Am 8. Mai 1945 wurde nahezu ganz
Europa von Faschismus und Krieg befreit. In Deutschland empfanden
vor allem die Überlebenden des Holocaust, der Konzentrationslager
und Zuchthäuser und ihre Angehörigen, die befreiten
Zwangsarbeiter_innen den 8. Mai als den lang ersehnten Tag der
Befreiung. Aber auch wir alle, die wir heute leben, verdanken die
Chance eines Lebens in Frieden, Freiheit und Vielfalt den alliierten
Streitkräften. Die Rote Armee und die sowjetische Bevölkerung hatten
die größte Last des Krieges zu tragen. Mit besonderer Dankbarkeit
erinnern wir an die Befreierinnen und Befreier, die Soldatinnen und
Soldaten der Roten Armee, die gemeinsam mit polnischen
Kombattantinnen und Kombattanten Berlin befreiten. Unvergessen
bleibt der Beitrag, den der deutsche antifaschistische Widerstand in
Deutschland, in der Emigration, in Partisanenverbänden und in den
Streitkräften der Antihitlerkoalition geleistet hat. Wir erinnern
auch an jene Berlinerinnen und Berliner, die sich z.B. mit dem
Hissen von weißen Fahnen der Aufforderung zum Endkampf entzogen.
Mehr als 55 Millionen Menschen fielen
Naziterror, Holocaust und Vernichtungskrieg zum Opfer. Sie bezahlten
den deutschen Griff nach der Weltherrschaft mit unvorstellbarem Leid
und ihrem Leben. Für die Befreiung Berlins gaben noch über 50.000
Rotarmisten ihr Leben. Bis zur bedingungslosen Kapitulation am 2.
Mai erschossen im Berliner Stadtgebiet Wehrmacht, Gestapo und SS
politische Häftlinge, Deserteure und „Verräter“. Zuvor waren
Zehntausende Insassen der Konzentrationslager Sachsenhausen und
Ravensbrück und ihrer Außenlager auf Todesmärsche geschickt worden.
In nahezu allen von Nazideutschland
besetzten Ländern wurden der 8. und/oder 9. Mai gesetzliche
Feiertage, dies war auch in der DDR der Fall. 40 Jahre hat es
gedauert, bis ein Präsident der Bundesrepublik den 8. Mai als Tag
der Befreiung anerkannt und gewürdigt hat. Bis dahin hatte die Sicht
der Nazis, der Profiteure, Mitläufer und Zuschauer das offizielle
Vokabular geprägt: Zusammenbruch, Kapitulation, Niederlage,
Besatzung, Stunde Null, Neubeginn. Mit Weizsäckers Rede wurde die
Perspektive der Verfolgten des Naziregimes „gesellschaftsfähig“. Ein
Tag der Erinnerung und Mahnung wurde der 8. Mai jedoch in der
Bundesrepublik nicht. Auch in diesem Jahr weigert sich die
Bundesregierung den 8. Mai als staatlichen Gedenktag zu begehen, der
in Mecklenburg Vorpommern bereits Realität ist und in Brandenburg
2015 eingeführt werden soll.
Wir fordern, dass der 8.
Mai als Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg endlich auch in
Berlin und in ganz Deutschland ein offizieller Gedenktag wird, um
den Tag zu feiern, den der als Jude und Kommunist verfolgte
Kämpfer der Résistance, Peter Gingold, 1945 in Paris als
„Morgenröte der Menschheit“ erlebt hat.
Wir verlangen, dass die hoch
betagten sowjetischen Kriegsgefangenen und die Opfer von
Wehrmachtsmassakern entschädigt und die letzten noch lebenden
deutschen Kriegsverbrecher angeklagt und verurteilt werden.
Nationalismus, Rassismus,
Antisemitismus, Antiziganismus und gesellschaftliche Ausgrenzung
haben Konjunktur. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Übergriffen
auf Flüchtlinge. Zugleich wird antifaschistische Gegenwehr
kriminalisiert. Der rasante Aufstieg neofaschistischer und
rechtspopulistischer Kräfte in nahezu allen europäischen Ländern
verlangt entschiedenen Widerstand.
Der Wiedereintritt Deutschlands in
die Reihe kriegführender Länder stellt einen Bruch mit dem
Nachkriegskonsens „Nie wieder Krieg von deutschem Boden“, dar – der
wichtigsten Lehre aus der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.
In vielen Ländern der Welt toben Kriege, sind gegen den Willen der
Mehrheit der Bevölkerung deutsche Waffen – und oft auch deutsches
Militär – beteiligt.
Wir erinnern am 8. Mai an die
Hoffnung der Befreiten auf eine Welt ohne Kriege, Elend und
Unterdrückung und treten für eine neue Welt des Friedens und der
Freiheit ein, wie es die befreiten Häftlinge von Buchenwald
geschworen haben:
Nie wieder Faschismus – nie
wieder Krieg!
Wir unterstützen den Friedensappell
ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener vom 1. September 2014, die
zur Versöhnung zwischen Ukrainern und Russen aufrufen: „Besinnt
Euch! Erstickt Euren Hass, redet miteinander statt aufeinander zu
schießen! Hört auf uns, die in faschistischen Lagern das wenige Brot
miteinander teilten. Benehmt Euch wie Mitglieder einer Familie, in
der man sich streitet im Bewusstsein gegenseitigen Respekts und sich
wieder verträgt. Macht endlich Frieden miteinander!“
Die zentrale Kundgebung der
Berliner VVN-BdA zum Tag der Befreiung vom Faschismus findet am
8. Mai 2015 um 18.00 am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower
Park statt.
Wir bitten
antifaschistische Mahnmale, Erinnerungsstätten und Stolpersteine am
8. Mai mit Blumen zu schmücken.
Quelle:
http://berlin.vvn-bda.de/wp-content/uploads/sites/3/2015/03/berliner-_erklaerung_8_mai_2015-unterstuetzung.pdf