Sonntag, 24. April 2016 08:26
Am Samstag den 23. April besuchte ich
den politischen Gefangenen Kushtrim Avdimetaj im Dorf
Strellcë, welches zur Gemeinde Deçan, in Kosova
gehört. Kushtrim Avdimetaj war aus politischen Gründen
ein Monat in Kosova im Gefängnis und befindet sich
derzeit im Hausarrest in seinem Dorf. Kushtrim ist
links orientiert, Aktivist von VV und Mitarbeiter des
Vereins " Verantwortung für Flüchtlinge" aus Leipzig.
Kushtrim ( auf deutsch heißt Kushtrim - Wer
hat Mut-) unterstützt vor Ort Aktionen
zugunsten der Roma in Fushe Kosova. Er studiert
Englisch und „Politische Wissenschaften“ an der
Universität in Prishtina. Kushtrim tritt für soziale
Gleichheit in Kosova ein und kämpft gegen die ethnische
Teilung Kosovar als Mitglied der „ Bewegung für
Selbstbestimmung“ VV.
Max Brym:
Herr Avdimetaj,
warum waren Sie im Gefängnis und stehen jetzt unter
Hausarrest?
Kushtrim Avdimetaj: Am 14 März saß ich
in einem Café in der Nähe des Büros von VV in
Prishtina. Plötzlich erschienen gegen 9 Uhr 30
drei
Zivilpolizisten und nahmen mich fest. Draußen wartete
ein Polizeiwagen mit 4 Polizisten sie steckten mich in
das Fahrzeug und brachten mich in die Polizeistation in
der Nähe der „Schweizer Botschaft“. Bei der Verhaftung
leistete ich keinerlei Widerstand. In der Station wurde
ich erkennungsdienstlich behandelt, Sie durchsuchten
meine Taschen fanden aber nur linke Bücher, sowie eine
Spraydose zur Beschriftung von Plakaten. Die Polizisten
erklärten: „Es bestünde der Verdacht, dass ich
Molotowcocktails auf den Regierungssitz am 24. Februar,
dem Tag als Hashim Thaci illegal zum Präsidenten
gemacht wurde, geworfen hätte.
Max Brym: Kamen Sie vor Gericht,
hatte der Staatsanwalt irgendwelche Belege oder Beweise?
Kushtrim Avdimetaj: Zuerst verbrachte
man mich dann nach einigen Stunden in die zentrale
Polizeistation in Prishtina. Dort wurde ich von zwei
Polizisten verhört. Die Vorwürfe waren absurd und ich
sagte nichts. Anschließend ging es zum Gericht in
Prishtina, Selbst der Staatsanwalt musste erklären,
dass er keine Fotos und Zeugen hätte. Der Staatsanwalt
hatte nicht den geringsten Beweis.
Max Brym: Warum kamen Sie dann für einen
Monat ins Gefängnis und stehen jetzt bis zum 14. Mai
unter Hausarrest?
Kushtrim Avdimetaj: Das Urteil war absurd
und eindeutig politisch motiviert. Begründet wurde die
Haft mit einem Bild was mich in einem Auto zeigte und
sonst nichts. Das Gericht behauptete einfach ich würde
das Auto benutzen um Molotowckocktails zu
transportieren. Ich wurde sozusagen in
Sicherheitsverwahrung genommen. Das Ganze ohne Beweise
und nur mit Vermutungen begründet, Diese Aktion war
politisch inspiriert und von Oben angeordnet.
Max Brym: Was meinen Sie damit konkret?
Kushtrim Avdimetaj: Ministerpräsident Isa
Mustafa beschwerte sich nach dem 24. Februar darüber,
dass niemand verhaftet wurde. Konkret bejammerte er,
dass es auch vor seinem Privathaus zu Protesten kam.
Also wurden viele Menschen durch die Anordnung der
Regierung verhaftet nicht nur ich sondern auch
Parlamentsabgeordnete. Es gibt in Kosova keinerlei
unabhängige Justitz. Die Polizei wurde zum
terroristischen Instrument einer Regierung mit immer
deutlicheren faschistoiden Zügen. Jederzeit kann ein
Aktivist auf der Straße verhaftet werden. Jede Art von
linker Opposition wird von einer Regierung unterdrückt
welche sich selbst als Koalition der „rechten Mitte“
bezeichnet. Es werden aber immer deutlicher die
totalitären antidemokratischen Züge dieses Regimes. Die
Regierung will die Opposition kriminalisieren.
Rechtsstaatlichkeit existiert nur auf dem Papier.
Max Brym: Hatten Sie einen Rechtsanwalt?
Kushtrim Avdimetaj: Mir wurde ein
Pflichtverteidiger gestellt. Ich war im Gefängnis in
Lipjan. Allerdings lehne ich es ab mich gegen die
politisch motivierten Konstrukte verteidigen zu lassen.
Max Brym: Sie sind Aktivist von VV. In
einigen deutschen Zeitungen wird die „Bewegung für
Selbstbestimmung“ als nationalistisch dargestellt. Was
sagen Sie dazu?
Kushtrim Avdimetaj: Wir sind eine linke
politische Bewegung. Poltisch rechts ist die
kosovarische Regierung. Wir kämpfen gegen die
Massenarmut in Kosova. Wir kämpfen gegen den
neoliberalen Privatisierungsprozess. Wir kämpfen gegen
die ausgesprochen korrupte politische Kaste in Kosova.
Wir sprechen den Herrschenden jegliche Legitimität ab.
Diese Leute benutzen den Staat, um sich enorm zu
bereichern.
Max Brym:
Es wird aber behauptet, sie
würden gegen Serben und Roma sein.
Kushtrim Avdimetaj: Das ist absoluter
Quatsch. Wir bekämpfen den chauvinistischen serbischen
Staat, welcher gegenwärtig Kosova, so wie Bosnien
ethnisch teilen will. Dadurch wird der nationale
Gegensatz zementiert und jede wirtschaftliche
Entwicklung unterbunden. Wir wollen mit den Serben und
Roma in Kosova sprechen weil uns mit diesen Menschen
objektiv mehr verbindet als mit den reichen Leuten in
Kosova. Albin Kurti betont immer wieder, „dass die
einfachen Menschen in Kosova unabhängig von ihrer
Nationalität gemeinsame Interessen haben“. Wir
bekämpfen den serbischen Staat, nicht Serben oder gar
Roma in Kosova. Wir sind eine linke patriotische
Bewegung gegen den offensiven serbischen Hegemonismus,
welcher Kosova und dessen Selbstbestimmungsrecht nicht
akzeptiert. Wir vertreten das Selbstbestimmungsrecht
auch gegen andere imperiale Staaten. Wir stehen für
soziale Gleichheit, für eine linke Politik im Interesse
der einfachen Menschen. Wir treten für die Gleichheit
aller Menschen in Kosova ein. Ein positives Beispiel
ist das friedliche Zusammenleben von Albanern und Roma
in der Stadt Gjakova . Ich persönlich unterstütze das
Anliegen der Roma in Fushe Kosova, welche dort durch
die PDK-LDK Mehrheit im Rathaus diskriminiert werden.
Max Brym: Herr Avdimetaj, ich danke Ihnen
für das Gespräch.

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