Betrieb & Gewerkschaft
Betriebsratswahlen im Daimler-Konzern
Linke Betriebsgruppen konnten Positionen großteils verteidigen

von Daniel Behruzi

04-2014

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Die diesjährigen Betriebsratswahlen bei Daimler hatten eine deutlich geringere Resonanz als 2010 (damals standen die Wahlen im Zeichen der Rezession 2009 und der Angst vor Entlassungen). An den Machtverhältnissen hat sich hingegen zumeist wenig geändert. Linke Betriebsgruppen schnitten unterschiedlich ab, konnten ihre Positionen jedoch weitgehend halten.

In Sindelfingen – dem mit fast 39.000 Beschäftigten größten Werk des Daimler-Konzerns – traten acht Listen gegeneinander an. Die Mehrheit der IG Metall konnte die Zahl ihrer Betriebsratsmitglieder von 44 auf 46 steigern und gewann damit beide Sitze, um die das Gremium erweitert wurde. Ein Grund für die zusätzlichen Mandate ist, dass LeiharbeiterInnen nach entsprechenden Urteilen des Bundesarbeitsgerichts bei der Bestimmung der Betriebsratsgröße nun mitgezählt werden. Die linksoppositionelle „Alternative“ konnte ihr Mandat halten. Die verbleibenden Sitze gingen an die „Christliche Gewerkschaft Metall“ (CGM) sowie an „unabhängige“ und „freie“ – sprich: unternehmensnahe – Listen. Die Wahlbeteiligung sank deutlich, von 66 auf unter 59 Prozent.

Konflikte um Persönlichkeitswahl in Kassel

In dem mit gut 3.000 Beschäftigten deutlich kleineren Daimler-Werk in Kassel konnten die linken „Alternativen Metaller“ ihre absolute Stimmenanzahl steigern – von etwa 490 auf 583. Statt bisher vier erreichte sie dadurch sechs Sitze, während die offizielle Gewerkschaftsliste 16 und eine weitere Gruppe ein Mandat erzielten. Im Vorfeld der Wahl hatte es heftige Konflikte darum gegeben, ob alle Gruppen eine gemeinsame Liste einreichen – und so eine Persönlichkeitswahl ermöglichen – oder ob sich die Beschäftigten zwischen verschiedenen Listen entscheiden müssen.

„Es ist den Vertretern der IG-Metall-Liste nicht gelungen, uns den schwarzen Peter für das Scheitern der Persönlichkeitswahl zuzuschieben“, betonte Erich Bauer von den „Alternativen Metallern“. Das gute Wahlergebnis seiner Gruppe führt er außerdem darauf zurück, dass es in Teilen des Werks große Enttäuschung über die IG-Metall-Fraktion gab. „Bei uns stehen einige Fertigungsumfänge und damit Arbeitsplätze auf der Kippe, aber von der Betriebsratsspitze kam da gar nichts.“

Bremen: Fremdvergabe von Produktionsarbeiten

Zu einer Persönlichkeitswahl kam es hingegen im Bremer Daimler-Werk. Obwohl auch hier verschiedene linke Gruppen aktiv sind, einigt man sich in dem norddeutschen Standort traditionell auf dieses Verfahren. Die linken AktivistInnen sind damit auch dieses Mal gut gefahren. „Unsere Leute haben deutliche Gewinne verbucht, um bis zu 1.000 Stimmen“, berichtete Gerhard Kupfer, der gemeinsam mit anderen linken Gewerkschaftern regelmäßig eigene Flugblätter im Werk verteilt. Mit sieben von 39 Sitzen konnte die Gruppe ihren Anteil im Gremium verteidigen, obwohl mit Kupfer einer der führenden Aktivisten aus Altersgründen nicht mehr kandidierte.

Dominierendes Thema bei der Wahl in Bremen war neben dem „Durchfahren“ von Pausen die Fremdvergabe von Produktionsarbeiten an externe Firmen. Dagegen hatte die Belegschaft mehrfach während der Arbeitszeit protestiert. „Es ist deutlich zu sehen, dass die Wahlbeteiligung in den Belegschaftsteilen höher ausgefallen ist, die sich am stärksten an den Aktionen beteiligt haben“, so Kupfer. Insgesamt ging die Beteiligung allerdings von rund 66 auf gut 59 Prozent zurück.

Deutlich zulegen konnte die IG Metall im Hamburger Daimler-Werk. Bei der Wahl 2010 hatte sie mit zehn von 21 Mandaten erstmals die absolute Mehrheit verfehlt. Dieses Mal kam die Gewerkschaftsliste auf 14 Sitze. Die linksoppositionelle „Alternative“ verlor einen ihrer fünf Sitze. Andere Gruppierungen büßten sehr viel stärker ein.

Berliner „Alternative“ zeigte wieder Flagge

Während linksoppositionelle Gruppen in den meisten Daimler-Werken bereits seit Jahrzehnten aktiv sind, trat die Berliner „Alternative“ erstmals 2010 an und erreichte auf Anhieb fünf der 21 Mandate. Dieses fulminante Ergebnis konnte die personell geschwächte Gruppe nicht halten. Vor vier Jahren gab es angesichts von Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten in den Krisenmonaten viel Unruhe im Betrieb. Hinzu kam der damals akute Streit um die Umsetzung vom Entgeltrahmenabkommen (ERA).

Immerhin erreichte die „Alternative“-Gruppe, die seit Jahren von SAV-Mitgliedern aktiv unterstützt wird, mit 266 Stimmen aber drei Mandate und wird ihre Freistellung behalten. Die IG Metall verlor aufgrund des Rückgangs der Wahlbeteiligung von 76 auf 60 Prozent rund 300 Stimmen, zählt aber wieder 15 Mandate. Die Liste „Faire Basis“, auf der dieses Mal auch Vertreter der „christlichen“ CGM kandidierten, erhielt 231 Stimmen und steigerte die Zahl der Betriebsratsmitglieder von einem auf drei.

Jetzt will die Gruppe sich auf den Kampf für eine wirkliche Betriebsvereinbarung „Gesundheitsschutz“ und den Widerstand gegen den drohenden Verlust der Motorenproduktion konzentrieren.

„Alternative“ in Untertürkheim

Eine ganz andere Gemengelage besteht im Werk Untertürkheim. Hier kandidieren die Aktivisten der linken „Alternative“ seit 2010 gemeinsam mit der IG Metall. Der Betriebsrat hat sich seither um zwei Mitglieder vergrößert – nicht nur wegen der Zählung der Leiharbeiter, sondern auch, weil der Betriebsrat mehrfach Neueinstellungen durchsetzte. Dennoch blieb die Gewerkschaftsliste bei 34 Mandaten. Hinzugewinnen konnten die linken „Offensiven Metaller“, aber auch das rechte „Zentrum“, das seine Sitze Sitze auf vier verdoppelte. Die CGM, von der sich das „Zentrum“ einst abgespalten hat, kam hingegen nur noch auf ein Mandat.

Auffällig ist, dass sowohl die Wahlbeteiligung als auch das Votum für die IG Metall im Werkteil Mettingen, der Hochburg der „Alternative“, deutlich höher sind als am Standort Untertürkheim insgesamt. Da zwei Aktive der Gruppe altersbedingt ausscheiden, ist diese allerdings künftig mit sieben statt mit neun Mitgliedern im Betriebsrat vertreten. Ein weiterer dürfte im Verlauf der Wahlperiode nachrücken.

Eine Schlappe erlebte die IG Metall in der Konzernzentrale, wo eher gewerkschaftsferne Angestellte tätig sind. Dort verfehlte die IG Metall anders als beim letzten Mal die absolute Mehrheit. Künftig stellt sie im 39-köpfigen Betriebsrat 18 statt bisher 20 Mitglieder.