Auch dieses Jahr gibt es in
Oldenburg wieder eine autonome 1. Mai-Demo mit
anschließendem Straßenfest beim Alhambra. Beginn ist um 13
Uhr in der Kaiserstraße/Hbf. Hier nun der Aufruf: Arbeit |
Geißel der Menschheit | Verflucht seist du bis ans Ende
aller Tage | Du, die du uns Elend bringst und Not | Uns zu
Krüppeln machst und zu Idioten *nichts gegen Krüppel und
Idioten, das ist nur symbolisch gemeint* | Uns schlechte
Laune schaffst und unnütz Zwietracht säst | Uns den Tag
raubst und die Nacht | Verflucht seist du | Verflucht | In
Ewigkeit | Amen
… ja, okay, beten wird`s wohl
nicht bringen, auch nicht mit diesem wunderschönen Psalm von
Michael Stein, einem poetischen Feind des Lohnarbeitszwangs.
Also mal wieder am 1. Mai auf die
Straße, für ein Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung und für
die Abschaffung des Kapitalismus; gemeinsam mit Millionen
anderen, die ihr Leben nun wirklich nicht als das Paradies auf
Erden wahrnehmen; überall auf der Welt und natürlich auch hier
in der norddeutschen Tiefebene. Seit 1890 geht das nun schon so,
ursprünglich als Unterstützung für den durch den vom Haymarket
Riot geprägten Kampf der „Federation of Organized Trades and
Labor Unions of the United States and Canada“ für eine
Arbeitszeitverkürzung – und leider sieht es gerade nicht danach
aus, als ob wir in naher Zukunft am 1. Mai ausschließlich
flauschigen Sommerfreuden nachkommen könnten. Durch zig Krisen
und hunderte Kriege ist der Kapitalismus heute fester im Sattel,
als es sich die Leute der „Zweiten Internationale“ bei der
Ausrufung des „Kampftages der Arbeiterklasse“ in ihren
schlimmsten Alpträumen vorstellen konnten.
Und während in vielen Teilen der Welt zwar keine Revolutionen,
aber immerhin ausgewachsene soziale Revolten an der Tagesordnung
sind, ist in Deutschland noch nicht einmal ein rebellisches
Lüftchen wahrzunehmen. Klar, Deutschland ist aktuell der
Krisengewinnler, seit über 100 Jahren imperialistische Großmacht
und daher im Gegensatz zu anderen Staaten bereit und fähig um
des lieben „sozialen Friedens“ Willen zumindest ein Mindestmaß
an Existenzsicherung, Gesundheitsversorgung und Bildung zu
garantieren. Und so bekommen die Leute die Gewalt des Marktes
weit weniger zu spüren als anderswo. Doch auch hier wird für die
Meisten die Kohle knapper, das Leben teurer und der Job
stressiger. Während wir also den Gürtel immer enger schnallen
müssen, kriegen einige ihn kaum noch zu. So läuft`s halt in der
Klassengesellschaft. Ob das vernünftig, gerecht oder sonst was
ist, braucht nicht mehr gefragt zu werden.
Denn heutzutage kommt als Antwort auf die Frage „nach dem Leben,
dem Universum und dem ganzen Rest“ nicht mehr „Revolution“,
„Solidarität“ oder „42“ in Betracht, sondern nur noch „Sozial
ist was Arbeit schafft“. Das erübrigt dann eigentlich auch jede
Frage. Zum Beispiel die danach, warum der Gewinn nicht unter den
Leuten aufgeteilt wird, die irgendwas herstellen, sondern in der
Tasche des Chefs landet. Warum uns im Supermarkt hunderte
verschiedene Joghurts dargeboten werden, während in anderen
Teilen der Welt die Leute kaum etwas zu Fressen haben. Warum
Leute malochen gehen müssen, nur weil sie billiger sind als eine
Geschirrspül- oder Sortiermaschine. Warum die Leute, die den
Tee, Plastik-Tinnef oder die Jeans herstellen, mit
Cent-Beträgen abgespeist werden, während wir richtig Schotter
dafür hinlegen müssen. Warum man immer länger arbeiten soll,
während Millionen ohne Job unter den Schikanen des Arbeitsamtes
leiden. Warum es vernünftig sein soll, auf Teile des Lohns zu
verzichten, um damit die Kolleg*innen aus einer anderen Firma
oder einem anderen Land auszustechen. Warum Leute im
Asylverfahren keine Arbeitserlaubnis bekommen und daher in
Schwarzarbeitsjobs ohne jegliche Absicherung der Willkür ihrer
Bosse ausgeliefert sind. Warum Leute aus Rumänien oder Ungarn in
den Südoldenburgischen Schlachtfabriken für Hungerlöhne schuften
und dann auch noch mal locker 300 Euro für einen ranzigen
Pennplatz abdrücken müssen. Warum eine Kindergärtnerin mal
gerade ein Drittel von dem Lohn eines Gymnasiallehrers kriegt
oder eine Putzfrau nur einen Fitzel von dem eines Herzchirurgen.
Warum Leute, die sich als Zeitarbeiter*innen verkaufen müssen,
trotz 40-Stunden-Woche nicht mit der wenigen Kohle überleben
können. Warum die reichsten 85 Menschen denselben Reichtum
besitzen wie die ärmere Hälfte der Erdbevölkerung zusammen.
Warum mit genügend Knete das „Bedürfnis“ nach den neuen Nike
Air`s, dem Galaxy S5 oder der 222`er S-Klasse befriedigt werden
kann, während ohne Geld selbst das Bedürfnis nach Trinkwasser
oder einem Dach über dem Kopf unerfüllt bleibt. Warum deutsche
Bauarbeiter*innen mehr mit ihrem sogenannten „Tarifpartner“
gemein haben sollen, als mit Maurer*ìnnen, Dachdecker*innen oder
Betonbauer*innen aus Polen, Uganda oder Schweden… – um nur mal
einige der Fragen zu nennen, die sich doch zu fragen lohnen.
Und die wirkliche Antwort ist eigentlich auch ganz einfach: Der
Kapitalismus, oder mit Marx gesagt die „alte Scheiße”, hat mit
Gerechtigkeit und Vernunft so viel zu tun wie Bayern München mit
der Abstiegszone. „Konsum“, „Profit“, „Akkumulation“: die
Mantras des Marktes; die klingen nicht nur menschenfeindlich,
die sind es auch. „Die Maschinerie des Kapitalismus wird mit dem
Blut der Arbeiter geölt“, konstatierte einst der Springfielder
AKW-Techniker Homer Simpson. Recht hat er. Ebenfalls ins
Schwarze traf schon gut 100 Jahre zuvor der Songwriter Heinrich
Eildermann mit seinem Evergreen „Dem Morgenrot entgegen“: „Die
Arbeit kann uns lehren | sie lehrte uns die Kraft | den Reichtum
zu vermehren | der unsre Armut schafft“.
Klar, die Welt kann nun mal nicht perfekt sein und da ist ein
gewisses Maß an Arbeit leider immer nötig. Aber nur mal
angenommen, wir alle einigen uns darauf was gesellschaftlich
nötig ist, nutzen die besten Technologien und teilen die
übrigbleibende Arbeit zwischen uns auf, dann ist eine 3,5
Stunden-Woche nicht mehr allzu unrealistisch. Kombiniert mit
dem Prinzip „Alle nach ihren Fähigkeiten, alle nach ihren
Bedürfnissen“ sähe das Ganze dann doch schon ziemlich rosig aus.
Also los geht`s, Faust aus der Tasche und – nur so als Anfang –
am 1. Mai auf die Straße. Für eine Gesellschaft, in der
Herkunft, Geschlecht und sexuelle Orientierung keine Rolle mehr
spielen, in der es kein Oben und Unten mehr gibt, in der alle
ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und Zugang zu Bildung
haben. Mit so wenig Arbeit wie nötig und so viel Luxus wie
möglich.
Quelle:
Indymedia | 30.4.2014
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