trend sonderthema:  Der XX. Parteitag der DKP

Der Stress geht weiter
Nach dem Parteitag: Personalwechsel in der Führung

kommentiert von Karl Mueller

04-2013

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In der letzten Ausgabe bewertete ich das Ergebnis der Parteitages als eine Mauschelei zwischen Fraktionen um des Erhalts der Partei willen. Dies führte zu der für ML-Parteien besonderen Lage, erstens durch diesen Parteitag öffentlich bekanntwerden zu lassen, dass es Fraktionen in der Partei gibt und zweitens sich eine neue Führung zu wählen, ohne sich vorher  über die politische Linie vereinheitlicht zu haben.

Obwohl der Parteitag formell noch gar nicht beendet war, der "dritte Tag" mit der Verabschiedung der politischen Linie stand noch aus, begann die neue Mehrheit im Parteivorstand, das Parteipersonal zügig auszutauschen. Dazu fasste der Parteivorstand auf seiner konstituierenden Sitzung am 27.3.2013 folgende Personalbeschlüsse:

"Neben dem bereits vom Parteitag gewählten Vorsitzenden und seinen Stellverterinnen Nina Hager (UZ-Chefredakteurin), Wera Richter (Organisationspolitik) und dem Stellvertreter Hans-Peter Brenner (marxistische Theorie und Bildung) wurden Olaf Harms aus Hamburg für den Bereich Betriebs- und Gewerkschaftspolitik, Günter Pohl aus Hattingen als Leiter der Internationalen Kommission, Michael Grüß aus Berlin für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit und der bestätigte Bundeskassierer Werner Sarbok aus Recklinghausen in das Sekretariat gewählt. Zusätzlich hat der Parteivorstand eine Reihe von Arbeitskreisen und Kommissionen beschlossen, darunter die Jugendkommission unter Leitung von Axel Koppey aus Offenbach, die AG Kuba-Solidarität mit der Leiterin Nicole Drücker aus Hamburg und die Ostkoordination mit Mario Berrios aus Wildau in Brandenburg als Verantwortlichen. Weitere Bereiche wie der Frauenarbeitskreis und die Kulturkommission werden auf der folgenden PV-Tagung besetzt.

Der Parteivorstand löste Michael Maercks aus Berlin als Chefredakteur von www.kommunisten.de ab und forderte Leo Mayer aus München auf, die Domaine und das Nachrichtenportal des Parteivorstandes an diesen zu übergeben. Mit Mehrheit (18 Ja-Stimmen, 4 Nein-Stimmen, 2 Enthaltungen) wurden die Beschäftigungsverhältnisse der ehemaligen Vorsitzenden Bettina Jürgensen und des Bundesgeschäftsführers beendet. Wera Richter aus Berlin wird zum 1. Mai als Hauptamtliche eingestellt." (UZ vom 29. März 2013)

Als Termin für die Fortsetzung des 20. Parteitag mit dem Ziel, dort politische Linie zu beschließen, wurde der 25.Mai 2013 in Hannover festgelegt. (ebd)

Zu den ideologischen Hintergründen dieses Personalumbaus schreibt der neue stellvertretende Parteivorsitzende, Hans-Peter Brenner:

"Der 20. Parteitag und seine bisherigen Ergebnisse - sein 3. Tag mit der Verabschiedung der "Antworten der DKP auf die Krise" und weiterer wichtiger Anträge steht ja noch aus - ist nicht ohne seinen Vorgänger zu verstehen.

Der 19. Parteitag hatte etwas bis dahin noch nicht Dagewesenes getan. Er hatte die vom damaligen Sekretariat des Parteivorstandes erstellten programmatischen "Thesen", als ein offizielles Parteidokument abgelehnt, weil es in wichtigen Teilen als nicht vereinbar oder zumindest in einem Spannungsverhältnis zum Parteiprogramm der DKP stehend eingeschätzt wurde. Die "Thesen", hatten das politische Selbstverständnis anders als unser Parteiprogramm und Statut definieren wollen:

Der Marxismus-Leninismus erhielt darin den Anstrich des Dogmatischen. Trotz Ablehnung dieser Auffassungen durch den 19. Parteitag hielten Teile der alten Parteiführung - auch die neue Parteivorsitzende Bettina Jürgensen und ihr Stellvertreter Leo Mayer - an der Substanz der abgelehnten "Thesen", fest. Die Aufgabe der DKP als einer Kraft, die politisches Klassenbewusstsein und marxistisches Wissen zu vermitteln hat, wurde insbesondere von Leo Mayer reduziert auf einen gemeinsamen "Lernprozess" innerhalb eines "Netzes" progressiver Bewegungen. Der Marxismus-Leninismus wurde als Ausdruck von Starrheit und Orthodoxie angesehen.

Dies musste - ganz im Sinne der Weichenstellung des 19. Parteitages - schließlich dazu führen, dass eine neue Parteiführung gewählt wurde, die sich bewusst in die Kontinuität der Programmatik der DKP und ihres Selbstverständnisses als einer autonomen, marxistisch-leninistischen Partei der Arbeiterklasse stellt." (ebd.)

Dass solche gravierenden personellen Veränderungen nicht stressfrei ablaufen verwundert nicht. Hauptstresspunkt ist zur Zeit die Domain www.kommunisten.de. Sie fungierte bisher als  »Das Informationsportal der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)«. Michael Maercks folgte dem PV-Beschluss nicht und ließ sich das "Informationsportal" nicht aus der Hand nehmen. Heute am 1.4.2013 nach Ablauf der ihm gesetzten Frist figuriert "kommunisten.de"  nun als »nichtkommerzielles Informationsangebot von Mitgliedern der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)«, Chefredakteur ist weiterhin Michael Maercks, presserechtlich Verantwortlicher der frühere DKP-Vizechef Leo Mayer, der nach wie vor dem Parteivorstand angehört. Damit durchbrechen beide das alte leninistische Prinzip der Unterwerfung der Minderheit unter die Mehrheit, um die  Einheit der Partei nach Innen und Außen zu wahren.

Ein anderer personeller Konfliktpunkt, der nach außen transportiert wurde, ist die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses der bisherigen Parteivorsitzenden Bettina Jürgensen und des Parteigeschäftsführers Klaus Weißmann durch die Mehrheit des neugewählten Parteivorstandes auf seiner ersten Sitzung. Parteivorstandmitglied Uwe Fritsch  kritisierte diese Personalentscheidungen mit Erschütterung:

"Ich habe in 26 Jahren Betriebsratsarbeit keiner einzigen Kündigung zugestimmt. Dieses Verständnis gilt für mich insbesondere für Genossinnen und Genossen der DKP, die ohne Rücksicht auf ihre soziale Absicherung hauptamtlich für unsere Partei arbeiten. Sie verdienen unseren besonderen Schutz!"

Der Parteivorstand - Patrik Köbele, Vorsitzender, Hans-Peter Brenner, Wera Richter, stellvertretende Vorsitzende -  konterte argumentativ mit Sachzwängen und Vertrauensverlust:

"Uwe weiß genauso gut, wie jedes andere PV-Mitglied, dass das nicht geht, da wir weder Stellen, noch die entsprechenden Finanzmittel haben. Das hätte bedeutet, die Einstellung von Genossin Wera Richter wäre nicht möglich gewesen."

"Die Funktion eines Bundesgeschäftsführers der Partei ist eine Vertrauensstellung. Der Parteivorstand hat mit großer Mehrheit deutlich gemacht, dass dieses Vertrauen nicht existiert."

Da die Fraktionen innerhalb der DKP über regionale und lokale Zentren verfügen, wird sich am 25.Mai 2013 in Hannover bei der Fortsetzung des 20. Parteitages zeigen, ob die 2/3 der Delegierten, die den Kompromiss "Personalentscheidung vor politischer Entscheidung" am 3./4.3. getragen haben, weiterhin komplett zu diesem neuen Vorstand stehen. Falls ja - wird es zu Spaltungen/Austritten kommen, falls nein - ebenfalls ... oder?

Editorische Hinweise

Den Text erhielten wir vom Autor.