Spanien: Millionen im Generalstreik gegen Kürzungen

von Kady Tait


trend
onlinezeitung

Millionen folgten dem Ruf der Gewerkschaften zum Widerstand gegen die Attacke der Regierung auf das Arbeitsrecht und beteiligten sich am eintägigen Generalstreik am 29. März

Nach 3 Jahren von brutalen Kürzungen haben 5,3 Millionen Menschen, ein Viertel der Arbeitskräfte und die Hälfte aller Jugendlichen keine Arbeit. Spanien erlebt eine zweite Rezession innerhalb von 4 Jahren und fühlt die Folgen dieser Politik. Der Zorn der Bevölkerung verschaffte sich in den großen Städten Luft, allein in Madrid besetzten 1 Million den Sonnenplatz.

100 Tage Regierung Rajoy

ArbeiterInnen, Erwerbslose und Jugendliche erhoben entschlossen ihre Stimme gegen weitere drastische Kürzungen. Der Streik erfolgte am 100.Tag seit Amtsantritt des konservativen Premierministers Rajoy, am Tag vor der Verkündung der Kürzungsbeschlüsse von 35 Milliarden Euro durch die Volkspartei-Regierung bei Arbeitsplätzen, Löhnen und öffentlichem Dienst.

Zusätzlich verschieben die Arbeitsregulierungen das Kräfteverhältnis eindeutig zu Gunsten der Bosse. Sie können nun leichter ArbeiterInnen entlassen, Löhne kürzen und Arbeitsbedingungen verschlechtern. Diese Reformen bilden den Startschuss einer Kampagne zur Zerstörung des spanischen Wohlfahrtsstaats und der 4 Millionen davon abhängigen Jobs.

Es war der größte Ausstand seit vielen Jahren. Die Führer des Gewerkschaftsverbandes UGT sprachen von 77proztiger Befolgung des Streikaufrufs, in der Industriearbeiterschaft sogar 97 Prozent Beteiligung. Bei den Automobilwerken von Nissan, Renault, Seat, Ford und VW ruhte die gesamte Arbeit. 85% der Beschäftigten in der Nahrungsmittelbranche legten die Arbeit nieder. Frühmorgendliche fliegende Streikposten blockierten Großmärkte, Transportlager und wehrten die von der Polizei unterstützten StreikbrecherInnen ab.

Nach einer massiven Mobilisierung von einfachen Gewerkschaftsmitgliedern, verstärkt durch Studenten- und Erwerbslosenorganisationen, fasste der Streik tief Fuß in den meisten Wirtschaftsbereichen. Der Stromverbrauch ging um 20% zurück. 30% der Privatbankangestellten nahmen an der Aktion teil. StudentInnen organisierten Zufahrtsstraßensperren nach Madrid und Barcelona und stärkten damit die Streikwirkung.

Die Haushaltsberatung am Freitag wurde verschoben, um die Wählerschaft bei den Regionalwahlen nicht zu verprellen. Die Volkspartei verlor dennoch in den Umfragen zwischen 5-10% und rutschte in manchen Gegenden auf Platz 3 der großen Parteien ab.

Die Kürzungen sind verheerend. 35 Milliarden kommen zu den 25 Milliarden-Notkürzungen vom Dezember 2011 hinzu, 17% in jedem Ressort. Den verbleibenden ArbeiterInnen im Öffentlichen Dienst werden die Löhne eingefroren und schwächen weiter ihre Kaufkraft. Gas- und Stromrechnungen erhöhen sich um 5%-7%. Der einzige Zweck dieses Haushalts ist, der spanischen Arbeiterklasse die Kosten der Krise aufzubürden, die sie nicht verursacht hat.

Eine Politik für das Kapital

Die Massenproteste und Zusammenstöße mit der Polizei in Südspanien vom Donnerstag zeigen den Zorn gegen die Politik der Volkspartei, die Märkte, Banken und Reichen bedient. Sie richten sich aber auch gegen die EU und die internationalen Finanzmärkte. Viele SpanierInnen erkennen, wer die Drahtzieher hinter der Rajoy-Regierung sind.

Sie fragen, warum ihr Land unter den Kürzungen leiden soll, die sogar noch tiefer, schneller und schmerzvoller sind als in Portugal und Irland.

Natürlich führt Rajoy wie vor ihm Zapatero die Politik durch, die von der ökonomischen Elite verlangt wird. Sie besteht darauf, dass die Krise nur durch Kürzungen von Jobs und Diensten gelöst wird, statt dass Spekulanten, Geldverleiher und Hedgefond-Manager die von ihnen gemachte Krise selber bezahlen.

Die Einsparungspolitik wurde von der ‚sozialistischen’ PSOE-Regierung begonnen und von Rajoy fortgesetzt. Dadurch geriet Spanien in eine doppelte Rezession. Die Anhebung des Rentenalters, die 15%igen Lohnkürzungen im Öffentlichen Dienst und andere Maßnahmen, die der Arbeiterklasse die Luft nehmen, ähneln den Plänen der bürgerlichen Regierungen von Britannien bis Portugal.

Rajoys Regierung fährt diesen kompromisslosen Kurs, weil ein drohender Bankrott Spaniens und das Einspringen des den EU-Rettungsschirms das ganze EU-Projekt ins Wanken bringen könnte. Die spanische Wirtschaft ist größer als die von Griechenland, Irland und Portugal zusammen genommen. Eine „Rettung“ von Spanien oder Italien würde eine soziale Demontage erfordern, die alle bisherigen Attacken in den Schatten stellt. Dann sähen sich Frankreich und Deutschland eher gezwungen, bankrotte Staaten aus der EU hinauszuwerfen, als dass sie ihrer Bevölkerung die Finanzierung weiterer Auskäufe zumuten würden.

Zinszahlungen an kriselnde Banken stehen für die kapitalistischen Regierungen höher als der Schutz von Arbeitsplätzen, Wohnungen und Gesundheitswesen. Die schrecklichen sozialen und ökonomischen Folgen der Kürzungsmaßnahmen sind in Spanien und Griechenland zu sehen. Sie geben auch der Arbeiterklasse in Britannien, Frankreich und Deutschland einen Vorgeschmack, was auf sie zukommt.

Die internationalen Finanziers und Spekulanten wollen keinen weiteren Schuldenschnitt; die griechische Lösung kommt für Spanien nicht in Betracht. Die politischen Repräsentanten dieser kapitalistischen Schmarotzer, die nationalen und EU-Politiker wollen und dürfen keine Kompromisse bei ihren Kürzungsprogrammen eingehen.

Klassenkampf

Der Widerstand gegen sie verschärft und verbreitet sich. Die Arbeiterschaft steht mit dem Rücken an der Wand und merkt, dass sie sich entweder dagegen wehren muss oder noch mehr versklavt wird. De kapitalistischen Regierungen sind entschlossen, jede soziale Errungenschaft zu zerschlagen, um die unersättlichen Schuldenmärkte zu bedienen.

Der massive Generalstreik beweist, dass die spanische Arbeiterschaft und Jugend sich nicht länger für dumm verkaufen lassen wollen, dass angeblich alle unter der Krise leiden müssen. Wenn sie gewinnen wollen, müssen sie aber über den eintägigen Proteststreik hinweg eine weiter reichende Perspektive entfalten.

Die Massenmobilisierungen müssen zu einer Strategie für den Sieg voran getrieben werden. Durch Organisierung von Millionen enteigneter, aufgeschreckter und zorniger ArbeiterInnen in Aktionsräten kann die spanische Bevölkerung ihre Gewerkschaftsführungen zwingen, zurück zu schlagen oder in Bedeutungslosigkeit zu versinken.

Aktionsräte, die die einfachen Gewerkschaftsmitglieder an der Seite der prekarisierten Jugend und Erwerbslosen einbeziehen, können eine Opposition hinter einer Strategie vereinen, die die Attacken der Unternehmer zu Fall bringt, wenn sie einen umfassenden und unbefristeten Generalstreik in Gang setzt, der die Kürzungen verweigert und die Regierung stürzt.

Diese Räte können die Grundlage bilden für eine Arbeiterregierung, die die Macht den Millionen übergibt und die Rückkehr irgendeiner prokapitalistischen Partei, wie sie sich auch nennen mag, und deren Politik, die Millionen bezahlen zu lassen für die Krisenmillionäre, verhindert.

 

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel von:

ARBEITERMACHT-INFOMAIL
Nummer 617
18. April 2012

KONTAKTADRESSEN

Redaktion und Berlin: info@arbeitermacht.de
Bremen: bremen@arbeitermacht.de
Hamburg: hamburg@arbeitermacht.de
Kassel: kassel@arbeitermacht.de
Stuttgart: stuttgart@arbeitermacht.de

Tel.: 030 - 62607741

WEBSITE: www.arbeitermacht.de