Lautes Getöse aus dem ver.di Vorstand! Erst recht
von den „öffentlichen Arbeitgebern“ mit ihrem
wahlkämpfenden Anführer Seehofer (CSU) an der
Spitze!
7,5 % Lohnerhöhung, in drei Raten verteilt auf 30
Monate. Die Laufzeit erscheint rekordverdächtig.
Die Erhöhungsschritte nehmen jedes Mal ab:
* rückwirkend zum 1. März 2018
gibt´s 3,19 Prozent,
* zum 1. April 2019 dann 3,09
Prozent und
* zum 1. März 2020 nochmal 1,06
Prozent
* außerdem sollen die 6 unteren
Entgeltgruppen (Konkret: 1–6, S2–S4 sowie P5 und
P6) eine Einmalzahlung von 250 Euro bekommen. Das
gesamte Volumen zusammengerechnet soll laut ver.di-
Vorstand diese 7,5 % ergeben.
Die Auszubildenden erhalten in zwei
Schritten je 50 Euro mehr Geld sowie 30 statt 29
Tage Urlaub im Jahr.
Nicht blenden lassen!
Wie üblich auf ein Jahr umgerechnet,
ergeben die 7,5% allerdings nur eine
durchschnittliche Entgelterhöhung von lediglich 3%,
für das letzte halbe Jahr der 30-monatigen Laufzeit
entsprechend 1,5%, die allein 2018 schon angesichts
einer Inflationsprognose von rund 1,5 % für 2018
weiter zusammenschrumpfen. Inflation wird nicht
zuletzt von der EZB bewusst gefördert und wächst
seit einiger Zeit wieder. So kann sich die über
drei Jahre gestreckte Lohnerhöhung bei wieder
anziehender Inflation sogar zu einem
Reallohnverlust entwickeln.
Was wurde aus dem
200-Euro-Festbetrag?
Diesen gibt es nicht! Da haben sich
die Arbeitgeber durchgesetzt! Was hat es auf sich
mit angeblichen Zugeständnissen gegenüber dieser
Forderung (mindestens 200 Euro mehr pro Monat)?
Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die
Arbeitgeber es anscheinend nicht gewagt haben, die
Forderung völlig unter den Tisch fallen zu lassen.
Zu massiv waren die kämpferischen Streikaktionen
der betroffenen Kollegen!
Entgegen dem ersten Eindruck
willigten sie anscheinend ein, dass es – wie
ver.di-Boss Bsirske und der offizielle
Ergebnisflyer formulieren – „…keinen
Tabellenwert gibt, der um weniger als 175 Euro
angehoben wird. In vielen Fällen“ (???) „sind
es 200 bis 250 Euro im Monat“. Dies ist eine
bewusst unklare, ohne genaue Analyse der zahllosen
Tarifbestimmungen, in die der Abschluss eingreift,
gar nicht nachprüfbare Formulierung. Sie zielt
darauf ab, all die Kolleg/innen ruhig zu stellen,
die empört kritisieren, dass von der
200-Euro-Festgeldforderung keine Rede mehr ist.
Aber völlig ohne reale Basis kann
diese Aussage auch nicht sein. Offene Lügen kämen
ja sofort heraus. Dahinter steht spürbar: Die
großen Aktionen der Kolleg/innen haben ihre Wirkung
nicht verfehlt.
Aber andere Verlautbarungen der
Verhandler/innen zeigen, dass offenbar die
Erhöhungsprozente nicht mehr einheitlich zur
Anwendung kommen sollen! Eine gefährliche und
spalterische Entwicklung, mit der es sich
insbesondere der ver.di-Vorstand erkauft hat, sein
Gesicht wahren zu können.
Kritik und Einwände müssen auf den
Tisch!
Denn es fällt auf, dass bei der
Erläuterung zum Abschluss für die Öffentlichkeit
die Arbeitgeberinteressen im Vordergrund stehen.
Der ver.di-Flyer: Mit dem Abschluss sei „ein
deutlicher Schritt erreicht, um dem
Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst entgegen zu
wirken und damit seine Funktionsfähigkeit zu
sichern.“ Ist das die Sache der Müllwerker
und Kindergartenerzieherinnen? Gewiss nicht!
Das ist
doch das Problem der Arbeitgeber! Wer hindert sie
denn daran, übertarifliche Zulagen zu zahlen? Da
sind sie sonst auch nicht zimperlich, wenn sie
niemanden für die mageren Gehälter bekommen, die
sie unter Krokodilstränen in Tarifverhandlungen
zugestehen. Dies sind Interessen der Arbeitgeber!
Sie gehören nicht zur Verhandlungsmasse in unserer
Tarifrunde!
Oder an gleicher Stelle.
„Überproportionale Steigerung für Fachkräfte, um
den öffentlichen Dienst in der Konkurrenz zur
Privatwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen“
Ist das die Sorge der Kolleg/innen? „….Erhöhung
der Stufe 1 in allen Entgeltgruppen um gut 10
Prozent, um den öffentlichen Dienst für
Berufseinsteiger attraktiver zu machen.“ Das
stammt aus einem Flyer von ver.di, nicht vom
Verband der Arbeitgeber. Wir finden es wichtig,
dass die Kolle/innen des öffentlichen Dienstes
besser leben können, nicht, dass fehlende
Mitarbeiter/innen angelockt werden mit
Lohnerhöhungen, die gar nicht für alle gelten!
Was verstehen wir den unter den
Worten aus dem ver.di- Flyer „Die
Tabellenerhöhungen fallen für alle Entgeltgruppen
und -stufen unterschiedlich aus, das Gesamtvolumen
von 7,5 Prozent stellt die Gesamtwirkung über alle
Entgeltgruppen dar…“? Wäre ein Festgeld-Betrag
vereinbart worden, ergibt sich das automatisch und
braucht nicht erwähnt werden.
Wir kritisieren, dass die einzelnen
Entgeltgruppen willkürlich und opportunistisch, je
nach Interessen unterschiedlich behandelt werden!
Das ist Spaltung!
Da wird die bürgerliche Presse
deutlicher. Die FAZ, das Blatt von den und
für die Herrschenden, am 19. April: „Der
Tarifkompromiss greift erstaunlich beherzt in die
Strukturen der Entgelttabelle ein. Tatsächlich
bestätigt das neue Tabellenbild, dass die
Einstiegsgehälter nun überproportional stark
steigen. Dagegen fallen die Zuwächse für
Beschäftigte mit langer Dienstzeit
unterdurchschnittlich aus!“. Das ist
heftig! Die Chefs des Ladens verhöhnen die
eigentlichen Träger der Tarifrunde auch noch! Die,
die schon lange arbeiten, bekommen weniger als die,
die vielleicht mal in den öffentlichen Dienst
eintreten werden, also noch gar nicht da sind! Und
die erwähnten Eingriffe in die „Strukturen der
Entgelttabelle“? Die Tarifeinigung beinhaltet
eine Menge „Umbauten“, von denen gar nicht klar
ist, welche Entgeltauswirkungen das haben wird, und
wer genau davon vielleicht(!) profitiert!
Und das Handelsblatt,
ebenfalls nicht verdächtig, auf Seiten von
Arbeiter/innen und Angestellten zu stehen,
am gleichen Tag: „.. ein klares und richtiges
Signal, die Berufseinsteiger überproportional am
neu zu verteilenden Kuchen zu beteiligen. Nur so
kann verhindert werden, dass der Staatsdienst
gegenüber der Privatwirtschaft weiter ins
Hintertreffen gerät.“ Nicht nur diese beiden
Stimmen zeigen. Das Lager des Kapitals ist recht
zufrieden.
Die Basis muss Kritik üben und für
Änderungen sorgen!
So wird deutlicher, warum die
Einmalzahlung von 250 Euro für die unteren sechs
Entgeltgruppen her musste. Denn sie bekommen über
die Tabellenwerte offensichtlich weniger! Die
Arbeitgeber haben sich mit ihren Interessen
durchgesetzt und gerade die eigentlichen
Arbeiter/innen, die sich eh schon für zu wenig Lohn
abschuften, verzichten dafür auf Lohnprozente??
Das sind die schwachen Ergebnisse
nach einem großen Kampf! Erneut wird – von der
ver.di-Führung um Frank Bsirske die Einheit – der
Tarifverträge offensichtlich untergraben, und
dagegen ist Protest legitim.
Erneut werden die Kampfkraft und die
beeindruckende Kampfbereitschaft ignoriert, die
sich in den massiven Streiks und Demonstration
gezeigt hat.
Wir können die einzelnen
Erhöhungsprozente und Erhöhungen hier nicht
darstellen. Aber die ver.di-Kollegen/innen,
speziell in den unteren Entgeltgruppen sollten sich
das Ergebnis auf dem Lohnzettel genau
anschauen und ohne Zurückhaltung Kritik üben und
die Auseinandersetzung innerhalb der Gewerkschaft
suchen: Warum habe Ihr den Festbeitrag verraten?
Warum gab es keine Urabstimmung und
keinen Vollstreik?
So geht es nicht! Diese
Auseinandersetzung müssen die kämpferischen
Kolleg/innen, müssen die Vertrauensleute und
Betriebs-/Personalräte aufnehmen!
Editorischer Hinweis
Der
Artikel wurde erstveröffentlicht bei
ARBEIT-ZUKUNFT am 20.4.2018. Wir spiegelten von
dort.
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