Vom 28. Januar bis 9. Februar
2014 gab es radikale Studentenproteste in Prishtina.Der Aufruf
“Studenten aller Fakultäten vereinigt euch!” hat zwei Wochen zu
enormen Studentenprotesten in Prishtina geführt. Es hat mit
einer kleinen Anzahl von rund hundert Studierenden angefangen
doch dann wurden es tausende (Studierende,
Gewerkschafter, Arbeiter,
Arbeitslose, Zivile-Organisationen und einfache Bürger) die
tagtäglich protestieren.
Anfänglich wurde der Rücktritt des
Rektors der öffentlichen Universität Prishtina, Ibrahim Gashi,
verlangt. Ex-Vizeaussenminister in der Thaci Regierung dann
Rektor. Gashi soll seinen Doktortitel durch Veröffentlichung
seiner “wissenschaftlichen” Arbeit in einem nicht existierenden
Magazin erlangt haben. Nach nur nach einigen Tagen der Proteste
und nachdem sich die Masse der protestierenden Menschen sich
schnell vergrößerte wurden immer mehr und radikalere Forderungen
gestellt.
Soziales Elend, Armut und die Regierung Thaci werden hart
angegriffen: “Rektor Gashi ist schon gefallen, aber er steht
dort nur noch als Stütze für die Regierung Thaci und das von ihr
aufgebaute System, welches nur Armut und Unterdrückung
produziert!” hieß es in einer Rede während der Proteste.
Die Polizei ging einige Male brutal gegen die Studentenproteste
vor. Doch am 8 Februar hat die Polizei ihr wahres Gesicht
gezeigt. Schon vor beginn des Protestes dieses Tages, sind
einige der Organisatoren der Proteste förmlich von der Polizei
entführt worden. Am Morgen wurden die Aktivisten Zgjim Hyseni
und Frasher Krasniqi, im Zentrum Prishtinas vor dem “Hotel
Grand” von einer Gruppe von Männern zusammengeschlagen und dann
in ein Privatauto hineingezerrt. Erst als sie sich in der
Polizeistation Nummer 2 in Prishtina befanden wurde ihnen
mittgeteilt, dass sie verhaftet worden seien. Gleichzeitig wurde
in einem anderen Stadtviertel der Studierende Nol Nushi, in
ähnlicher Art entführt. Die Polizei kündigte an, dass sie eine
Liste von 9 Studierenden aufgestellt hat gegen welche ein
Haftbefehl besteht . Andere Organisatoren wie Durim Jasharaj und
Astrit Dehari, tauchten kurzzeitig in Illegalität unter, um um
12:00 Uhr in der ersten Reihe der Proteste wieder aufzutauchen.
Als tausende von Menschen vor dem Rektorat ankamen hatte die
Polizei die Strasse gesperrt. Protestorganisatoren haben von der
Polizei verlangt sich zurückzuziehen und den Protest in dem
Rektorat zu erlauben. Die Polizei antwortete mit Pfefferspray
und Knüppel. Doch die Protestierenden sammelten sich immer
wieder vor der Polizeiblockade. Und wahrend der Aktivist Durim
Jasharaj, eine Rede hielt wurde er schnell und gut organisiert
von Polizisten gepackt und hinter die Polizeiblockaden
geschleppt. Dies irritierte die Studenten welche mit Steinen,
roter Farbe Toilettenpapier die Polizisten bewarfen. Die Polizei
antwortete mit Gewalt. 39 Demonstranten wurden verhaftet. Über
hundert (laut Organisatoren verletzt). Am 9. Februar gab die
Regierung Thaci nach. Der Direktor der Universität und einige
andere Personen traten zurück. Dieser Schachzug stand in
unmittelbarem Zusammenhang mit den Ereignissen in Bosnien. Die
Regierung hatte schlicht Angst, dass die Proteste auf das
gesamte Land übergreifen und sich radikalisieren.
Die Forderungen der Studenten
Anfangs gab es ein Bündnis
zwischen drei Studentenorganisationen. Die erste Organisation
war der“ Club der Studenten „ der Universität. Die zweite
Organisation war eine so genannte“ Unabhängige
Studentenvereinigung“ . Die dritte Organisation war die SKV (
Studieren Kritisieren Verändern -Bewegung für die Gleichheit ).
Diese Organisation steht der „Bewegung für Selbstbestimmung“
nahe. Dennoch ist die SKV ein unabhängiger radikaler
Studentenverband. Die Propaganda der SKV versuchte die Proteste
weiter zu treiben. Im Bündnis konnte man sich nur auf den
Rücktritt des Direktors einigen, sowie auf die Forderung, dass
die Universität von unfähigen Parteipolitikern gesäubert wird.
Des weiteren wurde eine Universität gefordert in der wirklich
mit entsprechenden Lehrmaterial unterrichtet wird. Die SKV ging
jedoch in ihren Forderungen weiter. Diese radikale Studenten-
Organisation stellte das gesamte Bildungssystem infrage.
Besonders wurden die sozialen Probleme der Studenten und
Studentinnen angesprochen. In Prishtina besuchen jeden Tag knapp
50.000 Jugendliche die öffentlichen Bildungseinrichtungen und
die Universität. Rund 25.000 Jugendliche meist Angehörige von
privilegierten Familien werden an privaten Universitäten
unterrichtet. An der öffentlichen Universität müssen die
Studenten und Studentinnen Studiengebühren in der Höhe von 75 €
pro Semester bezahlen. Selbstverständlich fordert die SKV eine
Streichung der Studiengebühren. Geradezu katastrophal ist die
Wohnsituation der Studenten und Studentinnen im öffentlichen
Studentinnenwohnheim. Auf 16 m² leben drei Studenten oder
Studentinnen. Jeder von ihnen zahlt für diese menschenunwürdige
Unterkunft 40 € pro Monat. Wer in den zweifelhaften Genuss des
Essens in der Mensa kommen will, zahlt zusätzlich 30 € im Monat.
Die SKV fordert größeren und kostenlosen Wohnraum für die
Studierenden. In der Tat, in Deutschland ist es rechtlich
verboten für einen Schäferhund nur 16 m² zur Verfügung zu
stellen. Die Masse des Lehrmaterials muss von den Studierenden
selbst bezahlt werden. Dabei fallen besonders Fotokopierkosten
ins Gewicht. Die Fotokopierkosten lassen sich mit den Preisen in
Deutschland vergleichen. Zusätzlich gibt es an der Universität
viel zu wenig wissenschaftliche Bücher, insbesondere
internationale Fachliteratur fehlt. Es gibt an der Universität
zwar Texte von Marx und Lenin zu lesen aber schon die
Übersetzung von Freud und Horkheimer ist sehr problematisch. Im
philosophischen Bereich fehlen Bücher von Slavjo Zizek , im
Bereich der Psychologie zum Beispiel Bücher von Lacan.
Grundsätzlich fordert die SKV eine kostenlose, wissenschaftlich
fundierte und demokratische Universität. Dies alles findet an
der öffentlichen Universität nicht statt. Stattdessen gibt es
eine umfassende Postenschacherei bei der Besetzung von
universitären Posten. Ohne das richtige Parteibuch zu haben ist
es für viele Wissenschaftler und Professoren oft unmöglich in
wichtige Positionen zu gelangen. Gleichzeitig sind die
Mandatsträger der Universität relativ selten an ihren
Arbeitsplätzen. Sehr oft fallen Termine für die Studenten und
Studentinnen einfach aus. Es werden Witze erzählt wonach fast
alle Professoren“ Multitalente „sind. Viele dieser Herrschaften
arbeiten einen Tag in der öffentlichen Universität, am nächsten
Tag an einer privaten Universität und am dritten Tag sind sie
Parlamentsabgeordnete. Bildung wird an der öffentlichen
Universität nur bedingt vermittelt. Die SKV fordert
grundsätzlich: „Schluss mit diesem System“. Die Proteste der
Studenten und Studentinnen treffen sich oft mit den sozialen
Protesten der Arbeiter und Arbeiterinnen in Kosova. Kosova ist
das jüngste Land in Europa, knapp die Hälfte der Bevölkerung ist
unter 25 Jahren. Die Jugendarbeitslosigkeit wird auf 90 %
geschätzt. Die offizielle Arbeitslosenzahl liegt bei 48 %. Ein
gut verdienender Arbeiter hat 290 € pro Monat. Es gibt im Land
keinerlei Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung. Die
Preise für viele Produkte sind mit den Preisen in Deutschland
vergleichbar.Besonders schwer empfinden diese Lage die
Studierenden. In der Geschichte war in Kosova öfter der Protest
der Studenten und Studentinnen der ausschlaggebende Faktor um
allgemeine Proteste gegen Ausbeutung, und soziale Not
auszulösen. Die Studentenproteste in Prishtina konnten nur
vorläufig beendet werden. Unter der Asche glimmt weiter die Wut
und die SKV hat seit den stattgefundenen Protesten ziemlichen
Masseneinfluss erlangt.
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