Kürzlich interviewte Max Brym
den Abgeordneten der „Bewegung für Selbstbestimmung“ (VV) im
Parlament Kosovas , Herrn Faton Topalli. Thema des Gesprächs in
Prishtina waren in erster Linie die sozialen Probleme im Land
und der negative Privatisierungsprozess. Aus dem Gespräch geben
wir einige Aussagen des Abgeordneten
Topalli aus Ferizaj wieder.
Der Abgeordnete erklärte:
„Gegenwärtig gibt es in Kosovo
zwei Mindestrenten. Diese Almosen bestehen entweder aus 55 € pro
Monat bis hin zu 120 € pro Monat. Mit diesen Beträgen kann kein
Pensionist im Kosova normal leben. Sie sehen ja selbst, dass
viele Preise mit den Preisen in Deutschland vergleichbar sind.
Die Regierung hat zwar jetzt eine Erhöhung der Renten
versprochen, aber die „Vereinigung der Pensionierten“ hat
errechnet, dass es sich nur um eine Erhöhung von 13,4 % handelt.
Diese Rentenerhöhung ist ein schlechter Witz, sie wird den
Lebensstandard der Betroffenen nicht entscheidend verbessern. Es
handelt sich um ein Wahlkampfmanöver der Regierung. Wir hingegen
fordern eine gesetzliche Mindestrente, welche das Leben und das
Überleben der Pensionisten garantiert. Dabei kritisieren wir
auch das defensive Verhalten der Regierung gegenüber Belgrad.
Bekanntlich hat die serbische Regierung einige Milliarden an
Rentenbeiträgen aus Kosova in serbischen Banken konzentriert.
Wir fordern auch, dass die kosovarische Registrierung nicht mit
Rentenbeiträgen außerhalb des Landes auf internationalen
Devisenmärkten spekuliert. Im Kosovo gibt es eine Art von
Sozialversicherung für eine Person, die mit 40 € angesetzt ist.
Für zwei Personen gibt es im Bedarfsfall nach schwerwiegenden
Prüfungen 75 € pro Monat. Mit diesem Geld sind die Menschen dem
Hunger und der Not ausgeliefert. Der Privatisierungsprozess im
Kosova kostete bis dato 76.000 Arbeitsplätze. Die Masse der
entlassen Arbeiter und Arbeiterinnen warten bis heute
ergebnislos auf die im Gesetz festgelegten
Entschädigungszahlungen. Wir fordern die sofortige Auszahlung
dieser Gelder an die betroffenen Menschen. Dabei stellen wir uns
grundsätzlich gegen den neoliberalen und negativen
Privatisierungsprozess im Land. Die Privatisierung hat in der
Region Ferizaj, die Masse der Menschen arbeitslos gemacht. In
der Region leben 39.000 Personen von der so genannten
Sozialhilfe. Ein konkretes Beispiel ist die Privatisierung, der
ehemals sehr bekannten Stahlröhrenfabrik in Ferizaj. Nach der
Privatisierung verloren knapp 900 Menschen ihr ihren
Arbeitsplatz. Übrig blieben rund 70 Arbeitsplätze. Die jetzt
Beschäftigten unterliegen einer brutalen Ausbeutung, ohne
jegliche gesetzliche Regelung bezüglich des Lohns und des
Kündigungsschutzes. Die Masse der Arbeiter verloren ihre
Arbeitsplätze ohne jegliche Entschädigung. Gerade jetzt
demonstrieren Arbeiter aus Ferizaj mittels eines Hungerstreiks
vor dem Regierungsgebäude. Ich befürchte, dass die Regierung
Thaci ihnen nur Versprechungen geben wird. Wann die
Versprechungen umgesetzt werden, steht hingegen in den Sternen.
Wie Sie wissen sind im Juni Parlamentswahlen in Kosova, daher
verspricht die Regierung so alles mögliche ohne sich konkret
festzulegen. Die Masse der Armen und sehr armen leben in Kosova
von Zahlungen aus der Diaspora. Im letzten Jahr überwiesen die
Arbeitsimmigranten rund 600 Millionen nach Kosova. Ohne diese
Gelder würden viele Familien einfach verhungern bzw. sich
keinerlei medizinische Behandlung unterziehen können. Kosova ist
kein Land in dem produziert wird, ganz im Gegenteil- Kosovos ist
ein Land in dem importiert und konsumiert wird. Die
Privatisierungen konzentrieren sich auf den Bereich der
Rohstoffförderung und des Abtransports dieser Rohstoffe nach
Europa. Es gibt de facto keine verarbeitende Produktion in
Kosova. Die Arbeiter und Arbeiterinnen arbeiten offiziell unter
EU Normen. Die Realität sieht allerdings anders aus. Trotz
Lärmschutzverordnungen, regulärer Gebietsplanungen, läuft alles
in der Ökonomie völlig dereguliert ab. Die Rechte der Arbeiter
stehen meist nur auf dem Papier. Lärm und Umweltschutzauflagen
werden fast vollständig ignoriert. Was zählt ist der private
Profit. Viele Privatisierungen wurden über Scheinfirmen
abgewickelt. Hinter diesen Firmen verbergen sich oftmals
führende Politiker des Landes. Stark ist der Einfluss von
türkischen Investoren im Land. Am Flughafen „ Adem Jashari“ bei
Prishtina werden zum 1. April wieder 70 Arbeiter arbeitslos.
Diese qualifizierten Fachkräfte werden durch die türkische Firma
Celik durch Billiglohnarbeiter ersetzt. Der
Privatisierungsprozess hat dem Land nur Schaden zugefügt. Unser
Gesundheitssystem untersteht ebenfalls den Prozess der
Privatisierung. Es gibt jede Menge teure Privatkliniken, aber
auch an den öffentlichen Kliniken müssen Medikamente und
Operationen selbst bezahlt werden. Wir haben eine unerträgliche
Situation im Land, meine Bewegung stellt sich die Aufgabe diese
Situation grundsätzlich zu ändern. Ganz wichtig auf unserer
Agenda ist die Lösung der sozialen Frage. Denn ohne soziale
Gleichheit kann es keine Freiheit geben.“
Vielen Dank für Ihre Informationen Max Brym
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