisse breiter Bevölkerungsschichten und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ausgerichtet ist?

Dafür werden wir uns in den Mobilisierungen der nächsten Zeit starkmachen für:

Als Maßnahmen zur Abschwächung der Konkurrenz unter den Lohnabhängigen und für die Verbesserung unserer Lebens- und Kampfbedingungen sowie als erste Schritte zu einer Überwindung von Konkurrenzzwängen und Profitlogik setzen uns ein für:

  • Streichung der Staatsschulden gegenüber institutionellen Anleger_innen sowie vermögenden Privatanleger_innen!
  • Einführung einer Vermögens- und Millionärssteuer! Hartz IV abschaffen! Für die Einführung einer repressionsfreien Grundsicherung! Rücknahme der .Rente mit 67"!
  • Abschaffung der .Schuldenbremse* und radikale Umverteilung des Reichtums! Hohe Steuern auf Unternehmensgewinne und private Vermögen.
  • Ausbau der Betreuung von Kindern und Pflegebedürftigen sowie im Bildungs- und Gesundheitsbereich in öffentlicher Verwaltung.
  • Umverteilung verbleibender unbezahlter Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit von Frauen zu Männern  sowie drastische Erwerbsarbeitszeitverkürzung bei vollem Entgelt-und Personalausgleich.
  • Verbot von Leiharbeit und Umwandlung von Werkverträgen mit Scheinselbständigen in feste Arbeitsverträge!
  • Überführung des gesamten Bankensektors in ein europaweit wirkendes öffentliches Institut, das zentral und dezentral durch die dort Beschäftigten und die nichtgewerblichen Bankkunden kontrolliert wird.
  • Entschädigungslose Enteignung und Überführung der Unternehmen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle, anzufangen bei den Energieunternehmen. Sie müssen durch die dort Beschäftigten, die nichtgewerblichen Energiekunden sowie Umwelt- und Bewohner_innenräte kontrolliert werden.

Mit diesen Inhalten rufen wir zur Beteiligung an der antikapitalistischen Demonstration am 31. März zur Baustelle des neuen EZB-Gebäudes in Frankfurt am Main (Beginn: 14 h FfM Hauptbahnhof) und zur Beteiligung an den Aktionstagen gegen die Spardikate der Troika aus EZB, EU und IWF vom 17. bis 19. Mai ebenfalls in Frankfurt auf.

Antikapitalismus braucht revolutionäre Organisierung! Deshalb führen wir zur Zeit zusammen mit anderen feministischen, marxistischen und postautonomen Gruppen und Genossinnen eine intensive Diskussion über die eventuelle Gründung einer neuen antikapitalistischen Organisation.

V.i.S.d.P.: Petra Schmitt. Krossen« Str. 10.10245 Berlin