Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Rechts-Rechts-Getümmel

04/12

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Die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen kann, nach einigen Unklarheiten diesbezüglich, definitiv als Präsidentschaftskandidatin antreten. Symbolisch erhielt sie dabei auch ein Geschenk von der israelischen Rechten, das sie nun dankend als Alibi gegen Antisemitismusvorwürfe nutzen kann…

Am Montag, den 19. März 12 wurde in Paris die endgültige Liste der Namen der Präsidentschaftskandidatinnen und –kandidaten veröffentlicht. Es handelt sich um jene Bewerber/innen, die nach Überprüfung durch das Verfassungsgericht die rechtliche Voraussetzung dafür erfüllten und bis zum vorausgegangenen Freitag, den 16. März mindestens 500 Unterschriften von Mandatsträgern der Republik vorlegen konnten.

Anders als in deutschen Medien mitunter dargestellt handelt es sich dabei mitnichten um „Stimmen“, sondern um einen formalen Akt, den viele Bürgermeister/innen kleinerer Kommunen „im Namen der Demokratie und des Pluralismus“ erfüllen. Dies bedeutet, dass eine Unterschrift für eine solche „Wahlpatenschaft“ im Prinzip keinerlei inhaltliche Übereinstimmung zwischen Mandatsträger/in und Kandidat/in voraussetzt. Auch ohne jegliche programmatische Übereinstimmung mit „ihrem“ Kandidaten kann etwa die Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde dafür sorgen wollen, dass alle relevanten politischen Strömungen bei der Präsidentschaftswahl vertreten sind. Aufgrund der Veröffentlichung der Namen aller „Wahlpaten“ wurde es dennoch in den letzten Jahren für die extreme Rechte mitunter delikat, diese Voraussetzung zu erfüllen: Aus inhaltlichen Gründen wird es den Mandatsträgern oft unangenehm, als Unterzeichner/in für Le Pen in Erscheinung zu treten.

Abgeordneter der Auslandsfranzosen in Israel lässt Marine Le Pen die Hürde passieren

Marine Le Pen konnte die Hürde aber nun nehmen, und wie sie ihrerseits bereits am 13. März 12 öffentlich verkündet hatte ihre 500 Unterschriften sammeln. Und dabei verfügt sie dank des Zufalls auch noch über ein Symbol, das Teile ihrer Partei bereits eifrig herausstreichen, um sich einmal mehr durch ein Alibi gegen Faschismus- oder Antisemitismus-Vorwürfe zu wappnen: Der 500. Unterzeichner für Marine Le Pen ist ausgerechnet ein Abgeordneter der Auslandsfranzosen in Israel, der im französischen Parlament sitzt; vgl. dazu u.a. http://www.lepoint.fr/

Es handelt sich um den rechten französisch-israelischen Politiker Sylvain Semhoun. Um einen Parlamentarier der Regierungspartei UMP, welcher dem Vernehmen nach über die „zu araberfreundliche Politik von Nicolas Sarkozy“ enttäuscht sein soll (obwohl Sarkozy etwa anlässlich des Libanonkriegs im Juli/August 2006 als beinharter Unterstützer des Kriegskurses der israelischen Rechtsregierung auffiel), nachdem er Nicolas Sarkozys politischen Aufstieg ursprünglich unterstützt hatte.

Innerhalb der extremen Rechten nutzten die offen antisemitischen „Dissidenten“ gegen den „Modernisierungs“kurs Marine Le Pens die Episode, um einmal mehr der aktuellen Parteiführung des FN ideologischen Ausverkauf und Anpassung ans System zu unterstellen; insbesondere im Blog der altfaschistischen Wochenzeitung Rivarol.

Vier Kandidaten auf der Rechten, von konservativ über rechtsextrem bis Spinnertum

Definitiv können nun zehn Bewerber/innen im ersten Wahlgang am 22. April dieses Jahres antreten; in die Stichwahl am 06. Mai 12 werden dann die beiden bestplatzierten Kandidaten einziehen können. Auf der Linken sind insgesamt fünf der voraussichtlichen Kandidat/inn/en angesiedelt: Sozialdemokrat François Hollande; die Kandidatin eines Bündnisses aus Grünen und Linksliberalen, die norwegischstämmige Französin Eva Joly; der gemeinsame Bewerber von französischer KP und von ihrer Partei abgespaltenen linken Sozialdemokraten, Jean-Luc Mélenchon; und zwei Bewerber aus dem trotzkistischen Spektrum der radikalen Linken: Philippe Poutou (NPA) und Nathalie Arthaud (LO, Lutte Ouvrière). Ein sechster Bewerber steht in der rechten Mitte: der zur Zeit in der Opposition befindliche Mitte-Rechts-Politiker François Bayrou von der christdemokratisch-liberalen Kleinpartei MoDEM (,Mouvement démocrate’).

Die übrigen vier Kandidaten stehen, mit Abstufungen, auf der politischen Rechten. Es handelt sich um Amtsinhaber Nicolas Sarkozy vom konservativ-wirtschaftsliberalen Bürgerblock rund um die UMP; die Kandidatin des Front National – Marine Le Pen -; den rechtsbürgerlichen EU-Kritiker Nicolas Dupont-Aignan; und den Sektenkandidaten Jacques Cheminade. Letzterer, der bereits zur Präsidentschaftswahl 1995 antreten konnte (und damals 0,28 % der Stimmen erhielt), ist der französische Repräsentant des US-amerikanischen Publizisten, angeblichen oder tatsächlichen Milliardärs und Verschwörungstheoretikers Lyndon LaRouche, dessen Komplott-Thesen immer auch stark antisemitisch aufgeladen sind. Neben einigen inzwischen leider klassischen Verschwörungstheorien – die Attentate vom 11. September 01 seien ein „Inside Job“ des US-Establishments gewesen, und ähnlicher relativ verbreiteter Unfug – finden sich auch kuriose Besonderheiten bei ihm. So vertrat LaRouche lange Zeit die Idee einer sehr speziellen Weltverschwörung, für welche nicht so sehr Juden oder Freimaurer verantwortlich seien, sondern an deren Ausgang der britische Adel stehe. Antisemitismus ist ihm jedoch auf keinen Fall fremd.

Dersoziale Gaullist und EU-Skeptiker Nicolas Dupont-Aignan seinerseits setzt zwar zum Teil auf nationalistische Rhetorik gegen die EU, ist jedoch anders als die rechtsextremen Unions-Gegner im Prinzip ein bürgerlicher Demokrat (und kritisierte im Juli/August 2010 die damalige heftige rassistische Kampagne der Sarkozy-Regierung). Allerdings antwortete er der Zeitschrift ,Figaro-Magazine in ihrer Ausgabe vom 10. März d.J. - auf die Frage, wen er als Premierminister nehmen würde, falls er zum Präsidenten gewählt wurde: Marine Le Pen“. Vgl. etwa http://tempsreel.nouvelobs.com - Zwar hatte er laut eigenen Angaben noch die Namen Arnaud Montebourg (sozialdemokratischer Globalisierungskritiker) und Jean-Pierre Chevènement (Linksnationalist, EU-Skeptiker und Innenminister zwischen 1997 und 2000) hinzugefügt, diese wurden jedoch durch die Zeitschrift nicht mit veröffentlicht.

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