Betrieb & Gewerkschaft
40-zu-1-Betreuung mit psychisch Erkrankten?
Ein Bericht von der Überlastung als Ergotherapeutin und Gegenwehr

von Lea / Gießen

04/2017

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Ich bin gelernte Ergotherapeutin und bin in einem Wohnheim für betreutes Wohnen mit 40 Menschen mit psychischen Erkrankungen als Betreuungsfachkraft eingestellt.

In dem Tag-Team, indem ich arbeite, arbeiten wir im Zweischichtsystem, die dritte Schicht, also die Nacht, übernehmen StudentInnen. Am Wochenende muss natürlich auch gearbeitet werden. Anfangs hieß es noch, dass jeder von uns nur alle 7 Wochen dran ist mit dem Wochenend-Dienst, dann wurde es alle 4 Wochen und heute ist auch das nicht mehr der Regelfall. Durch Unterbesetzung und vermehrte Krankheitsausfälle mussten wir häufiger ran. Am Wochenende – und auch immer häufiger unter der Woche – war man allein im Dienst – mit 40 BewohnerInnen.

Diensthandys aus!

Ich redete mit meinen KollegInnen darüber und bemerkte, dass ich mit meiner Empörung nicht allein war. Wir waren alle nur noch gestresst, wussten aber nicht was wir tun sollten.
Normal war es auch, dass wir unser Diensthandy in unserer Freizeit an hatten und auch immer wieder darüber kontaktiert wurden, obwohl wir keine Rufbereitschaft hatten.
Als mir dann von meiner Teamleiterin gesagt worden war, ich solle bitte mein Diensthandy im Urlaub anlassen, um im Notfall zurück in den Dienst kommen zu können, suchte ich das Gespräch mit meinen KollegInnen. Wir verabredeten uns privat, um über die Dinge zu sprechen.

An dem Abend kotzen wir uns alle erstmal über diese Probleme aus. Meine Kollegin und ich haben uns entschieden die Diensthandys gepflegt auszumachen und auch nirgends mit hin zu nehmen.

Wir wurden von unseren KollegInnen unterstützt und wir kamen generell zu dem Schluss, dass wir das Diensthandy nach Arbeitsschluss immer aus machen.

Diese Entscheidung fühlte sich gut an, weil sich das ganze Team einig war und wir uns gegenseitig unterstützt haben.

Überlastungsanzeige ist raus!

Doch unsere Situation, dass wir chronisch unterbesetzt waren löste sich damit natürlich nicht. Wir trafen uns erneut und haben uns entschlossen, dass jeder von uns eine Belastungsanzeige schreibt. Eine Überlastungsanzeige dient zum Schutz der Beschäftigten. So macht man die Geschäftsführung darauf aufmerksam, dass man aufgrund der Überlastung seinem Arbeitsauftrag nicht nachkommen kann und es zu Fehlern kommen kann. Wenn es dann zu Fehlern kommt, kann die Geschäftsführung einem nicht die Schuld geben.
Die Überlastungsanzeigen schickten wir gemeinschaftlich an die Geschäftsführung. Uns wurde ihrerseits versprochen, dass sie sich nach einer weiteren Vollzeitstelle umsehen werden.

Editorischer Hinweis

Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION #1/17. Der Zeitschrift der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ). Virtuelle Veröffentlichung unter: http://www.sdaj-netz.de/ am 30.3.2017