Am Montag, 23. März 2015
verstarb  „Emmely“ (
Barbara Emme)
im Alter von nur 57 Jahren
an Herzversagen in Berlin

04-2015

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Nachrufe zum Tode von "Emmely"

Die Kinder von Barbara Emme, Judith, Jana und Katharina, teilen mit:

Unsere Mutter, „Emmely“ Barbara Emme, bekannt als die Kassiererin von Kaiser’s ist plötzlich
und unerwartet am Montag, den 16.03.2015 verstorben; ein Schock für die ganze Familie,
Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen und Unterstützer. Sie ist an Herzversagen friedlich im Bett
eingeschlafen.

Nachdem unserer Mutter den Prozess vor dem Bundesarbeitsgericht gewonnen hatte, bekam sie
ihre Stelle als Kassiererin in einer neuen Filiale wieder. Sie freundete sich schnell mit ihren
Kolleginnen an und ihre Arbeitskolleginnen fassten Vertrauen zu ihr. Sie wurde befördert als
Kassenbeauftragte in zweiter Position und mit einem sehr guten Wahlergebnis in den Betriebsrat
gewählt, wo sie die Interessen ihrer Kolleginnen vertrat.

Unsere Mutter war im Vorstand der „Stiftung Menschenwürde und Arbeitsrecht", um anderen
Menschen, die in ähnlichen Situationen sind wie sie, zu helfen und zu unterstützen. Unsere Mutter
war und blieb eine aktive Gewerkschafterin. Sie war durch ihren aufsehenerregenden Prozess weit
über die Bundesrepublik bekannt und wurde deswegen auch von Kolleginnen anderer Länder
eingeladen. Solidarität stand für sie immer an erster Stelle.

Auf diese Weise konnte sie ihren Traum, die Welt zu sehen, wahr werden lassen.

Der Leitsatz unserer Mutter war immer:
„Wer aufgehört hat zu kämpfen, hat schon verloren!“

Die Beerdigung findet im Kreise der engsten Familie statt.

Im Auftrag der Kinder von Barbara Emme

Benedikt Hopmann
Rechtsanwalt


Emmely ist tot.

Barbara Emme, auch bekannt als Emmely, ist in der Nacht von Montag auf Dienstag überraschend an Herzversagen gestorben, sie wurde 57 Jahre alt. Sie hat 1977 begonnen, bei der HO (Handelsorganisation) zu arbeiten, und war damit 38 Jahre im selben Arbeitsverhältnis im Einzelhandel tätig.

Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie durch den Kampf gegen ihre Kündigung. Die Kaiser’s-Tengelmann AG hatte ihr im Februar 2008 kurz nach dem Streik im Einzelhandel gekündigt, Emmely hatte für ihre Gewerkschaft ver.di die Streikliste in ihrer Filiale in Berlin-Hohenschönhausen geführt. Die Kaiser’s-Tengelmann AG kündigte , Emmely wegen des Verdachts, sie habe Pfandbons zu insgesamt 1,30 Euro, die ein Kunde im Laden verloren hatte, zu Unrecht eingelöst.

Ihre Gewerkschaft hatte ihr immer wieder geraten, eine Abfindung zu akzeptieren, aber Emmely ging trotz zwei verlorener Verfahren beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Berlin vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Alle drei Gerichte gingen davon aus, dass die Emmely die Pfandbons zu Unrecht eingelöst hatte. Emmely hat diesen Vorwurf immer abgestritten. Trotzdem gab das Bundesarbeitsgericht im Juni 2010 der Klage Emmelys gegen die Kündigung statt, indem es die Kündigung als unverhältnismäßig einstufte und Emmely erhielt ihren Arbeitsplatz zurück.

Für Emmely bedeutete der Kampf gegen die Kündigung einerseits viel Unterstützung durch die Öffentlichkeit, neue Bekanntschaften in ganz Deutschland und viele neue Erfahrungen, aber auch eine hohe nervliche Belastung: ständig wollte die Presse mit ihr sprechen, Juristen der Arbeitgeberseite bezeichneten sie als „notorische Lügnerin“, sie musste in eine kleinere Wohnung ziehen und der Ausgang des Verfahrens war ungewiß. Ihre Berühmtheit war ein hohes Risiko: Wer will schon eine engagierte Gewerkschafterin einstellen, die ihre Renitenz sogar in der Show von Johannes B. Kerner bekräftigt?

Es war beeindruckend, mit welcher Energie und welchem Trotz, die auch aus Stolz auf die von ihr geleistete Arbeit rührten, sich Emmely gegen die Anschuldigungen gegen sie und dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gewehrt hat. Noch am selben Tag, an dem Sie ihren zweiten Prozess verloren hatte und unter Tränen zur Presse sprach, fuhr sie mit ihrem Anwalt, Benno Hopmann, nach Hamburg, um abends im Fernsehen aufzutreten. Niemand von den erfahrenen AktivistInnen, die sie unterstützt haben, hätte dazu den Mut aufgebracht. Wir haben ihr sogar abgeraten, doch Emmely hatte
keine Scheu davor. „Jetzt erst recht.“ – dies war die Haltung, die sie ausgestrahlt hat.

Nach ihrem Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht erhielt Emmely erst einmal auch den Urlaub und den Lohn für mehr als 2 Jahre und konnte so an der Weltfrauenkonferenz in Venezuela im Jahr 2010 teilnehmen. An ihrem alten neuen Arbeitsplatz erhielt sie weiterhin viel Zuspruch von KundInnen und auch von MitarbeiterInnen, oft erhielt sie kleine Geschenke oder wurde nach Autogrammen gefragt. Sie blieb weiterhin politisch engagiert, hat regelmäßig ihren Bildungsurlaub bei einer von GewerkschafterInnen organisierten Reise nach Frankreich verbracht und lernte dort viele AktivistInnen kennen, die wie sie gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung kämpften. Im Einzelhandelsstreik 2013 hat Emmely sich an Aktionen beteiligt, bei denen Berliner Beschäftigte KollegInnen in Brandenburg mit der Blockade einer Supermarktfiliale unterstützt haben.

Bei den Betriebsratswahlen 2014 wurde sie bei Kaisers in den Betriebsrat gewählt. Wenige Monate später hat Kaisers Tengelmann das Aus für die Lebensmittelkette verkündet, die nun zwischen Edeka und Rewe aufgeteilt werden wird. Emmely klagte häufig über lange zehnstündige Schichten, die sie sehr erschöpft haben. Zuletzt hat Emmely sich in einem Bündnis von GewerkschafterInnen gegen das Tarifeinheitsgesetz engagiert. Ihr Bildungsurlaub in Frankreich im April dieses Jahres wurde nach langem Hin und Her mit dem Arbeitgeber genehmigt. Sie kann ihn nicht mehr antreten. Emmely hinterläßt drei Töchter. Wir werden Sie nicht vergessen.

An Emmelys Fall wurden Bagatell- und Verdachtskündigungen breit diskutiert und kritisiert. In mehreren Städten der BRD fanden Veranstaltungen statt. Zahlreiche vergleichbare Fälle wurden in
den Medien aufgegriffen. Emmelys Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht kam für alle erfahrenen Beobachter völlig überraschend. Unmittelbar danach gewannen mehrere gekündigte ArbeiterInnen ihre Bagatellkündigungen vor Arbeitsgerichten, die zuvor immer zu Gunsten der Arbeitgeber geurteilt hatten.

ArbeitsrechtlerInnen beobachteten danach einen Rückgang von Bagatellkündigungen, aber auch eine Anpassung der Arbeitgeber: Die Zunahme von Abmahnungen auf Vorrat und die Hortung von abgelaufenen Abmahnungen in Parallelakten, um ArbeiterInnen weiterhin prozessfest kündigen zu können.

Nach unserem gegenwärtigen Wissenstand möchte die Familie eine
Beerdigung im kleinen Kreis ohne öffentliche Aufmerksamkeit.

Aus dem Komitee "Solidarität mit Emmely": Jörg, Willi, Gregor


Eine Kämpferin verliert ihren letzten Kampf

Am Montag, 23. März, verstarb in Berlin „Emmely“ im Alter von nur 57 Jahren an Herzversagen. Der tragische Tod von „Emmely“, der unter diesem Namen in ganz Deutschland bekannt gewordenen Supermarkt-Kassiererin Barbara Emme, hat auch ihren erfolgreichen Kampf noch einmal in Erinnerung gerufen. Der „Berliner Tagesspiegel“ berichtet wie alle großen Medien voller Respekt: „Sie (Emmely) hatte von 2008 bis 2010 vor Gericht um ihren Arbeitsplatz an der Kasse eines Kaiser’s-Supermarktes im Bezirk Hohenschönhausen gekämpft – und schließlich nach allen Instanzen vor dem Bundesarbeitsgericht gewonnen. Die Kaiser’s-Tengelmann-Gruppe musste ihre fristlose Kündigung zurücknehmen.“

Emmely hat sich erfolgreich gegen die falsche Anschuldigung gewehrt, sie hätte zwei Flaschenpfand-Bons im Wert von 1,30 Euro „veruntreut“. Sie ließ sich durch nichts und niemand in die Knie zwingen. Die fristlose Kündigung musste schließlich zurückgenommen werden.

Sie, die 31 Jahre lang als Kassiererin „ihre Haut zum Markte“ getragen hatte, kämpfte sich durch alle gerichtlichen Instanzen und bekam schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt Recht. Sie kam auf ihren bisherigen Arbeitsplatz zurück, allerdings in einer anderen Filiale. Ihre alte Filiale war in der Zwischenzeit vom Kaisers-Tegelmann-Konzern aufgelöst worden. Der Konzern musste ihr den Lohn für zwei Jahre nachzahlen. Auf diesem harten Weg hat „Emmely“ eine Welle der Solidarität ausgelöst, in der Frauenbewegung, in der Gewerkschaftsbewegung bis in bürgerliche Kreise, genannt sei der damalige Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, hinein. In der "Rote Fahne" 6/20015 berichtete sie stolz, wie sie sich gegen rechte Gewerkschaftsfunktionäre durchgesetzt hat und in den Betriebsrat gewählt wurde.

An ihrem „Fall“ wurde die doppelte Ausbeutung der werktätigen Frauen in den Supermärkten, in den Minijobs, sowie deren unverschämte politische Unterdrückung, wenn sie sich wie „Emmely“ kämpferisch und gewerkschaftlich engagierten in aller Schärfe sichtbar. Diese Welle der Solidarität für „Emmely“ ist in heute weit verbreitete Kämpfe – wie den langwierigen Streik der Amazon-Arbeiter und Angestellten gegen unverschämten Niedriglöhne – eingegangen. Zugleich war „Emmely“ mit der Entfaltung der kämpferischen Frauenbewegung, für die Befreiung der Frau in einer befreiten Gesellschaft, hier und international eng verbunden. Diese kämpferische Frauenbewegung formiert sich im Prozess der Weltfrauenkonferenzen der Basisfrauen kraftvoll.

Schon an der ersten Weltfrauenkonferenz 2011 in Caracas/Venezuela hat „Emmely“ teilgenommen. Mit der Initiatorin und Koordinatorin der Weltfrauenkonferenz, der Revolutionärin Monika Gärtner-Engel, entfaltete „Emmely“ eine freundschaftliche und fruchtbare Zusammenarbeit. Am 11. Frauenpolitischen Ratschlag im Oktober 2014 (1) in Chemnitz nahm sie teil. Dessen Motto „Frauen der Welt erklimmen die höchsten Berge!“ war ihre Welt. Ihre Teilnahme an der II. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Nepal/Kathmandu war geplant. Sie hatte vor, sich als Delegierte zu melden. An der Europakonferenz der Weltfrauen in Athen zur Vorbereitung der Weltfrauenkonferenz im Januar konnte „Emmely“ jedoch schon nicht mehr teilnehmen, ihre Kräfte ließen es nicht mehr zu.

Leider wird der Wunsch von „Emmely“, die höchsten Berge zu erklimmen, nicht mehr in Erfüllung gehen. Umso mehr ist ihr früher Tod Ansporn, ihren Kampfgeist aufzugreifen. Eine starke „Weltfrau“ und Kämpferin ist von uns gegangen.

Redaktion der RF-News

Quellen:

  • PM RA B.Hopmann, www.labournet.de
  • Solikomitee-Nachruf per Email zugestellt
  • RF-News vom 26.3.2015
  • Foto, RF-News ebd.