Der
Stellungsnahme von Christine Buchholz, der
religionspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, zu
den islamfeindlichen Äußerungen und Plänen der AfD-Führer
B.v.Storch und A.Gauland ist grundsätzlich richtig. Aber
sie ist leider wieder einmal unzureichend. Das Wesen des
(Rechts-)populismus besteht ja gerade darin, systematisch
Richtiges mit Falschem zu vermischen.
Indem man aber auf das möglicherweise Richtige gar nicht
eingeht, um stattdessen nur das definiv Falsche zu
bekämpfen, macht man sich bei denen, die sich an den
richtigerweise kritisierten Dingen stören, unglaubwürdig.
So entnehme ich
beispielsweise dem "Generalanzeiger für Bonn und Umgebung"
v. 18.4, dass Frau Storch bzw. die AfD Minarette verbieten
will und ebenso die Vollverschleierung. Ebenso wolle die
AfD "den Wildwuchs von islamischen Religionslehrern und
Koranschulen, die privat finanziert werden" stutzen.
Gauland betonte, dass es Kontrolle geben müsse, wer das
finanziert und wer dort lehrt. Das gelte vorallem für
Moscheen, in denen Imame aus Saudi-Arabien predigten und
die von dort auch bezahlt würden. Diese Konkretisierungen
stehen im Zusammenhang mit seiner generellen Behauptung,
neben der fundamentalistischen Ausrichtung (im GA
offensichtlich fehlerhaft als "fundamentale" bezeichnet)
des Islams gebe es keinen aufgeklärten Islam, der mit der
freiheitlich-demokrtischen Grundordnung vereinbar sei.
Wahr ist nun,
dass es "den" Islam ebenso wenig wie "das" Christentum
gibt. Wäre das anders, gäbe es nicht über 70 verschiedene
islamische Richtungen und "Takfiris", d.h. sich als Muslime
verstehende Menschen, die anders denkende Muslime als
"Ungläubige" (Kufar) bezeichnen (eine Geisteshaltung, die
auch aus der Geschichte des Christentums bekannt ist). Und
so gibt es natürlich auch Millionen von muslimischen
Gläubigen, deren Vorstellungen sich durchaus mit der
"freiheitlich-demokratschen Grundordnung" vertragen. Ein
Beispiel etwa ist die mehrere Millionen Anhänger zählende
Ahmidiya Gemeinschaft, die z.B. ausdrücklich mit Berufung
auf Koran-Verse jegliche gewaltsame Unterdrückung aus
religiösen Gründen und dementsprechend die gewaltsame
Verbreitung einer jedwelchen Religion ablehnt. Dass z.B.
die Ahmediya von der Mehrheit der übrigen islamischen
Richtungen als "unislamisch" bezeichnet wird (u.a. weil sie
den Propheten Muhammad nicht für den letzten von Gott
entsandten Propheten hält), kann für den neutrale
Beobachter kein Grund sein, sie nicht unter den Begriff
"islamisch" zu subsummieren. Hinzu kommen z.B. die
ebenfalls in die Millionen zählenden Anhänger islamischer
Mystik oder die Aleviten aus der Türkei. Die Haltung der
AfD in dieser Frage ist unzweifelhaft ebenso falsch wie
grundgesetzwidrig. Das gilt auch für das angestrebte Verbot
von Minaretten, deren Existenz niemandem zum Nachteil
gereicht und die nichts anderes aussagen als "hier steht
eine Moschee", die das Gebetshaus für Muslime ist, für die
o.a. gilt. Ob vom Minaret herab fünfmal am Tag der Aufruf
zum Gebet erschallen sollte, ist zumindest (wie auch im
Fall des Glockengeläutes christlicher Kirchen) spätestens
seit der Erfindung der Armbanduhr fraglich. Etwas anderes
allerdings ist es mit der Frage der "Vollverschleierung".
Wenn darunter verstanden wird, dass etwa in Form von Niqab
oder Burqa das Gesicht der Trägerin unkennlich gemacht
wird, dann handelt es sich zweifellos um einen Verstoß
gegen das geltende "Vermummungsverbot", das für jedermann
unabhängig von religiöser und/oder ethnischer/nationaler
Zugehörigkeit gilt. Und in der Tat ist diese Art unter
bestimmten Muslimen verbreitete Folklore (um etwas anderes
handelt es sich nicht, denn sie wird nicht einmal im Koran
vorgeschrieben) ein Symbol für die Unwilligkeit, sich in
eine Gesellschaft zu integrieren, d.h. von Gleich zu Gleich
zu kommunizieren, in der diese Sitte nicht gepflegt wird.
Entsprechend ist auch die emotionale Reaktion fast aller
Nicht-Muslime, wenn nicht gar eines Großteils der Muslime
in Ländern, die diese Sitte nicht kennen bzw. bis vor
relativ kurzer Zeit kannten. Wenn hingegen festgestellt
wird, dass von Saudi-Arabien finanzierte Moscheen und ihre
Imame kaum grundgesetzkompatibel sein dürften, ist das eher
richtig als falsch. Saudi-Arabien unterscheidet nicht
zwischen (islamischer) Religion und Staat. Es verfügt über
keine Verfassung außer dem Koran, der von der herrschenden
sunnitischen Rechtsschule des Hanbalismus in
reaktionärster und undemokratischster Art interpretiert
wird. Dass es in Saudi Arabien verboten ist, offen
nicht-muslimische Religionen zu praktizieren und
dementsprechend z.B. Kirchen zu bauen, könnte durchaus als
Begründung dienen, saudisch finanzierte und geführte
religiöse Einrichtungen hierzulande nicht zu erlauben. Es
darf aber nicht vergesen werden, dass es sich hier
keineswegs um eine Position "des" Islams handelt. Die
Existenz einer Vielzahl von Kirchen oder auch Synagogen in
verschiedenen islamischen Ländern seit Bestehen sich als
"islamisch" definierender Staaten ist dafür ausreichender
Beweis und das trotz der nicht zu bestreitenden
Einschränkungen, die in diese Hinsicht von einer Reihe von
Staaten vorgenommen werden, in denen der Islam
"Staatsreligion" ist (wie übrigens das grechisch-orthodoxe
Christentum auch immer noch Staatsreligion im Griechenland
unter der Regierung von Syriza ist).
Es ist
überhaupt nicht schwer, aufzuzeigen, dass die AfD eine
reaktionäre fremdenfeindliche und daher insbesondere gegen
den (fälschlicherweise) in alter christlicher Tradition als
besonders fremd und feindlich betrachteten Islam gerichtete
Kraft ist. Man neutralisiert sich aber im Kampf gegen die
AfD selbst, wenn man sich der Diskussion um von ihr, wenn
auch aus falschen Gründen, thematisierten Phänomene
verweigert.
Quelle:
Zusendung vom Autor am 24.4.2016
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