Die deutsche Chemie-Industrie
produzierte im 1. Weltkrieg Sprengstoff, Munition und Giftgas.
Dank staatlich garantierter Preise konnten die Konzerne ihre
Profite erheblich steigern. Bis heute verleugnen die Firmen
jedoch ihre Mitverantwortung für Kriegstreiberei und
Massensterben. Kritiker reichten einen Gegenantrag zur
BAYER-Hauptversammlung am 29. April ein (download pdf).
Die Coordination gegen
BAYER-Gefahren (CBG) fordert die BAYER AG auf, endlich die Rolle
des Unternehmens im 1. und 2. Weltkrieg vollständig
aufzuarbeiten und die zahlreichen Verbrechen des Konzerns
anzuerkennen.
Axel Köhler-Schnura vom
Vorstand der CBG: „100 Jahre Erster Weltkrieg, 150 Jahre BAYER:
der Leverkusener Multi täte gut daran, statt zu seinem Jubiläum
Goldmünzen zu prägen, seine Mitverantwortung für das
Völkergemetzel 1914/18 aufzuarbeiten. In skandalöser Weise
weigert sich der Konzern seit 100 Jahren, zu den Verbrechen der
chemischen Kriegsführung, der Kriegstreiberei, der Zwangsarbeit
usw. Stellung zu beziehen. Die Konzernprofite sprudelten, die
Leichenberge türmten sich. BAYER distanziert sich nicht einmal
vom damaligen Generaldirektor Carl Duisberg, der auf den
Auslieferungslisten der Alliierten stand und eine Anklage als
Kriegsverbrecher fürchten musste. Immerhin wurde der
Chemie-Multi für seine Kriegsverantwortung in weiten Teilen der
Welt enteignet und verlor u. a. in den USA seine Markenrechte.“
Köhler-Schnura hat einen Gegenantrag eingereicht, in dem die
nicht-Entlastung des Vorstands gefordert wird, und wird in der
Hauptversammlung zum Thema sprechen.
Ohne die deutsche
Chemie-Industrie wäre der 1. Weltkrieg vollkommen anders
verlaufen: aufgrund der englischen Seeblockade versiegte zu
Kriegsbeginn der Nachschub von Chile-Salpeter, der für die
Produktion von Sprengstoff unabdingbar war. Die Reserven
reichten nur für wenige Monate. Ende 1914 gaben Carl Bosch von
der BASF und Carl Duisberg von BAYER der Obersten Heeresleitung
das sogenannte „Salpeter-Versprechen“, welches die
Bereitstellung großer Mengen Ammoniumnitrat zusicherte. Schon im
Frühjahr 1915 konnte die Salpeter-Produktion aufgenommen werden.
Die Industrie hatte dadurch nach eigenen Worten „den Krieg
gerettet“. Im Gegenzug erhielten die Firmen lukrative
Abnahmegarantien.
BAYER errichtete in
Köln-Flittard ein eigenes Werk für die Sprengstoffproduktion, in
dem pro Monat 250 Tonnen TNT hergestellt wurden. Auch die
Produktion von Ersatzstoffen erlebte einen Aufschwung.
Entsprechend jubelte BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg im Juli
1915: „Sähen Sie jetzt einmal, wie es hier in Leverkusen
aussieht, wie die ganze Fabrik umgekrempelt und umorganisiert
ist, wie wir fast nichts mehr als Kriegs¬lieferungen ausführen
(...), so würden Sie Ihre helle Freude haben.“
Der Name BAYER steht besonders
für die Entwicklung und Produktion von Kampfgasen. Bereits im
Herbst 1914 war auf Vorschlag des Kriegsministeriums eine
Kommission ins Leben gerufen worden, die Fritz Haber vom
Kaiser-Wilhelm-Institut, Carl Duisberg sowie dem Chemiker Walter
Nernst unterstand. Die Kommission empfahl zunächst die Nutzung
von Chlorgas, wobei wissentlich gegen die Haager
Landkriegsordnung verstoßen wurde, die den militärischen Einsatz
von Giftgas seit 1907 verbietet.
Duisberg war bei den ersten
Giftgasversuchen auf dem Truppenübungsplatz in Köln-Wahn
persönlich anwesend und pries den chemischen Tod begeistert:
„Die Gegner merken gar nicht, wenn Gelände damit bespritzt ist,
in welcher Gefahr sie sich befinden und bleiben ruhig liegen,
bis die Folgen eintreten.“ In Leverkusen wurde sogar eine Schule
für den Gaskrieg eingerichtet.
Unter Carl Duisbergs Leitung
wurden bei BAYER immer giftigere Kampfstoffe entwickelt,
zunächst Phosgen und später Senfgas. Duisberg forderte vehement
deren Einsatz: „Ich kann deshalb nur noch einmal dringend
empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu
lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen.“ Insgesamt geht
die Forschung von 60.000 Toten im von Deutschland begonnenen
Gaskrieg.
Schon im 1. Weltkrieg wurden
bei BAYER auch Zwangsarbeiter ausgebeutet. Carl Duisberg
forderte im Herbst 1916 die Regierung auf: „Öffnen Sie das große
Menschenbassin Belgien“. Das Reichsamt des Inneren ließ
daraufhin rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu
großen Protesten führte. Duisberg plädierte dafür, die
Arbeitsmöglichkeiten und die Lebensmittel in Belgien zu
rationieren, um die „Arbeitslust“ der Belgier in Deutschland zu
steigern. Die Deportation gilt als Vorläufer des ungleich
größeren Zwangsarbeiter-Programms im 2. Weltkrieg.
Bis 1918 mischte sich die
Führung von BAYER in alle kriegswichtigen Belange ein. So trat
Carl Duisberg für den unbeschränkten U-Boot-Krieg, die
völkerrechtswidrige Bombardierung Englands sowie die Annexion
von Belgien und Nordfrankreich ein. Auch forderte er neuen
„deutschen Lebensraum“ in Polen und Russland.
Als die Reichsregierung mit
zunehmender Kriegsdauer begriff, dass der Krieg nicht mehr zu
gewinnen war und dass Friedensverhandlungen aufgenommen werden
sollten, fürchtete man bei BAYER ein Ende der Kriegsprofite.
Zusammen mit der militärischen Führung forderte Duisberg daher
im Februar 1917 die Ent¬lassung von Reichskanzler Theobald von
Bethmann: „Wir sind ganz auf Krieg und Gewalt eingestellt, und
das Beste wäre, wenn diese Sachlage auch äußerlich zum Ausdruck
käme, dass der Marschall auch Kanzler wäre (...). Denn jetzt ist
Politik gleich Krieg und Krieg gleich Politik.“ Wenig später
wurde der Reichskanzler tatsächlich entlassen.
Friedensverhandlungen fanden nicht statt.
Quelle:
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Postfach 15 04 18, 40081 Düsseldorf
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