Kommentare zum Zeitgeschehen

Pressemitteilung von Christine Buchholz
"
Der Islamhass der AfD vergiftet das gesellschaftliche Klima"

kommentiert von Anton Holberg

04/2016

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Der Stellungsnahme von Christine Buchholz, der religionspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zu den islamfeindlichen Äußerungen und Plänen der AfD-Führer B.v.Storch und A.Gauland ist grundsätzlich richtig. Aber sie ist leider wieder einmal unzureichend. Das Wesen des (Rechts-)populismus besteht ja gerade darin, systematisch Richtiges  mit Falschem zu vermischen.
Indem man aber auf das möglicherweise Richtige gar nicht eingeht, um stattdessen nur das definiv Falsche zu bekämpfen, macht man sich bei denen, die sich an den richtigerweise kritisierten Dingen stören, unglaubwürdig.

So entnehme ich beispielsweise dem "Generalanzeiger für Bonn und Umgebung" v. 18.4, dass Frau Storch bzw.  die AfD Minarette verbieten will und ebenso die Vollverschleierung. Ebenso wolle die AfD "den Wildwuchs von islamischen Religionslehrern und Koranschulen, die privat finanziert werden" stutzen. Gauland betonte, dass es Kontrolle geben müsse, wer das finanziert und wer dort lehrt. Das gelte  vorallem für Moscheen, in denen Imame aus Saudi-Arabien predigten und die von dort auch bezahlt würden. Diese Konkretisierungen stehen im Zusammenhang mit seiner generellen Behauptung, neben der fundamentalistischen Ausrichtung  (im GA offensichtlich fehlerhaft als "fundamentale" bezeichnet) des Islams gebe es keinen aufgeklärten Islam, der mit der freiheitlich-demokrtischen Grundordnung vereinbar sei.

Wahr ist nun, dass es "den" Islam ebenso wenig wie "das" Christentum gibt. Wäre das anders, gäbe es nicht über 70 verschiedene islamische Richtungen und "Takfiris", d.h. sich als Muslime verstehende Menschen, die anders denkende Muslime als "Ungläubige" (Kufar)  bezeichnen (eine Geisteshaltung, die auch aus der Geschichte des Christentums bekannt ist). Und so gibt es natürlich auch Millionen von muslimischen Gläubigen, deren Vorstellungen sich durchaus mit der "freiheitlich-demokratschen Grundordnung" vertragen. Ein Beispiel etwa ist die mehrere Millionen Anhänger zählende Ahmidiya Gemeinschaft, die z.B. ausdrücklich mit Berufung auf Koran-Verse jegliche gewaltsame Unterdrückung aus religiösen Gründen und dementsprechend  die gewaltsame Verbreitung einer jedwelchen Religion ablehnt. Dass z.B. die Ahmediya von der Mehrheit der übrigen islamischen Richtungen als "unislamisch" bezeichnet wird (u.a. weil sie den Propheten Muhammad nicht für  den letzten von Gott entsandten Propheten hält), kann für den neutrale Beobachter kein Grund sein,  sie nicht unter den Begriff "islamisch" zu subsummieren. Hinzu kommen z.B. die ebenfalls in die Millionen zählenden Anhänger islamischer Mystik oder die Aleviten aus der Türkei.  Die Haltung der AfD in dieser Frage ist unzweifelhaft ebenso falsch wie grundgesetzwidrig. Das gilt auch für das angestrebte Verbot von Minaretten, deren Existenz niemandem zum Nachteil gereicht und die nichts anderes aussagen als "hier steht eine Moschee", die das Gebetshaus für Muslime ist, für die o.a. gilt. Ob vom Minaret herab fünfmal am Tag der Aufruf zum Gebet erschallen sollte, ist zumindest (wie  auch im Fall des Glockengeläutes christlicher Kirchen) spätestens seit der Erfindung der Armbanduhr fraglich. Etwas anderes allerdings ist es mit der Frage der "Vollverschleierung". Wenn darunter verstanden wird, dass etwa in Form von Niqab oder Burqa das Gesicht der Trägerin unkennlich gemacht wird, dann handelt es sich zweifellos um einen Verstoß gegen das geltende "Vermummungsverbot", das für jedermann unabhängig von religiöser und/oder ethnischer/nationaler Zugehörigkeit gilt. Und in der Tat ist diese  Art unter bestimmten Muslimen verbreitete Folklore  (um etwas anderes handelt es sich nicht, denn sie wird nicht einmal im Koran vorgeschrieben) ein Symbol für die Unwilligkeit, sich in eine Gesellschaft zu integrieren, d.h. von Gleich zu Gleich zu kommunizieren, in der diese Sitte nicht gepflegt wird. Entsprechend ist auch die emotionale Reaktion fast aller Nicht-Muslime, wenn nicht gar eines Großteils der Muslime in Ländern, die diese Sitte nicht kennen bzw. bis vor relativ kurzer Zeit kannten. Wenn hingegen festgestellt wird, dass von Saudi-Arabien finanzierte Moscheen und ihre Imame kaum grundgesetzkompatibel sein dürften, ist das eher richtig als  falsch. Saudi-Arabien unterscheidet nicht zwischen (islamischer) Religion und Staat. Es verfügt über keine Verfassung außer dem Koran, der von der herrschenden sunnitischen Rechtsschule des Hanbalismus in reaktionärster  und undemokratischster Art interpretiert wird. Dass es in Saudi Arabien verboten ist, offen nicht-muslimische Religionen zu praktizieren und dementsprechend z.B. Kirchen zu bauen, könnte durchaus als Begründung dienen, saudisch finanzierte und geführte religiöse Einrichtungen hierzulande nicht zu erlauben. Es darf aber nicht vergesen werden, dass es sich hier keineswegs um eine Position "des" Islams handelt. Die Existenz einer Vielzahl von Kirchen oder auch Synagogen in verschiedenen islamischen Ländern seit Bestehen sich als "islamisch" definierender Staaten ist dafür ausreichender  Beweis und das trotz der nicht zu bestreitenden Einschränkungen, die in diese Hinsicht von einer Reihe von Staaten vorgenommen werden, in denen der Islam "Staatsreligion" ist (wie übrigens das grechisch-orthodoxe Christentum auch immer noch Staatsreligion im Griechenland unter der Regierung von Syriza ist).

Es ist überhaupt nicht schwer, aufzuzeigen, dass die AfD eine reaktionäre fremdenfeindliche und daher insbesondere gegen den (fälschlicherweise) in alter christlicher Tradition als besonders fremd und feindlich betrachteten Islam gerichtete Kraft ist. Man neutralisiert sich aber im Kampf gegen die AfD selbst, wenn man sich der Diskussion um von ihr, wenn auch aus falschen Gründen, thematisierten Phänomene verweigert.
 

Quelle: Zusendung vom Autor am 24.4.2016

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