Zur Kritik an der StamoKap-Theorie
Begriff und Funktion des Monopols

von Joachim Schubert

04/2016

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Ein umfassender Versuch der Begriffsbestimmung des Monopols stellt der Aufsatz von Fred Oelßner „Ein Beitrag zur Monopolstheorie" dar. Ausgehend von der historischen Bedeutung des Monopols in den ver­schiedenen Entwicklungsstufen der menschlichen Geschichte versucht Oelßner den Inhalt dieser Kategorie im Kapitalismus darzulegen.

„Theoretisch wie historisch betrachtet ist das Monopol eine Kate­gorie der auf dem Privateigentum an den Produktionsmitteln beruhen­den Warenproduktion. Es ist genauso ein Attribut dieser Warenproduk­tion wie die Konkurrenz." (34) Analog zur Warenproduktion begreift Oelßner Konkurrenz und Monopol zwar als historische Kategorien, aber zunächst einmal entkleidet der jeweiligen gesellschaftlichen Produk­tionsverhältnisse. Erst mit der soziallistischen Warenproduktion „kom­men auch die Attribute Konkurrenz und Monopol zum Fortfall." (35) Bis dahin besitzen sie jedoch eine entscheidende Bedeutung in der ge­schichtlichen Entwicklung, da Konkurrenz und Monopol sich nicht gleichberechtigt gegenüberstehen, sondern ihre Beziehung stellt immer eine Bewegung dar, die durch die jeweiligen geschichtlichen Umstände geprägt wird. „Der durch Jahrtausende zu verfolgende Kampf zwischen Monopol und Konkurrenz hat sich oft als vorwärtstreibende Kraft in der Geschichte erwiesen." (36)

Obwohl diese Kategorien, losgelöst von den jeweiligen Produk­tionsverhältnissen, leere Abstraktionen darstellen und daher von Oelß­ner auch nur durch den nichtssagenden Begriff 'Attribute der Waren­produktion' charakterisiert werden, mißt er ihnen jedoch eine entschei­dende Bedeutung in der geschichtlichen Entwicklung bei. So geht Oelßner selbst davon aus, daß Monopol und Konkurrenz in dieser Be­stimmung nur etwas an der Oberfläche liegendes Gemeinsames ausdrük-ken können, da das Wesen des Monopols „nur aus den konkreten gesell­schaftlichen Verhältnissen begriffen werden kann." (37) Welchen Sinn hat jedoch die Anwendung einer formal gleichen Kategorie auf mehrere gesellschaftliche Epochen, wenn diese jeweils einen unterschiedlichen Inhalt ausdrückt? Die ganze Konstruktion, das Verhältnis von Monopol und Konkurrenz in den Mittelpunkt der menschlichen Entwicklung zu stellen, läuft letztlich bei Oelßner darauf hinaus, daß im Kapitalismus der Widerspruch zwischen Konkurrenz und Monopol „zu einem die ganze Existenz der bestehenden Produktionsweise bedrohenden Faktor" (38) wird. „Dieser Widerspruch ist ein Ausdruck der Tatsache, daß die kapitalistische Warenproduktion von Anfang an den Todeskeim in sich trägt." (39)

Um dieses Ziel zu erreichen, versucht Oelßner als erstes, die inhalt­lichen Unterschiede des kapitalistischen Monopols im Gegensatz zum feudalen herauszuarbeiten. Der Kapitalismus konnte sich in dem Maße historisch durchsetzen, wie er die mittelalterlichen Zünfte, Monopole usw. zerschlug, d.h. die Momente aufhob, die der freien Konkurrenz entgegenstanden und damit seiner eigenen Bewegung widersprachen. Der Sieg der freien Konkurrenz bedeutet nach Oelßner zugleich eine neue qualitative Stufe der Warenproduktion, die zum einen dadurch ge­kennzeichnet ist, daß die Arbeit selbst die Warenform angenommen hat, zum anderen die Produktionsmittel zum Monopoleigentum der besit­zenden Klasse geworden sind. Aus dieser Entwicklung ergibt sich für Oelßner, daß „auch der Widerspruch zwischen Konkurrenz und Mono­pol auf eine qualitativ höhere Stufe gehoben" (40) worden ist. Mit die­ser Aussage reproduziert sich Oelßners falsches Verständnis der katego-rialen Erfassung der menschlichen Geschichte. Mit der Ablösung der feudalen durch die kapitalistische Produktionsweise werden die Wider­sprüche des Feudalismus nicht auf erweiterter Stufenleiter reproduziert, sondern durch die neue Produktionsweise aufgehoben. Die Widersprü­che* die für den Kapitalismus konstitutiv sind, müssen aus der spezifi­schen Formbestimmtheit dieser gesellschaftlichen Produktionsweise ab-, geleitet werden und nicht aus dem quasi überzeitlichen Verhältnis von Monopol und Konkurrenz, das im Kapitalismus eine systembedrohende Form annimmt.

Welche inhaltliche Veränderungen haben sich nun konkret im Ver­hältnis von Konkurrenz und Monopol ergeben? Oelßner führt die posi­tive Bestimmung der Konkurrenz an Hand eines Marx-Zitates an: „Be­grifflich ist die Konkurrenz nichts als die innere Natur des Kapitals, sei­ne wesentliche Bestimmung erscheint und resultiert als Wechselwirkung der vielen Kapitalien aufeinander, die innere Tendenz als äußerliche Not­wendigkeit." (41) Diese Stelle interpretiert Oelßner als die neue Quali­tät der Konkurrenz, da sie „als Attribut der Warenproduktion zum We­sen und zur inneren Natur des Kapitals" (42) wird. Dieser Umschlag ist jedoch nicht einsichtig. Die Konkurrenz erscheint nicht zuerst als ein äußerliches Verhältnis zur Ware, sondern ist von Anfang an Vorausset­zung für ihre Existenz, wie für jede andere Kategorie der bürgerlichen Produktionsweise. Solange die menschlichen Beziehungen jedoch nicht durch die vom Kapitalverhältnis bedingte Form der freien Konkurrenz geregelt war, stellten die Ware, wie auch der Wert, keine umfassenden Kategorien dar, sondern waren nur ein Randprodukt in den vorangegan­genen gesellschaftlichen Produktionsweisen. Es findet also kein Um­schlag im Verhältnis der Ware zur Konkurrenz statt, sondern die Ware entfaltet sich in dem Maße, d.h. sie wird zur herrschenden Kategorie, wie sich die freie Konkurrenz als Synonym für die kapitalistische Pro­duktionsweise historisch durchsetzt. „Keine Kategorie der bürgerli­chen Ökonomie, nicht die erste, z. B. die Bestimmung des Wertes, wird daher erst wirklich durch die freie Konkurrenz, d.h. durch den wirkli­chen Prozeß des Kapitals, der als Wechselwirkung der Kapitalien auf­einander erscheint und aller anderen vom Kapital bestimmten Produk­tions- und Verkehrsverhältnisse." (43)

Wichtig ist es, exakt die Abstraktionsebene festzuhalten, auf der sich Oelßners Bestimmung der Konkurrenz festmacht. Indem er sie rich­tig als die innere Natur des Kapitals benennt, bewegt er sich auf der Ebe­ne des Kapitals im Allgemeinen. Auf der gleichen Ebene ist auch der Monopolbegriff zu entwickeln. Er kann aber in diesem Zusammenhang nichts anderes bedeuten als das Kapital selbst, als ein gesellschaftliches Verhältnis, daß das Eigentumsmonopol einer Klasse an den Produk­tionsmitteln darstellt. „Ja die Konkurrenz setzt das Monopol schon voraus, nämlich das Monopol des Eigentums." (44) Konkurrenz setzt immer voraus, daß ein veräußerbarer Gegenstand monopolisierbar ist. Das Eigentumsmonopol ist jedoch nach Oelßner nicht mit dem 'moder­nen Monopol' gleichzusetzen. Das moderne Monopol, um dessen Be­stimmung es geht, entwickelt sich auf der Grundlage des Eigentums­monopols, es ist sozusagen ein Monopol im Quadrat." (45) Das be­stimmende Moment dieser Entwicklung stellt der Prozeß der Konzen­tration und Zentralisation des Kapitals dar. „Die freie Konkurrenz ruft über die Kapitalakkumulation, über die Konzentration und Zen­tralisation des Kapitals und der Produktion mit Naturnotwendigkeit das moderne Monopol ins Leben! Das ist die Quintessenz der marxisti­schen Wirtschaftstheorie." (46)

Wie bestimmt nun Oelßner das Wesen des modernen Monopols? Das Gesetz der Konzentration stellt für ihn den Schlüssel zur Lösung des Problems dar. Dieser Prozeß umfaßt alle gesellschaftlichen Berei­che, so daß sich im wesentlichen fünf zentrale Monopole herausbilden: Industrie-, Handels-, Bank-, Versicherungs- und Verkehrsmonopol. An Hand der gemeinsamen Bestimmungen dieser Monopole in den ver­schiedenen Sektoren liefert Oelßner folgende Definition: „Monopole sind aus der Konzentration der Produktion und des Kapitals erwachsen­de ökonomische Machtpositionen der Finanzoligarchie zwecks Erlan­gung von Monopolprofiten." (47) Der zentrale Gehalt des Monopols be­steht also im Monopolprofit, dieser macht „das Wesen des Monopols aus." (48) Der Monopolprofit selbst stellt einen riesigen Tribut dar, den das Finanzkapital der gesamten Gesellschaft auferlegt.

Entscheidend ist der Charakter dieser Kategorie. Da der Imperia­lismus nach Oelßner die Zersetzungsphase des Kapitalismus und damit den Übergang zu einer höheren Gesellschaftsformation bedeutet, kön­nen sich die inneren Gesetze, die die innere Struktur und regelnde Ba­sis des Systems darstellen, nur noch unvollkommen durchsetzen. Der Kapitalismus sieht sich daher wie in seiner Frühphase gezwungen wie­der „Zuflucht zurpolitischen Gewalt zu nehmen, deren Einfluß auf die Wirtschaft er einst verpönte." (49) Es ist daher hoffnungslos, „den Mo­nopolprofit des Finanzkapitals mit rein ökonomischen Gesetzen erklä­ren zu wollen" (50), da er im wesentlichen durch die politische Ge­walt bestimmt wird. Das „Monopol ist Herrschaft und Gewalt unter der Hülle der freien Marktbeziehungen" (51), es stellt demnach ein 'Herr­schaftsverhältnis' (52) dar.

Von dieser Bestimmung ausgehend läßt sich noch einmal die Frag­würdigkeit der im Abschnitt 3.2. dargelegten Analyse von Kumpf auf­zeigen. Das Monopol als ein Herrschaftsverhältnis wird der Kategorie der Ware als Ausgangspunkt gleichgesetzt, um eine Analogie in der Methode von Marx und Lenin herzustellen. Das Ziel der wissenschaftli­chen Analyse von Kumpf bestand darin, die Richtigkeit der These zu beweisen, daß der Leninismus der Marxismus unserer Epoche sei. In der formalen Gleichsetzung wird er aber weder der Marxschen noch der Leninschen Theorie gerecht. Marx nahm die Ware als Ausgangspunkt, um aus ihrer Widersprüchlichkeit heraus die ökonomische Basis, d.h. das Kapitalverhältnis, zu entwickeln. Erst auf dieser Grundlage leitete er die spezifische Herrschaftsstruktur als den politischen Überbau ab. Bei Lenin läßt sich der Monopolbegriff dagegen nicht auf ein einfaches Herrschaftsverhältnis reduzieren, sondern stellt als revolutionärer Kampfbegriff eine umfassendere Kategorie dar, die die zugespitzten Widersprüche in der konkreten Situation in der Einheit von Ökonomie und Politik erfaßt. Für Kumpf ist das Monopol jedoch selbst vorausset­zungslos im Imperialismus. Das bedeutet, daß Lenin allein von einem Herrschaftsbegriff ausgehend den Imperialismus in all seinen Widersprü­chen erfaßt haben soll! Da Kumpf die politische Form der Herrschaft nicht mehr aus der Kapitalbewegung ableitet, sondern der ökonomi­schen Basis als selbständige Form gegenüberstellt, gibt er jede rationale Grundlage zur Erfassung der gegenwärtigen Kapitalbewegung auf.

Die Stamokap-Theorie versucht allgemein den Kapitalismus in sei­nem jetzigen Entwicklungsstadium dadurch zu kennzeichnen, daß sie das Primat der Politik über die Ökonomie betont. Dies wird außer der Systemauseinandersetzung dadurch begründet, daß das System „schon nicht mehr auf seinen eigenen Grundlagen, nach seiner eigenen Logik funktioniert." (53) Da das regelnde Prinzip der Durchschnittsprofitra­te nicht mehr seine Funktion erfüllt, muß immer mehr die monopoli­stische Macht und Gewalt sowie die staatliche Monopolisierung an sei­ne Stelle treten. Die dem Kapital entsprechende Herrschaftsform wird „durch die offene oder verschleierte Wiederherstellung von persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen" (54) abgelöst. „Das kapitalistische System funktioniert heute nur noch auf Basis und unter Ausnutzung der politi­schen Gewalt." (55) Um diese These zu überprüfen, ist es notwendig, zunächst näher auf die Frage der Durchschnittsprofitrate einzugehen.

Das Monopol wird abstrakt als eine qualitative Anpassung an die verän­derten Verwertungsbedingungen des Kapitals begriffen. Der Kapitalis­mus hat seine historische Mission verloren, da er nicht mehr in der Lage ist, die Produktivkräfte adäquat auf Grundlage seiner eigenen Gesetzmäßigkeiten weiterzuentwickeln. Durch die Systemauseinandersetzung wird aber der Kapitalismus gezwungen, weiter zu akkumulieren, da das Problem des Wirtschaftswachstums zur entscheidenden Frage des ökono­mischen Wettbewerbs wird. Um aber überhaupt noch eine Akkumula­tionsfähigkeit herzustellen, müssen die dem Kapital immanenten Vertei­lungsgesetze, die sich nach der Stamokap-Theorie im wesentlichen in der Durchschnittsprofitrate kristallisieren, durch ökonomische und außer­ökonomische Machtpositionen ersetzt werden. „Das Wesentliche des Monopols ist ( ...) eine dem Kapital eigentümlichen Mechanismus ge­richtete Umverteilung des Mehrwerts und des Mehrprodukts der Gesell­schaft zu seinen Gunsten durchzusetzen, der Gesellschaft im Interesse der Akkumulation einen monopolistischen Profit aufzuerlegen" (56). Die Stamokap-Theorie liefert aber keine Begründung dafür, warum der Kapitalismus nicht mehr die Produktivkräfte weiter entwickeln kann. Dies wäre besonders wichtig im Zusammenhang mit dem tendenziellen Fall der Profitrate, da „der letzte ökonomische Zweck des Monopols" darin besteht, „der Tendenz der abnehmenden Profitrate (...) entge­genzuwirken." (57) Offen bleibt in dieser Formulierung die Frage, ob die Profitrate bereits auf ein Niveau gefallen ist, das keine ausreichende Verwertung des Kapitals mehr garantiert. Dieser Zusammenhang ist vor allem unter dem Aspekt interessant, daß Lenin selbst in seiner Imperia­lismustheorie auf den tendenziellen Fall der Profitrate in keiner Weise eingegangen ist. Die These, daß der Durchschnittsprofit für die normale Reproduktion der Kapitale nicht mehr ausreicht, wurde nach Oelßner zuerst von Stalin aufgestellt. Die These ist zwar allgemein akzeptiert worden, obwohl sie aber ganz unterschiedlich begründet wurde. Nach Oelßner dürfte „der Hauptgrund (...) wohl in dem sehr großen und ständig zunehmenden Umfang des fixen Kapitals liegen." (58) Er führt diese Begründung jedoch nicht näher aus, da es gleichgültig ist, „welche Gründe dafür immer maßgebend seien, wenn die These richtig ist, dann widerspricht sie der These von der Durchschnittsprofitrate als Regula­tor des Monopolprofits." (59)

Die zentrale Frage, welche Veränderungen im Begriff des Kapitals der Tendenz zur Herausbildung der Durchschnittsprofitrate entgegen­wirken, wird ausgeklammert. Stattdessen widmet sich Oelßner um so gründlicher der Frage, wie sich Monopolprofitrate und Durchschnitts­profitrate zueinanderverhalten. Er geht zunächst richtig davon aus, „daß durch die Monopole das Wertgesetz als der einzige Regulator der kapitalistischen Warenwirtschaft nicht außer Kraft gesetzt werden kann. ( . . .) Die Hauptfrage besteht in diesem Zusammenhang darin, wie das Wertgesetz im monopolistischen Kapitalismus wirkt." (60) Oelßner ge­rät mit dieser Position in einen Widerspruch zur ständig beschworenen Grundvoraussetzung, daß der Kapitalismus nicht mehr auf Grundlage seiner eigenen Gesetzmäßigkeiten funktioniert.

Die Auffassung Hilferdings, daß sich zwei Profitraten (monopoli­stischer und nicht- Sektor) herausbilden, hält Oelßner für falsch. Eine Monopoldurchschnittsprofitrate kann es nicht geben, da der Monopol­preis nicht eindeutig ökonomisch bestimmbar ist, sondern im wesent­lichen von politischen Faktoren abhängt. Der Monopolpreis bedeutet gerade keine weitere Entfaltung des Wertgesetzes über den Produktions­preis hinaus und stellt in dem Sinne keine ökonomische Kategorie wie der Wert oder der Produktionspreis dar. Das Wertgesetz besitzt nur noch in dem Sinne eine Funktion, daß es die ökonomischen Grenzen der Um­verteilung absteckt, da letztlich nichts umverteilt werden kann, was nicht bereits produziert worden ist. Der Monopolpreis kann in der Ten­denz nur Mehrwertabzüge des nichtmonopolisierten Sektors darstellen. Von dieser Annahme ausgehend ergibt sich aber ein Widerspruch in der Argumentation Oelßners, wenn er das Vorhandensein einer Durch­schnittsprofitrate für den nichtmonopolisierten Sektor konzediert. „In den Bereichen, in denen das Monopol noch nicht herrscht, werden die Preise weiterhin grundsätzlich durch den Wert bzw. den Produktions­preis bestimmt." (62) Wenn die Funktion der Monopole doch gerade darin besteht, sich durch Macht einen größeren Mehrwertanteil als ih­rem Kapitaleinsatz gemäß anzuzeigen, dann muß sich der wirkliche Preis des nichtmonopolistischen Sektors jeweils entsprechend dem Ab­zug unter dem Produktionspreis bewegen. Das bedeutet aber, daß trotz 'freier Konkurrenz' auch in diesem Sektor das Wertgesetz nicht mehr die Grundlage der Preisbewegung darstellt.

Oelßner scheint bei dieser Bestimmung auf folgende Aussage von Marx zu rekurrieren, obwohl er es nicht explizit ausführt. „Es würde nichts ändern, wenn Kapitale in bestimmten Produktionsphären aus irgendwelchen Gründen nicht dem Prozeß der Ausgleichung unterwor­fen würden. Der Durchschnittsprofit wäre dann berechnet auf den Teil des Gesellschaftskapitals, der in den Ausgleichungsprozeß eingeht." (63) Diese Aussage ist aber nur unter der Bedingung richtig, daß durch die Monopolbildung keine Mehrwertabzüge aus dem anderen Sektor stattfinden. Das wäre nur möglich, wenn in dem monopolistischen Pro­duktionsbereich eine niedrigere organische Zusammensetzung des Ka­pitals vorhanden wäre, so daß der Wert dieser Produkte über ihrem Pro­duktionspreis steht, was aber in den meisten Industriezweigen nicht der Fall ist. Praktische Bedeutung besitzt diese Bestimmung aber für das Eigentumsmonopol an Grund und Boden. Marx führt dies näher im „Kapital" für den Agrarsektor aus, wobei vorausgesetzt ist, daß hier die organische Zusammensetzung des Kapitals geringer ist als in der Indu­strie. „Ihr Monopol bestände darin, nicht wie andere Industrieprodukte, deren Wert über den allgemeinen Produktionspreis steht, zum Produk­tionspreis nivelliert zu werden." (64) Die absolute Grundrente macht die Differenz zwischen Wert und Produktionspreis aus, da der wirkliche Preis aufgrund des Monopols an Grund und Boden um den Marktwert und nicht um den Produktionspreis oszilliert. „Das Grundeigentum (...) hindert diese Ausgleichung für die im Boden angelegten Kapitale und fängt einen Teil des Mehrwerts ab, der sonst in die Ausgleichung zur allgemeinen Profitrate eingehen würde." (65)

Wichtig ist hier, daß kein Mehrwertabzug aus anderen Bereichen stattfindet, sondern ein Teil wird dem allgemeinen Prozeß der Ausglei­chung entzogen, der aber in diesem Sektor selbst produziert wurde. Da­durch wird in keiner Weise die Herausbildung einer Durchschnittspro­fitrate in den anderen Sektoren behindert. Es erscheint uns daher die Bestimmung von Varga gegenüber Oelßner sinnvoller. „Das Ergebnis des Nebeneinanderbestehens von Monopolen und unorganisierten ka­pitalistischen Unternehmen ist die Spaltung der Profitrate, die rein theo­retisch bei freier Konkurrenz für jedes Kapital tendenziell gleich ist, in Monopolprofitraten, die über der Durchschnittsprofitrate stehen, und deren Höhe von der Stärke des Monopols abhängt, und in Profitratender unorganisierten Kapitale, die unter der Durchschnittsprofitrate stehen " (66)

Von dieser theoretischen Ableitung her ist es notwendig, noch ein­mal die eingangs von Oelßner als selbstverständlich aufgestellte These aufzugreifen, daß das Wertgesetz allgemeine Gültigkeit für die kapitali­stische Produktionsweise besitzt. Nur die Form der Durchsetzung soll sich geändert haben. Was bedeutet aber das Wertgesetz noch inhaltlich, wenn für keine Preisbewegung der Wert oder der Produktionspreis die Grundlage der Bewegung darstellt? Bei Oelßner reduziert sich letztlich das Wertgesetz auf die banale Feststellung, daß die Grenzen des Mono­polpreises durch die gesamte Mehrwertsumme bestimmt sind. Damit wird aber nicht mehr die spezifische Art der Verteilung der Arbeit und der Produkte charakterisiert, sondern diese Aussage läuft auf den allge­meinen Tatbestand hinaus, der für jede gesellschaftliche Produktions­weise gilt, daß nicht mehr konsumiert und verteilt werden kann, was nicht bereits vorher produziert worden ist. Bei Marx bedeutet das Wert­gesetz jedoch weit mehr. „Es ist in der Tat das Gesetz des Werts, wie es sich geltend macht, nicht in Bezug auf die einzelnen Waren oder Arti­kel, sondern auf die jeweiligen Gesamtprodukte der besonderen, durch die Teilung der Arbeit verselbständigten gesellschaftlichen Produktions­sphären; so daß nicht nur auf jede einzelne Ware nur die notwendige Arbeitszeit verwandt ist, sondern daß von der gesellschaftlichen Gesamt­arbeit nur das nötige Quantum in den verschiedenen Gruppen verwandt ist." (67) Diese spezifische Art der Verteilung der gesellschaftlichen Ar­beit, die den Kapitalismus als eine bestimmte historische Produktions­weise charakterisiert, wird jedoch gerade durch die Herrschaft der Mo­nopole durchbrochen. Als richtige Konsequenz aus Oelßners Überlegun­gen würde dann aber folgen, daß die Wirkungsweise des Wertgesetzes für den Monopolkapitalismus aufgehoben ist.

Um dieser Konsequenz sich aber zu entziehen, führt Oelßner, wie schon oben erwähnt, eine rigide Trennung der Abstraktionsebenen zwi­schen der Wirkungsweise des Wertgesetzes und der Durchschnittsprofit­rate ein. Während das Wertgesetz als einziger Regulator für jede kapita­listische Warenproduktion gelten soll, ist die Form der Durchsetzung verschieden. Im Kapitalismus der freien Konkurrenz wirkt es nur vermit­telt über die Produktionspreise und die Durchschnittsprofitrate, während es im staatsmonopolistischen Kapitalismus mittels der Macht und Ge­walt der Monopole und des Staates durchgesetzt wird. Dieses willkürli­che Auseinanderreißen von Wertgesetz und Durchschnittsprofitrate wi­derspricht der logischen Struktur des Kapitals. Besonders deutlich wird dieses Verfahren in der Aussage von Hess: „Die (vormonopolistische) kapitalistische Produktionsweise hat also ein allgemeines objektives, auch quantifizierbares Ziel, nämlich den (Durchschnitts-) Profit." (68) Es ist aber falsch von einem gesamtgesellschaftlichen Ziel zu sprechen, sondern es existieren vielmehr nur die Ziele der einzelnen Kapitale, die jedoch nicht in der Erreichung der Durchschnittsprofitrate, sondern in der Erzielung eines maximalen Profits bestehen. Im Gegensatz zur Marktrate des Zinses, die trotz aller Schwankungen in jedem Moment als eine fixe Größe gegeben ist, „existiert die allgemeine Profitrate be­ständig nur als Tendenz, als Bewegung der Ausgleichung der besonderen Profitraten" (69), wobei sich die Ausgleichung nur „als nie festzustellen­der Durchschnitt ewiger Schwankungen" (70) durchsetzt. Sie kann of­fenbar nur ein Resultat sein, aber nicht der Ausgangspunkt, den sich das Einzelkapital als objektives Ziel setzt.

Für Marx stellt die Durchschnittsprofitrate keine empirisch faßba­re Oberflächenkategorie dar, sondern ist selbst ein Moment der Unter­suchung des Kapitals im Allgemeinen. Dem scheinen zunächst einige Formulierungen von Marx zu widersprechen, wenn er den Profit als eine verwandelte Form des Mehrwerts und damit auch als dessen Erschei­nungsform begreift. „Mehrwert und Rate des Mehrwerts sind relativ, das Unsichtbare und das zu erforschende Wesentliche, während Profit­rate und daher die Form des Mehrwerts als Profit sich auf der Ober-fläche der Erscheinungen zeigen." (71) Damit ist offensichtlich eine andere Stufe der Abstraktion in der Analyse von Marx miteinbezogen. Die Unterscheidung zwischen dem 3. Band des Kapitals und den bei­den vorangegangenen liegt aber nur in der Unterscheidung zwischen den einzelnen Kapitalien und dem Gesamtkapital. Insofern stellen auch Pro­duktionspreis und Durchschnittsprofitrate vermittelnde Kategorien des Wertgesetzes dar, aber nur insoweit sie vom Gesamtkapital ausgehend formbestimmend sind für die Bewegung der Einzelkapitale und das Be­wußtsein der beteiligten Agenten. Marx untersucht nur das Verhalten der Einzelkapitale in ihrem idealen Durchschnitt in Hinblick auf die Be­wegungsformen des Gesamtkapitals, was aber bedeutet, daß er die Ebe­ne des Kapitals im Allgemeinen nicht verläßt. Das Wertgesetz kann im Kapitalismus nur in der verkehrten Form der Durchschnittsprofitrate, als Aktion und Resultat der Einzelkapitale erscheinen.

Dadurch wer­den aber weder „die Bestimmung der Preise durch die Werte, noch die gesetzmäßigen Grenzen des Profits" (72) aufgehoben, sondern es än­dert sich nur die Verteilung des Profits, das jetzt anteilsmäßig im Ver­hältnis des vorgeschossenen Kapitals zum Gesamtkapital aufgeteilt wird.

Wertgesetz und Durchschnittsprofitrate stellen also eine begriffli­che Einheit auf der Ebene des Kapitals im Allgemeinen dar. Die Argu­mentationsweise der Stamokap-Theorie ist demnach falsch, wenn sie davon ausgeht, daß das Wertgesetz noch gilt, aber die Funktion der Durchschnittsprofitrate durch die Macht und Gewalt der Monopole er­setzt worden ist. Solange der Kapitalismus noch existiert, müssen bei­de Gesetzmäßigkeiten noch gelten. Die Aufgabe der Analyse würde vielmehr darin bestehen, im Gegensatz zum „Kapital", wo das reine Wirken der Gesetze vorausgesetzt wird, die Form der Durchsetzung der Tendenz zur Herausbildung der Durchschnittsprofitrate in der konkre­ten Akkumulationsbewegung des Kapitals herauszuarbeiten. Es müßte untersucht werden, ob in der konkreten Bewegung der Mobilität des Kapitals und der Arbeiterklasse, die die wesentlichen Bedingungen für die Herausbildung der Durchschnittsprofitrate darstellen, Hemmnisse entgegenstehen. Auf dieser konkreten Stufe müßte auch der Weltmarkt, nicht als ein äußerliches Verhältnis, sondern als integraler Bestandteil der Untersuchung miteinbezogen werden. Beim jetzigen Stand der Kon­kurrenz auf dem Weltmarkt und der teilweisen Integration der kapitali­stischen Staaten, besonders in Westeuropa in der Form der EWG, stellt sich die Frage, ob die Tendenz zur Herausbildung der Durchschnittspro­fitrate im nationalen Rahmen überhaupt noch möglich ist. Auch wenn man diese Frage verneint, würde das nicht bedeuten, daß das Kapital eine neue Qualität als Monopolkapital angenommen hat, sondern daß es in seiner wirklichen Bewegung eher in der Tendenz seinen Begriff, Kapital auf dem Weltmarkt zu sein, adäquat wird. (72a) Die Untersu­chung der Form der Durchsetzung der Durchschnittsprofitrate kann überhaupt nur die Frage berühren, inwieweit die empirischen Verhält­nisse aufgrund der Entwicklung der gesellschaftlichen Antagonismen ihrem Begriff entsprechen. Ob der Begriff selbst eine neue Qualität an­genommen hat, kann diese Analyse nicht beantworten.

Anmerkungen

34) F. Oelßner, Ein Beitrag zur Monopoltheorie, a.a.O., S. 14 (Hervorh. d. Verf.)
35)
F. Oelßner, a.a.O., S. 25
36)
F. Oelßner, a.a.O., S. 14 (Hervorh. d. Verf.)
37)
F. Oelßner, a.a.O., S. 16
38)
F. Oelßner, a.a.O., S. 21
39)
F. Oelßner, a.a.O., S. 23
40)
F. Oelßner, a.a.O., S. 21 (Hervorh. d. Verf.)
41)
Karl Marx, Grundrisse, S. 317
42)
F. Oelßner, a.a.O., S. 21
43)
Karl Marx, Grundrisse, S. 545
44)
Friedrich Engels, Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie, in: MEW Bd. 1, Berlin DDR 1970, S. 514
45)
F. Oelßner, a.a.O., S. 49 (Hervorh. d. Verf.)
46)
F. Oelßner, a.a.O., S. 22 f.
47) F. Oelßner, a.a.O., S. 68. Wir gehen hier nur auf die kürzere Definition von Oelßner ein, die zwar nach seinen eigenen Aussagen unvollständig ist, aber doch das wesentliche erfaßt.
48)
F. Oelßner, a.a.O., S. 69
49)
F. Oelßner, a.a.O., S. 89
50)
F. Oelßner, a.a.O., S. 89
51)
P. Hess, Die Monopolproblematik . . . , a.a.O., S. 23
52)
Vergl. Der Imperialismus der BRD, S. 172

53)
P. Hess, Monopoltheorie und Kapitalismuskritik, in: Institut für Marxistische Studien und Forschungen (Hrsg.), Ökonomische Theorie, politische Strategie und Gewerkschaf­ten, Frankfurt/Main 1971, S. 25
54)
P. Hess, a.a.O., S. 24
55)
P. Hess, a.a.O., S. 28
56)
P. Hess, Die Monopolproblematik . . . , a.a.O., S. 18
57)
Heininger/Hess, Zur Aktualität. . . , a.a.O., S. 26 „Die ökonomische Wirkung des Mono­pols besteht doch
u.a. darin, die fallende Profitrate nicht nnr durch die Masse des Profits, sondern durch Umverteilung des
gesamtgesellschaftlichen Mehrwerts zugunsten der Mo­nopole zu kompensieren und so das Gesetz des
Durchschnittsprofits zu durchbrechen, daß angesichts des Entwicklungsstandes der Produktivkräfte den
Anforderungen an die Kapitalakkumulation und -zentralisation nicht mehr genügt." Katja Nehls,
Kapitalexport und Kapitalverflechtung, Frankfurt/Main 1970, S. 142
58)
F. Oelßner, Ein Beitrag . . . , a.a.O., S. 73
59)
F. Oelßner, a.a.O., S. 69
60) F. Oelßner, a.a.O., S. 69
61)
entfällt

62)
F. Oelßner, a.a.O., S. 83
63) Karl Marx, Das Kapital Bd. III, S. 183
64) Karl Marx, a.a.O., S. 771
65) Karl Marx, a.a.O., S. 780
66) Eugen Varga, Die Krise des Kapitalismus und ihre politischen Folgen. Frankfurt/Main 1969, S. 14
67) Karl Marx, Das Kapital Bd. III, S. 648
68) P. Hess, Monopol, Rationalität und gleichgewichtiges Wachstum, in: Marxismus-Digest 2. Jg. (1971), Heft 3, S. 57 (Hervorh. d. Verf.)
69) Karl Marx, Das Kapital Bd. III, S. 379
70) Karl Marx, a.a.O., S. 171
71) Karl Marx, a.a.O., S. 53
72) Karl Marx, a.a.O., S. 867
72a) Vergl. Ch. Neusüß, Imperialismustheorie . . . , a.a.O., S. 225 ff.

Literatur

  • Heininger, Horst und Hess, Peter: Die Aktualität der Leninschen Imperialismus­kritik, Frankfurt/Main 1970
  • Hess, Peter: Die Monopolproblematik und der heutige Ka­pitalismus, in: DWI-Forschungshefte 5. Jg. (1970), Heft 1
  • Oelßner, Fred:  Ein Beitrag zur Monopoltheorie, in: Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (Hrsg.), Probleme der politischen Ökonomie Bd. 3, Berlin DDR 1960

Editorischer Hinweis:

Der Text ist ein Leseauszug aus: Joachim Schubert, Die Theorie des Staatsmonopolistischen Kapitalismus - Kritik der zentralen Aussagen, erschienen in: Mehrwert Nr. 4, Erlangen, 1973, S. 43-53