Emmely ist tot.
Barbara Emme, auch bekannt als Emmely, ist in der Nacht von
Montag auf Dienstag überraschend an Herzversagen gestorben, sie
wurde 57 Jahre alt. Sie hat 1977 begonnen, bei der HO
(Handelsorganisation) zu arbeiten, und war damit 38 Jahre im
selben Arbeitsverhältnis im Einzelhandel tätig.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde sie durch den Kampf
gegen ihre Kündigung. Die Kaiser’s-Tengelmann AG hatte ihr im
Februar 2008 kurz nach dem Streik im Einzelhandel gekündigt,
Emmely hatte für ihre Gewerkschaft ver.di die Streikliste in
ihrer Filiale in Berlin-Hohenschönhausen geführt. Die
Kaiser’s-Tengelmann AG kündigte , Emmely wegen des Verdachts,
sie habe Pfandbons zu insgesamt 1,30 Euro, die ein Kunde im
Laden verloren hatte, zu Unrecht eingelöst.
Ihre Gewerkschaft hatte ihr immer wieder geraten, eine Abfindung
zu akzeptieren, aber Emmely ging trotz zwei verlorener Verfahren
beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Berlin vor das
Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Alle drei Gerichte gingen davon
aus, dass die Emmely die Pfandbons zu Unrecht eingelöst hatte.
Emmely hat diesen Vorwurf immer abgestritten. Trotzdem gab das
Bundesarbeitsgericht im Juni 2010 der Klage Emmelys gegen die
Kündigung statt, indem es die Kündigung als unverhältnismäßig
einstufte und Emmely erhielt ihren Arbeitsplatz zurück.
Für Emmely bedeutete der Kampf gegen die Kündigung einerseits
viel Unterstützung durch die Öffentlichkeit, neue
Bekanntschaften in ganz Deutschland und viele neue Erfahrungen,
aber auch eine hohe nervliche Belastung: ständig wollte die
Presse mit ihr sprechen, Juristen der Arbeitgeberseite
bezeichneten sie als „notorische Lügnerin“, sie musste in eine
kleinere Wohnung ziehen und der Ausgang des Verfahrens war
ungewiß. Ihre Berühmtheit war ein hohes Risiko: Wer will schon
eine engagierte Gewerkschafterin einstellen, die ihre Renitenz
sogar in der Show von Johannes B. Kerner bekräftigt?
Es war beeindruckend, mit welcher Energie und welchem Trotz, die
auch aus Stolz auf die von ihr geleistete Arbeit rührten, sich
Emmely gegen die Anschuldigungen gegen sie und dem Verlust ihres
Arbeitsplatzes gewehrt hat. Noch am selben Tag, an dem Sie ihren
zweiten Prozess verloren hatte und unter Tränen zur Presse
sprach, fuhr sie mit ihrem Anwalt, Benno Hopmann, nach Hamburg,
um abends im Fernsehen aufzutreten. Niemand von den erfahrenen
AktivistInnen, die sie unterstützt haben, hätte dazu den Mut
aufgebracht. Wir haben ihr sogar abgeraten, doch Emmely hatte
keine Scheu davor. „Jetzt erst recht.“ – dies war die Haltung,
die sie ausgestrahlt hat.
Nach ihrem Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht erhielt Emmely
erst einmal auch den Urlaub und den Lohn für mehr als 2 Jahre
und konnte so an der Weltfrauenkonferenz in Venezuela im Jahr
2010 teilnehmen. An ihrem alten neuen Arbeitsplatz erhielt sie
weiterhin viel Zuspruch von KundInnen und auch von
MitarbeiterInnen, oft erhielt sie kleine Geschenke oder wurde
nach Autogrammen gefragt. Sie blieb weiterhin politisch
engagiert, hat regelmäßig ihren Bildungsurlaub bei einer von
GewerkschafterInnen organisierten Reise nach Frankreich
verbracht und lernte dort viele AktivistInnen kennen, die wie
sie gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung kämpften. Im
Einzelhandelsstreik 2013 hat Emmely sich an Aktionen beteiligt,
bei denen Berliner Beschäftigte KollegInnen in Brandenburg mit
der Blockade einer Supermarktfiliale unterstützt haben.
Bei den Betriebsratswahlen 2014 wurde sie bei Kaisers in den
Betriebsrat gewählt. Wenige Monate später hat Kaisers Tengelmann
das Aus für die Lebensmittelkette verkündet, die nun zwischen
Edeka und Rewe aufgeteilt werden wird. Emmely klagte häufig über
lange zehnstündige Schichten, die sie sehr erschöpft haben.
Zuletzt hat Emmely sich in einem Bündnis von GewerkschafterInnen
gegen das Tarifeinheitsgesetz engagiert. Ihr Bildungsurlaub in
Frankreich im April dieses Jahres wurde nach langem Hin und Her
mit dem Arbeitgeber genehmigt. Sie kann ihn nicht mehr antreten.
Emmely hinterläßt drei Töchter. Wir werden Sie nicht vergessen.
An Emmelys Fall wurden Bagatell- und Verdachtskündigungen breit
diskutiert und kritisiert. In mehreren Städten der BRD fanden
Veranstaltungen statt. Zahlreiche vergleichbare Fälle wurden in
den Medien aufgegriffen. Emmelys Erfolg vor dem
Bundesarbeitsgericht kam für alle erfahrenen Beobachter völlig
überraschend. Unmittelbar danach gewannen mehrere gekündigte
ArbeiterInnen ihre Bagatellkündigungen vor Arbeitsgerichten, die
zuvor immer zu Gunsten der Arbeitgeber geurteilt hatten.
ArbeitsrechtlerInnen beobachteten danach einen Rückgang von
Bagatellkündigungen, aber auch eine Anpassung der Arbeitgeber:
Die Zunahme von Abmahnungen auf Vorrat und die Hortung von
abgelaufenen Abmahnungen in Parallelakten, um ArbeiterInnen
weiterhin prozessfest kündigen zu können.
Nach unserem gegenwärtigen Wissenstand möchte die Familie eine
Beerdigung im kleinen Kreis ohne öffentliche Aufmerksamkeit.
Aus dem Komitee "Solidarität mit Emmely": Jörg, Willi,
Gregor
Eine
Kämpferin verliert ihren letzten Kampf
Am Montag, 23. März, verstarb
in Berlin „Emmely“ im Alter von nur 57 Jahren an Herzversagen.
Der tragische Tod von „Emmely“, der unter diesem Namen in ganz
Deutschland bekannt gewordenen Supermarkt-Kassiererin Barbara
Emme, hat auch ihren erfolgreichen Kampf noch einmal in
Erinnerung gerufen. Der „Berliner Tagesspiegel“ berichtet wie
alle großen Medien voller Respekt: „Sie (Emmely)
hatte von 2008 bis 2010 vor Gericht um ihren Arbeitsplatz an der
Kasse eines Kaiser’s-Supermarktes im Bezirk Hohenschönhausen
gekämpft – und schließlich nach allen Instanzen vor dem
Bundesarbeitsgericht gewonnen. Die Kaiser’s-Tengelmann-Gruppe
musste ihre fristlose Kündigung zurücknehmen.“
Emmely hat sich erfolgreich gegen
die falsche Anschuldigung gewehrt, sie hätte zwei Flaschenpfand-Bons
im Wert von 1,30 Euro „veruntreut“. Sie ließ sich durch
nichts und niemand in die Knie zwingen. Die fristlose Kündigung
musste schließlich zurückgenommen werden.
Sie, die 31 Jahre lang als
Kassiererin „ihre Haut zum Markte“ getragen hatte, kämpfte
sich durch alle gerichtlichen Instanzen und bekam schließlich vor
dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt Recht. Sie kam auf ihren
bisherigen Arbeitsplatz zurück, allerdings in einer anderen Filiale.
Ihre alte Filiale war in der Zwischenzeit vom
Kaisers-Tegelmann-Konzern aufgelöst worden. Der Konzern musste ihr
den Lohn für zwei Jahre nachzahlen. Auf diesem harten Weg hat
„Emmely“ eine Welle der Solidarität ausgelöst, in der
Frauenbewegung, in der Gewerkschaftsbewegung bis in bürgerliche
Kreise, genannt sei der damalige Bundestagspräsidenten Wolfgang
Thierse, hinein. In der "Rote Fahne" 6/20015 berichtete sie stolz,
wie sie sich gegen rechte Gewerkschaftsfunktionäre durchgesetzt hat
und in den Betriebsrat gewählt wurde.
An ihrem „Fall“ wurde die doppelte
Ausbeutung der werktätigen Frauen in den Supermärkten, in den
Minijobs, sowie deren unverschämte politische Unterdrückung, wenn
sie sich wie „Emmely“ kämpferisch und gewerkschaftlich engagierten
in aller Schärfe sichtbar. Diese Welle der Solidarität für „Emmely“
ist in heute weit verbreitete Kämpfe – wie den langwierigen Streik
der Amazon-Arbeiter und Angestellten gegen unverschämten
Niedriglöhne – eingegangen. Zugleich war „Emmely“ mit der Entfaltung
der kämpferischen Frauenbewegung, für die Befreiung der Frau in
einer befreiten Gesellschaft, hier und international eng verbunden.
Diese kämpferische Frauenbewegung formiert sich im Prozess der
Weltfrauenkonferenzen der Basisfrauen kraftvoll.
Schon an der ersten
Weltfrauenkonferenz 2011 in Caracas/Venezuela hat „Emmely“
teilgenommen. Mit der Initiatorin und Koordinatorin der
Weltfrauenkonferenz, der Revolutionärin Monika Gärtner-Engel,
entfaltete „Emmely“ eine freundschaftliche und fruchtbare
Zusammenarbeit. Am 11. Frauenpolitischen Ratschlag im Oktober 2014
(1) in Chemnitz nahm sie teil. Dessen Motto „Frauen der Welt
erklimmen die höchsten Berge!“ war ihre Welt. Ihre Teilnahme an
der II. Weltfrauenkonferenz der Basisfrauen in Nepal/Kathmandu war
geplant. Sie hatte vor, sich als Delegierte zu melden. An der
Europakonferenz der Weltfrauen in Athen zur Vorbereitung der
Weltfrauenkonferenz im Januar konnte „Emmely“ jedoch schon nicht
mehr teilnehmen, ihre Kräfte ließen es nicht mehr zu.
Leider wird der Wunsch von
„Emmely“, die höchsten Berge zu erklimmen, nicht mehr in Erfüllung
gehen. Umso mehr ist ihr früher Tod Ansporn, ihren Kampfgeist
aufzugreifen. Eine starke „Weltfrau“ und Kämpferin ist von uns
gegangen.
Redaktion der
RF-News
Quellen:
- PM RA
B.Hopmann,
www.labournet.de
-
Solikomitee-Nachruf per Email zugestellt
- RF-News vom
26.3.2015
- Foto, RF-News
ebd.