Die
Spannung stieg Ende März in der Erdölrepublik
Congo-Brazzaville – ihre nationale Bezeichnung lautet
Republik Kongo, nicht zu verwechseln mit der
benachbarten Demokratischen Republik Kongo. Dort wurde
am Sonntag, den 20. März 2016 „gewählt“. Doch bestimmt
niemand sah von außen
oder von innen mit fiebriger Spannung zu, wie es –
hach! - wohl ausgehen könnte. Und dies nicht nur, weil
in diesem Falle vorgezeichnet sein dürfte, wer sich am
Ende als Sieger präsentieren wird.
Vor
allem auch waren, im Unterschied zu zahlreichen
vergleichbaren Wahlgängen, keinerlei internationale
Zuschauer/innen angereist. Denn weder die Europäische
Union noch die Internationale Organisation
französischsprachiger Staaten (OIF) noch die Vereinten
Nationen entsandten Wahlbeobachter/innen. Dies ist
bemerkenswert, denn auch in autokratisch regierten
Staaten versuchen sonst die Regimes, zumindest den
Schein demokratischer Urnengänge zu wahren; und die
internationalen Organisationen, ihren Anspruch auf
Überwachung und Einhaltung von Mindestspielregeln
beizubehalten. Gleichzeitig war das ganze, rund 4,5
Millionen Einwohner/innen zählende Land zunächst für
drei Tage von der Kommunikation mit der übrigen Welt
abgeschnitten worden: Seit dem Wahlwochenende
blockierte das Regime den Zugang zu Telekommunikation
und sozialen Medien.
Niemand würden den Auszählern des Regimes also über die
Schultern schauen, wenn die Ergebnisse vorbereitet und
proklamiert werden. Oder fast niemand, denn eine
schmale Delegation von 35 Beobachter/inne/n der
Afrikanischen Union trat die Reise in das Land am
Äquator an. Diese 35 Personen sollten nun theoretisch
5.400 Wahlbüros im Land kontrollieren. In der Praxis
dürften sie es wohl gar nicht erst versuchen. Mit
Spannung wurde also etwas anderes erwartet, nämlich,
wie die Bevölkerung auf die offizielle Verkündung der
Ergebnisse reagieren würde, sobald der amtierende
Präsident Denis Sassou Nguesso – der formal für seine
Nachfolge kandidierte – sich zum Sieger erklären hätte.
Die Proteste gegen ein Verfassungsreferendum im Oktober
2015, eine Farce, bei der Sassou Nguesso die
Amtszeitbeschränkung im bisherigen Verfassungstext
aufheben ließ,
forderten 46 Tote und über 60 Verletzte.
Trotz
allem wurden bereits in der Nacht vom Montag zum
Dienstag, den 22. März 16 erste Ergebnisse proklamiert,
die auf internationaler Ebene durch die im ganzen
französischsprachigen Afrika verbreitete und in Paris
erscheinende Zeitschrift Jeune Afrique
übernommen wurden, als handele es sich um glaubwürdige
Zahlen. Sassou Nguesso erhielt demnach 61,4 Prozent der
abgegebenen und bislang ausgezählten Stimmen. Gegen ihn
traten mehrere Sparringspartner an, darunter sein
ehemaliger Minister Guy Brice Parfait Kolélas – mit
offiziell 16,2 Prozent -, aber auch der General
Jean-Marie Michel Mokoko mit offiziell 13,3 Prozent.
Am
Dienstag Abend (22.03.16) folgten dann offizielle
Zahlen vom offiziellen „Endergebnis“, die wiederum über
französische Medien verbreitet wurden. Sassou Nguesso
erhielt demnach angeblich 67 Prozent der abgegebenen
Stimmen. Erneut landete sein ehemaliger Minister Guy
Brice Parfait Kolélas – offiziell an zweiter Stelle mit
rund 14 %, sowie der General Jean-Marie Michel Mokoko
auf dem dritten Platz.
Als
einziger Bewerber dürfte Mokoko seine Rolle als
„unabhängiger Kandidat“ relativ ernst genommen haben.
Sein Wohnsitz wurde deswegen am Wochenende des 13./14.
Februar 16 tagelang von starken Polizeikräften
umzingelt, und am Tag vor der Wahl wurde er erneut zum
Sitz der Sicherheitskräfte vorgeladen. Wie zu erwarten,
verfügte er nicht über die Mittel, einen annähernd mit
denen des „offiziellen Kandidaten“ vergleichbaren
Wahlkampf zu führen. Sassou Nguesso verfügte nicht nur
über alle Staatsmedien, sondern setzte während der
Wahlkampagne auch Drohnen und Fesselballons ein, um das
Publikum zu verblüffen. Am 05. März 16, zur Eröffnung
der offiziellen Wahlkampfphase, ließ
er dann die Panzer in zwei langen Kolonnen durch die
Hauptstadt Brazzaville rollen.
Dass
eine im französischsprachigen Afrika so bedeutende
Publikation wie das Wochenmagazin Jeune Afrique
die offiziellen Zahlen kritiklos übernimmt, ist jedoch
nicht sonderlich rätselhaft. Dessen Herausgeber
François Soudan ist mit einer Nichte des 72jährigen
Potentaten Sassou Nguesso verheiratet und verkehrt in
der Familie. Sein Agieren widerspiegelt allerdings auch
die offizielle Politik Frankreichs, das Sassou Nguesso
schon vor, aber vor allem nach dem Ende seiner
vorgeblich pro-sowjetischen Periode in den 1970er
Jahren immer wieder aktiv unterstützte. Der Autokrat
regierte das Land 35 Jahre lang, nur von einer kurzen
Oppositionszeit ab 1992 unterbrochen – an deren Ende er
sich 1997/98 blutig zurück an die Macht putschte. Im
Juni 1997 schrieb die französische Zeitung Le
Monde offen, er werde dabei durch den
französischen Ölkonzern ELF – inzwischen TOTAL –
unterstützt, in dessen Hochhaus im Pariser
Geschäftsviertel La Défense damals ein ständiger Stab
zur Situation im Kongo eingerichtet war.
Noch
heute hält Frankreich neben der ökonomischen auch eine
enge militärische Kooperation mit dem Regime aufrecht.
Erst 2015 wurde das neueste Abkommen über militärisch
Zusammenarbeit mit Congo-Brazzaville abgeschlossen. Der
französische Militärberater Eric Misserey arbeitet bei
der Direktion der nationalen Gendarmerie, also der
Militärpolizei des Landes. In einer Presseerklärung vom
17. März 16 forderte die französische
Nichtregierungsorganisation Survie, die
die französische Afrikapolitik kritisch begleitet, die
sofortige Einstellung dieser militärischen Kooperation:
Diese trage „zum Straflosigkeitsgefühl der
kongolesischen Militärs und zur Terrorisierung der
Bevölkerung“ bei.
Die
US-Administration steht in etwas größerer
Distanz zum Regime. Nachdem am Sonntag (20. März 16)
vor Beginn der offiziellen Stimmenauszählung soziale
Medien im Internet und die Handy-Kommunikation
blockiert worden waren, forderten die USA offiziell die
Aufhebung dieser Kommunikationssperre und
„Transparenz“.
NACHTRÄGLICHE ANMERKUNG: Zur Stunde (01. April
16) hält die Kommunikationssperre weiterhin an, die
Blockade der Kommunikation über Mobiltelefone oder
soziale Netzwerke wurde erneut verhängt. Vier ehemalige
Präsidentschaftskandidaten rufen mittlerweile gemeinsam
zum massenhaften „zivilen Ungehorsam“ und zur
Nichtanerkennung des „Wahl“ergebnisses auf. Erste
Meldungen von vor Ort sprechen von massiven Festnahmen.
Editorische Hinweise
Den Artikel
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Er
erschcien am 29. März 2016 gekürzt in der
Tageszeitung ,Neues Deutschland’.
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