Warum wir keine Rassisten sind

von Bobby Seale

 

04-2015

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Die Black Panther Party ist keine Organisation von schwarzen Rassisten, sie ist überhaupt keine rassistische Organisation. Wir begreifen, woher der Rassismus kommt. Unser Verteidigungsminister Huey P. Newton hat uns gelehrt einzusehen, dass wir uns jeder Art von Rassismus zu widersetzen haben. Die Partei versteht den eingewurzelten Rassismus, der zum großen Teil im weißen Amerika herrscht, und sie versteht auch, dass die sehr kleinen Kulte, die hin und wieder im schwarzen Gemeinwesen aufsprießen, im wesentlichen auf einer rassistischen Philosophie von Schwarzen beruhen.

Die Black Panther Party wird sich nicht auf die niedrige, gemeine Ebene eines Ku-Klux-Klan-Mannes herablassen, eines dünkelhaften Weißen oder der sogenannten ›Patriotischen‹ Organisationen weißer Bürger, die den schwarzen Mann wegen seiner Hautfarbe hassen; sicher werden einige weiße Bürgerorganisationen aufstehen und sagen: »Aber nein, wir hassen die Schwarzen nicht. Wir wollen nur nicht zulassen, dass Schwarze dieses tun, und wir wollen nicht zulassen, dass Schwarze jenes tun.« Das ist eine gemeine Hetzerei auf der Grundlage des alten Rassenhasses, dem alles tabu ist, dem besonders der Leib tabu ist. Der Geist des schwarzen Mannes wurde verödet durch das soziale Milieu, das dekadente soziale Milieu, dem er in der Sklaverei und auch noch in den Jahren nach der sogenannten Emanzipationserklärung ausgesetzt war. Schwarze und braune Menschen, Chinesen und Vietnamesen werden als Gooks*, Spicks**, Nigger*** und mit anderen verächtlichen Namen bezeichnet.

Die Black Panther Party ruft im wesentlichen zu einem Bündnis und Zusammenschluss all der Menschen und Organisationen auf, die sich gegen die Machthaber wenden wollen. Die Machthaber sind eigentlich die Schweine, die das Volk ausgeraubt haben, die gierige, hetzerische Elite der herrschenden Klasse; sie hetzen die Polizeischweine auf uns, sie befehlen ihnen, wie sie sich uns gegenüber benehmen sollen, um uns auf diese Weise weiterhin ausbeuten zu können.

In unserer Zeit eines weltweiten kapitalistischen Imperialismus, der sich eben hier in Amerika gegenüber vielen verschiedenen Völkern sehr deutlich kundtut, halten wie es für nötig, als Menschen so falschen Vorstellungen unserer Zeit wie dem Gedanken der Integration entgegenzutreten.

Wenn sich Völker integrieren wollen – und ich denke, dass das in fünfzig oder hundert Jahren der Fall sein wird –, dann ist das ihre Sache. Aber augenblicklich haben wir es mit den Schwierigkeiten eines Systems zu tun, in dem eine Klasse herrscht, eines Systems, das den Rassismus endlos fortsetzt und ihn als Mittel zur Erhaltung seiner kapitalistischen Ausbeutung benutzt. Es nutzt auch Schwarze aus, vor allem solche, die aus den Colleges und aus der Elite des Klassensystems kommen; denn diese Schwarzen neigen dazu, sich in einem schwarzen Rassismus zusammenzufinden, der dem Rassismus des Ku-Klux-Klan oder den Praktiken weißer Bürgerverbände entspricht.

Es leuchtet ein, dass bei einem Versuch, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, gewaltig viel verbrennen wird. Feuer wird am besten mit Wasser bekämpft, weil Wasser das Feuer löscht. Das Wasser ist der Zusammenschluss des Volkes mit seinem Recht, sich gegen ein bösartiges Ungeheuer zu verteidigen. All das, was für die Weißen gut ist, kann nicht auch für uns gut sein. All das, was für das System der kapitalistischen herrschenden Klasse gut ist, kann nicht für die Masse des Volkes gut sein.

Wir, die Black Panther Party, betrachten uns als Volk innerhalb des Volkes, aber durchaus nicht aus rassistischen Gründen. Wir halten es für notwendig, dass wir uns als Menschen weiterentwickeln. Wir bekämpfen den ausbeuterischen Kapitalismus nicht mit einem Kapitalismus der Schwarzen, sondern wie bekämpfen den Kapitalismus wesentlich durch Sozialismus. Und wir bekämpfen den Imperialismus nicht mit einem noch größeren Imperialismus, sondern wir bekämpfen den Imperialismus durch proletarischen Internationalismus. Diese Grundsätze sind für unsere Partei sehr maßgebend. Sie sind höchst praktisch, human und notwendig. Und sie sollten von der Masse des Volkes verstanden werden.

Wir benutzen unsere Gewehre nicht dazu – und haben es nie getan –, um in die weiße Gemeinde zu gehen und Weiße zu erschießen. Wir verteidigen uns nur gegen jeden, er sei nun schwarz, blau, grün oder rot, der uns zu Unrecht angreift, der uns deshalb zu morden und zu töten versucht, weil wir unsere Programme durchführen wollen. Alles in allem genommen meine ich, man könnte aus unserem bisherigen Verhalten sehen, dass wir keine rassistische Organisation sind, sondern eines sehr fortschrittliche revolutionäre Partei.

Diejenigen, die den Kampf durch rassistische Unterschiede verschleiern wollen, sind eben die, welche die Ausbeutung der Volksmassen unterstützen und aufrechterhalten – der verarmten Weißen, der armen Schwarzen, Braunen, Indianer, der in Armut lebenden Chinesen und Japaner, der Arbeiter überhaupt.

Rassismus und völkische Unterschiede ermöglichen es den Machthabern, die Arbeitermassen in unserem Lande auszubeuten, denn dadurch halten sie alles unter ihrer Kontrolle. Das Ziel der Machthaber besteht darin, das Volk zu teilen und so über es zu herrschen. Die herrschende Klasse, die ganz kleine Minderheit, diese wenigen habsüchtigen, hetzerischen Schweine und Lumpen lenken und verheeren die Regierung. Die herrschende Klasse und ihre Spürhunde, ihre Lakaien, ihre Stiefellecker, ihre Weißenhörigen und schwarzen Rassisten, ihre Kulturnationalisten – sie sind alle Spürhunde der herrschenden Klasse. Sie sind es, die die Machthaber mit erhalten und stützen, wenn sie ihre rassistische Haltung nicht aufgeben, durch die das Volk geteilt wird. Aber wer die schwer arbeitende Bevölkerung wirklich beherrscht, ausbeutet und unterdrückt, das ist die winzig kleine Minderheit der herrschenden Klasse.

Wir gehören alle zur Arbeiterklasse – als Arbeiter oder als Arbeitslose –, und unsere Einigkeit muss auf den praktischen Notwendigkeiten des Lebens, der Freiheit und des Strebens nach Glück beruhen, wenn das jemandem etwas bedeutet. Sie muss auf praktischen Dingen beruhen, auf der Frage, ob unser Volk erhalten bleibt, auf dem Selbstbestimmungsrecht unseres Volkes, auf dem Recht, die vorhandenen Schwierigkeiten zu lösen. Im wesentlichen führen wir also durchaus keinen Rassenkampf. Wir sind dabei, das den Leuten möglichst rasch klarzumachen. Von uns aus gesehen ist es ein Klassenkampf zwischen der großen proletarischen Arbeiterklasse und der kleinen Minderheit der herrschenden Klasse. Die Menschen aller Farben in der Arbeiterklasse müssen sich gegen die ausbeuterische, bedrückende herrschende Klasse zusammentun. Um es noch einmal zu betonen. Wir meinen, dass unser Kampf ein Klassenkampf ist, aber kein Rassenkampf

Anmerkungen

* Das Wort ›gook‹ (Schmutz, minderwertige Ware) wird in den U.S.A. zur Bezeichnung von Japanern, Chinesen, Koreanern und anderen gebraucht. (Anm. d. Übers.)

** ›spick‹ ist eine abfällige Bezeichnung für Angehörige verschiedener Nationen, besonders für Mexikaner. (Anm. d. Übers.)

*** Die Schwarzen selbst bezeichnen sich nicht selten als Nigger. Trotzdem empfinden sie es als Kränkung, wenn ein Weißer diesen Ausdruck gebraucht. (Anm. d. Übers.)

Vgl. Bobby Seale: Wir fordern Freiheit. Der Kampf der Black Panther. Fischer, Ffm., 1971. Deutsche Erstausgabe. Aus dem Amerikanischen übertragen von Regine Wolf.

Über dieses Buch (1971)
Wer von Rassismus in den USA reden will, muss von der Black Panther-Bewegung reden. Im Gegensatz zu Martin Luther Kings Bürgerrechtsbewegung haben sie einen Klassenstandpunkt eingenommen, was die herrschenden Schichten mit einer in den USA bisher nicht gekannten Welle rassistischer Verfolgung und Unterdrückung beantworteten. Die Prozesse gegen Bobby Seale, Huey P. Newton und Angela Davis sind dafür nur die prominentesten Beispiele.

Die Black Panthers stehen in dem Ruf, mit blinder Gewalttätigkeit und Terror die USA zu verunsichern. Laut FBI-Chef Edgar J. Hoover sind sie die »größte Gefahr für die innere Sicherheit« der USA.

Gegen diese Verleumdungskampagne richtet sich Bobby Seale, Vorsitzender der Black Panther Party. Sein Buch ist Autobiographie, Geschichte der Black Panther-Bewegung und Darstellung ihrer Klassenkampf-Praxis in einem. Und damit: der umfassende authentische Bericht über die Bewegung und ihre wichtigsten Vertreter, Huey P. Newton und Eldridge Cleaver.

Die ersten Kapitel des Buches entstanden im Herbst 1968 in Zusammenarbeit mit der Redaktion des Rampart-Magazins. Den zweiten Teil hat Bobby Seale im Landesgefängnis von San Franzisko im Herbst 1969/Winter 1970 diktiert.» (Fischer, Ffm., 1971)

19.04.2015, Reinhold Schramm (Bereitstellung)

Ed. Hinweis: Wir erhielten die Bereitstellung per Email.