Frankreichs Freund lässt « wählen »
Der Potentat der Erdölrepublik Congo-Brazzavill lässt sich im Amt bestätigen

von Bernard Schmid

04/2016

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Die Spannung stieg Ende März in der Erdölrepublik Congo-Brazzaville – ihre nationale Bezeichnung lautet Republik Kongo, nicht zu verwechseln mit der benachbarten Demokratischen Republik Kongo. Dort wurde am Sonntag, den 20. März 2016 „gewählt“. Doch bestimmt niemand sah von außen oder von innen mit fiebriger Spannung zu, wie es – hach! - wohl ausgehen könnte. Und dies nicht nur, weil in diesem Falle vorgezeichnet sein dürfte, wer sich am Ende als Sieger präsentieren wird.

Vor allem auch waren, im Unterschied zu zahlreichen vergleichbaren Wahlgängen, keinerlei internationale Zuschauer/innen angereist. Denn weder die Europäische Union noch die Internationale Organisation französischsprachiger Staaten (OIF) noch die Vereinten Nationen entsandten Wahlbeobachter/innen. Dies ist bemerkenswert, denn auch in autokratisch regierten Staaten versuchen sonst die Regimes, zumindest den Schein demokratischer Urnengänge zu wahren; und die internationalen Organisationen, ihren Anspruch auf Überwachung und Einhaltung von Mindestspielregeln beizubehalten. Gleichzeitig war das ganze, rund 4,5 Millionen Einwohner/innen zählende Land zunächst für drei Tage von der Kommunikation mit der übrigen Welt abgeschnitten worden: Seit dem Wahlwochenende blockierte das Regime den Zugang zu Telekommunikation und sozialen Medien.

Niemand würden den Auszählern des Regimes also über die Schultern schauen, wenn die Ergebnisse vorbereitet und proklamiert werden. Oder fast niemand, denn eine schmale Delegation von 35 Beobachter/inne/n der Afrikanischen Union trat die Reise in das Land am Äquator an. Diese 35 Personen sollten nun theoretisch 5.400 Wahlbüros im Land kontrollieren. In der Praxis dürften sie es wohl gar nicht erst versuchen. Mit Spannung wurde also etwas anderes erwartet, nämlich, wie die Bevölkerung auf die offizielle Verkündung der Ergebnisse reagieren würde, sobald der amtierende Präsident Denis Sassou Nguesso – der formal für seine Nachfolge kandidierte – sich zum Sieger erklären hätte. Die Proteste gegen ein Verfassungsreferendum im Oktober 2015, eine Farce, bei der Sassou Nguesso die Amtszeitbeschränkung im bisherigen Verfassungstext aufheben ließ, forderten 46 Tote und über 60 Verletzte.

Trotz allem wurden bereits in der Nacht vom Montag zum Dienstag, den 22. März 16 erste Ergebnisse proklamiert, die auf internationaler Ebene durch die im ganzen französischsprachigen Afrika verbreitete und in Paris erscheinende Zeitschrift Jeune Afrique übernommen wurden, als handele es sich um glaubwürdige Zahlen. Sassou Nguesso erhielt demnach 61,4 Prozent der abgegebenen und bislang ausgezählten Stimmen. Gegen ihn traten mehrere Sparringspartner an, darunter sein ehemaliger Minister Guy Brice Parfait Kolélas – mit offiziell 16,2 Prozent -, aber auch der General Jean-Marie Michel Mokoko mit offiziell 13,3 Prozent.

Am Dienstag Abend (22.03.16) folgten dann offizielle Zahlen vom offiziellen „Endergebnis“, die wiederum über französische Medien verbreitet wurden. Sassou Nguesso erhielt demnach angeblich 67 Prozent der abgegebenen Stimmen. Erneut landete sein ehemaliger Minister Guy Brice Parfait Kolélas – offiziell an zweiter Stelle mit rund 14 %, sowie der General Jean-Marie Michel Mokoko auf dem dritten Platz.

Als einziger Bewerber dürfte Mokoko seine Rolle als „unabhängiger Kandidat“ relativ ernst genommen haben. Sein Wohnsitz wurde deswegen am Wochenende des 13./14. Februar 16 tagelang von starken Polizeikräften umzingelt, und am Tag vor der Wahl wurde er erneut zum Sitz der Sicherheitskräfte vorgeladen. Wie zu erwarten, verfügte er nicht über die Mittel, einen annähernd mit denen des „offiziellen Kandidaten“ vergleichbaren Wahlkampf zu führen. Sassou Nguesso verfügte nicht nur über alle Staatsmedien, sondern setzte während der Wahlkampagne auch Drohnen und Fesselballons ein, um das Publikum zu verblüffen. Am 05. März 16, zur Eröffnung der offiziellen Wahlkampfphase, ließ er dann die Panzer in zwei langen Kolonnen durch die Hauptstadt Brazzaville rollen.

Dass eine im französischsprachigen Afrika so bedeutende Publikation wie das Wochenmagazin Jeune Afrique die offiziellen Zahlen kritiklos übernimmt, ist jedoch nicht sonderlich rätselhaft. Dessen Herausgeber François Soudan ist mit einer Nichte des 72jährigen Potentaten Sassou Nguesso verheiratet und verkehrt in der Familie. Sein Agieren widerspiegelt allerdings auch die offizielle Politik Frankreichs, das Sassou Nguesso schon vor, aber vor allem nach dem Ende seiner vorgeblich pro-sowjetischen Periode in den 1970er Jahren immer wieder aktiv unterstützte. Der Autokrat regierte das Land 35 Jahre lang, nur von einer kurzen Oppositionszeit ab 1992 unterbrochen – an deren Ende er sich 1997/98 blutig zurück an die Macht putschte. Im Juni 1997 schrieb die französische Zeitung Le Monde offen, er werde dabei durch den französischen Ölkonzern ELF – inzwischen TOTAL – unterstützt, in dessen Hochhaus im Pariser Geschäftsviertel La Défense damals ein ständiger Stab zur Situation im Kongo eingerichtet war.

Noch heute hält Frankreich neben der ökonomischen auch eine enge militärische Kooperation mit dem Regime aufrecht. Erst 2015 wurde das neueste Abkommen über militärisch Zusammenarbeit mit Congo-Brazzaville abgeschlossen. Der französische Militärberater Eric Misserey arbeitet bei der Direktion der nationalen Gendarmerie, also der Militärpolizei des Landes. In einer Presseerklärung vom 17. März 16 forderte die französische Nichtregierungsorganisation Survie, die die französische Afrikapolitik kritisch begleitet, die sofortige Einstellung dieser militärischen Kooperation: Diese trage „zum Straflosigkeitsgefühl der kongolesischen Militärs und zur Terrorisierung der Bevölkerung“ bei.

Die US-Administration steht in etwas größerer Distanz zum Regime. Nachdem am Sonntag (20. März 16) vor Beginn der offiziellen Stimmenauszählung soziale Medien im Internet und die Handy-Kommunikation blockiert worden waren, forderten die USA offiziell die Aufhebung dieser Kommunikationssperre und „Transparenz“.

NACHTRÄGLICHE ANMERKUNG: Zur Stunde (01. April 16) hält die Kommunikationssperre weiterhin an, die Blockade der Kommunikation über Mobiltelefone oder soziale Netzwerke wurde erneut verhängt. Vier ehemalige Präsidentschaftskandidaten rufen mittlerweile gemeinsam zum massenhaften „zivilen Ungehorsam“ und zur Nichtanerkennung des „Wahl“ergebnisses auf. Erste Meldungen von vor Ort sprechen von massiven Festnahmen.

Editorische Hinweise
Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Er erschcien am 29. März 2016 gekürzt in der Tageszeitung ,Neues Deutschland’.