Die demokratischen Streitkräfte Syriens und der demokratische Rat Syriens

von Attila Steinberger

04/2016

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Im Oktober 2015 haben das Oberkommando der syrisch-kurdischen Einheiten YPG und die Kommandos einzelner FSA-Einheiten die militärische Dachorganisation „syrisch-demokratische Streitkräfte“ (kurz SDK bzw. englisch SDF) gegründet. Die FSA-Einheiten stammen im Wesentlichen aus den Gebieten um Idlib, Raqqa und Aleppo. Ein Vorläufer war die gemeinsame Organisation Burkan al Firat (Euphratvulkan), die Mitte 2014 gegründet wurde und hauptsächlich aus Einheiten der syrischen Euphratregion bestand, die gegen den Islamischen Staat kämpften und an der Verteidigung Kobanes/Ayn al Arabs beteiligt waren(1). Weitere FSA-Einheiten, u.a. Liwa Thuwar ar Raqqa (Raqqas Revolutionsbrigade), waren an der Befreiung Tell Abyads, Suluks und Ayn Issas vom Islamischen Staat beteiligt.

In den vergangenen Monaten hat die Neugründung der SDF zu Auseinandersetzungen mit den al Qaida-nahen Organisationen Ahrar ash Sham und Jabhat an Nusrah geführt. Mit den beiden Gruppen hatte die YPG bereits 2012 und 2013 militärische Auseinandersetzungen (u.a. um Ras al Ayn/Serekaniya) geführt. Die YPG war aber nicht das einzige Ziel von Jabhat an Nusrah. 2012 und 2013 kam es zu großen Kämpfen zwischen Jabhat an Nusrah, die damals noch als Ableger von ISIS agierten, und anderen FSA-Einheiten in den Provinzen Deir ez Zour, Raqqa, Idlib und in Aleppo. Nach zahllosen Verschleppungen und Ermordungen von Menschenrechtsaktivisten, Politikern und einflussreichen Personen, die sich nicht von Jabhat an Nusrah einvernehmen lassen wollten, kam es zu Gefechten, die die Jihadisten in Raqqa und Deir ez Zour für sich entschieden, in weiten Teilen des ländlichen Aleppo und Idlib aber verloren. Diese Konfliktkonstellation hat sich bis heute in den Provinzen Idlib und Aleppo erhalten, jedoch konnte Jabhat an Nusrah deutlich an Stärke gewinnen und wird von Ahrar ash Sham und anderen salafistischen Organisationen unterstützt, wodurch sie die kleineren FSA-Einheiten unterdrückte und beraubte.

Ende 2014 wurden mehrere Einheiten der FSA von Jabhat an Nusrah zerschlagen, u.a. die Hazm-Bewegung, Liwa Thuwar ar Raqqa (Raqqas Revolutionsbrigade) und Jabhat Thowar suriya (Syrische Revolutionsfront) unter Führung von Jamal Marouf.(2) Die „offizielle“ Führung der FSA hat sich hierzu nicht geäußert, sondern stillschweigend die Gewalttaten akzeptiert, genauso wie es sie bereits in 2012 und 2013 hingenommen hatten. Die unterlegenen FSA-Einheiten haben Zuflucht bei der YPG im Kanton Afrin gefunden oder mussten in die Türkei auswandern. Mit Gleichgesinnten FSA-Einheiten haben sie zuerst Jaysh al Thuwar (Revolutionsarmee) gegründet und schließlich die SDF. Zu diesen FSA-Einheiten zählen unter anderem die kurdische Jabhat al Akrad (Akrad-Front, benannt nach den Akrad-Bergen), die turkmenische Sultan Selim Brigade, die arabische Kataib shams ash shamal.

Aufgrund dieser historischen Konfliktlage mit Jabhat an Nusrah folgten von Dezember 2015 bis Februar 2016 Kämpfe mit ihnen rund um den Kanton Afrin. Die Angriffe der Jihadisten konnten zurückgeschlagen werden. Weitere FSA-Gruppen schlossen sich in der Umgebung von Azaz den SDF an und übergaben u.a. den Menagh Luftwaffenstützpunkt und Tell Rifaat, das Hauptquartier von ISIS und später Jabhat an Nusrah im Norden Syriens.

Militärische Dachorganisation

In der militärischen Organisation hat die SDF nur den Charakter einer Dachorganisation. Die Einheiten sind getrennt nach den Ursprungseinheiten und es gibt mehrere Oberkommandos, d.h. unklare Hierarchien und Zuständigkeiten. Die militärischen Absprachen sind ungenügend. Die Taktik des IS nicht mehr frontal die YPG anzugreifen, sondern durch die Lücken der ersten Linie durchzusickern und Orte in der zweiten Reihe zu attackieren, hat diesen Mangel zuletzt bei ihrer Offensive im Februar gegen Ayn Issa und im März in Shaddadi aufgedeckt. Die Gegenmaßnahmen und die Abstimmung der Postenketten waren noch nicht besonders gut entwickelt. Ein weiteres Beispiel sind die Kämpfe mit Ahrar ash Sham und Jabhat an Nusrah an den Grenzen des Kantons Afrin und um das kurdische Viertel Sheikh Maqsoud in Aleppo, das schon seit 2012 von Jabhat an Nusrah belagert wird: Die Angriffe der FSA-Einheiten waren anfangs wenig koordiniert mit der YPG-Führung und Einheiten vor Ort. Dennoch gelang es im Laufe der Offensive die Jabhat an Nusrah-Einheiten von der Grenze zu vertreiben und mehrere Orte einzunehmen, u.a. Tal Rifaat und die Menagh Luftwaffenbasis. Im Laufe der Offensive haben sich auch mehrere FSA-Einheiten den SDF angeschlossen und haben u.a. die Luftwaffenbasis kampflos übergeben. Laut Berichten des US-Militärs soll sie ebenfalls als Helikopterstandort für die US-Streitkräfte ausgebaut werden.

Die militärische Abstimmung erfolgt allerdings in der Logistik deutlich besser, auch die Kanalisierung der amerikanischen Unterstützung, mehrere FSA-Einheiten in den SDF, z.B. die Hazm-Bewegung oder die turkmenischen Einheiten, wurden von den USA bevorzugt versorgt und ausgebildet.

Seit Ende 2015 wurden alle großen Operationen gemeinsam durchgeführt: der al Hawl-Offensive (Nov. 2015), der Querung des Euphrat am Tishrin Damm (Dezember 2015) und der Nordaleppo-Operation (Februar – März 2016). Schwierigkeiten gab es bei den Offensiven des Islamischen Staates, u.a. in Ayn Issa.

Politische Organisation und Autonomie

Die Vorläufer der SDF auf FSA-Seite wie Jaish al Thuwar, die „syrische Revolutionsfront“ oder Euphratvulkan hatten keine politische Organisation. Mitunter haben sie sich ausschließlich auf militärische Angelegenheiten beschränkt und sich nicht um politische und gesellschaftliche Aspekte gekümmert. Deshalb fiel es den Salafisten umso leichter Institutionen zu unterwandern und diese Felder organisatorisch und ideologisch zu besetzen, um schließlich mit ihren Schläferzellen und Selbstmordattentätern zuzuschlagen wie in Raqqa, Idlib oder Deir ez Zour.

Die SDF beschränkte sich zunächst auf die militärische Organisation. Es gab keine gemeinsame politische Plattform, weder zwischen den FSA-Einheiten mit der YPG, noch unter den FSA-Einheiten. Auch Mitgliedsorganisationen wie die arabischen Stämme der Provinzen Raqqa, Deir ez Zour und Hasakah (z.B. Jaysh as Sanadid) oder auch der assyrischen Christen hatten noch keine umfassenden politischen Strukturen aufgebaut. Es gab auch keine Zusammenarbeit in der Verwaltung, insb. stehen sich hier auch die Systeme gegenüber. Die YPG verlangt Doppelspitzen aus Mann und Frau und Geschlechterproporz bei der Besetzung von Amtsstellen, vielen FSA-Einheiten fehlt dagegen das Problembewusstsein über die Diskriminierung der Frau und Empowerment. Auch über die Nachkriegsordnung gibt es außer einer wenig bestimmten Forderung nach Demokratie keine gemeinsamen Pläne. Unklar ist auch, ob die YPG über die FSA-Einheiten Einfluss auf den „syrischen Nationalrat“, der Oppositionsplattform mit Sitz in Istanbul, nehmen kann.

Im November 2015 wurden Friedensverhandlungen für den syrischen Bürgerkrieg initiiert. Die jordanische Regierung sollte eine Liste mit terroristischen Organisationen zusammenstellen, die auf keinen Fall daran beteiligt werden sollten. Diese Liste wurde auf Wunsch der türkischen und saudischen Regierung überarbeitet. Die Gruppe „Freunde Syriens“ (u.a. Türkei, Qatar, Saudi-Arabien) übernahm die Aufgabe die syrische Opposition zu einer gemeinsamen Haltung zu den Verhandlungen zu bewegen. Eingeladen waren aber ausschließliche militärische Organisationen. Ausgenommen von diesem Treffen waren deshalb zivile Akteure, die kurdischen Gruppen, selbst jene innerhalb der FSA wie Jabhat al Akrad, und zahlreiche säkulare FSA-Einheiten. Damit war das Treffen dominiert von stark aufgestellten Salafisten wie Ahrar ash Sham. Über die Dachorganisationen „Jabhat al Islamiyyah“(3) (Islamistenfront) und „Jaish al Fatah“ (Eroberungsfront) sitzt auch Jabhat an Nusrah am Verhandlungstisch sowie weitere salafistische Gruppen, die eigentlich auf der Ausschlussliste gelandet sind.

Arabische wie kurdische Oppositionelle haben vehement protestiert, fanden aber kein Gehör. Deshalb haben sich am 8. und 9. Dezember 2015 fast alle Organisationen der „demokratischen Streitkräfte Syriens“ sowie zahlreiche zivile Organisationen zusammengefunden um diesen Ausschluss zu diskutieren und haben im Ergebnis den „demokratischen Rat Syriens“ (kurz Rat) in Malikiyyah (Derik) als Gegengewicht ins Leben gerufen. Die SDF sind ihm als militärische Einheit unterstellt. An der Gründungsveranstaltung nahmen vorwiegend linke arabische und kurdische Parteien sowie die Organisationen der Minderheiten (Turkmenen, Assyrer, Armenier, Yeziden) und der arabischen Stämme teil. Zu Vertretern wurde eine Doppelspitze gewählt, bestehend aus Haytham Manna und Ilham Ahmed. Haytham Manna gehört der Qahm-Gruppe an und ist ein bekannter Menschenrechtsaktivist und war Sprecher des „Nationalen Koordinationsrates für einen demokratischen Wandel“ bis er den jetzigen Posten übernahm. Innerhalb Syriens und auch im Ausland organisiert er Treffen um die Opposition zu vereinen und eine übergreifende Plattform zu schaffen. Seit Juni 2015 boykottiert aber der in Istanbul ansässige „syrische Nationalrat“ die Treffen. In Syrien sind die Treffen auf Gebiete der FSA und der kurdischen Verwaltung beschränkt, da sowohl Ahrar ash Sham wie auch Jabhat an Nusrah sowie ihren Klientelgruppen diese unterbinden und das „Verschwindenlassen“ von Menschenrechtsaktivisten gut beherrschen. Zu der im Dezember 2015 in Saudi-Arabien organisierten „Opposition“ war er nicht eingeladen. Ilham Ahmed ist Vorsitzende der „Bewegung für eine demokratische Gesellschaft“, die seit Ausbruch des Bürgerkrieges in Nordsyrien die Verwaltung, Energie- und Wasserversorgung und Wirtschaftsbetriebe auf genossenschaftlicher Ebene organisieren. Zu den Hauptanliegen zählen die Gleichberechtigung der Frauen, der Jugend und der Minderheiten. Auch ihr wurde die Einreise nach Saudi-Arabien zum Treffen der „Opposition“ verwehrt, weil sie u.a. in der Selbstverwaltung aktiv ist und eine Frau ist.

Am 17. März hat der „demokratische Rat Syriens“ den föderalen Bundesstaat Nordsyrien – Rojava ausgerufen. Die Minderheiten Syriens untermauern damit ihren Anspruch auf Demokratie und Gleichberechtigung. Den „Verhandlungspartnern“ zur Beendigung des syrischen Bürgerkriegs in Genf teilt man mit, egal wer am Ende herrscht, man wird nicht hinter die bisherigen Errungenschaften zurückfallen. Besonders den Vorsitzenden Haytham Manna und Ilham Ahmed war es wichtig zu betonen, dass die Militarisierung des Konflikts und die Dominanz von Militärs in den Verhandlungen beendet und die zahlreichen zivilen Organisationen zu Wort kommen müssen um die Zukunft des Landes zu erörtern und zu einer Lösung zu kommen. Haytham Manna forderte außerdem das Ende jedweder außersyrischen Einflussnahme, egal ob aus dem Westen, aus Russland, der Türkei, Saudi-Arabien, Qatar, dem Libanon oder dem Iran.

In den kommenden sechs Monaten soll ein Gesellschaftsvertrag zwischen den Menschen Nordsyriens und eine Verfassung und Gesetzgebung erarbeitet werden. Sie wird allen UN-Resolutionen und Abkommen zu Menschenrechten und Bürgerrechten gerecht werden. Regional möchte man ein Vorbild für rechtschaffene Verwaltung und ein friedliches, multiethnisches Miteinander werden.


Anmerkungen

1 Insbesondere die FSA-Einheiten haben die Offensiven des IS vom türkischen Territorium zurückgeschlagen sowie im Juni 2015 das Kobane-Massaker, bei dem mehr als 250 Zivilisten durch den IS ermordet wurden, unterbunden.

2 Zuletzt wurde die FSA-Einheit „Division 13“ von den Jihadisten angegriffen und ihr Hauptquartier in Maarat an Numan erobert.

3 Die Islamistenfront hat 2013 angekündigt einen „Islamischen Staat“ zu errichten, in der allerdings Minderheiten geschützt sein sollen – d.h. ausgeschlossen, strukturell diskriminiert, aber am Leben. Sie sprechen sich auch gegen die repräsentative Demokratie aus, wollen aber keinen autoritären Staat gründen. Deshalb wird es eine Shura geben, ein Appellationsgericht, vor das man Ungerechtigkeiten bringen kann.

Editorische Hinweise

Den Bericht erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Wir fügen die Gründungserklärung als  Anlage bei:
 
Dokument des Demokratischen Föderalen Systems von Rojava – Nordsyrien, 17.03.2016

(Quelle: http://civaka-azad.org/6991-2/ )

Das Chaos und die gesellschaftliche Krise in Syrien und im Nahen Osten gehen weiter, da Interventionen äußerer Parteien Teil der Krise und eine ihrer Ursachen sind. Die Ansätze zur Lösung der Krise bleiben wirkungslos und die Interventionen von außen haben die Situation verkompliziert und die Krise weiter vertieft. Trotz der Versuche der Vereinten Nationen und der Kräfte der internationalen Koalition geht der Syrische Krieg weiter und hat sich zu einer der größten Tragödien in der jüngeren Menschheitsgeschichte entwickelt. Hunderttausende Menschen wurden getötet, Städte wurden zerstört und Millionen von Menschen sind auf der Flucht  – all das zeigt, dass der Konflikt eine riesige Katastrophe in Syrien und Kurdistan ist. Wir befinden uns in einer Phase, die extremer und brutaler ist als die Mongolischen Invasionen und Eroberungen, in einer dunkleren Zeit als der von Al Jahiliyyah. Syrien erlebt derzeit eine außerordentliche Phase von Massakern – eine unerträgliche Last für das menschliche Gewissen.

Wohin entwickeln sich die Dinge? Diese Frage wird täglich gestellt. Die bisher vorgeschlagenen Antworten und Möglichkeiten sind ineffektiv. Weder Genf I noch Genf II haben es vermocht, eine Lösung herbeizuführen, und auch von Genf III wird ein Misserfolg erwartet. Wenn wir auf die Umstände der Verhandlungen in Genf und die Behandlung von Kräften, die sich auf die gleiche Mentalität wie der IS stützen, als alleinige Repräsentanten der Opposition schauen, erscheint es schwierig zu einer dauerhaften Lösung für die Krise zu kommen, in der Tat könnten die Verhandlungen sogar ernsthafte negative Folgen haben. Seit dem Beginn der Krise wurde, allen von den Nationen der Region gebrachten Opfern zum Trotz, der Wille der Bevölkerung nicht in die Überlegungen einbezogen. Dies macht es schwierig, eine dauerhafte soziale Lösung in Syrien, Kurdistan und der Region zu finden.

Dies ist sicher die Ära der Völker, der Nationen des Nahen Ostens, die historische Schlachten gegen die Tyrannei des Nationalstaates und die Hegemonie von Macht und Kapital geschlagen haben. Die Bevölkerung hat beschlossen, NEIN zu all dem zu sagen, sie schreit nach dem Aufbau einer freien, demokratischen und gerechten Gesellschaft und Welt. Da ihnen die notwendige Organisation und das notwendige Bewusstsein fehlten und sie von äußeren Kräften missbraucht wurden, waren sie leider nicht erfolgreich. Der Frühling der Völker droht wie zuvor der „Arabische Frühling“ sich in einen Herbst zu verwandeln, wenn die Nationen und Gesellschaften es nicht schaffen, ihre Ziele von Freiheit und Gleichheit zu erreichen, wenn sie nicht in organisierter Form Widerstand leisten.

Die revolutionäre Volksbewegung hat große Hoffnungen für die Bevölkerung des Nahen Ostens geweckt. Um die demokratischen Ziele der Revolution zu erreichen, hat diese Volksbewegung eine historische Verantwortung, das Chaos und die Krise zu beenden, durch Demokratie die Fundamente für eine friedliche Koexistenz der Nationen zu legen, und eine demokratische Einigung zu erzielen. Daher werden föderale Lösungen und Systeme, die den Willen der Bevölkerung und der Nationen repräsentieren, derzeit dringend benötigt.

Historische Entwicklungen, Soziale Probleme im Nahen Osten, Syrien und Kurdistan und die Aktuelle Situation

Um eine umfassende Lösung zu finden, muss der historischen Entwicklung und den angehäuften Problemen, durch die die alten Nationen im Nahen Osten gehen mussten, Bedeutung gegeben werden.  Seit Anbeginn der Geschichte ist Mesopotamien Ort freien und natürlichen Lebens, ackerbautreibender Gesellschaften und der ersten Zivilisationen gewesen. Der Himmel auf Erden oder der fruchtbare Halbmond umfasst geographisch gesehen die Länder Syrien, Libanon und Kurdistan. In diesem Land brachte die Menschheit die erste Revolution in der Geschichte zustande – die neolithische Revolution, eine Revolution die in ihrer Bedeutung mit der Industriellen Revolution des 18. Jahrhunderts in Europa vergleichbar ist. Hier etablierten sich auch Gotteskulturen, freies Leben in deren Mittelpunkt die Frau stand und politische und ethische Entwicklungen, die zu widerständigen Stammeskulturen führten, der bis heute von Bedeutung bleibt. Diese edlen Werte haben die Menschheit und ihre Ethik bewahrt. Die Einflüsse, das Erbe und die Kultur der Neolithischen Ära gelten bis heute und sind noch immer relevant im Alltag der Gemeinschaften. Die freiheitlichen kommunalen Dörfer in Tel Halaf konnten, verteilt unter dutzenden Berghängen des Taurusgebirges, ihre Erscheinungsform erhalten.

Die Sumerische Zivilisation war die Entstehung des Nahen Ostens und Mesopotamiens. Sie entwickelte sich gemäß den Werten der neolithischen Ära und sie ist bis heute der Ursprung aller östlichen und westlichen Zivilisationen. Die sumerische Zivilisation etablierte, das erste Mal in der Geschichte, das System von Stadt, Staat, Königreich, Klasse, Zikkurat, Legenden, Bewässerung, geschriebener Literatur, Kunst und Wissenschaft. Sie war ein rigides zentralistisches System, mehr noch als die folgenden Zivilisationen, wie die ägyptische, akkadische, babylonische, assyrische, medische, persische, griechische und römische. Die andere Seite der Zivilisation stellt die Geschichte von Invasionen, Besetzungen, Gewalt, Krieg und Kolonialismus dar. Im Gegensatz dazu steht der Kampf der Völker, verkörpert durch den Widerstand der Assyrer, Aramäer, Babylonier, Amurriter, Mitannier, Hurriter, Kassiten, Hethiter und Meder, die alle eine historische Rolle im Zivilisationsprozess spielten.

Die Region, in der wir leben ist voller lebender Erinnerungen dieser reichen Geschichte. Archäologische Stätten wie Palmyra, Mari, Ebla und Ugarit leiten und beeinflussen unser Leben.

Die Entstehung der abrahamitischen Religionen waren eine der Hauptstützen der aufkommenden revolutionären Widerstände gegen den Götzendienst. Sie haben eine historisch sehr wichtige Rolle bei der Entwicklung von moralischen Werten in den Gemeinschaften des Nahen Osten gespielt.

Lehre und Ethik von Propheten sind fortdauernd für tausende von Jahren und sind ein ständiger Appell an das Bewusstsein einer gerechten Gesellschaft und gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Die Abwendung eines unmoralischen Lebens ist ein Grundgesetz tief verwurzelt im Gedächtnis der Gesellschaften des Nahen Ostens. Der Kampf der Propheten ist Quelle der Inspiration für das Überleben von Gesellschaften geworden. Zarathustras Kampf für soziale Gerechtigkeit, Moses Kampf gegen die Unterdrückung der Pharaonen, die Kreuzigung Jesus Christus wegen seines Kampfes für die Gleichheit zwischen Menschen und der wohlbekannte Widerstand des Propheten Mohammeds und seines revolutionären Islams gegen Ungleichheit sind alles Beispiele für den historischen Prozess der Kämpfe für Gerechtigkeit und Rechte. Außerdem sind die Lehren des Islam im Medina-Dokument, das Regeln des friedlichen Zusammenlebens etablierte und Blutvergießen verbot, ein Beispiel für eine geregelte demokratische Gesellschaft. Nichtsdestotrotz wurden die Prinzipien und Lehren des Islam missbraucht, um politischen und autoritären Zielen der Eliten während der Ära der Umayyaden und Abbassiden zu dienen. Dies wurde umso deutlicher im Osmanischen Reich und durch die Gräueltaten der Sultane einschließlich der Massaker, die an Armenier_innen, Assyrer_innen, Suryoye, Kurd_innen, Araber_innen und anderen Bevölkerungsgruppen der Region begangen wurden.

Das jüngste Auftreten des zentralistischen Systems im Nahen Osten war die islamische Zivilisation, und all die Versuche der Erneuerung, im Sinne einer Renaissance des Nahen Ostens, gegen die angehäuften Probleme waren letztendlich nicht erfolgreich. Es folgte ein Ära der Dekadenz, Krisen und Verschlechterung der Probleme, besonders nach der Niederlage gegen den Aufstieg der westlichen europäischen Zivilisation, die sie in ihrer führenden Rolle ablöste. Die“Ost-Thematik“, die sich bis in die heutige Zeit zieht, begann um 1800 mit der Beherrschung durch das europäische Zentralsystem und seiner Bewegung in Richtung der Region. Seit 200 Jahren hat die kapitalistische Moderne diese Region durch verschiedene Formen durchdrungen, was neue Probleme zu den traditionell existierenden hinzufügte, besonders im letzten Jahrhundert. Dies kulminierte in der Entstehung von Nationalstaaten und Spaltung der Region und ist Grund für Chaos, Konflikte und Kriege.

Es ist bekannt, dass einer der Hauptgründe für den 1. Weltkrieg der Konflikt bezüglich der Teilung des Nahen Ostens war. Nach Ende des Krieges und dem Sieg der Alliierten, wurde die Region entsprechend des Mächtegleichgewichts und Machtinteressen aufgeteilt. Im Jahre 1916 teilte das Sykes-Picot-Abkommen den Nahen Osten und kreierte neue künstliche Staaten und Grenzen, die nur die hegemonialen Sichten der imperialen Mächte widerspiegelten. Dieses Projekt zog seine Legitimität aus der San-Remo-Konferenz vom 24.04.1920 und wurde für dieses Jahrhundert zum System für die Region. Europäische Länder einigten sich auf die Verteilung von Einflusssphären und stellten Palästina gemäß der Deklaration von Balfour unter britisches Mandat. Dafür teilten die Hegemonialmächte die Region zwischen sich auf, ohne Berücksichtigung ethnischer und religiöser Grundlagen. Sie schufen neue Staaten und teilten Kurd_innen, Suryoye, Assyrer_innen, Araber_innen und andere ethnische und religiöse Gruppen, wie Yesid_innen, auf verschiedene Staaten. Das assyrische Massaker, Sayfo, führte zu demografischen Veränderungen. Irak, Jordanien und Palästina wurden als britische und Syrien und Libanon als französische Einflusssphäre angesehen und somit die Karte der Region neu gezeichnet. Auf der arabischen Halbinsel haben im Verlauf der Geschichte Gemeinschaften in kultureller und ethnischer Partnerschaft gelebt. Jedoch wurde die arabische Gesellschaft in mehr als 20 Teile geteilt. Wie wir heute wissen, wurde der Irak durch die Briten geformt indem sie die drei osmanischen Provinzen Basra, Mosul und Bagdad vereinten. König Faisal bin Hussein wurde als König eingesetzt und ihm wurde versprochen, der zukünftige Herrscher eines Großarabischen Königreichs und Islamischen Kalifats zu werden. Als Frankreich jedoch von diesem Plan erfuhr, reagierten sie mit Ablehnung und erzwangen die Aufteilung der Region. Zwischen 1916 und 1926 wurde das Königreich Hejaz etabliert, bestehend aus Mekka, Medina, Riad und Hedschas, welches später als Saudi-Arabien bekannt wurde.

Der Niederlage der Osmanen durch die Engländer und ihre verbündeten Haşemite-Kräfte 1918 folgend, errichtete Prinz Faisal eine Regierung und Verwaltung in Damaskus und erklärte Syrien zum Königreich. Allerdings kontrollierten die Franzosen Syrien wieder, nachdem sie Prinz Faisal 1920 ausgewiesen hatten. Ende des Jahres 1920 wurden die Staaten Damskus und Aleppo, sowie ein allein alawitischer und ein drusischer Staat, gemeinsam mit einem autonomen Staat im Sandschak von Alexandrette gegründet. 1922 erlangte Frankreich ein Völkerbundmandat für ein föderales Syrien mit 6 Staaten. Ende 1925 wurden der Staat Aleppo und der Staat Damaskus vereint, um den Staat Syrien zu etablieren. Auch alle anderen angrenzenden Staaten, inklusive die Region Al Jazeera – auch bezeichnet als “der Entenschnabel”, welche eine autonome Region von Kurden, Suryoye und arabischer Stämme war wurden in den Syrischen Staat integriert. Infolge des Rückzugs der Franzosen und der Unabhängigkeit durchlebte Syrien zahlreiche Machtkämpfe und zählte bis 1970 sieben Militärputsche. Ähnliche Probleme traten auch in allen anderen arabischen Staaten auf.

Das Mandatssystem der alten kolonialen Mächte kontrollierte den Nahen Osten und die arabische Halbinsel. Wie auch immer, nach dem 2. Weltkrieg hinterließen sie neue Nationalstaaten, die von Bürokraten etabliert wurden. Die Kolonialmächte brachten im Irak Faisal an die Macht und versprachen ihm, die Herrschaft über den Großarabischen Staat. Sie brachten ebenfalls den ersten Vertreter des arabischen Nationalismus,  Sati’ al-Husri, in den Irak – eine Ideologie, die später von den ideologischen Gründungsvätern der Baath-Partei in Syrien, Michel Aflaq und Salah al-Din al-Bitar weiterentwickelt wurde. Nach der Etablierung der Baath-Partei, die das Gift des Nationalismus und Intoleranz verbreitete, wurde Michel Aflaq vom gleichen Regime, das er an die Macht gebracht hatte, nach Jordanien und später nach Venezuela ins Exil verbannt. Später kehrte er in den Irak zurück und trat in einen langen Kampf gegen das Regime in Syrien ein.

Die Baath-Partei kam 1963 in Irak und Syrien infolge von Militärputschen, die von machthungrigen nationalistischen Armeeoffizieren angeführt wurden, an die Macht. Sie suchten ihre politischen Ziele dadurch zu erreichen, dass sie die Bevölkerung beider Länder mit einer islamischen und nationalistischen Rhetorik täuschten. Zudem bedienten sie sich sozialistischer Slogans, um die Unterstützung der Sowjetunion zu erhalten. Innenpolitisch diente die sozialistische Rhetorik dazu, das Proletariat zu täuschen. Tatsächlich war es keine Form des Sozialismus, sondern die Kapitalistische Moderne, die ihre materialistische Grundlage über 200 Jahren vorbereitet hatte. Da die islamische Religion und der Glaube im Nahen Osten und der arabischen Gesellschaft sehr stark waren, war es notwendig, den Glanz des Islam zu benutzen. Tatsächlich hatten sie keine Verbindung zum Islam, benutzten ihn aber, um ihre eigene politische Agenda zu realisieren.

Das Hauptmerkmal der Herrschaft der Baath-Partei war die Wiedereinführung der Sklaverei. Für die Baathisten bedeutete Macht Ausübung von Hegemonie, Gewalt und Folter. Wenn man das vermeintliche Vorantreiben der arabischen Einheit durch die Baathisten untersucht, ist es wichtig, ihre Absichten und Gründe für ihr Scheitern zu erkennen. Die Vereinigte Arabische Republik (1958-61) war ein Zusammenschluss der Staaten Syriens und Ägyptens. Dieser hielt lediglich drei Jahre und kann kaum als geglückter Versuch einer politischen Einheit beschrieben werden. Zu ihren Zielen gehörte nicht die Konstruktion einer vereinigten demokratischen Gesellschaft. Jede Seite versuchte die andere zu dominieren und entwickelte tyrannische Züge. Das Erlangen von Macht waren ihre einzigen Ziele. Statt einer Annäherung beider Seiten vertieften sich die Gräben zwischen ihnen bis ins Unermessliche.

Auf ähnliche Weise gebar sich das autoritäre Regime der Baath-Partei in Syrien. Es verwandelte sich geradezu in ein verbrecherisches, militaristisches System, das seine Bürger_innen als Sklav_innen betrachtete. Geheimdienste und Sicherheitskräfte ließen die Menschen bluten, allen voran die Kurd_innen, deren nationale Identität, Sprache, Rechte und Kultur verleugnet wurden. Die Politik der Arabisierung charakterisierte einen Grundzug des Regimes, während tausenden Kurden gleichzeitig die Staatsangehörigkeit entzogen wurde, womit sie zu Ausländer_innen im eigenen Land wurden. Ein arabischer Gürtel wurde eingerichtet, in dem tausende Araber_innen in kurdischen Dörfern angesiedelt wurden. Verleugnung, Arabisierung, Ungerechtigkeit, Völkermord, Gewalt und Folter gehörten zu den Hauptmerkmalen der Politik und Praxis des Regimes gegenüber den Kurd_innen und allen anderen, die sich gegen ihre Herrschaft auflehnten. Am 12. März 2004 wurden Dutzende Häuser und Grundstücke von kurdischen Eigentümer_n niedergebrannt. Die Folgen der Arabisierung trafen nicht nur die Kurd_innen, sondern auch die Araber_innen selbst. Zwischen den Völkern vertieften sich Spaltung und Hass, das Misstrauen zwischen ihnen wuchs. Auch andere Völker mit einer reichen Geschichte wie die Assyrer_innen, Suryoye und Armenier_innen wurden Opfer der Arabisierungspolitik. Jene Nationen sind das kulturelle Gedächtnis des Nahen Ostens, ihre Gesellschaften sind in Kunst, Wissenschaften und Kultur weit fortgeschritten. Diese Gesellschaften zu unterdrücken und zu kontrollieren verzögerte jedoch ihre weitere Entfaltung und hatte einen negativen Einfluss auf die Entwicklung von Syrien. Fest steht, dass nicht das arabische Volk solche  Arten der unmenschlichen und unterdrückerischen Politik entwickelt hat, sondern die machthabenden autoritären Eliten. Jene Kräfte, die den Staat für ihre eigene Sache ausnutzten, entwickelten sich zu Bestien, die die Gesellschaft verschlangen. Der Hauptgrund des gegenwärtigen Chaos und der Krise in Syrien ist die ausschließende und brutale Politik des Baath-Regimes gegen die eigene Bevölkerung.

Unzweifelhaft ist jedoch das Andauern der Krise in Syrien nicht nur auf die Repressionen des Regimes zurückzuführen – das Regime befindet sich in Wirklichkeit am Rande eines Kollapses – sondern auch auf dessen Unterstützung durch externe Akteur_e, ohne die es nicht lange überlebt hätte. Aus diesem Grund sind auch internationale und regionale Akteur_e, die Türkei eingeschlossen, für die derzeitige Situation verantwortlich zu machen. Die Türkei und ihre regionale Verbündeten haben mitgeholfen, den IS, Jabhat al-Nusra, Ahrar al-Sham und andere menschenverachtende Organisationen aufzubauen, die zum Werkzeug für die Zerstörung der Menschlichkeit wurden. Jene Kräfte haben die Menschen der Region, vor allem die Kurd_innen, heimgesucht und stellen eine Bedrohung für die demokratische Opposition dar – eine Bedrohung, die sogar Hitlers Faschismus übertrifft. Die dringlichste Aufgabe besteht darin, diese terroristischen Banden zu eliminieren und die Bevölkerung vor ihnen zu schützen. Es ist Zeit für die internationalen Kräfte und die Vereinten Nationen, in diesem Sinne ihrer theoretischen und praktischen Verantwortung gerecht zu werden.

Demokratische Nation und Demokratischer Föderalisms als Lösung in Syrien

Es ist klar, dass die Entwicklungen im Nahen Osten und in Syrien und die Zerstörung durch unterdrückerische Nationalstaaten entstanden sind. Die Gesellschaften können daher nicht länger in der althergebrachten Form durch unterdrückerische Staaten regiert werden. Die Ära des Nationalstaates ist vorbei, sie wird abgelöst durch die Ära der demokratischen Gesellschaft. Heute ist das Zeitalter demokratischer Nationen und der Einrichtung von Föderationen, ähnlich der EU, die diese Tatsache bereits realisiert hat. Die EU gibt diesem Modell kaum eine tatsächliche Bedeutung indem sie etwa demokratische Normen und Vereinbarungen zur Lösung von Problemen mittels Konsens und Dialog entwickelt. Einigkeit, Verbundenheit und kommunales Leben sind in der Geschichte und Kultur des Nahen Ostens tief verwurzelt, mehr als in Europa. Trotz der Fragmentierung und Marginalisierung der Gesellschaften des Nahen Ostens unter dem Nationalstaatsmodell der herrschenden Elite haben die Bevölkerungen beschlossen, friedlich zusammenzuleben. Nationen und Gesellschaften kannten die Politiken, die auf Hass, der Feindseligkeit und auf Abgrenzung basieren, nicht. Innere und äußere hegemoniale Kräfte sind es, die diese Fragestellungen verkomplizieren und Konflikte herbeirufen.

Angesichts all dessen ist die realistische Lösung in Syrien das Modell der demokratischen Nation und der demokratische Föderalismus die ideale Wahl, um Lösungen zu entwickeln. Eine Vermeidung der fanatischen nationalstaatlichen Struktur kann die Möglichkeit eröffnen, soziale Fragen mit demokratischen Mitteln zu lösen.

Dauerhafte Lösungen für die Fragen sind nicht möglich, solange der Nationalstaat besteht. Wir müssen zur demokratischen Nation übergehen. Alle internationalen Beratungen zur Zukunft Syriens haben sich um das Modell eines Zentralstaats gedreht. Die Vorstellung eines dezentralisierten Syriens ist die Option, die alle einflussreichen internationalen Kräfte derzeit in Betracht ziehen. Wir als die gesellschaftliche demokratische Opposition haben von Anfang an den demokratischen Föderalismus als Lösung vorgeschlagen, was sich als die richtige und zutreffende Lösung erwiesen hat. Auf dieser Basis müssen der syrische Staat und die Sozialordnung sich der Aufgabe verschreiben, die politischen, juristischen, Verteidigungs-, sozialen, intellektuellen und ökonomischen Strukturen in Syrien auf der Basis von Demokratie wiederaufzubauen und zu erneuern. Zusätzlich ist ein demokratischer Gesellschaftsvertrag notwendig, der die grundlegenden Rechte und die Unabhängigkeit aller Völker und gesellschaftlichen Gruppen garantiert. Dieser Gesellschaftsvertrag muss ebenso die Rechte garantieren und Besonderheiten von Gemeinschaften schützen, die die Verwaltung in Syrien gestalten werden (den Syrischen Demokratischen Föderalismus).

In Syrien ist weder ein einheitliches tyrannisches Regime noch eine Fragmentierung der Völker eine angemessene Lösung. Diese Methoden bringen nur endlose Kriege und Massaker hervor. Der demokratische Föderalismus ist der einzige Weg, der die Rechte der Völker in einem vereinten demokratischen System garantiert, basierend auf einer klaren globalen Vision und der theoretischen und intellektuellen Kraft der Philosophie eines sozialen demokratischen Systems. Es ist das demokratische Gesellschaftssystem, das auf einer freiwilligen Verbindung zwischen Völkern und Gruppen basiert, die in einer freien, gleichen und gerechten Gesellschaft leben. In diesem System sind Gesellschaften gleich und keine ethnische oder religiöse Gruppe kann andere unterdrücken. Die Gesellschaften werden ihre einzigartigen Identitäten und Freiheit innerhalb dieses Systems bewahren. Daher ist der demokratische Föderalismus der richtige Weg, die demokratische Unabhängigkeit von Gebieten und Gruppen untereinander sicherzustellen.

Erforderlich ist ein Maß an Autarkie für jede Region und ein Platz im demokratischen Föderalismus. Die Gesellschaft muss anerkennen, dass das Ziel einer ökologischen, demokratischen und sich im Gleichgewicht befindenden Gesellschaft es erfordert, einer größeren Vereinigung beizutreten und gleichzeitig ihre Identität in einem demokratischen föderalen System beizubehalten. Dies ist ein System nicht nur für Syrien, sondern zur Lösung der tiefverwurzelten und komplexen historischen und gesellschaftlichen Probleme im Nahen Osten. Im konkreten Fall besteht ein demokratischer Föderalismus in Syrien aus Araber_innen, Kurd_innen, Suryoye, Assyrer_innen, Armenier_innen, Turkmen_innen, Tschetschen_innen, Muslim_innen, Christ_innen, Drus_innen, Alawit_innen und Yesid_innen und anderen ethnisch-religiösen Gruppen.

Bei der Organisierung der föderalen Regionen in Syrien anhand des neuen administrativen, politischen und sozialen Systems müssen die derzeitigen regionalen Fragen und die soziale Situation innerhalb der syrischen Einheit berücksichtigt werden. Zusätzlich müssen die Anzahl und Qualität der föderalen Regionen anhand einer Einigung zwischen lokalen Gemeinschaften und deren Repräsentant_innen bestimmt werden und nicht anhand einer ihnen von außen auferlegten Entscheidung.

Alle Gemeinschaften haben das Recht, in allen Fragen des gesellschaftlichen Lebens, inklusive der Bildung und Lehre, ihre Muttersprache zu verwenden, ebenso wie das Recht, ihre religiösen Riten frei auszuüben. Institutionen und Organisationen, die die Angelegenheiten der Gesellschaft regeln, haben nicht das Recht, für eine religiöse Gruppe zu sprechen. Die Verwaltung muss auf dem Respekt für alle Religionen und religiösen Gemeinschaften basieren, demokratisch sein und Neutralität bewahren.

Im Syrischen demokratischen Föderalismus müssen wir uns zur Universellen Erklärung der Menschenrechte, die von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde, und zu anderen Menschenrechtskonventionen bekennen und auf diese verpflichten.

Das Demokratische Föderale System von Rojava – Nordsyrien

Das System der demokratischen Nation and der demokratischen Föderation sind die angemessenste und machbarste Option für die derzeitige Situation Syriens, zumal es unwahrscheinlich erscheint, dass die Probleme Syriens auf anderer Grundlage zu lösen sind. Daher ist die Etablierung eines föderalen demokratischen Systems in Rojava und dem nördlichen Syrien aus historischen und gesellschaftlichen Gründen, die wie folgt zusammengefasst werden können, unerlässlich:

Die Region des nördlichen Syriens und Rojavas ist historisch eine Region der Beziehungen zwischen indoeuropäischen und semitischen Stämmen gewesen, die hier lebten, außerdem das Zentrum der Neolithischen Revolution. Wenn wir von der landwirtschaftlichen dörflichen Gemeinschaft sprechen – deren Merkmale bis heute relevant sind –, so denken wir an das nördliche Syrien und das kurdische Rojava. Hier finden sich Spuren aller Zivilisationen. Es ist ein Mosaik von Völkern und Gemeinschaften, die hier während der gesamten Geschichte zusammenlebten. Es ist bekannt, dass Araber_innen, Kurd_innen, Assyrer_innen, Turkmen_innen und Tschetschen_innen sowie andere Völker und Gruppen in dieser Region jahrhundertelang in Frieden gelebt haben. Diese Region, das nördliche Syrien, ist diejenige, die von den Kurd_innen als Rojava bezeichnet wird, während die Suryoye und Assyrer_innen sie Beth Nahrain nennen; jede Gemeinschaft hat also ihren eigenen Namen für die Region basierend auf ihrer historischen und gesellschaftlichen Perspektive. Dies ist mit Sicherheit der natürliche und demokratische Zugang. Jeder Name hat einen Wert, daher basiert der demokratische Föderalismus von Rojava – Nordsyrien auf dem Erbe der Propheten und der Ältesten, die sich mit dem Bewusstsein befassten und nach Wahrheit und Gerechtigkeit für die Menschheit suchten. Es bezieht seine Stärke aus der reichen Kultur Mesopotamiens und der demokratischen Gemeinschaftsstruktur der natürlichen Gesellschaft, das seit dem Klansystem und während der gesamten Geschichte bis heute die Gesellschaftsform eines zentralisieren Staates abgelehnt hat.

Die derzeitige Situation ist verknüpft mit politischen und militärischen Entwicklungen. Die Krise ist mittlerweile im sechsten Jahr und Rojava, insbesondere Kobane, hat die gewalttätigsten Auseinandersetzungen dieses Krieges erlebt. Kobane hat das größte Epos des Heldentums in diesem Jahrhundert geschrieben. Trotz der Größe des IS, der Mitglieder aus 80 verschiedenen Staaten hat, war der Widerstand und der Kampf der YPG und YPJ, der Sutoro, von Al Sanadeed, Asayiş and allen anderen militärischen Einheiten und Mitgliedern der Demokratischen Syrischen Kräfte sehr beeindruckend. Diese Tatsache wurde von den demokratischen und fortschrittlichen Völkern der Welt anerkannt. Es ist der Sieg der hart arbeitenden syrischen Bevölkerung.

Sicher ist der Krieg noch nicht vorbei und wir dürfen nicht glauben, dass er seinen historischen Wendepunkt erreicht hat. Die Völker in der Region, insbesondere die Kurd_innen, haben dafür gekämpft, in einem gerechten, freien und demokratischen Land zusammenzuleben. Dies waren auch die Ziele des „Arabischen Frühlings“. Die revolutionäre Bewegung wird diese Fantasie zur lebenden Realität werden lassen, indem sie das föderale demokratische Projekt Rojava – Nordsyrien entwickelt.

Vor allem aber ist es unklar, wann der Krieg in Syrien enden wird und was die Zukunft bringt, daher wird es nicht bald Frieden und Stabilität geben. Der Krieg könnte noch fünf oder zehn Jahre weitergehen. Daher muss den Menschen in den Gebieten, die durch die YPG und die Syrischen Demokratischen Kräfte befreit wurden, erlaubt werden, sich selbst zu organisieren und ihre Selbstverwaltung und ein Sozialsystem aufzubauen, das sie in die Lage versetzt, ihre eigenen Probleme zu lösen. In den drei Jahren seit ihrer Gründung hat die demokratische Selbstverwaltung im kurdischen Rojava genug Erfahrung gesammelt, um anderen Gebieten zu helfen. Daher ist die Gründung der Demokratischen Föderation Rojava – Nordsyrien notwendig, um die selbstverwalteten Gebiete zu koordinieren. Dies zu organisieren, ist eine dringende Aufgabe. Dieses Projekt wird die Syrische Demokratische Föderation ermächtigen, wird helfen, Probleme auf demokratischem Wege zu lösen, und wird ein wichtiger Startpunkt beim Aufbau eine freien Syriens sein.

Die Ziele des Demokratischen Föderalen Systems von Rojava – Nordsyrien

Die Rolle der Gefallenen, die an der Verwirklichung eines freien Lebens mitgewirkt haben und die größten Epen des Heldentums geschrieben haben, muss betont werden. Sie sind es, die unserer Bevölkerung geholfen haben, heute dieses Stadium zu erreichen.

Die Ziele des Demokratischen Föderalen Systems von Rojava – Nordsyrien sind dementsprechend die Folgenden:

1. Die grundlegenden Rechte und Freiheit aller Völker und Gruppen, die in Syrien leben, sicherzustellen und ein gerechtes, freies und demokratisches Gesellschaftssystem zu erzielen, das nicht versucht, den zerfallenen Staat wiederzuerrichten, sondern darauf abzielt, die demokratischen Einrichtungen der Gesellschaft auf der Basis der internationalen Menschenrechtskonventionen zu organisieren.

2. Ein demokratisches und föderales Syrien anstelle einer zentralisierten Verwaltung zu errichten, indem die historischen, geographischen, kulturellen, demographischen und ökonomischen Charakteristika bei der Einrichtung der demokratischen Föderationen berücksichtigt werden.

3. Selbstverwaltete Regionen aufzubauen, die ihre eigenen Angelegenheiten auf der Grundlage der Prinzipien demokratischer Selbstverwaltung in ökonomischen, sozialen, Sicherheits-, Gesundheits-, Bildungs-, Verteidigungs- und kulturellen Angelegenheiten selbst regeln. Die Grenzen dieser Regionen und ihre Befugnisse und Rechte werden durch die Gesetze der Demokratischen Föderation von Rojava – Nordsyrien bestimmt.

4. Das Individuum zu befreien und Gemeinschaften und Völker zu organisieren. Jede Region trifft und implementiert ihre eigenen Entscheidungen, solange diese nicht den Prinzipien des Gesellschaftsvertrags, der durch den freien Willen der Bevölkerungen zustande kommt, widersprechen. Der Gesellschaftsvertrag der Demokratischen Selbstverwaltung bleibt die Hauptquelle. Gemeinschaften und Völker sind auf der föderalen Ebene organisiert und dafür verantwortlich, ihre eigenen Selbstverwaltungen zu gründen.

5. Die Freiheit der Frauen ist Grundprinzip des Demokratischen Föderalen Systems. Frauen haben das Recht auf Chancengleichheit und gleiche Teilnahme und darauf, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu entscheiden. Frauen sind zudem gleich repräsentiert in allen Aspekten des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens. Das Prinzip der Kopräsidentschaft, das auf der Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Belangen des soziopolitischen Systems beruht, muss umgesetzt werden. Frauen haben im Demokratischen Föderalen System das Recht sich autonom zu organisieren.

6. Das soziale System des Demokratischen Föderalen Systems von Rojava – Nordsyrien basiert auf der Grundlage von Räten, Akademien, Kommunen und Kooperativen. Diese Institutionen erhalten ihre Legitimität durch freie Wahlen der Bevölkerung und der lokalen Gemeinschaften. Jede gewählte Verwaltung wird kontrolliert und einer jährlichen Uberprüfung durch die Körperschaften, die ihre Mitglieder gewählt haben, unterzogen. Diese haben zudem das Recht, ihre Mitglieder auf dieselbe Art und Weise wieder abzuberufen.

7. Die Föderation nimmt sich zum Ziel, eine ökologische / an der Umwelt orientierte Industrie und eine gemeinschaftliche Ökonomie aufzubauen und dabei die Ausbeutung durch Kapital und monopolisierte Profite auszuschließen. Sie will durch die Bereitstellung der materiellen und sozialen Notwendigkeiten ein angemessenes Level des wirtschaftlichen Lebens erreichen.

8. Das Konzept der legitimen Selbstverteidigung zum Schutz der Nation und der Bevölkerung zu entwickeln und das Recht der Gruppen zur legitimen Selbstverteidigung zu akzeptieren – die organisierten sozialen Kräfte und ihre demokratische Partizipation sind die Basis der legitimen Selbstverteidigung.

9. Das Demokratische Föderale System von Rojava – Nordsyrien nimmt die politischen und moralischen Werte an, die durch die drei Prinzipien von demokratischer Gesellschaft, Ökologie und Freiheit der Frau geformt werden. Es stützt seine internationalen und regionalen Beziehungen auf Frieden, Dialog und Konsens. Es verfolgt eine Politik der Freundschaft und des Friedens als Schlüsselstrategie in der internationalen Politik.

10. Alle in Syrien lebenden Völker und Gemeinschaften haben das Recht, politische, ökonomische, soziale und kulturelle demokratische Partnerschaften mit allen Nationen oder Gesellschaften der Region oder weltweit zu entwickeln, die dies möchten oder die einen ähnlichen Glauben und eine ähnliche Kultur teilen, solange diese Beziehungen nicht in die Ziele und Interessen der Demokratischen Föderationen Syriens eingreifen.

11. Auf der regionalen Ebene zielt das Demokratische Föderale System von Rojava – Nordsyrien auf die Realisierung einer demokratischen Föderation im Nahen Osten and die Entwicklung einer demokratischen Vereinigung aller Völker, die im Nahen Osten leben, in allen politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Aspekten. Es überschreitet die nationalen Grenzen des Staates, um ein friedliches, geschwisterliches und nachbarschaftliches Leben für alle zu erreichen.

12. Das Demokratische Föderale System von Rojava – Nordsyrien glaubt fest an die führende Rolle der Jugend innerhalb der Gesellschaft, betrachtet diese als seine effektive Kraft und sichert ihre Teilnahme in allen Feldern.

13. Ein demokratisches föderales System sichert die Einheit des syrischen Territoriums.

Die Konstituierende Versammlung des Demokratischen Föderalen Systems von Rojava – Nordsyrien

17.03.2016