Betrieb & Gewerkschaft

Verdi: Unterm Strich gerade mal 3% pro Jahr
Wenig angesichts großer Kampfbereitschaft!

von "ft"

04/2018

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onlinezeitung

Lautes Getöse aus dem ver.di Vorstand! Erst recht von den „öffentlichen Arbeitgebern“ mit ihrem wahlkämpfenden Anführer Seehofer (CSU) an der Spitze!

7,5 % Lohnerhöhung, in drei Raten verteilt auf 30 Monate. Die Laufzeit erscheint rekordverdächtig. Die Erhöhungsschritte nehmen jedes Mal ab:

* rückwirkend zum 1. März 2018 gibt´s 3,19 Prozent,

* zum 1. April 2019 dann 3,09 Prozent und

* zum 1. März 2020 nochmal 1,06 Prozent

* außerdem sollen die 6 unteren Entgeltgruppen (Konkret: 1–6, S2–S4 sowie P5 und P6) eine Einmalzahlung von 250 Euro bekommen. Das gesamte Volumen zusammengerechnet soll laut ver.di- Vorstand diese 7,5 % ergeben.

Die Auszubildenden erhalten in zwei Schritten je 50 Euro mehr Geld sowie 30 statt 29 Tage Urlaub im Jahr.

Nicht blenden lassen!

Wie üblich auf ein Jahr umgerechnet, ergeben die 7,5% allerdings nur eine durchschnittliche Entgelterhöhung von lediglich 3%, für das letzte halbe Jahr der 30-monatigen Laufzeit entsprechend 1,5%, die allein 2018 schon angesichts einer Inflationsprognose von rund 1,5 % für 2018 weiter zusammenschrumpfen. Inflation wird nicht zuletzt von der EZB bewusst gefördert und wächst seit einiger Zeit wieder. So kann sich die über drei Jahre gestreckte Lohnerhöhung bei wieder anziehender Inflation sogar zu einem Reallohnverlust entwickeln.

Was wurde aus dem 200-Euro-Festbetrag?

Diesen gibt es nicht! Da haben sich die Arbeitgeber durchgesetzt! Was hat es auf sich mit angeblichen Zugeständnissen gegenüber dieser Forderung (mindestens 200 Euro mehr pro Monat)? Eine genauere Betrachtung zeigt, dass die Arbeitgeber es anscheinend nicht gewagt haben, die Forderung völlig unter den Tisch fallen zu lassen. Zu massiv waren die kämpferischen Streikaktionen der betroffenen Kollegen!

Entgegen dem ersten Eindruck willigten sie anscheinend ein, dass es – wie ver.di-Boss Bsirske und der offizielle Ergebnisflyer formulieren – „…keinen Tabellenwert gibt, der um weniger als 175 Euro angehoben wird. In vielen Fällen“ (???) „sind es 200 bis 250 Euro im Monat“. Dies ist eine bewusst unklare, ohne genaue Analyse der zahllosen Tarifbestimmungen, in die der Abschluss eingreift, gar nicht nachprüfbare Formulierung. Sie zielt darauf ab, all die Kolleg/innen ruhig zu stellen, die empört kritisieren, dass von der 200-Euro-Festgeldforderung keine Rede mehr ist.

Aber völlig ohne reale Basis kann diese Aussage auch nicht sein. Offene Lügen kämen ja sofort heraus. Dahinter steht spürbar: Die großen Aktionen der Kolleg/innen haben ihre Wirkung nicht verfehlt.

Aber andere Verlautbarungen der Verhandler/innen zeigen, dass offenbar die Erhöhungsprozente nicht mehr einheitlich zur Anwendung kommen sollen! Eine gefährliche und spalterische Entwicklung, mit der es sich insbesondere der ver.di-Vorstand erkauft hat, sein Gesicht wahren zu können.

Kritik und Einwände müssen auf den Tisch!

Denn es fällt auf, dass bei der Erläuterung zum Abschluss für die Öffentlichkeit die Arbeitgeberinteressen im Vordergrund stehen. Der ver.di-Flyer: Mit dem Abschluss sei „ein deutlicher Schritt erreicht, um dem Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst entgegen zu wirken und damit seine Funktionsfähigkeit zu sichern.“ Ist das die Sache der Müllwerker und Kindergartenerzieherinnen? Gewiss nicht! Das ist doch das Problem der Arbeitgeber! Wer hindert sie denn daran, übertarifliche Zulagen zu zahlen? Da sind sie sonst auch nicht zimperlich, wenn sie niemanden für die mageren Gehälter bekommen, die sie unter Krokodilstränen in Tarifverhandlungen zugestehen. Dies sind Interessen der Arbeitgeber! Sie gehören nicht zur Verhandlungsmasse in unserer Tarifrunde!

Oder an gleicher Stelle. „Überproportionale Steigerung für Fachkräfte, um den öffentlichen Dienst in der Konkurrenz zur Privatwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen“ Ist das die Sorge der Kolleg/innen? „….Erhöhung der Stufe 1 in allen Entgeltgruppen um gut 10 Prozent, um den öffentlichen Dienst für Berufseinsteiger attraktiver zu machen.“ Das stammt aus einem Flyer von ver.di, nicht vom Verband der Arbeitgeber. Wir finden es wichtig, dass die Kolle/innen des öffentlichen Dienstes besser leben können, nicht, dass fehlende Mitarbeiter/innen angelockt werden mit Lohnerhöhungen, die gar nicht für alle gelten!

Was verstehen wir den unter den Worten aus dem ver.di- Flyer „Die Tabellenerhöhungen fallen für alle Entgeltgruppen und -stufen unterschiedlich aus, das Gesamtvolumen von 7,5 Prozent stellt die Gesamtwirkung über alle Entgeltgruppen dar…“? Wäre ein Festgeld-Betrag vereinbart worden, ergibt sich das automatisch und braucht nicht erwähnt werden.

Wir kritisieren, dass die einzelnen Entgeltgruppen willkürlich und opportunistisch, je nach Interessen unterschiedlich behandelt werden! Das ist Spaltung!

Da wird die bürgerliche Presse deutlicher. Die FAZ, das Blatt von den und für die Herrschenden, am 19. April: „Der Tarifkompromiss greift erstaunlich beherzt in die Strukturen der Entgelttabelle ein. Tatsächlich bestätigt das neue Tabellenbild, dass die Einstiegsgehälter nun überproportional stark steigen. Dagegen fallen die Zuwächse für Beschäftigte mit langer Dienstzeit unterdurchschnittlich aus!“. Das ist heftig! Die Chefs des Ladens verhöhnen die eigentlichen Träger der Tarifrunde auch noch! Die, die schon lange arbeiten, bekommen weniger als die, die vielleicht mal in den öffentlichen Dienst eintreten werden, also noch gar nicht da sind! Und die erwähnten Eingriffe in die „Strukturen der Entgelttabelle“? Die Tarifeinigung beinhaltet eine Menge „Umbauten“, von denen gar nicht klar ist, welche Entgeltauswirkungen das haben wird, und wer genau davon vielleicht(!) profitiert!

Und das Handelsblatt, ebenfalls nicht verdächtig, auf Seiten von Arbeiter/innen und Angestellten zu stehen, am gleichen Tag: „.. ein klares und richtiges Signal, die Berufseinsteiger überproportional am neu zu verteilenden Kuchen zu beteiligen. Nur so kann verhindert werden, dass der Staatsdienst gegenüber der Privatwirtschaft weiter ins Hintertreffen gerät.“ Nicht nur diese beiden Stimmen zeigen. Das Lager des Kapitals ist recht zufrieden.

Die Basis muss Kritik üben und für Änderungen sorgen!

So wird deutlicher, warum die Einmalzahlung von 250 Euro für die unteren sechs Entgeltgruppen her musste. Denn sie bekommen über die Tabellenwerte offensichtlich weniger! Die Arbeitgeber haben sich mit ihren Interessen durchgesetzt und gerade die eigentlichen Arbeiter/innen, die sich eh schon für zu wenig Lohn abschuften, verzichten dafür auf Lohnprozente??

Das sind die schwachen Ergebnisse nach einem großen Kampf! Erneut wird – von der ver.di-Führung um Frank Bsirske die Einheit – der Tarifverträge offensichtlich untergraben, und dagegen ist Protest legitim.

Erneut werden die Kampfkraft und die beeindruckende Kampfbereitschaft ignoriert, die sich in den massiven Streiks und Demonstration gezeigt hat.

Wir können die einzelnen Erhöhungsprozente und Erhöhungen hier nicht darstellen. Aber die ver.di-Kollegen/innen, speziell in den unteren Entgeltgruppen sollten sich das Ergebnis auf dem Lohnzettel genau anschauen und ohne Zurückhaltung Kritik üben und die Auseinandersetzung innerhalb der Gewerkschaft suchen: Warum habe Ihr den Festbeitrag verraten?

Warum gab es keine Urabstimmung und keinen Vollstreik?

So geht es nicht! Diese Auseinandersetzung müssen die kämpferischen Kolleg/innen, müssen die Vertrauensleute und Betriebs-/Personalräte aufnehmen!

Editorischer Hinweis

Der Artikel wurde erstveröffentlicht bei ARBEIT-ZUKUNFT am 20.4.2018. Wir spiegelten von dort.