Driton Çaushi Ist
stellvertretender Vorsitzender der „Bewegung für
Selbstbestimmung“ VV in Kosova. Am
20.April gab Driton Çaushi dem
Herausgeber von Kosova-Aktuell Max Brym ein
Interview, in Prishtina zur Lage in Kosova. Das
Gespräch fand im Büro von VV statt. Driton Çaushi ist
Dr. der Veterinärmedizin und studierte in Berlin.
Sein Vater war ein angesehener Professor in Kosova
und wurde in den neunziger
Jahren von serbischen Paramilitärs ermordet.
Max Brym:
Herr Çaushi wie würden sie den politischen Charakter
sowie die programmatische Zielsetzung der „Bewegung für
Selbstbestimmung“ VV beschreiben.
Driton Çaushi:-
Wir definieren uns als linke politische Kraft und
orientieren uns an den Werten sozialdemokratischer
Politik.
Max Brym:
Was heißt das eigentlich, orientieren sie sich etwa an
den durch aus gegebenen neoliberalen Praktiken von New
Labour ?
Driton Çaushi:
Nein wir beziehen uns auf die klassischen
sozialdemokratischen Werte aus dem vergangenen
Jahrhundert. Auf die klassischen Werte und Prinzipien
der Arbeiterbewegung.
Max Brym:
Was heißt das bitte konkret?
Driton Çaushi:
Wir lehnen den brutalen Privatisierungsprozess in
Kosovo entschieden ab. Das Dogma, dass die
Privatisierung alles richten wird ist grundsätzlich
falsch. In Kosova verloren rund 77.000 Arbeiter und
Arbeiterinnen durch diesen Prozess ihre Arbeitsplätze.
Die korrupte politische Kaste in Kosova verscheuerte
rentabel Betriebe an bestimmte Investoren zum
Billigpreis. In diesem Rahmen bereicherten sie sich
selbst. Die regierende Kaste legt keinerlei Wert auf
soziale Rechte und soziale Standards. Der gegebene
Privatisierungsprozess zerstörte weitgehend die
Ökonomie des Landes. Viele Menschen leben in Not und
Verzweiflung Das Elend nimmt immer krassere Formen an.
Dagegen haben wir eine grundsätzliche politische
Alternative entwickelt . Wir wollen vor allem den
Rohstoffreichtum des Landes im gesellschaftlichen
Eigentum behalten und eine eigene Produktion
entwickeln. Die Menschen benötigen soziale Sicherheit,
sowie eine Perspektive. Dem entgegen steht eine selbst
bezogene politische Kaste, welche nur ihre
individuellen Interessen berücksichtigt. Sie setzt den
uns aufgezwungenen neoliberalen Privatisierungsprozess
brutal um.
Max Brym:
Gibt es Widerstand gegen die Vernichtung von
Arbeitsplätzen, sowie gegen die meist nicht gezahlten
Abfindungen durch die entlassenen Arbeiter? Laut Gesetz
gehören doch 25 % der Betriebsvermögen den Arbeitern.
Driton Çaushi:
Wo es Unterdrückung und Ausbeutung gibt, gibt es
selbstverständlich auch Widerstand. Vor dem Parlament
kampierten zum Beispiel entlassene Arbeiter aus einer
privatisierten Fabrik in Ferizaj . Die entlassenen
Arbeiter protestierten mehr als zwei Jahre in einem
Zelt vor dem Parlament. Der Protest wurde schlicht
ignoriert, nur hin und wieder kurz vor bestimmten
Wahlen gab es leere Versprechungen durch die
regierenden Politiker. Immer wieder kommt es in ganz
Kosova zu verschiedensten Protestaktionen gegen den
Abbau von Arbeitsplätzen, gegen Preissteigerungen und
für soziale Rechte. Wir geben diesen Protesten eine
politische Stimme und sind der Meinung, dass die
Probleme der breiten Massen nur gelöst werden können
wenn die vorhandene Regierung gestürzt wird. Es geht
darum den neoliberalen Privatisierungsprozess zu
beenden. Gegenwärtig werden die Arbeiter in der vor
Jahren privatisierten Fabrik „Ferronikel“ in Drenas,
kaum oder nur unregelmäßig bezahlt. Die
Privateigentümer behaupten einfach dies sei so wegen
des gesunkenen Nickelpreises auf dem Weltmarkt
Letzteres wird einfach erklärt und die Arbeiter
erhalten nur noch bedingt Lohn.
Max Brym:
Wie gedenken Sie die Probleme mit Serbien anzugehen?
Wie stehen Sie zu den Verhandlungen mit Serbien?
Welches Verhältnis haben Sie zu den in Kosova lebenden
Serben? In der westlichen Presse wird ihre Organisation
meist als nationalistisch darstellt. Vertreten Sie eine
nationalistische Partei?
Driton Çaushi:
Wir haben nichts gegen Serben, Roma Türken und andere
Nationalitäten in Kosova. Ganz im Gegenteil, wir sind
der Meinung dass wir gemeinsam leben und in absoluter
Gleichberechtigung zusammenleben müssen. Aus diesem
Grund wollen wir auch vor allen Dingen mit den Serben
in Kosova sprechen. Dass ist allerdings etwas völlig
anderes als die negativen Verhandlungen mit der
serbischen Regierung, welche die Regierung Kosovas
führt. Dabei werden inakzeptable Abkommen
unterzeichnet. Das letzte Abkommen „ Zajdnica“ teilt
Kosova endgültig auf ethnischer Basis. Knapp 25 % des
Landes werden serbischen Parallelstrukturen
unterstellt, welche direkt unter dem Befehl Belgrads
stehen . Die ethnische Teilung Kosovas schafft ein
zweites Bosnien auf dem Balkan. Dadurch wird auch
jegliche wirtschaftliche Entwicklung unterbunden, sowie
der nationale Konflikt am Leben gehalten. Wir wollen
diesen Konflikt beseitigen und den hier lebenden Serben
in Kosova auf der Basis der Gleichheit eine Perspektive
anbieten . Wer uns Nationalismus unterstellt hat von
der realen Situation im Kosova keine Ahnung. Bei keinem
unserer Proteste, gegen das neue Abkommen mit Serbien
findet man Parolen gegen die in Kosova lebenden Serben
oder Roma. Wir wollen nur ein zweites Bosnien auf dem
Balkan verhindern. Dies ist ein demokratisch
legitimiertes Verhalten, mit dem Ziel den nationalen
Konflikt zu beenden und für alle
eine soziale und ökonomische Perspektive anzubieten.
Max Brym:
Sie stehen in grundsätzlicher Opposition zur
gegenwärtigen Regierung. Was werfen sie der
kosovarischen Regierung außer Nepotismus und
Kollaboration mit der serbischen Machthabern noch vor?
Driton Çaushi:
Die Regierung hat sämtliche Organe des Staates
usurpiert. Es gibt keinerlei unabhängige Justiz, die
Polizei setzt massiv Gewalt gegen Demonstranten und
politisch oppositionelle Menschen ein. Immer mehr
Menschen laufen Gefahr den gegenwärtigen
Verhaftungswellen zum Opfer zu fallen oder gar
abgeschoben zu werden. Die gegenwärtige Regelung
versucht ein totalitäres Regime mit faschistoiden Zügen
zu installieren. Damit werden sie allerdings keinen
Erfolg haben. Die Bereitschaft zum Widerstand ist nach
wie vor sehr groß . Auch die Spaltungsversuche der
oppositionelle Bewegung, durch die Regierung und ihre
parteieigenen Geheimdiensten werden letztendlich
scheitern.
Max Brym:
Vielen Dank für das Gespräch Herr Çaushi.

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