Im
Vorwort zu seinem Werk „Zur Kritik der Politischen Ökonomie“ hat
Marx auf klassische Weise das Verhältnis von Produktivkräften
und Produktionsverhältnissen umrissen, das die Entwicklung der
menschlichen Gesellschaft so grundlegend bestimmt. [1] Es ist
ein außerordentlich aktives Wechselverhältnis, in dem die
Produktivkräfte das revolutionierende, vorwärtstreibende Element
sind und die Produktionsverhältnisse die Form, den Rahmen
abgeben, in dem sich die Produktivkräfte bewegen und entwickeln.
Die Produktionsverhältnisse wirken ihrerseits auf die
Produktivkräfte zurück, fördern oder hemmen sie. Dieses
Wechselverhältnis umfasst das Hauptfeld der menschlichen
Tätigkeit, die Produktion des materiellen Lebensunterhalts,
das die Grundlage der Klassenverhältnisse und Klassenkämpfe
bildet.
Unter der Produktionsweise versteht die
marxistisch-leninistische politische Ökonomie die Art und Weise
der Erzeugung materieller Güter und produktiver Leistungen für
die Existenz und Entwicklung der Gesellschaft. Sie bedingt
als dialektische Einheit von Produktivkräften und
Produktionsverhältnissen den sozialen, politischen und geistigen
Lebensprozess überhaupt. [2] Diese Erkenntnis umfasst die
„einfache Tatsache, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst
essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik,
Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können“[3], stellte
Engels in seiner Rede am Grabe von Marx fest. Die
Produktionsweise und der ihr entsprechende politische,
juristische, ideologische Überbau, die ebenfalls in einem
Wechselverhältnis zueinander stehen, bilden die
Gesellschaftsformation.
Die
Geschichte kennt fünf verschiedene Produktionsweisen und ihnen
entsprechende Gesellschaftsformationen: die Urgemeinschaft, die
Sklavenhalterordnung, den Feudalismus, den Kapitalismus sowie
den Kommunismus. Diese Produktionsweisen folgten nicht zufällig
aufeinander, sondern unterliegen einer Gesetzmäßigkeit, vor
allem dem Gesetz der Übereinstimmung der
Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte,
das noch erläutert wird. Die kapitalistische Produktionsweise
ist die letzte antagonistische, das heißt von einem
unüberbrückbaren Klassengegensatz gekennzeichnete
Produktionsweise, die mit der Entwicklung der Produktivkräfte
die materiellen Bedingungen zur Lösung des Klassenantagonismus
schafft. „Mit dieser Gesellschaftsformation“, schrieb Marx,
„schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft
ab.“[4]
Was
sind die Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, und worin
besteht ihr Wechselverhältnis?
Unter Produktivkräften versteht die
marxistisch-leninistische politische Ökonomie die Gesamtheit der
subjektiven und gegenständlichen Faktoren des
Produktionsprozesses sowie deren Zusammenwirken bei der
Produktion materieller Güter. Dazu zählen vor allem der Mensch
als Hauptproduktivkraft mit seinen Arbeitsfertigkeiten,
Produktionserfahrungen, seinen Bildungs- und
Qualifikationsniveau, die Arbeitsmittel, die sich zu
Maschinensystemen entwickelt haben, und die Arbeitsgegenstände,
die sich besonders unter dem Einfluss der Chemie grundlegend
verändert haben. Zu den Produktivkräften gehört die Wissenschaft
und ihre technologische Anwendung. Zu den Produktivkräften
zählen ferner die Vergesellschaftung der Produktion durch
Arbeitsteilung, Kooperation, Spezialisierung, die sich daraus
entwickelnde Produktionsorganisation und Leitung sowie die in
der Produktion genutzten Naturreichtümer und Naturkräfte.
Die
Produktivkräfte umfassen demnach einen ganzen Komplex sich
ständig entwickelnder Faktoren. An der Spitze steht der Mensch
als das schöpferische Element, dessen lebendige Arbeit „das
belebende Feuer der Produktion“ ist, wie Marx es nannte. Erst
durch den Menschen werden die Produktivkräfte aus möglichen zu
wirklichen Produktivkräften. „Die lebendige Arbeit muss diese
Dinge ergreifen, sie von den Toten erwecken, sie aus nur
möglichen in wirkliche und wirkende Gebrauchswerte
verwandeln.“[5]
Die
Vereinigung der Hauptproduktivkräfte, des Menschen, mit den
anderen Produktivkräften erfolgt im Arbeitsprozess. Der
Arbeitsprozess ist die produktive Tätigkeit des Menschen zur
Herstellung von Gebrauchswerten. Seine einfachen Elemente sind
die zweckmäßige Tätigkeit oder die Arbeit selbst, der
Arbeitsgegenstand und das Arbeitsmittel. Die Arbeitsmittel
spielen in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft eine
besondere Rolle, denn durch ihren Gebrauch und vor allem durch
ihre Produktion löste sich der Mensch vom Tierreich, und der
menschliche Arbeitsprozess erhielt seinen spezifischen
Charakter. Durch die Entwicklung der Arbeitsmittel, insbesondere
der Produktionsinstrumente (Werkzeuge, Maschinen, Geräte), deren
Gesamtheit Marx das „Knochen- und Muskelsystem der
Produktion“[6] nannte, wurden die ökonomischen Epochen
maßgeblich bestimmt. „Nicht was gemacht wird, sondern wie, mit
welchen Arbeitsmitteln gemacht wird, unterscheidet die
ökonomischen Epochen“[7], hob Karl Marx hervor. „Die Handmühle
ergibt eine Gesellschaft mit Feudalherren, die Dampfmühle eine
Gesellschaft mit industriellen Kapitalisten.“[8]
Das
Ergebnis des Arbeitsprozesses ist ein nützliches Produkt, das
zielgerichtet hergestellt wird und vorher schon ideell, in der
Vorstellung des Menschen, vorhanden ist. Im Arbeitsprozess
verändern die Menschen die Natur, gestalten sie nach ihren
Zwecken und Zielen, verändern und entwickeln damit auch sich
selbst und ihre Beziehungen zueinander.
Die
Produktion ist ein ständiger Prozess, in dem die Menschen
Fähigkeiten, Fertigkeiten und ihre Erfahrungen bei der Anwendung
von Arbeitsmitteln und Arbeitsgegenständen erlangen, nicht nur
die zum Leben notwendigen materiellen Güter erzeugen, sondern
auch die Produktionsmittel, deren Verbesserung und Entwicklung
eines ihrer wichtigsten Anliegen ist. Durch das produktive
Handeln der Menschen erweisen sich die Produktivkräfte als das
revolutionäre Element der Produktionsweise.
Der
Übergang von der Fertigung von Steinwerkzeugen zu Bronze- und
Eisenwerkzeugen war ein ebenso die Produktionsweise umwälzender
Prozess wie der Übergang von der Handarbeit der Manufaktur zur
Maschinenproduktion der großen Industrie.
Der
menschliche Arbeitsprozess begann unmittelbar als gemeinsamer,
gesellschaftlicher Arbeitsprozess. Die Menschen der
Urgesellschaft konnten überhaupt nur durch gemeinsame Arbeit,
einfache Kooperation beim Sammeln von Früchten, bei der
Jagd, beim Feldbau existieren. Sie mussten gemeinsam wirken, um
die Produktivkraft jedes einzelnen, die für den Existenzkampf zu
schwach war, zur gesellschaftlichen Produktivkraft
vereinigen. Die einfache Kooperation erhöhte nicht nur die
Produktivkraft der einzelnen, sondern ermöglichte Leistungen,
die die einzelnen allein nicht zustande bringen konnten. Auf
ihrer Grundlage konnte sich die Arbeitsteilung als eine
weitere gesellschaftliche Produktivkraft entwickeln, bei der der
Arbeitsprozess aufgegliedert, die Arbeit spezialisiert und
dadurch wirkungsvoller werden konnte. Die Arbeitsteilung
individualisierte zwar den Arbeitsprozess, aber erforderte
zugleich den Austausch der Arbeiten, deren Produkte in der
Urgemeinschaft noch Gemeineigentum waren und daher unmittelbar
ausgetauscht werden konnten.
Die
Arbeitsteilung wurde zum wesentlichen Faktor der Entwicklung der
Produktivkraft der Arbeit und der Produktionsmittel. Sie brachte
aber auch auf einer bestimmten Entwicklungsstufe das
Privateigentum an den Produktionsmitteln und Produkten und die
Grundlagen der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen
hervor.
Arbeitsteilung und Kooperation als gesellschaftliche
Produktivkräfte förderten die Entwicklung der materiellen
Produktion und der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in
hohem Maße. Zu welcher Leistung die einfache und die auf
Arbeitsteilung beruhende Kooperation bei noch gering
entwickelter Technik fähig war, zeigt der Bau von Pyramiden, von
antiken und mittelalterlichen Festungen, von Städten und Domen.
Mit
der einfachen Kooperation der Handwerker und der arbeitsteiligen
Kooperation der Manufaktur begann die kapitalistische
Produktionsweise, entwickelte schon dadurch die Produktivkraft
der Arbeit in bedeutendem Maße und legte mit der Spezialisierung
der Werkzeuge und der Anwendung einfacher Mechanismen die
Grundlage für die Umwälzung der Produktionstechnik, die sich in
der industriellen Revolution entfaltete. Der Kapitalismus
basierte von vornherein auf einem gesellschaftlichen
Arbeitsprozess mit nur gesellschaftlich anwendbaren
Produktionsmitteln, auf betrieblicher und gesellschaftlicher
Arbeitsteilung. Auf der Grundlage des kapitalistischen
gesellschaftlichen Arbeitsprozesses, der Vergesellschaftung der
Produktivkräfte und der Produktion entwickelte sich das System
der modernen Produktivkräfte: das mechanische und automatische
[und elektronische] Maschinensystem, die komplizierten
Chemieanlagen, die Umwandlung der Wissenschaft in eine
unmittelbare Produktivkraft. Eine wissenschaftliche
Produktionsorganisation und Produktionstechnologie wurden
erforderlich.
Der
vergesellschaftete Produktionsprozess und die gesellschaftlichen
Produktivkräfte brachten ihrerseits die Leitung als
Produktivkraft hervor. Das Zusammenwirken vieler in demselben
Produktionsprozess oder in verschiedenen, aber zusammenhängenden
Produktionsprozessen erfordert die organisierte und leitende
Tätigkeit, um den kombinierten Produktionsprozess in Gang zu
bringen, zu kontrollieren und zu regeln.
Die Kooperation und die Arbeitsteilung, die Leitung und
Organisation der Produktion sind Formen gesellschaftlicher
Produktivkraft, sie sind aber auch zugleich Formen
gesellschaftlicher Produktionsverhältnisse.
Die Produktivkräfte können immer nur innerhalb und vermittels
bestimmter Produktionsverhältnisse wirken und sich entwickeln.
Unter Produktionsverhältnissen versteht
die marxistisch-leninistische politische Ökonomie Verhältnisse
zwischen den Menschen im Prozess der Produktion, des Austausches
und der Verteilung materieller Güter, das heißt die Gesamtheit
der gesellschaftlichen Beziehungen, die die Menschen im
Reproduktionsprozess miteinander eingehen. –
Zu den Produktionsverhältnissen gehören die
Eigentumsverhältnisse und die sich daraus ergebende Stellung der
Klassen und sozialen Gruppen in der Gesellschaft sowie die
darauf beruhenden Formen der Organisation und Leitung der
gesellschaftlichen Produktion.
Die
Eigentumsverhältnisse,
die Form der Aneignung und damit des Eigentums an den
Produktionsmitteln, sind das entscheidende und bestimmende
Element der Gesamtheit der Produktionsverhältnisse.
Von ihnen hängt der gesellschaftliche Charakter sowohl der
Beziehungen der Menschen in der Produktion als auch im
Austausch, in der Verteilung und in der Konsumtion ab.
Das Eigentum an den Produktionsmitteln ist ein
Produktionsverhältnis, also ein Verhältnis der Menschen in der
Produktion, das an materielle Dinge gebunden ist. Dieses
Verhältnis ist zweifacher Art. Einmal ist es das Verhältnis der
Menschen in der Arbeitstätigkeit bei der Aneignung der Natur und
zum anderen das Verhältnis,
die Stellung
der Menschen zu den materiellen Bedingungen der Arbeit, den
Produktionsmitteln.
Bei der Arbeit zur Aneignung der Natur geht es darum, ob eigene
oder fremde Arbeit das Mittel der Aneignung, der Anhäufung von
materiellen Reichtum und damit der Eigentumsbildung ist. Form
und Inhalt des Aneignungsprozesses werden vom Charakter der
Arbeit bestimmt. Im ersten Falle eignet sich der Produzent als
frei Arbeitender das Produkt durch eigene Arbeit an.
Im
zweiten Falle wird
die Arbeit des
unmittelbaren Produzenten zum Mittel der Aneignung anderer, die
ihn ausbeuten.
Der Charakter der Arbeit und des Aneignungsprozesses machen
deutlich, dass die unmittelbaren Produzenten frei oder
Ausgebeutete sind.
Der
Aneignungsprozess bestimmt auch die Form des Eigentums und die
Stellung der Produzenten zu den Produktionsmitteln. Die
Aneignung mittels Sklavenarbeit setzt das Eigentum an den
Produktionsmitteln und den unmittelbaren Produzenten voraus. Die
Fronarbeit leibeigener Bauern und Handwerker hat das Eigentum
der Feudalherren an Grund und Boden und die dadurch bedingte
Abhängigkeit der unmittelbaren Produzenten, die selbst
Produktionsmittel ihr eigen nennen, zur Grundlage. Die
kapitalistische Lohnarbeit hat das Eigentum der Kapitalisten an
den Produktionsmitteln und Eigentumslosigkeit juristisch freier
unmittelbarer Produzenten, die nur ihre Arbeitskraft besitzen,
zur Voraussetzung.
Die Stellung
der unmittelbaren Produzenten zu den Produktionsmitteln und die
Art und Weise ihrer Vereinigung im Produktionsprozess bestimmt
den gesellschaftlichen Charakter der Produktionsweise. „Welches
immer die gesellschaftlichen Formen der Produktion“, lehrt Karl
Marx, „Arbeiter und Produktionsmittel bleiben stets ihre
Faktoren. Aber die einen und die andern sind dies nur der
Möglichkeit nach im Zustand ihrer Trennung voneinander. Damit
überhaupt produziert werde, müssen sie sich verbinden. Die
besondre Art und Weise, worin diese Verbindung bewerkstelligt
wird, unterscheidet die verschiednen ökonomischen Epochen der
Gesellschaftsstruktur.“[9]
Die Grundfrage
ist, ob die Eigentümer der Produktionsmittel
diejenigen sind,
die selbst damit arbeiten, ob sie die unmittelbaren Produzenten
sind oder ob sie
andere damit
arbeiten lassen und sich, da ihnen die Produktionsmittel
gehören, deren Produkte aneignen.
Aus der Beantwortung dieser Frage ergibt sich, ob die jeweiligen
Eigentumsverhältnisse Ausbeutungsverhältnisse oder von
Ausbeutung freie Verhältnisse sind.
Die
Eigentumsverhältnisse als Grundform der Produktionsverhältnisse
zeigen an, ob die Gesellschaft eine antagonistische
Klassengesellschaft ist
oder eine
Gesellschaft ohne sich feindlich gegenüberstehende Klassen.
Im Verlaufe der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft hat
sich eine Vielfalt von Eigentumsformen herausgebildet: das
Gemeineigentum in der Urgesellschaft, das Eigentum der Bauern
und Handwerker, das Eigentum der Sklavenhalter an den
Produktionsmitteln und an den Sklaven, das Eigentum der
Feudalherren an Grund und Boden, das kapitalistische Eigentum
und das [historisch gescheiterte real-]sozialistische Eigentum.
Die verschiedenen Eigentumsformen an Produktionsmitteln lassen
sich auf zwei Grundformen reduzieren: das Eigentum der
Produzenten, die sich die Produkte ihrer eigenen Arbeit aneignen
– das
Arbeitseigentum,
und
das Eigentum
der Nichtproduzenten, die andere für sich arbeiten lassen und
sich deren Produkte aneignen – das
Ausbeutereigentum.
Die Geschichte des Eigentums an den Produktionsmitteln ist seit
Auflösung der Urgesellschaft die Geschichte des Gegensatzes von
Arbeitseigentum und Ausbeutereigentum,
im Kapitalismus
des kapitalistischen Privateigentums und des Nichteigentums der
Lohnarbeiter an Produktionsmitteln. Sie ist die ökonomische
Grundlage der Geschichte der Klassenkämpfe.
Die beiden letzten Phasen dieser historischen Entwicklung
schildert Karl Marx im „Kapital“ in dem Abschnitt
„Geschichtliche Tendenz der kapitalistischen Akkumulation“.
Die
Verwandlung des Privateigentums der kleinen Produzenten in
kapitalistisches Privateigentum erfolgte durch einen Prozess der
Expropriation der Klasse der unmittelbaren Produzenten durch
wenige Kapitalisten, der „mit schonungslosestem Vandalismus und
unter dem Trieb der infamsten, schmutzigsten, kleinlichst
gehässigsten Leidenschaften vollbracht“
[10]
wurde.
Bei der Verwandlung des kapitalistischen Eigentums in
sozialistisches Eigentum dagegen handelt es sich um „die
Expropriation weniger Usurpatoren durch die Volksmasse“[11].
Wie Marx feststellte, ist die Arbeit „zunächst ein Prozess
zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen
Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt,
regelt und kontrolliert“[12]. Als solcher ist er jeder
gesellschaftlichen Produktionsweise eigen. Durch das
Eigentumsverhältnis wird jedoch ersichtlich, dass der
Arbeitsprozess auch ein Prozess zwischen den Menschen ist, denn
es bestimmt
die Stellung
der Menschen in der Produktion.
Der Produktionsprozess des Kapitals ist, wie wir schon
feststellten, ein hochgradig vergesellschafteter Prozess. Er
vereinigt eine Vielzahl von Produktionsmitteln und Arbeitern in
produktiver Arbeit. Aus den kapitalistischen
Eigentumsverhältnissen ergeben sich zwei Eigentümlichkeiten des
Arbeitsprozesses. Erstens arbeiten die Arbeiter unter dem
Kommando des Kapitalisten, dem sie ihre Arbeitskraft verkauft
haben und dem dadurch deren Gebrauchswert, die Arbeit, gehört.
Zweitens
eignet sich
der Kapitalist das von den Arbeitern geschaffene Produkt an, da
er Eigentümer der Produktionsmittel ist und ihm durch den Kauf
der Arbeitskraft die Arbeit der Arbeiter und damit deren
Resultat gehört.
Das Kommando
der Kapitalisten über die Arbeiter im Arbeitsprozess ergibt sich
aus den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen.
Dieses Kommando entspringt aber auch aus der Entwicklung und dem
gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte.
Wir erwähnten schon kurz, dass die Kooperation, die
Arbeitsteilung, die Organisation und Leitung der Produktion
gesellschaftliche Produktivkräfte, aber auch Formen der
Produktionsverhältnisse sind. Bei der produktiven Arbeit in der
Kooperation und in der Arbeitsteilung treten die Produzenten
nicht nur in ein Verhältnis zur Natur, sondern auch in
Beziehungen zueinander. In der einfachen Kooperation sind diese
Beziehungen unmittelbare gesellschaftliche Beziehungen, wie in
der Urgemeinschaft, oder durch äußere Gewalt hergestellte
Beziehungen, wie in der Sklaverei oder in der Fronarbeit der
Feudalzeit. Sie werden auch durch ökonomische Akte, wie
den Kauf der
Arbeitskraft durch die Kapitalisten,
hergestellt. Die Arbeitsteilung führt zu komplizierteren
gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen in der Produktion.
Ob aber als betriebliche oder als gesellschaftliche
Arbeitsteilung, sie müssen durch den Austausch vermittelt
werden. Dieser wieder kann ein unmittelbarer Austausch der
Arbeit und der Produkte sein oder muss, mit der Herausbildung
der Warenproduktion, in Form des Warentausches erfolgen.
Es gibt also, um es noch einmal hervorzuheben,
gesellschaftliche Produktivkräfte, die zugleich
Produktionsverhältnisse sind. Als solche werden sie, wie die
Produktionsverhältnisse überhaupt, durch den Charakter der
jeweiligen Eigentumsverhältnisse bestimmt.
Eine Form
gesellschaftlicher Produktivkräfte, die sich direkt aus der
Vergesellschaftung des Arbeits- und Produktionsprozesses ergibt,
ist die Leitung, Organisation und Planung der Produktion. Die
gemeinschaftliche oder gesellschaftliche Arbeit in größerem
Maßstab bedarf der Leitung, Organisation und Planung, die die
Tätigkeit der einzelnen vermitteln und zu einer harmonischen
Zusammenarbeit gestalten. Das gilt für die kapitalistische
Produktion mit ihrer vielfältigen innerbetrieblichen
Arbeitsteilung in höherem Grade als für frühere
Produktionsweisen. Aber der spezifische Charakter der
kapitalistischen Produktion gibt auch der Leitung als
Produktionsverhältnis einen spezifischen gesellschaftlichen
Inhalt.
Der
kapitalistische Produktionsprozess ist eine Einheit von Arbeits-
und Verwertungsprozess.
„Die Leitung des Kapitalisten ist nicht nur eine aus der Natur
des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringende und ihm
angehörige besondre Funktion der Ausbeutung eines
gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den
unvermeidlichen Antagonismus zwischen dem Ausbeuter und dem
Rohmaterial seiner Ausbeutung“, stellt Marx fest und
schlussfolgert weiter:
„Der Kapitalist ist nicht Kapitalist, weil er industrieller
Leiter ist, sondern er wird industrieller Befehlshaber, weil er
Kapitalist ist. Der Oberbefehl in der Industrie wird Attribut
des Kapitals, wie zur Feudalzeit der Oberbefehl in Krieg und
Gericht Attribut des Grundeigentums war.“[13]
Diese Feststellung ist von großer Aktualität.
–
Bürgerliche
Ökonomen und Kapitalisten selbst leiten auch heute die
Herrschaft der Kapitalisten über die Produktion von deren
besonderen Fähigkeiten zur Leitung komplizierter moderner
Produktionsprozesse ab, die sie den Arbeitern absprechen. Sie
erhalten dabei von den reformistischen sozialdemokratischen und
Gewerkschaftsführern ideologische Hilfe.
Diese
Behauptung ist schon deshalb absurd, weil, wie schon Marx
feststellte und Lenin durch seine Analyse des
monopolkapitalistischen Kapitalismus erhärtete, die Leitung der
Großunternehmen nicht mehr von den Kapitalisten selbst, sondern
von bezahlten Angestellten ausgeführt wird.
Eine Spezifik
der kapitalistischen Leitung und Organisation der Produktion
ist, dass sie sich auf das einzelne Unternehmen oder den in
einem Konzern oder Trust vereinigten Komplex von Unternehmen
beschränkt und in der gesellschaftlichen Gesamtproduktion
Planlosigkeit und Anarchie herrscht, da das kapitalistische
Eigentum an den Produktionsmitteln eine gesellschaftliche
Leitung, Planung und Organisation unmöglich macht.
Was nun die zweite Eigentümlichkeit des Arbeitsprozesses im
Kapitalismus,
die Aneignung
des Produkts der Arbeit der Arbeiter durch die Kapitalisten,
betrifft,
so wird diese
objektive Tatsache von bürgerlichen Ökonomen und Kapitalisten
mit dem Hinweis bestritten,
dass in der heutigen kapitalistischen Wirtschaft das Eigentum an
den Produktionsmitteln von untergeordneter Bedeutung geworden
sei.
Durch die Bildung von Aktiengesellschaften sei der Kapitalbesitz
„gestreut“ und „demokratisiert“.
Die Anzahl der Kapitalisten habe sich nicht vermindert, sondern
kolossal vermehrt, und
der
Kapitalismus habe sich zum Volkskapitalismus
[„Volksgemeinschaft“ und „Soziale Marktwirtschaft“]
entwickelt.
Der
Gegensatz zwischen Unternehmern und Arbeitern sei nicht mehr der
antagonistische Gegensatz
von
Ausbeutern und Ausgebeuteten.
Dieser Gegensatz habe sich zum Gegensatz von Interessengruppen
entwickelt, die an der Produktion des Nationaleinkommens
teilhaben und nur um die Größe ihres Anteils daran streiten.
Ihre
gemeinsamen Interessen beständen darin, durch gesteigerte
Leistung das Nationaleinkommen zu vergrößern und dadurch auch
ihren jeweiligen Anteil.
Aus dem ausbeutenden Kapitalismus wäre eine
„Leistungsgesellschaft“ geworden.
Das
kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln hat
tatsächlich einen Formwechsel erfahren, der sich aus der
Anpassung der kapitalistischen Produktions- und
Eigentumsverhältnisse an den zunehmenden Grad der
Vergesellschaftung der Produktivkräfte und der Produktion
ergibt. Damit hat sich aber am Wesen des kapitalistischen
Eigentums als Ausbeutereigentums nichts geändert. Das
individuelle kapitalistische Privateigentum gestaltete sich über
die Bildung von Aktiengesellschaften zum gesellschaftlichen
kapitalistischen Privateigentum.
Das
Charakteristikum dieser Form des kapitalistischen Eigentums ist
erstens, dass eine Vielzahl von Großkapitalisten oder
Geldbesitzern, die ihr Geld zur Verwertung investieren,
gegenüber der Arbeiterklasse als Aktionäre, als kollektiver
Privatkapitalist auftreten, dessen Ziel der Profit in Form der
Dividende ist. Jede Hauptversammlung der Aktionäre einer
Aktiengesellschaft liefert den Beweis, dass die Gesamtheit der
Aktionäre ausschließlich an der Höhe des Profits interessiert
ist und gemeinsam gegen die Lohnforderungen der Arbeiter
vorgeht. Zweitens aber beherrscht der größte Aktionär oder eine
Gruppe von Großaktionären die Mehrheit der Aktien und damit die
Leitung der Aktiengesellschaft, die sich heute zum Konzern und
Trust entwickelt hat. Sie verfügen damit mit einem größeren oder
kleineren Anteil am Gesamtaktienkapital über das Unternehmen wie
über ihr Privateigentum und treiben damit das antagonistische
Klassenverhältnis von
[differenziert
technisch-wissenschaftlichen]
ausgebeuteten Arbeitern
[werktätigen
Frauen und Männern]
und ausbeutenden Kapitalisten auf die Spitze.
Selbst das
kapitalistische Staatseigentum, das ein Ausdruck dafür ist, dass
die Entwicklung der Produktivkräfte über den Rahmen der
kapitalistischen Produktionsverhältnisse drängt, dient unter der
Herrschaft des Monopolkapitals dem privatkapitalistischen
Monopolkapital.
Die Kapitalisten, insbesondere die Monopolkapitalisten und ihre
Verteidiger, die erklären, dass mit den Aktiengesellschaften die
die Rolle des Eigentums an den Produktionsmitteln an Bedeutung
verloren habe, behaupten, dass die Produktivkräfte für die
Entwicklung der Gesellschaft ausschlaggebend wären. Die modernen
Produktivkräfte hätten den Kapitalisten und sein Eigentum in den
Hintergrund gedrängt. An seiner Stelle würden Techniker,
Ingenieure und Planer, die als „Technokraten“ bezeichnet werden,
die Produktion bestimmen. „Nicht die Manager treffen die
Entscheidung. Die wirkliche Entscheidung liegt viel weiter unten
bei Planern, Technikern und anderen Spezialisten“, schrieb der
amerikanische bürgerliche Ökonom J. K. Galbraith. Er erklärte
zugleich: „Die Macht ist nicht etwa nur dem System eigen, das
in der ideologischen Sprachregelung als Freie Marktwirtschaft
[„Soziale
Marktwirtschaft“]
oder als das kapitalistische System bezeichnet wird.“[14]
Zwischen Kapitalismus und Sozialismus gäbe es demnach keinen
Unterschied, beide wären „moderne Industriegesellschaften“.
Den Arbeitern
soll also eingeredet werden, der Kampf gegen das kapitalistische
System, für die Verwandlung des kapitalistischen Eigentums an
den Produktionsmitteln in sozialistisches Eigentum sei
gegenstandslos geworden, denn dieses Ausbeutereigentum gäbe es
nicht mehr.
Angesichts
dieser „Theorie“ fragt man sich, warum sich dann die
Monopolkapitalisten so gegen die Verwandlung der Konzerne in
Gemeineigentum und gegen das volle Mitbestimmungsrecht der
Arbeiter, Angestellten und der Intelligenz in der Leitung der
Konzerne und der Wirtschaftspolitik das Staates sträuben.
Hier zeigt sich
gerade, dass die marxistisch-leninistische Lehre von den
Produktions- und Eigentumsverhältnissen den neuralgischen Punkt
der kapitalistischen Ausbeuterordnung erfasst hat. Auch das
kollektive oder gesellschaftliche Kapital ist Privatkapital, und
das einzige Ziel ist der Profit, vor allem der Monopolprofit.
Gewiss, die modernen Produktivkräfte, deren gesellschaftlicher
Charakter durch die wissenschaftlich-technische Revolution
kolossal entwickelt wird, drängen zur gesellschaftlichen Planung
der Produktion. Das führt zwar, wie wir sahen, zu einer
Anpassung der kapitalistischen Produktions- und
Eigentumsverhältnisse an diese Entwicklung der Produktivkräfte,
aber keineswegs zur Aufhebung, sondern vielmehr zur
Zuspitzung der
antagonistischen Widersprüche der kapitalistischen
Ausbeutergesellschaft.
Der
gesellschaftliche Charakter der modernen Produktivkräfte stößt
auf die Schranken der kapitalistischen Produktions- und
insbesondere Eigentumsverhältnisse,
die auch in monopolistischer und staatsmonopolistischer Form
ihrem Wesen nach privatkapitalistische Eigentumsverhältnisse
sind. Soweit im gesellschaftlichen Maßstab Versuche zur Planung
unternommen werden, beinhalten sie die Sicherung des
Monopolprofits, sie begrenzen und deformieren somit die
Entwicklung der Produktivkräfte.
Die Eigentumsverhältnisse bestimmen auch den gesellschaftlichen
Charakter des Austausches und der Distribution, der Verteilung
[bzw. Zuteilung]. Wir erwähnten schon, dass die klassischen
englischen Ökonomen, insbesondere David Ricardo, die
Distribution für das Wesentliche einer Produktionsweise hielten.
Aber Marx wies nach, dass, bevor die Produkte verteilt werden,
vorher schon die Produktionsmittel und die Produzenten auf die
Produktion verteilt, das heißt den herrschenden
Eigentumsverhältnissen in der Produktion untergeordnet sind. Die
Distribution, wie die Produktion und der Austausch, ist
Bestandteil der Produktionsverhältnisse, deren Gesetze durch die
Gesetze, die die Produktion bestimmen, beherrscht werden.
Die kapitalistische Produktion wird durch das Mehrwertgesetz
beherrscht, das aus dem Produktionsverhältnis, dem
Klassenverhältnis zwischen Lohnarbeitern und Kapitalisten,
hervorgeht. Aus ihm ergibt sich, dass die Distribution
einerseits durch das Lohngesetz bestimmt wird.
Daraus folgt, dass der Arbeitslohn, der Anteil der Arbeiter an
dem von ihnen geschaffenen Neuwert, durch den Wert ihrer
Arbeitskraft und durch den Klassenkampf um die Einhaltung des
Lohngesetzes bestimmt wird. –
Andererseits erfolgt die Verteilung des Mehrwerts unter die
Industrie-, Handels- und Bankkapitalisten und die
Grundeigentümer entsprechend den Gesetzen des
Durchschnittsprofits, des Zinses und der Grundrente und auf dem
Wege des Konkurrenzkampfes.
Dabei spielt der Austausch eine wesentliche Rolle, der, da die
kapitalistische Produktion entwickelte Warenproduktion ist, als
Waren- und Geldaustausch erfolgt. Das grundlegende
Klassenverhältnis, das Verhältnis zwischen Lohnarbeitern und
Kapitalisten, erscheint in der Form eines ökonomischen
Verhältnisses von Ware und Geld. Die Arbeiter tauschen
ihre Ware Arbeitskraft gegen das Geld der Kapitalisten ein,
für das sie ihre Existenzmittel kaufen. Dieses
Austauschverhältnis formell gesellschaftlich gleicher
Warenbesitzer verhüllt die tatsächliche soziale Ungleichheit
zwischen den Kapitalisten als den Eigentümern und den Arbeitern
als Nichteigentümern von Produktionsmitteln. Ein anderes
entscheidendes, durch das grundlegende Produktions- und
Klassenverhältnis bestimmtes Charakteristikum des
kapitalistischen Austauschprozesses ist, dass der Warenaustausch
nicht als Austausch von Waren eigener, sondern fremder Arbeit,
der Arbeit der Lohnarbeiter, erfolgt. Dadurch ist er zugleich
ein Prozess der Realisierung des Mehrwerts und der Vollendung
des Verwertungsprozesses des Kapitals.
Die Produktionsverhältnisse sind die objektiven
gesellschaftlichen Bedingungen oder die gesellschaftliche Form,
in der sich die Produktivkräfte bewegen. Zwischen den
Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen besteht ein
gesetzmäßiger Zusammenhang und ein Wechselverhältnis, die durch
das Gesetz der Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse
mit dem Charakter der Produktivkräfte bestimmt werden. Die
Produktionsverhältnisse fördern die Entwicklung der
Produktivkräfte, bringen sie zur Entfaltung, wenn sie mit ihnen
übereinstimmen, andernfalls hemmen sie sie, geraten mit ihnen in
Konflikte.
Sobald jedoch die Produktivkräfte eine neue
Entwicklungsstufe, eine neue Qualität erreicht haben, mit denen
die Produktionsverhältnisse unvereinbar werden, erfolgt,
wie Marx schrieb, eine Periode der revolutionären Sprengung
der alten Produktionsverhältnisse und ihrer Ersetzung durch neue
Produktionsverhältnisse, die dem Charakter der Produktivkräfte
entsprechen. –
„Auf
einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen
Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den
vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein
juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen,
innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus
Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese
Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche
sozialer Revolutionen ein.“[15]
Unter den Bedingungen der kapitalistischen
Produktionsverhältnisse erfuhren die Produktivkräfte eine bis
dahin in der Geschichte nicht erreichte Entwicklung. Alle
Bereiche der Produktion, der Produktionstechnik und -technologie
wurden durch die industrielle Revolution umgewälzt. In diesem
Entwicklungsprozess wurde der in den vorhergehenden
Produktionsweisen vorwiegend individuelle oder in einfacher
Kooperation durchgeführte Produktionsprozess in einen
gesellschaftlichen Produktionsprozess verwandelt.
Diese durch die Entwicklung der Produktivkräfte sich
vollziehende Vergesellschaftung der Produktion bewirkte aber,
dass schon in der Phase des aufsteigenden Kapitalismus die
Produktivkräfte periodisch in einen offenen Widerspruch zu den
kapitalistischen Produktionsverhältnissen gerieten und dieser
Widerspruch sich in Überproduktionskrisen Luft machte. Alle
vorkapitalistischen Produktionsweisen kannten nur Krisen, die
durch Naturkatastrophen und Kriege verursacht wurden. Die
kapitalistische Produktionsweise ist die erste und einzige, die
Überproduktionskrisen hervorbringt. Allerdings handelt es
sich nicht um eine absolute Überproduktion, sondern um eine
durch die antagonistischen Produktions- beziehungsweise
Klassenverhältnisse hervorgerufene relative Überproduktion. Die
Waren können durch die Beschränkung der zahlungsfähigen
Kaufkraft der Massen nicht realisiert werden.
Die Krisen fungieren als Regulator. Durch massenhafte
Vernichtung von Produktivkräften wird gewaltsam die
Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit den
Produktivkräften zeitweilig wiederhergestellt. –
Unter kapitalistischen Bedingungen rebellieren periodisch die
Produktivkräfte gegen die Produktionsverhältnisse, weil die
Entwicklung der sachlichen Produktionsfaktoren immer stärker in
Widerspruch zum Warencharakter der Arbeitskraft der Arbeiter
gerät. Die Entwicklung der Produktivkräfte führt zur Ausbreitung
der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und zur
Proletarisierung der absoluten Mehrheit der Bevölkerung,
andererseits zur Beschränkung der Entwicklung der
Hauptproduktivkraft, das die Arbeiter zu Massen aus der
Produktion verdrängt werden und zur Arbeitslosigkeit verurteilt
sind, ihre Arbeitskraft massenhaft dequalifiziert und die
Entfaltung ihrer schöpferischen Fähigkeiten verhindert wird.
Die
sich heute vollziehende wissenschaftlich-technische Revolution
ist Ausdruck einer qualitativ neuen Stufe in der Entwicklung der
Produktivkräfte. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, dass der
Mensch zum vollständigen Beherrscher der Produktivkräfte wird.
–
Durch die Umwandlung der Wissenschaft in eine unmittelbare
Produktivkraft und die Automatisierung der Produktion wird es
möglich, dass sich der Mensch aus dem unmittelbaren
Produktionsprozess herauslösen kann, die Arbeit aller
sich in einen schöpferischen Prozess verwandelt und zum ersten
Lebensbedürfnis wird. Die Verwirklichung dieser
Möglichkeit wird aber erst durch die Beseitigung der
kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, unter sozialistischen
Produktions- und Machtverhältnissen gewährleistet.
Die
Vergesellschaftung der Produktivkräfte und der Produktion
hat eine Entwicklungsstufe erreicht, auf der sie nicht nur den
einzelnen Betrieb, sondern über die Konzerne und Trusts und über
die nationalen Grenzen drängt. Sie sind so vielfältig und
komplex, so kolossal, dass sie nicht mehr in
privatkapitalistischen Schranken eingezwängt und gehalten werden
können. Die Entwicklung des monopolistischen Kapitalismus zum
staatsmonopolistischen Kapitalismus, die Bildung internationaler
Monopole und staatsmonopolitischer Vereinigungen im Rahmen der
kapitalistischen Integration sind nicht nur ein Ausdruck der
Macht des Monopolkapitals, sondern auch seiner Ohnmacht, die
Produktivkräfte weiterhin vollkommen zu beherrschen und
auszubeuten.
Das
Gesetz der Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem
Charakter der Produktivkräfte kann heute [künftig] allein im
Sozialismus ungehemmt wirken. Nur die sozialistischen
[emanzipatorischen sozial-ökonomisch-ökologischen]
Produktionsverhältnisse entsprechen dem gesellschaftlichen
Charakter der Produktivkräfte, der durch die
wissenschaftlich-technische Revolution zur vollen Entfaltung
kommt. Diese Übereinstimmung von Produktionsverhältnissen und
Produktivkräften ist einer der Vorzüge des [künftigen]
Sozialismus, der seine Überlegenheit über den Kapitalismus immer
mehr zur Geltung bringen wird.
Die
Entdeckung und Analyse des Wechselverhältnisses zwischen
Produktivkräften und Produktionsverhältnisse durch Marx verhalf
der Arbeiterklasse zu der bedeutsamen Erkenntnis, dass die
Geschichte der Menschheit, der Aufstieg und Untergang der Völker
und Reiche des Altertums wie das Mittelalters sowie die
gesellschaftlichen Konflikte der kapitalistischen Gesellschaft
keine bloße Anhäufung von Zufälligkeiten, sondern ein
gesetzmäßiger Prozess der Entwicklung vom Niederen zum Höheren
ist. Darauf beruht die Gesetzmäßigkeit der Entwicklung und
die voraussehbare Beseitigung des Kapitalismus und seiner
Ablösung durch den Kommunismus.
Zwischen Basis und Überbau besteht ebenfalls ein
gesetzmäßiges Wechselverhältnis. Im Vorwort zu seinem Werk „Zur
Kritik der Politischen Ökonomie“ erklärte Marx, dass die
Gesamtheit der Produktionsverhältnisse die ökonomische
Struktur der Gesellschaft bildet, „die reale Basis,
worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und
welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen
entsprechen“. Im Anschluss daran trifft er die berühmte
Feststellung: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das
ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr
Bewusstsein bestimmt.“[16]
Falsche und dem Marxismus feindliche Auffassungen haben diese
grundlegende wissenschaftliche Erkenntnis so ausgelegt, als ob
die reale Basis, die ökonomische Struktur der Gesellschaft, das
alleinige und stets unmittelbar bestimmende Element in dem
Verhältnis von Basis und Überbau und in der Entwicklung der
menschlichen Gesellschaft überhaupt sei. Aber das ist ein
Irrtum oder eine bewusst falsche Unterstellung.
Wie
bei den Produktivkräften und Produktionsverhältnissen besteht
auch zwischen der Basis und dem Überbau ein gesetzmäßiger
Zusammenhang und ein Wechselverhältnis. Die jeweilige reale
oder ökonomische Basis verlangt einen ihr gemäßen juristischen
und politischen Überbau.
Der gesellschaftliche Charakter des Überbaus wird vom
gesellschaftlichenCharakter der Basis bestimmt. Die
vorsozialistischen Gesellschaftsformationen waren [sind] dadurch
gekennzeichnet, dass die Elemente der neuen Basis schon im
Schoße der alten Gesellschaft entstanden, sich entwickelten und
auf einer bestimmten Stufe den alten Überbau sprengten
[sprengen] und umwälzen. Wenn also die Produktivkräfte
zu den Produktionsverhältnissen in einen unüberbrückbaren
Widerspruch geraten und, wie Marx im Vorwort „Zur Kritik der
Politischen Ökonomie“ feststellt, eine Epoche der sozialen
Revolution eintritt, wird auch der Überbau davon erfasst. „Mit
der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure
Überbau rascher oder langsamer um.“[17]
Auf diese Weise entwickelte sich auch das Verhältnis zwischen
kapitalistischer Basis und kapitalistischem Überbau, das
sich in den einzelnen Ländern ganz unterschiedlich gestaltet, je
nachdem, in welchem Ausmaß sich die kapitalistische Basis im
Schoße der Feudalgesellschaft entwickelt hatte: in Frankreich
zum Beispiel im Jahre 1789 durch den Sturz der Monarchie und die
Beseitigung des juristischen und politischen Überbaus des
Feudalismus; in Deutschland nach 1848/1849 durch den
Verrat der Bourgeoisie an der eigenen Revolution, durch
die Aufrechterhaltung eines großen Teils des feudalen Überbaus
und des allmählichen Eindringens der Elemente des
kapitalistischen Überbaus.
Im
Unterschied zu den vorsozialistischen Produktionsverhältnissen,
insbesondere zum Kapitalismus, entstehen zwar die materiellen
und subjektiven Voraussetzungen des Sozialismus im Schoße des
Kapitalismus, es entsteht aber nicht die reale ökonomische Basis
des Sozialismus. –
In keinem noch so entwickelten
kapitalistischen Land entstehen sozialistische
Produktionsverhältnisse, wie alte und neue Revisionisten und
Reformisten behaupten, die von einem friedlichen Hinüberwachsen
des Kapitalismus in den Sozialismus reden.
–
Die sozialistische Basis entsteht erst nach der Beseitigung des
kapitalistischen politischen und juristischen Überbaus und der
Errichtung der wichtigsten Elemente des sozialistischen Überbaus
in Form der Diktatur des Proletariats. Aus diesem Grunde ist
auch eine Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus
notwendig, in der die alte, kapitalistische Basis beseitigt und
die neue, die sozialistische Basis geschaffen wird. –
Es ist eine Periode heftiger
Klassenauseinandersetzungen, in der die Frage „Wer – wen?“
entschieden wird.
Schon daraus ergibt sich, dass die Basis nicht
nur auf den Überbau, sondern der Überbau auch auf die Basis
wirkt, dass demnach ein Wechselverhältnis besteht. Marx weist
zum Beispiel an vielen Stellen im ersten Band des „Kapitals“
nach, dass die staatliche Gewalt, einer der wichtigsten Teile
des politischen Überbaus, sowohl als Geburtshelfer wie auch als
Entwicklungsfaktor der kapitalistischen Basis wirkt. „Die
aufkommende Bourgeoisie braucht und verwendet die Staatsgewalt,
um den Arbeitslohn zu ,regulieren’, d. h. innerhalb der
Plusmacherei zusagender Schranken zu zwängen, um den Arbeitstag
zu verlängern und den Arbeiter selbst in normalen
Abhängigkeitsgrad zu erhalten. Es ist dies ein wesentliches
Moment der sog. ursprünglichen Akkumulation.“[18]
Diese Wirkung auf das entscheidende Produktionsverhältnis des
Kapitalismus, das Klassenverhältnis zwischen Bourgeoisie und
Proletariat, übt der kapitalistische Staat auch in der
heutigen Niedergangsphase des Kapitalismus in verschiedensten
Formen aus, bis zur offenen faschistischen Gewalt.
Im
Sozialismus, wo die Produktionsverhältnisse mit dem
gesellschaftlichen Charakter der Produktivkräfte in
Übereinstimmung sind und die Produktion, Zirkulation und
Verteilung gesellschaftlich geplant und organisiert wird, spielt
der Überbau eine noch viel aktivere Rolle. Der Staat ist das
Hauptinstrument der [sozial-ökonomisch-ökologischen]
sozialistischen Planwirtschaft. Und wie die sozialistischen
Produktionsverhältnisse ständig den sich entfaltenden
Produktivkräften angepasst werden müssen, so auch der
juristische und politische Überbau, damit er wirkungsvoller die
Entwicklung der [emanzipatorisch-] sozialistischen Gesellschaft
fördern kann.
Friedrich Engels schilderte anschaulich das Grund- und
Wechselverhältnis zwischen ökonomischer Basis und politischem
und juristischem Überbau in einem Brief an Joseph Bloch:
„Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das
in letzter Instanz bestimmende Moment in der
Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen
Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn
nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das
einzig bestimmende, so verwandelt er jenen
Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. –
Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen
Momente des Überbaus ... üben auch ihre Einwirkung auf den
Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen
Fällen vorwiegend deren Form.“[19]
Anmerkungen
1
Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, S. 8/9.
2 Ebenda, S. 9.
3 Friedrich Engels: Das Begräbnis von Karl Marx: In:
Marx/Engels: Werke, Bd. 19, S. 335.
4 Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, S. 9.
5 Karl Marx: Das Kapital, Erster Band, S. 198.
6 Ebenda, S. 195.
7 Ebenda, S. 194/195.
8 Karl Marx: Das Elend der Philosophie. In: Marx/Engels: Werke,
Bd. 4, S. 130.
9 Karl Marx: Das Kapital, Zweiter Band. In: Marx/Engels: Werke,
Bd. 24, S. 42.
10 Karl Marx: Das Kapital, Erster Band, S. 790.
11 Ebenda, S. 791.
12 Ebenda, S. 192.
13 Ebenda, S. 350, 352.
14 J. K. Galbraith: Die moderne Industriegesellschaft, München
1968, S. 85, 117.
15 Karl Marx: Zur Kritik der Politischen Ökonomie, S. 9.
16 Ebenda.
17 Ebenda.
18 Karl Marx: Das Kapital, Erster Band, S. 765/766.
19 Marx/Engels: Werke, Bd. 37, S. 463.
Editorische Hinweise
Quelle: Alfred Lemmnitz: Gegenstand und Methode der
marxistisch-leninistischen politischen Ökonomie. Dietz Verlag
Berlin 1972. Lehrhefte Politische Ökonomie des Kapitalismus.
Reinhold Schramm (Bereitstellung)
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