Applaus ist nicht genug!
Deshalb: Heraus zum ersten Mai!

Bündnisaufruf aus Frankfurt/M

04/2020

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Eine Frankfurter Gruppe, bestehend aus Gewerkschafter*innen, Lohnarbeitenden und Freund*innen schwarzer Pelztiere lädt zu einem 1.Mai-Spaziergang ein. Treffpunkt: Frankfurt am Main, 1.Mai, 11 Uhr, Ecke Braubachstraße zwischen Römer und Paulsplatz. Alle sind dazu aufgefordert, Transparente mit Forderungen (und als Abstandshalter) und Mundschutz mitzubringen, sodass der Spaziergang unter Corona-Bedingungen stattfinden kann. Wir werden bestimmt auch da sein.

Applaus ist nicht genug!

Deshalb: Heraus zum ersten Mai!

Seit Wochen bestimmt der Corona-Virus unser Leben und fast alle Nachrichten. Mitten in dieser Zeit hatte sich phasenweise, als Akt der Solidarität, die schöne Geste des Applauses für systemrelevant Arbeitende etabliert. Dieser Applaus galt vor allem eher schlecht bezahlten Beschäftigten, zum Beispiel denen aus dem Einzelhandel und der Pflege. Unter ihnen befinden sich überproportional viele Frauen, die – wie so oft in Krisenzeiten – den Laden mal wieder am Laufen halten. Während es gerade einmal wenige Wochen benötigte, dass Großkonzernen à la Lufthansa, Adidas und VW insgesamt Kredite über 500 Milliarden Euro sowie Steuererlasse in Millardenhöhe durch die Politik zugesagt wurden, bedankten sich Arbeitsminister Heil und Gesundheitsminister Spahn bei den auf Grund ihrer Systemrelevanz gefeierten Beschäftigten mit einem weniger erfreulichen Geschenk.

Erstmalig wurde die Regelung einer maximalen Arbeitszeit von 10 Stunden sowie die Mindest-Ruhezeit von 11 Stunden zwischen 2 Arbeitseinsätzen flächendeckend für ganze Branchen außer Kraft gesetzt. Dies war bisher nur mit Genehmigung der zuständigen Landesämter für einzelne betriebliche Ausnahmefälle möglich. Bis zu 12 Stunden am Stück soll unter anderem ausgerechnet das schon unter normalen Bedingungen gesundheitsgefährdete und stark belastete Personal der medizinischen Berufe arbeiten dürfen. Die minimale Ruhezeit wurde für Lohnarbeitende, deren Arbeit der sogenannten Daseinsvorsorge dient, auf 9 Stunden herab gesetzt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 14 Abs. 4 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG). Die Regelung wurde am 27.3.2020 eigens als Teil des Corona-Krisenpaketes verabschiedet. Für das Pflegepersonal der Krankenhäuser ist dies besonders bitter, denn zuvor wurden bereits die geltenden Personal-Untergrenzen für die jeweiligen Stationen bis auf Weiteres außer Kraft gesetzt.

Diese Regelungen und die massiven, generellen Einschränkungen von Grundrechten stehen exemplarisch für die Notwendigkeit gemeinsamer Aktionen und Demonstrationen am Tag der Arbeit. Schon jetzt, mitten in der aktuellen Krise, wird deutlich, auf wen die Krisenkosten abgewälzt werden sollen. Nicht genug damit, dass weltweit die Ärmsten von den gesundheitlichen Auswirkungen des Virus am stärksten betroffen sind, es werden auch die Ärmsten der jeweiligen Länder sein, auf deren Rücken die Krisenkosten überproportional abgewälzt werden, wenn wir vom heimischen Sofa aus dabei zuschauen. Auch in dieser Krise zeigt sich einmal mehr die buchstäbliche Lebensgefahr, die von einer kapitalistischen Wirtschaft ausgeht. Anstatt die Beschäftigten weiter auszupressen wie Zitronen, gehören Bereiche der Daseinsfürsorge, wie Energie- und Wasserversorgungen, Gesundheit und Pflege, aber auch die Produktion lebensnotwendiger Güter vergesellschaftet und den Profitmechanismen des Marktes entzogen. Nur so besteht die Chance darauf, das gerade erlebte weltweite Hauen und Stechen um lebensnotwendige Güter zu verhindern.

Das Motto „Heraus zum ersten Mai!“ stellt uns in diesem Jahr vor besondere Herausforderungen. In Frankfurt am Main wollen wir uns diesen Herausforderungen stellen – und zwar live und in Farbe auf der Straße. Selbstverständlich halten wir uns dabei an die Gebote des Infektionsschutzes.Wenn unsere Kinder ab Anfang Mai wieder zur Schule gehen und wir künftig vor einer größeren Anzahl von Geschäften in der Schlange stehen dürfen, können wir auch unter Einhaltung der empfohlenen 1,5 Meter Abstand und dem Tragen von Atemschutzmasken auf die Straße gehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat ein allgemeingültiges, durch das Infektionsschutzgesetz gedecktes, Versammlungsverbot übrigens in seiner Entscheidung vom 16.4.2020 kassiert. Wir treffen uns am *1. Mai*um *11:00 Uhr*an der *Braubachstraße zwischen Römerberg und Paulsplatz*für einen sozial-politischen Spaziergang. Von dort laufen wir, jeweils zwei Personen durch ein Transparent getrennt oder Einzeln mit gebührendem Abstand hintereinander los.

Bitte seid pünktlich, tragt Mundschutz und bringt eigene Transparente mit euren Parolen mit. Da der Mundschutz das Rufen von Parolen vermutlich erschwert, empfehlen wir zudem Instrumente (z.B. Kochtopfdeckel und Löffel – bitte keine Trillerpfeifen!), um sich lautstark bemerkbar zu machen.

Wir fordern:

* Profit-distancing statt social-distancing!
* Löhne hoch in den unterdurchschnittlich bezahlten Berufen
* Heraufsetzen der Pflege- und Betreuungsschlüssel im medizinischen
und sozialen Bereich
* Sofortige Rücknahme der neu eingeführten Corona-Arbeitszeitregelung
* Beendigung aller generellen Versuche der Einschränkung der Meinungs-
und Versammlungsfreiheit ohne Einzelprüfung
* Evakuierung aller Flüchtlingslager an den EU-Außengrenzen
* Minimierung der wöchentlichen Arbeitszeit für alle Berufe zur
Förderung sozialer und sozial-politischer Aktivitäten

Da die Lage um Corona immer noch sehr dynamisch ist, können und müssen die Forderungen in den nächsten Wochen unter Umständen angepasst bzw. erweitert werden. Hier ist jede*r zur Flexibilität und Kreativität aufgerufen.

Vereinigte Gewerkschafter*innen Frankfurts, Lohnarbeitende
und Freund*innen schwarzer Pelztiere

Quelle: https://de.indymedia.org/node/78523

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