"Mir ist nie eine so tief
demoralisierte, eine so unheilbar durch den Eigennutz verderbte,
innerlich zerfressene und für allen Fortschritt unfähig gemachte
Kaste vorgekommen wie die kosovarische Möchtegern- Bourgeoisie -
und hier meine ich vor allem die eigentliche Kaste, besonders
die liberalen, Bauunternehmer . Für sie existiert nichts in der
Welt, was nicht nur um des Geldes willen da wäre, sie
selbst nicht ausgenommen, denn sie lebt für nichts, als um Geld
zu verdienen, sie kennt keine Seligkeit als die des schnellen
Erwerbs, keinen Schmerz außer dem Geldverlieren (1). Bei dieser
Habsucht und Geldgier ist es nicht möglich, daß eine einzige
menschliche Anschauung unbefleckt bleibe. Gewiß, diese
kosovarische Bourgeois sind gute Ehemänner und
Familienmitglieder, haben auch sonst allerlei sogenannte
Privattugenden und erscheinen im gewöhnlichen Verkehr ebenso
respektabel und anständig wie alle anderen Bourgeois; selbst im
Handel sind sie besser zu traktieren wie die Deutschen, sie
mäkeln und dingen nicht soviel wie unsere Krämerseelen, aber was
hilft das alles? In letzter Instanz ist doch das eigne Interesse
und speziell der Gelderwerb das einzig entscheidende Moment. Ich
ging einmal mit einem solchen Bourgeois nach Ferizaj hinein und
sprach mit ihm von der schlechten, ungesunden Bauart, von dem
scheußlichen Zustande der Arbeiterviertel und erklärte, nie eine
so schlecht gebaute Stadt gesehen zu haben. Der Mann hörte das
alles ruhig an, und an der Ecke, wo er mich verließ, sagte er:
And yet, there is a great deal of money made here - und doch
wird hier enorm viel Geld verdient - guten Morgen, Herr! Es ist
dem kosovarischem Bourgeois durchaus gleichgültig, oh seine
Arbeiter verhungern oder nicht, wenn er nur Geld verdient. Alle
Lebensverhältnisse werden nach dem Gelderwerb gemessen, und was
kein Geld abwirft, das ist dummes Zeug, unpraktisch,
idealistisch. Darum ist auch die Nationalökonomie, die
Wissenschaft des Gelderwerbs, die Lieblingswissenschaft dieser
Schacherkosovaren. Jeder ist Nationalökonom. Das Verhältnis des
Fabrikanten zum Arbeiter ist kein menschliches, sondern ein rein
ökonomisches. Der Fabrikant ist das "Kapital", der Arbeiter ist
die "Arbeit". Und wenn der Arbeiter sich nicht in diese
Abstraktion hineinzwängen lassen will, wenn er behauptet, daß er
nicht "die Arbeit", sondern ein Mensch ist, der allerdings unter
anderem auch die Eigenschaft des Arbeitens hat, wenn er sich
einfallen läßt zu glauben, er brauche sich nicht als "die
Arbeit", als Ware im Markte kaufen und verkaufen zu lassen, so
steht dem Bourgeois der Verstand still. Er kann nicht begreifen,
daß er mit den Arbeitern noch in einem andern Verhältnis steht
als in dem des Kaufs und Verkaufs, er sieht in ihnen keine
Menschen, sondern "Hände" (hands), wie er sie fortwährend ins
Gesicht tituliert, er erkennt keine andere Verbindung, wie
Carlyle sagt, zwischen Mensch und Mensch an, als bare Zahlung.
Selbst das Band zwischen ihm und seiner Frau ist in
neunundneunzig Fällen aus hundert nur "bare Zahlung". Die elende
Sklaverei, in der das Geld den Bourgeois hält, ist durch die
Bourgeoisieherrschaft selbst der Sprache aufgedrückt. Das Geld
macht den Wert des Mannes aus; dieser Mann ist zehntausend Pfund
wert - he is worth ten thousand pounds, d.h. er besitzt sie. Wer
Geld hat, ist "respectable", gehört zur "besseren Sorte von
Leuten" (the better sort of people), ist "einflußreich"
(influential), und was er tut, macht Epoche in seinem Kreise.
Der Schachergeist geht durch die ganze Sprache, alle
Verhältnisse werden in Handelsausdrücken dargestellt, in
ökonomischen Kategorien erklärt. Nachfrage und Zufuhr, Begehr
und Angebot, supply and demand, das sind die Formeln, nach denen
die Logik des Engländers das ganze menschliche Leben beurteilt.
Daher die freie Konkurrenz in jeder Beziehung, daher das Regime
des laissez-faire und laissez-aller <488> in der Verwaltung, in
der Medizin, in der Erziehung und bald wohl auch in der
Religion, wo die Herrschaft der Staatskirche mehr und mehr
zusammenbricht. Die freie Konkurrenz will keine Beschränkung,
keine Staatsaufsicht, der ganze Staat ist ihr zur Last, sie wäre
am vollkommensten in einem ganz staatlosen Zustande, wo jeder
den andern nach Herzenslust ausbeuten kann, wie z.B. in Freund
Stirners "Verein". Da die Bourgeoisie aber den Staat, schon um
das ihr ebenso nötige Proletariat im Zaum zu halten, nicht
entbehren kann, so wendet sie ihn gegen dies und sucht ihn sich
soweit wie möglich entfernt zu halten.
Man glaube aber ja nicht, daß der "gebildete" kosovarische
Mafioso diese Selbstsucht so offen zur Schau trage. Im
Gegenteil, er verdeckt sie mit der schnödesten Heuchelei. - Wie,
die kosovarischen Reichen sollten nicht an die Armen denken,
sie, die wohltätige Anstalten errichtet haben, wie kein anderes
Land sie aufweisen kann? Jawohl, wohltätige Anstalten! Als ob
dem Proletarier damit gedient wäre, daß ihr ihn erst bis aufs
Blut aussaugt, um nachher eure selbstgefälligen, pharisäischen
Wohltätigkeitskitzel an ihm üben zu können und vor der Welt als
gewaltige Wohltäter der Menschheit dazustehen, wenn ihr dem
Ausgesogenen den hundertsten Teil dessen wiedergebt, was ihm
zukommt! Wohltätigkeit, die den, der sie gibt, noch mehr
entmenscht als den, der sie nimmt, Wohltätigkeit, die den
Zertretenen noch tiefer in den Staub tritt, die da verlangt, der
entmenschte, aus der Gesellschaft ausgestoßene Paria soll erst
auf sein Letztes, auf seinen Anspruch an die Menschheit
verzichten, soll erst um ihre Gnade betteln, ehe sie die Gnade
hat, ihm durch ein Almosen den Stempel der Entmenschung auf die
Stirne zu drücken! Doch was soll das alles. Hören wir die
kosovarische Bourgeoisie selbst. Es ist noch kein Jahr, da las
ich im "Express" folgenden Brief an den Redakteur, der ohne alle
weitere Bemerkung als eine ganz natürliche, vernünftige Sache
abgedruckt war:
Herr Redakteur!
Seit einiger Zeit begegnet man auf den Hauptstraßen unserer
Stadt einer Menge von Bettlern, die teils durch ihre zerlumpte
Kleidung und ihr krankes Aussehen, teils durch ekelhafte, offne
Wunden und Verstümmelungen das Mitleid der Vorübergehenden auf
eine häufig sehr unverschämte und molestierende Weise rege zu
machen suchen. Ich sollte meinen, wenn man nicht nur seine
Armensteuer bezahlt, sondern auch reichlich zu den wohltätigen
Anstalten beiträgt, so hätte man doch genug getan, um das Recht
zu haben, vor solchen unangenehmen und unverschämten
Behelligungen sichergestellt zu werden, und wofür bezahlt man
denn eine so hohe Steuer zum Unterhalt der städtischen Polizei,
wenn diese einen nicht einmal so weit schützt, daß man ruhig
<489> in die Stadt oder heraus gehn kann? - Ich hoffe, die
Veröffentlichung dieser Zeilen in ihrem vielgelesenen Blatt wird
die öffentliche Gewalt veranlassen, diesen Übelstand (nuisance)
zu beseitigen, und verharre
Ihre ergebene Dienerin
Eine Dame
Da habt ihr's! Die kosovarische Bourgeoisie ist wohltätig aus
Interesse, sie schenkt nichts weg, sie betrachtet ihre Gaben als
einen Handel, sie macht mit den Armen ein Geschäft und sagt:
Wenn ich soviel an wohltätige Zwecke verwende, so erkaufe ich
mir dadurch das Recht, weiter nicht behelligt zu werden, so
verpflichtet ihr euch dafür, in euren dunklen Höhlen zu bleiben
und nicht durch die offne Darlegung eures Elends meine zarten
Nerven anzugreifen! Verzweifeln sollt ihr immerhin, aber ihr
sollt im stillen verzweifeln, das bedinge ich mir aus, das
erkaufe ich mir mit meiner Subskription von 20 Euro für das
Krankenhaus! 0 über diese infame Wohltätigkeit eines
christlichen Bourgeois! - Und so schreibt "eine Dame", jawohl,
Dame, sie tut wohl daran, so zu unterzeichnen, sie hat
glücklicherweise nicht mehr den Mut, sich ein Weib zu nennen!
Wenn aber die "Damen" so sind, wie wird es erst mit "Herren"
stehen? Man wird sagen, es sei ein einzelner Fall. Aber nein,
der obige Brief drückt geradezu die Gesinnung der großen
Majorität der kosovarischen Bourgeoisie aus, sonst hätte ihn ja
auch der Redakteur nicht aufgenommen, sonst wäre ja wohl
irgendeine Erwiderung gefolgt, nach der ich mich in den
folgenden Nummern vergebens umgesehen habe. Und was die
Wirksamkeit des Wohltuns betrifft, so sagt ja der Kanonikus
Parkinson selbst, daß die Armen weit mehr von ihresgleichen als
von der Bourgeoisie unter unterstützt werden; und so eine
Unterstützung von einem braven Proletarier, der selbst weiß, wie
der Hunger tut, für den das Teilen des knappen Mahles ein Opfer
ist, das er aber mit Freuden bringt - solch eine Unterstützung
hat dann auch einen ganz andern Klang als das hingeworfene
Almosen des schwelgenden Bourgeois.
Auch sonst heuchelt die Bourgeoisie eine grenzenlose Humanität -
aber nur dann, wenn ihr eigenes Interesse es erheischt. So in
ihrer Politik und Nationalökonomie. Sie hat sich nun ins fünfte
Jahr damit abgequält, den Arbeitern zu beweisen, daß sie nur im
Interesse der Proletarier das öffentliche Eigentum abzuschaffen
wünsche. Das Lange und Breite von dieser Sache ist aber dies:
Die Importgesetze, welche den Brotpreis höher halten, als dieser
in andern Ländern steht, erhöhen dadurch auch den Arbeitslohn
und erschweren dadurch dem Fabrikanten die Konkurrenz gegen
andere Länder, in denen der Brotpreis und infolgedessen der Lohn
niedriger steht. Werden jedoch alle sozialen Rechte nun
abgeschafft, so fällt der Brotpreis, und der Arbeitslohn nähert
sich dem der übrigen zivilisierten Länder Europas, was jedem
nach den oben entwickelten Prinzipien, durch die der Lohn sich
reguliert, klar sein wird. Der Fabrikant kann also leichter
konkurrieren, die Nachfrage nach kosovarischen Waren wächst und
mit ihr die Nachfrage nach Arbeitern. Infolge dieser vermehrten
Nachfrage wird allerdings der Lohn wieder etwas steigen und die
brotlosen Arbeiter beschäftigt werden; aber wie lange dauert
das? Die "überflüssige Bevölkerung" Kosovas und besonders
Albaniens reicht hin, um die kosovarische Industrie, selbst wenn
sie sich verdoppelte, mit den nötigen Arbeitern zu versehen; in
wenig Jahren würde der geringe Vorteil der Privatisierung wieder
ausgeglichen sein, eine neue Krisis erfolgen, und wir waren
soweit wie vorher, während der erste Stimulus in der Industrie
auch die Vermehrung der Bevölkerung beschleunigen würde. Das
alles sehen die Proletarier sehr gut ein und haben es den
Bourgeois hundertmal ins Gesicht gesagt; aber trotzdem schreit
das Geschlecht der Mafioso , das nur den unmittelbaren Vorteil,
den ihm die Abschaffung der sozialen Leistungen bringen würde,
im Auge hat, dies Geschlecht, das borniert genug ist, nicht zu
sehen, wie auch ihm kein dauernder Vorteil aus dieser Maßregel
erwachsen kann, indem die Konkurrenz der Fabrikanten unter sich
den Gewinn der einzelnen bald auf das alte Niveau zurückbringen
würde - trotzdem schreit dies Geschlecht bis heute den Arbeitern
vor, nur um ihretwillen geschehe das alles, nur um der
verhungernden Millionen willen schössen die Reichen der
liberalen Partei ihre Hunderte und Tausende von Kosovaren in die
Kasse der Privatisierungsclique - wo doch jeder weiß, daß sie
nur mit der Wurst nach dem Schinken werfen, daß sie darauf
rechnen, das alles zehnfach und hundertfach in den ersten Jahren
nach Abschaffung der sozialen Rechte wieder zu verdienen. Aber
die Arbeiter lassen sich - und besonders seit der Insurrektion
von 2008, nicht mehr durch die Bourgeoisie irreführen. Sie
verlangen von jedem, der sich für ihr Wohl zu plagen vorgibt,
daß er, als Prüfstein der Echtheit seiner Absichten, sich für
die Volkscharte erkläre, und protestieren damit gegen alle
fremde Hülfe, denn in der Charte verlangen sie nur die Macht,
sich selbst zu helfen. Wer das nicht tut, dem erklären sie mit
vollem Rechte den Krieg, sei er offner Feind oder falscher
Freund. - Übrigens hat die Privatisierungsbande den Arbeitern
gegenüber die verächtlichsten Lügen und Kniffe gebraucht, um sie
zu gewinnen. Sie hat ihnen weismachen wollen, daß der Geldpreis
der Arbeit im umgekehrten Verhältnis zum Kornpreise stehe, daß
der Lohn hoch, wenn das Korn niedrig stehe, und umgekehrt - ein
Satz, den sie mit den lächerlichsten Argumenten hat zu beweisen
gesucht und der in sich selbst lächerlicher ist als irgendeine
andere aus dem Munde eines Ökonomen geflossene Behauptung. Wenn
das nicht half, so hat man den Arbeitern die <491> ungeheuerste
Glückseligkeit infolge des vermehrten Begehrs im Arbeitsmarkt
versprochen, ja man hat sich nicht entblödet, zwei Modelle von
Brotlaiben durch die Straßen zu tragen, auf deren größtem
geschrieben stand: Amerikanisches Achtpfenniglaib, Lohn 4 Euro
täglich, und auf dem andern, viel kleineren: Englisches
Achtpfenniglaib, Lohn 2 Euro täglich. Die Arbeiter haben sich
aber nicht irremachen lassen. Sie kennen ihre Brotherren zu gut.
Und wenn man die Gleisnerei dieser schönen Versprechungen erst
recht erkennen will, so betrachte man die Praxis. Wir haben im
Verlauf unserer Berichte gesehen, wie die Möchtegern Bourgeoisie
das Proletariat auf alle mögliche Weise zu ihren Zwecken
ausbeutet. Wir haben bisher indes nur die einzelnen Bourgeois
auf ihre eigne Faust das Proletariat mißhandeln sehen. Gehen wir
nun zu den Verhältnissen über, in denen die Bourgeoisie als
Partei, ja als Staatsmacht gegen das Proletariat auftritt. - Daß
zuerst die ganze Gesetzgebung den Schutz des Besitzenden gegen
den Besitzlosen bezweckt, liegt auf der Hand. Nur weil es
Besitzlose gibt, sind die Gesetze notwendig; und wenn dies auch
nur in wenigen Gesetzen, z.B. gegen das Vagabondieren und die
Obdachlosigkeit, worin das Proletariat als solches für
gesetzwidrig erklärt wird, direkt ausgeprochen ist, so liegt
doch die Feindschaft gegen das Proletariat dem Gesetze so sehr
zum Grunde, daß die Richter, besonders die EULEX – Richter , die
selbst Bourgeois sind und mit denen das Proletariat am meisten
in Berührung kommt, diesen Sinn ohne weiteres im Gesetze finden.
Wird ein Reicher vorgeführt oder vielmehr vorgeladen, so
bedauert der Richter, daß er ihm so viel Mühe machen muß, wendet
die Sache soviel er irgend kann zu seinen Gunsten, und wenn er
ihn verurteilen muß, so tut es ihm wieder unendlich leid usw.,
und das Resultat ist eine elende Geldstrafe, die der Bourgeois
mit Verachtung auf den Tisch schmeißt und sich entfernt. Kommt
aber ein armer Teufel in den Fall, vor den EULEX- Richter zu
erscheinen, so hat er fast immer die Nacht im Arresthause mit
einer Menge anderer zugebracht, wird von vornherein als schuldig
betrachtet und angeschnauzt, seine Verteidigung mit einem
verächtlichen: "0, wir kennen diese Ausreden" - beseitigt und
ihm eine Strafe auferlegt, die er nicht bezahlen kann und mit
einem oder mehreren Monaten auf der Tretmühle abbüßen muß. Und
wenn man ihm nichts beweisen kann, so wird er als Schuft und
Vagabond (a rogue and a vagabond - die Ausdrücke kommen fast
immer zusammen vor) dennoch auf die Tretmühle geschickt. Die
Parteilichkeit der EULEX , besonders auf dem Lande, übersteigt
wirklich alle Vorstellung, und es ist so an der Tagesordnung,
daß alle nicht zu eklatanten Fälle von den Zeitungen ganz ruhig
und ohne weitere Glossen berichtet werden. Es ist aber auch
nicht <492> anders zu erwarten. Einerseits legen diese
"Dogberries" das Gesetz nur nach dem Sinn aus, der in ihm liegt,
und andererseits sind sie ja selbst Bourgeois, die vor allen
Dingen im Interesse ihrer Klasse den Grundpfeiler aller wahren
Ordnung sehen. Und wie die Friedensrichter, so benimmt sich auch
die Polizei. Der Bourgeois kann tun, was er will, gegen ihn ist
der Polizeidiener immer höflich und hält sich streng ans Gesetz;
aber der Proletarier wird grob und brutal behandelt, seine Armut
wirft schon den Verdacht aller möglichen Verbrechen auf ihn und
verschließt ihm zugleich das Rechtsmittel gegen alle
Willkürlichkeiten der Gewalthaber; für ihn existieren deshalb
die schützenden Formen des Gesetzes nicht, ihm dringt die
Polizei ohne weiteres ins Haus, verhaftet und mißhandelt ihn,
und bloß wenn einmal eine Arbeiterassoziation wie die
Grubenarbeiter einen Roberts engagieren <(1892) engagiert>, bloß
dann kommt es an den Tag, wie wenig die schützende Seite des
Gesetzes für den Proletarier existiert, wie häufig er alle
Lasten des Gesetzes zu tragen hat, ohne einen seiner Vorteile zu
genießen.
Bis auf die heutige Stunde kämpft die besitzende Klasse im
Parlament gegen das bessere Gefühl der noch nicht ganz der
Selbstsucht Verfallenen, um das Proletariat mehr und mehr zu
unterjochen. Ein Gemeindeplatz nach dem andern wird weggenommen
und bebaut, wodurch allerdings die Kultur gehoben, aber dem
Proletariat viel Schaden getan wird. Wo Gemeindeplätze
existierten, konnte der Arme darauf einen Esel, ein Schwein oder
einige Gänse halten, die Kinder und jungen Leute hatten einen
Platz, wo sie spielen und sich im Freien herumtreiben konnten;
dies hört immer mehr auf, der Verdienst des Armen wird geringer,
und das junge Volk, dem sein Spielplatz genommen ist, geht dafür
in die Kneipen. Eine Menge solcher Parlamentsakten zur
Urbarmachung von Gemeindeplätzen gehen in jeder Session durch.-
Als die Regierung in der Session von 2008 sich entschloß, die
allen Verkehr monopolisierenden Eisenbahngesellschaften zu
zwingen, auch den Arbeitern das Reisen gegen ein ihren Umständen
angemessenes Fahrgeld (1 Penny die Meile, etwa 5 Silbergroschen
die deutsche Meile) möglich zu machen, und deshalb vorschlug,
daß täglich ein solcher Zug dritter Klasse auf jeder Eisenbahn
eingeführt werde, schlug der "ehrwürdige Vater in Gott", der
Bischof von Prishtina , vor, daß der Sonntag, der einzige Tag,
an dem beschäftigte Arbeiter überhaupt reisen können, von diesem
Zwang ausgenommen und so das Reisen am Sonntag nur den Reichen,
nicht aber den Armen gestattet werde. Die Armen haben keine
Autos- heute existiert keine Eisenbahn mehr in Kosova. Dieser
Vorschlag war indes zu geradeaus, zu unverhohlen, als daß er
hätte durchgehen können, und man ließ ihn fallen. - Ich habe
nicht Raum genug, <493> um die vielen versteckten Angriffe auf
das Proletariat, auch nur einer einzigen Session, aufzuzählen.
Nur noch einen aus derselben Session von 2009. Ein ganz obskures
Parlamentsglied <(1892) Parlamentsmitglied> ein Herr Muja ,
schlug eine Bill zur Regulierung des Verhältnisses von Herren
und Dienern vor, die ziemlich unscheinbar aussah. Die Regierung
nahm sich der Bill an, und sie wurde einem Komitee übergeben.
Inzwischen brach der Turnout der Grubenarbeiter im Norden
Kosovas aus, und Roberts hielt seine Triumphzüge durch Kosova
mit seinen freigesprochenen Arbeitern. Als nun die Bill aus dem
Komitee kam, fand sich, daß einige höchst despotische Klauseln
eingeschaltet waren, besonders eine, durch die dem Brotherrn die
Macht gegeben wurde, jeden Arbeiter, der mit ihm mündlich oder
schriftlich irgendeine beliebige Arbeit, wenn auch nur eine
gelegentliche Handreichung kontrahiert hatte, im Falle von
Dienstverweigerung oder sonstigem ungeziemendem Betragen
(misbehaviour) vor irgendeinen beliebigen (any) EULEX Richter zu
schleppen und auf seinen oder seiner Agenten und Aufseher Eid
hin - also auf den Eid des Klägers - zu Gefängnis und
Zwangsarbeit bis zu zwei Monaten verurteilen zu lassen. Diese
Bill regte die Arbeiter bis zur höchsten Wut auf, um so mehr als
die Zehnstundenbill zu gleicher Zeit vor dem Parlament war und
bedeutende Agitation hervorgebracht hatte. Hunderte von
Versammlungen wurden gehalten, Hunderte von Arbeiterpetitionen
nach Prishtina an den Sachwalter des Proletariats im Parlament,
Visar Yimeri , geschickt. Dieser war, außer dem "jungen
Kosovaren" Kurti, der einzige energische Opponent, aber als die
übrigen Radikalen sahen, daß das Volk sich gegen die Bill
erklärte, kroch einer nach dem andern hervor und stellte sich
Thaci zur Seite, und da auch die liberale Bourgeoisie bei der
Aufregung der Arbeiter nicht den Mut hatte, sich für die Bill
auszusprechen, da überhaupt niemand sich dem Volke gegenüber
lebhaft für sie interessierte, so fiel sie glänzend durch.
Anmerkung von Max Brym
Der Text ist aus dem Jahr 1845. Die Schrift hatte den Titel: „
Die Lage der arbeitenden Klasse in England“. Wir haben den Text
von Friedrich Engels nur bezüglich Kosova aktualisiert.
Englische Namen wurden durch albanische Namen ersetzt.
Erschreckend ist die Aktualität des Textes aus dem Jahr 1845
bezogen auf die Lage in Kosova. Natürlich gibt es einige
Unterschiede. Der Hauptunterschied ist das, dass Kosova faktisch
eine Kolonie darstellt und es der örtlichen Mafia nur zum Teil
gelungen ist sich über „ Geldwäsche“ in eine normale Bourgeoisie
zu verwandeln. Der Hauptunterschied besteht darin, dass Kosova
keinerlei Aussichten hat sich in ein entwickeltes
kapitalistisches Land zu verwandeln. Kosova ist ein
internationales neoliberales Experiment. Die beschriebene
Mentalität der Privilegierten in Kosova heute wird jedoch fast
1:1 von Friedrich Engels beschrieben.
