Nachgereicht
Materialien zum 1. Mai 01 in Berlin-Kreuzberg

Eine Exemplarische Auswahl der trend-Redaktion

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Vorher - Nachher - Zwischendurch

a) vorher
Aufruf zur revolutionären 1.Mai-Demo, 18.00 - O-Platz [Oranienplatz in Berlin Kreuzberg]  

Deutschland 2001 - eine kurze Bestandsaufnahme

Wir schreiben das Jahr 2001. Deutsche Soldaten stehen in Mazedonien und im Kosovo. Nach 50 Jahren Abstinenz darf Deutschland endlich wieder in erster Reihe an "friedenssichernden Massnahmen" teilnehmen. Verteidigungsminister Scharping arbeitet eifrig an dem Transformationsprozess der Bundeswehr hin zu einer Interventionsarmee die in naher Zukunf rund um den Erdabll "deutsche Interessen" militärisch durchsetzen soll, während er die Krankenhäuser anweist, Krankenbetten für 70 000 verletzte Soldaten einzurichten. Deutschlands Kriegsfähigkeit soll massiv gesteigert werden. Eine übergrosse Koalition aus SPD, GRÜNEN, CDU, NPD, DVU und den REPS finden ihren Stolz auf die deutsche Nation wieder und die Eliten des neuen Deutschlands arbeiten eifrig an der Rekonstruktion Deutschlands als imperialistischer Machtfaktor. Als Kernstück eines formierten "Grosseuropa" planen die Strategen des Kapitals schon die Unterwerfung verloren geglaubter "Ostgebiete" und die damit verbundene Erschliessung grenzenloser Absatzmärkte und unerschöpfbarer Rohstoffquellen. Wo deutsche Soldaten noch vor 56 Jahren an dem entschlossenen Widerstand der osteuropäischen Bevölkerung und der Roten Armee scheiterten, kann heute dem Siegeszug der DM in Europa und des Dollars weltweit fast nichts entgegengesetzt werden. Seit dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion und dem damit verbundenen Zerfall des RGW und des Warschauer Paktes ist der Kapitalismus in die Offensive gegegangen. Die Gewinne der Kapitalisten steigen ins Astronomische, gleichzeitig werden erkämpfte Errungenschaften der internationalen Arbeiterbewegung demontiert. Unter dem Schlagwort der "Liberalisierung der Märkte" werden ganze Bevölkerungsgruppen in die Armut gedrängt. Immer mehr Menschen werden durch die soziale Realität vom Kapitalismus an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Die Kluft zwischen Reich und Arm wächst rasant. Selbst der offizelle Armutsbericht der Bundesregierung gibt offen zu, dass die Armut in der BRD so rasant wie nie zuvor seit 1945 zunimmt. Um dieses Elend effektiv kontrollieren und verwalten zu können, schafft sich der Staat immer neue Mechanismen. Das Sozialamt nimmt immer totalitärere Züge an und funktioniert als zusätzlicher Arm der Überwachungsgesellschaft. Unsere Bewegungen werden von unzähligen Kameras dokumentiert. Die "innere Sicherheit" ist überall. In deinem Telefon, an deinem Computer, in der U-Bahn - ständig stehst du unter Beobachtung. Orwells düstere Zukunftsvision 1984 ist v on der Wirklichkeit ad absurdum geführt worden. Die Polizei und der BGS werden pausenlos mit neuen Befugnissen ausgerüstet. Vor allem Flüchtlinge und Linke sind Opfer dieser staatlichen Repression. Besonders hart trifft es linke Flüchtlinge, die hier gegen Unrecht und Diktatur in ihren Heimatländern protestieren. Erinnert sei an den 16 -Jährigen Kurden Halim Dener, der 1996 in Hannover beim Kleben von ERNK-Plakaten von Polizeibeamten erschossen wurde oder an die fast 500 Menschen aus verschiedenen kurdischen und türkischen linken Gruppen, die sich in Deutschland aufgrund ihrer politischen Ansichten in Haft befinden oder gegen die noch Prozesse laufen. Nach langjährigen Haftstrafen droht ihnen die Abschiebung in die Türkei, wo sie mit Folter rechnen müssen. In diesem Zusammenhang unterstützen wir auch die Selbstorganisierung von Flüchtlingen, die sich Mitte Mai in Berlin gegen die verordnete Residenzpflicht (staatliche sanktionierte Einschränkung der Bewegungsfreiheit) zur Wehr setzen. Auch die Gefangenen der Rote Armee Fraktion sind immer noch unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert. Vermeintlichen Mitgliedern der Revolutionären Zellen/Rote Zora wird Jahre nach Auflösung der Organisationen mittels eines Kronzeugen der Prozess gemacht. Auch sie sollen für Jahre hinter Gitter, weil sie sich aktiv gegen die staatliche Flüchtlingspolitik eingesetzt haben. Die ganzen Gesetze, die einst zur Bekämpfung der Stadtguerilla kreiert wurden, wie z.b. der § 129 a, werden jetzt gegen Personen aus offen arbeitenden linken Gruppen wie z.B. der Berliner Antirepressions- und Soligruppe mücadele eingesetzt.

Die Globalisierung der Märkte - Explosion der Armut

Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ist, wie Karl Marx in seinem Hauptwerk "Das Kapital" nachgewiesen hat, die logische Konseqenz der kapitalistischen Produktionweise. Und zwar dadurch, dass durch jede geleistete Arbeitsstunde ein Mehrwert ensteht, der zwar gemeinsam erwirtschaftet wird, der aber im Endeffekt nur in die Hände des Unternehmers gelangt. Dadurch entsteht eine enorme Konzentration von Kapital und Produktionsmitteln in den Händen einer kleinen Schicht. So verfügen zur Zeit in der BRD die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung über 50 des Gesamtvermögens. Die Mehrwehrtraten, die das Kapital zur Zeit erwirtschaftet, liegen enorm hoch. Doch da diese nur den herrschenden Kapitalisten zugute kommen, verarmen immer grössere Teile der Bevölkerung. Der kapitalistische "Sozialstaat" sollte die Lage der arbeitenden Bevölkerungen in den Metropolen soweit stabilisieren, dass die Herrschaft des Kapitalismus über Westeuropa in den Zeiten der Blockkonfrontation gewahrt blieb. Nach dem Sieg über den "Rea lsozialismus" glaubt das Kapital darauf verzichten zu können. Doch besonders prekär ist die Lage ausserhalb der Festung Europa; in den Ländern des ehemaligen RGW, die nun völlig verarmt sind; von den riesigen Armutsgebieten in Afrika, Asien und Lateinamerika einmal ganz zu schweigen.In den meisten Teilen der Welt sind selbst die elementaren Grundbedürfnisse wie Essen und Trinken nicht gewährleistet. Während in Monaco in Champagner gebadet wird, verrecken täglich 100 000 Menschen im Trikont. Von dem Elend in der Peripherie sind besonders Frauen betroffen, da sie im Kapitalismus stark ökonomisch benachteiligt werden, da ihnen z.b. meist nur die schlecht bezahltesten Jobs mit den miesesten Arbeitsbedingungen angeboten werden (TextilarbeiterInnen in Südostasien e.t.c.) Weltweit werden Frauen als Ware und in Form von Sexualobjekten ausgebeutet und sind einer enormen Doppelbelastung durch die gesellschaftliche Fixierung auf den Sektor der Reproduktion ausgesetzt. Die Schuldenkrise ist soweit fortgeschritten, dass sie auf gegenseitiger Abhängigkeit beruht. Insofern auf gegenseitiger Abhängigkeit, als dass das Finanzkapital neue Kredite nur noch gewährt, damit auf der Seite von IWF und Weltbank keine Verluste entstehen. Weiterhin hat die Vergabe von Krediten nach wie vor die Funktion, Produktionsabläufe zu kontrollieren bzw. durch Strukturanpassungsprogramme des IWF Entwicklungsländer dazu zu zwingen, Staatsbetriebe zu privatisieren, Fabriken zu schließen, Löhne zu senken, und den öffentlichen Gesundheits- und Bildungssektor zu zerschlagen. Im Falle der Ablehnung von IWF-Maßnahmen und Widerstand reichen die Gegenmaßnahmen dann von Wirtschaftsblockaden über Sabotageaktionen und Interventionen bis hin zum offenen Krieg. Der Neoliberalismus- die gegenwärtige Entwicklungsstufe des Kapitalismus/Imperialismus- fordert einen Abbau der Regulierungs- und Kontrollmechanismen für die Wirtschaft und strebt die völlige Freiheit für den Kapitalverkehr an (z.B. Währungsspekulation).

Gegen die Gewalttätigkeit und Dominanz der Banken und transnationalen Konzerne haben sich weltweit antikapitalistische Widerstandsbewegungen formiert. Völlig unerwartet kam es Ende November 1999 während der Tagung der Welthandelsorganisation WTO in Seattle/USA zu teilweise militanten Massendemonstrationen. Auf Grund von tagelangen Straßenschlachten, die sich aus einer Blockade des Konferenzbeginns entwickelten, konnte die Tagung erst mit 24 Stunden Verspätung anfangen. Führende Repräsentanten der imperialistischen Welt wie US-Präsident William Clinton und Bundeskanzler Gerhard Schröder saßen stundenlang in ihren Hotel-Suiten fest, durch deren Klimaanlagen von draußen das Tränengas eindrang. Militante DemonstrantInnen schlugen Banken und Filialen von Mc Donalds ein. Wichtig ist, in diesem Zusammenhang anzumerken, dass auch die Mehrheit der nichtmilitanten DemonstrantInnen sich weigerten, Distanzierungserklärungen abzugeben. Die Welle antikapitalistischen Widerstandes hat sich fortgesetzt: EU/ASEAN-Gipfel in Seoul, IWF/Weltbanktagung in Prag, World Economic Forum in Davos, G7/G8-Treffen in Neapel... (Weitere Termine für Gipfeltreffen unter www.Indymedia.de)

...und der 1.Mai

Diese Inhalte lassen sich gut mit der traditionellen Message des 1.Mai verbinden. Denn seit Ende des 19 Jahrhunderts gilt der 1.Mai als internationaler Kampftag gegen kapitalistische Ausbeutung und Unterdrückung. Traditionell tragen an diesem Tag die Menschen ihre Forderungen nach sozialen Rechten und für die Abschaffung des kapitalistischen Produktionssystems auf die Straßen.Begonnen hat die Geschichte des 1.Mai 1886 in Chicago, wo es bei einem Streik für die Einführung der 8-Stunden-Woche zu einem Massaker an Arbeitern kam. Seitdem fanden jeden 1.Mai in unzähligen Städten mächtige Demonstrationen statt, auf denen die Bevölkerung ihren Unmut über bestehende soziale Zustände artikulierte. Deshalb waren die Demonstrationen am 1.Mai auch immer durch Übergriffe von Polizei und Militär gekennzeichnet; zum Beispiel der Berliner Blutmai von 1929; damals ließ der sozialdemokratische Polizeipräsident Zörgiebel auf demonstrierende ArbeiterInnen schiessen. Im Laufe des 20.Jahrhunderts entwickelte sich der 1.Mai zum traditionellen Tag, an dem alle Teile und Strömungen der Arbeiterbewegung und der Linken ihre Forderungen und Utopien zu artikulieren versuchen. Seine wichtigste Funktion ist der Ausdruck eines gemeinsamen Kampfes, den er durch seinen solidarischen und internationalistischen Charakter vermittelt.

Am 1. Mai 1987 kam es im Berliner ImmigrantInnen- und ex-HausbesetzerInnenkiez Kreuzberg nach einem Polizeiangriff auf ein friedliches 1.Mai-Fest zu einem Aufstand der Bevölkerung, in dessen Folge der Warenbestand meherer Supermärkte zwangskollektiviert und die Polizeikräfte fast komplett aus dem Bezirk rausgeschmissen wurden. In dieser Traditition wird seit 1988 jährlich eine grosse autonome revolutionäre 1.Mai Demonstration, durchgeführt, auf der die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen und ihre radikale Ablehnung der herrschenden Verhältnisse auf die Straße tragen. Trotz massiver regelmäßiger Polizeiübergriffe, Verbotsdrohungen gegen die Demo und Schikanen gegen die Bevölkerung bleibt der revolutionäre 1. Mai in Berlin eine auch international beachtete wichtige Kampfdemonstration der revolutionären Linken. Auch dieses Jahr wollen wir durch eine entschlossene Demonstration zeigen, dass wir die herrschenden Verhältnisse - wie Korruption, Ausbeutung und die alltägliche Unterdrückung - nicht als naturgegeben hinehmen und sie mit aller Kraft bekämpfen werden.

deshalb:
AM 1.MAI RAUS AUF DIE STRASSE!
ZUSAMMEN KÄMPFEN GEGEN AUSBEUTUNG UND UNTERDRÜCKUNG - SOZIALE REVOLUTION WELTWEIT NATO ZERSCHLAGEN!
FREIHEIT FÜR DIE GEFANGENEN AUS DER RAF UND RZ!
UNTERSTÜTZT DIE FORDERUNGEN DER KÄMPFENDEN GEFANGENEN IN DER TÜRKEI UND WELTWEIT!
ABSCHAFFUNG DER ISOLATIONSHAFT SOFORT!
DER KAMPF GEHT WEITER!
FRIEDE DEN HÜTTEN, KRIEG DEN PALÄSTEN!

ERST NAZIAUFMARSCH VERHINDERN - DANN REVOLUTIONÄRE 1.MAI DEMONSTRATION 18°° UHR ORANIENPLATZ KOMMT ZUM UNABHÄNGIGEN BLOCK!

[unabhängiges 1.Mai-Vorbereitungsplenum] im April 2001
http://www.der-erste-mai.de/texte.html 


b) nachher
Presseerklärung [autonome gruppen/unabhängiger block] - 3.5.2001

INFOPARTISAN Home Page: Archive: Message #1462
Merry Mayday Mr. Werthebach!!! 
PE der autonomen Gruppen v. 3.5.



Merry Mayday Mr. Werthebach!!!

Der Verlauf des diesjährigen Revolutionären 1. Mai war für die  Verbotspolitik des Innensenators E. Werthebach ein totales Desaster. Es ist dem Innensenat nicht gelungen, die Inhalte des 
Revoutionären 1. Mai von der Straße zu verbannen. Die  Solidaritätsbewegung gegen das Verbot reichte bis ins linksliberale  Lager hinein. Tausende von Menschen demonstrierten solidarisch 
gegen das Verbot.

Innensenator Werthebach hat die Konfrontation gesucht und  gefunden. Der Oranienplatz war um 18 Uhr von starken  Polizeikräften abgeriegelt. Zur gleichen Zeit griffen andere  Einsatzkräfte das Straßenfest auf dem Mariannenplatz massiv mit  Tränengasgranaten an und räumten unvermittelt den 
Mariannenplatz. Eine Panik unter den Tausenden Anwesenden  wurde bewußt provoziert und in Kauf genommen, obwohl sich viele  ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern auf dem Fest 
aufhielten.

Herr Werthebach hat in Kreuzberg die Machtfrage gestellt und  verloren. Durch den Versuch, mittels 9000 PolizeibeamtInnen aus  der gesamten BRD das Verbot der Revolutionären 1. Mai 
Demonstration durchzusetzen, provozierte der Innensenat  massiven Protest und Widerstand der Kreuzberger Bevölkerung.  Die Empörung wurde durch die gleichzeitige Genehmigung eines 
faschistischen Aufmarsches noch weiter gesteigert.

Die Losung "First of May-Judgement Day!" fällt in den Berliner Armutshochburgen Kreuzberg und Neukölln in Anbetracht der massiven Verelendung ohnehin auf fruchtbaren Boden. Die komplette Abriegelung des Oranienkiezes durch Einsatzkräfte in den späten Abendstunden des Revolutionären 1. Mai brachte der Einsatzleitung nur eins: die Verlagerung des Widerstandes nach Neukölln;
eine bisher nicht dagewesene Entwicklung...

Innensenator Werthebach ist mit seiner Strategie, den Revolutionären Ersten Mai von den Straßen Kreuzbergs und Neuköllns zu verbannen, klar gescheitert. Die Kreuzberger und Neuköllner Bevölkerung, sowie die autonome und antifaschistische Bewegung haben dem Innensenator die Grenzen seiner Macht aufgezeigt.

In diesem Sinne:
INNENSENATOREN KOMMEN UND GEHEN;
DER REVOLUTIONÄRE ERSTE MAI BLEIBT IN BERLIN!!!

fon: 0171 903 30 51
email: der-erste-mai@gmx.de 
[autonome gruppen/unabhängiger block]

c) zwischendurch

An der um 13.00  in Berlin am Lausitzer Platz begonnenen Demo gegen das Polizeiverbot der rev. Maidemo nehmen z. Z. etwa 8000!!! Leute teil. Die Polizei läuft Spalier. Außerdem sind Tausende in der Oranienstraße unterwegs sowie an die 2000 auf dem Oranienplatz bei der RIM-Demo. Mehrere 1000 beim Straßenfest auf dem Mariannenplatz. Die Lage ist unüberschaubar. Es kommt zu ersten grundlosen Übergriffen und willkürlichen Verhaftungen. Mit dabei mehrere Hundertschaften Prügelpolizei aus Magdeburg.   

Gegen 16.00
nehmen die Polizeiprovokationen zu. Zivis knüppeln grundlos auf die RIM-Demo ein. Am O-Platz legt die Zivilpolizei Waffen an und zieht bunte Kapuzenpullis über. Wasserwerfer und Räumpanzer terrorisieren mit Blaulicht die Oranienstr. - erste Festnahmen und Schlagstockeinsatz. Journalisten von ZDF und anderen Medien weigern sich, darüber zu berichten. Dazu Innensenator Werthebach «Bisher haben wir einen Verlauf des 1. Mai, wie wir ihn in früheren Jahren nicht hatten. Aber der Tag ist noch nicht zu Ende. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.»

Gegen 18.00
weitet die Polizei ihr Einsatzgebiet in Richtung Mariannenplatz aus. Sie greift jetzt grundlos das friedliche Straßenfest an: Wasserwerfer, Knüppelorgien, Menschen rennen in Panik überall hin. Sogar die Kinderhüpfburg wird von Wasserwerfern angegriffen!!! Anwohner werden verhaftet. Die ersten Barrikaden werden errichtet.

Um 19.00 ist der Mariannenplatz geräumt. Barrikaden sind in der Köpenicker Straße errichtet. In der Naunynstraße brennt eine Barrikade.

Gegen 20.00 füllt sich nach Räumung  der Mariannenplatz wieder. Die Polizei hat 2 Kessel auf dem Platz. Mehrere 1000 Menschen befinden sich in der Umgebung. Die Polizei hat nicht genügend Kräfte vor Ort und ruft Verstärkung.

Ab 21.00 ist Kreuzberg SO 36  durch massive Polizeikräfte faktisch eingeschlossen. Am Görlitzer Bahnhof nimmt die Polizei  wahllos Passanten fest. Am Kotti sammeln sich 500 Leute zur Gegenwehr. 

Seit 22.00 tauchen am Kottbusser Tor Hundestaffeln auf. Zivilpolizei marodiert durch die Straßen und schlägt wahllos Leute zusammen.

Ab Mitternacht verlagerten sich die letzten Auseinandersetzungen in Berlin zum Hermannplatz. Gegen 2.00 Uhr sind immer noch 100 Menschen am Mariannenplatz eingekesselt. Es ist kalt, die meisten frieren, keine/r wird gehen gelassen. Kreuzberg gleicht Heerlage

1. Mai, 0 bis 16 Uhr: Linke und Autonome demonstrieren. Alles bleibt ruhig...

Erster Mai, kurz nach Mitternacht. Auf dem Heinrichplatz sitzt eine Gruppe Autonomer mit Bier um ihr Auto. "Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh!" brüllen sie. Ansonsten herrscht eitel Friede: ein Kreuzberger Sommerabend. Die Polizei ist nirgends zu sehen.

Es kommt der Vormittag. Aus blauem Himmel lacht Sonnenschein über Kreuzberg. Die Polizei ist überall zu sehen. Grüppchen in Kampfanzügen, noch ohne Helme. In Grüppchen zumeist auch finden sich Demonstranten ein. Die einen am Oranienplatz, wo die orthodoxen Kommunisten sich sammeln, dazu auch einige Punks und alternative Jugendliche, die wohl nichts von der "eigentlichen" Mai-Demo mitbekommen haben. Die beginnt am Lausitzer Platz. Hier haben Bürgerrechtler und die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt zu einer Demonstration gegen das Demonstrationsverbot aufgerufen. Und hier finden sich auch die ein, gegen die sich dieses Verbot richtete. Die Autonomen, die Antifa, die diffuse Linke jeder Schattierung. Die Polizei kontrolliert Taschen und Rucksäcke.

Um 14.15 Uhr startet die Demo, zum Schlesischen Tor. Es mögen gut 5000 Leute sein. Einen schwarzen Block gibt es nicht; die Militanten verteilen sich und scheinen die große Minderheit zu sein. Aus dem Lautsprecherwagen der Autonomen schallen krude Tiraden gegen das Schweinesystem hier und in aller Welt. Zwischendurch die üblichen Stimmungshits aus der Plattenkiste des Revolutionärs. Die Polizei begleitet Teile des Zuges, behelmt zwar, aber ohne Schilde oder gezückte Schlagstöcke. Auch die Demonstranten bleiben vollkommen friedlich. Die Parolen des Lautsprecherwagens finden kaum Echo. Gerade mal "Hoch die internationale Solidarität!" wird von einigen mitgebrüllt. Gegen drei ist die Demo wieder am Lausitzer Platz angelangt.

Auf der Schlusskundgebung heißt es, man hätte gezeigt, dass man sich den 1. Mai nicht habe nehmen lassen. Um 15.30 Uhr löst sich die Veranstaltung ohne Zwischenfälle auf. Jedem ist klar: Dies war die Ersatz-Demo für die verbotene Demonstration am Abend. Kurz darauf endet am Kottbusser Tor auch der Marsch der Orthodoxen. Auch bei ihm gab es keine nennenswerten Vorfälle. Wie in den Vorjahren.

Doch ebenfalls gegen 15.30 Uhr sollen bereits einzelne "Störer", wie es im Polizeideutsch heißt, versucht haben, auf dem Oranienplatz Müllcontainer anzuzünden. Dies wird rasch unterbunden, der Platz gesperrt.

Die Oranienstraße kurz vor 16 Uhr: von Menschen voll. Passanten, Kneipengäste, Demonstranten ohne Demonstration. Herumstehende. Doch ab 16 Uhr gilt ein Versammlungsverbot in ganz Kreuzberg: Schlag vier ziehen Polizeiketten auf. Mit Helm, ohne Schlagstock. Drängen die Menschen in Richtung Heinrichplatz ab. Pfiffe ertönen, Rufe: "Haut ab!" Eine Flasche, zwei Büchsen fliegen. Geht es jetzt los?

1. Mai, 16 bis 18 Uhr: Erste Zeichen der Gewalt. Dann die plötzliche Eskalation.

Die Uhr geht auf sechs. Auf dem Heinrichplatz stehen und sitzen die Menschen, die Straßencafés sind voll. Die Oranienstraße ist nach Westen hin von einer Polizeikette verriegelt. Die Wege zum U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof, zum Mariannenplatz und zur Skalitzer sind frei. Es hat einige Steinwürfe auf Polizisten gegeben, jetzt ist die Lage wieder ruhig. Jedenfalls scheinbar: Als Zeitpunkt für den erwarteten Gewaltausbruch gilt bei der Polizei etwa 18 Uhr - der Termin, an dem in den Vorjahren die diesmal verbotene "Revolutionäre 1. Mai-Demonstration" startete. Dass sich etwas zusammenbraut, ist ab 17.30 Uhr an dem intensiver werdenden Funkverkehr zu erkennen.

Gegen 17.50 Uhr geht's dann los. Aus dem Schutz des bis dahin friedlich verlaufenen Festes auf dem Mariannenplatz heraus werfen plötzlich Dutzende von vermummten Randalierern mit Steinen auf die Polizeikette in der Mariannenstraße am südlichen Ende des Platzes. Die Polizisten ziehen sich im Steinhagel zurück und fordern Verstärkung durch Wasserwerfer an. Wenige Minuten später eskaliert die Gewalt auch in der Muskauer Straße. Auch hier vertreibt ein Steinehagel zunächst die Polizei. Barrikaden werden errichtet, Autos umgeworfen und angezündet. Der Besitzer eines Standes auf dem Mariannenplatz fleht einen der Randalierer an, seine Bude nicht zu Barrikadenkleinholz zu machen. Er sei seine Lebensgrundlage. Zur Antwort hört er: "Damit müssen wir leben, jetzt ist Revolution!"

Die angeforderten Wasserwerfer kommen offenbar nicht aus Berlin. Sie kommen mit der Verkehrsführung auf dem Heinrichplatz nicht recht klar und bleiben kurz stecken. In diesem Moment prasselt ein Hagel von Steinen und Flaschen auf sie herab. Aus dem Nichts; oder besser, aus einer Menge mehrheitlich friedlicher Menschen, die nun auseinanderspritzen.

Nach Süden hin fliegen die Steine in die Mariannenstraße, nach Osten hin in die Wrangelstraße. Auch hier stehen Wasserwerfer und spritzen. Doch die Autonomen verstecken sich hinter Bäumen. Der Steinhagel ist so stark, dass die Beamten nicht vorankommen. Der Mariannenplatz ist frei von Polizei. Das Fest ist längst aufgelöst, aber immer noch sind die Wiesen hier voller Menschen. Unbeteiligt, gaffend, vielleicht auch ratlos herumstehend. Ein Augenzeuge: "Ich dachte, ich bin im Krieg. Sowas habe ich in 15 Jahren nicht erlebt: Dass die Polizei die Randalierer eine Stunde lang gewähren lässt."

Er hört zwei Autonome über ihren Plan sprechen, von Gebäudedächern Molotow-Cocktails auf die Polizisten zu werfen. Sie nehmen nur davon Abstand, weil die eigenen Leuten zu dicht in der Nähe seien. Die Polizei setzt Tränengas ein. "Das ist doch Intifada", sagt einer. Aber diese Intifada hat weiterhin Zuschauer.

1. Mai, 18 bis 20 Uhr: Großes Chaos am Mariannenplatz. Die Polizei scheint hilflos.

Nach der Gewalteskalation auf dem Mariannenplatz scheint die Polizei zunächst die Kontrolle und den Überblick verloren zu haben. Nun hat die Taktik der Einsatzkräfte vor allem ein Ziel: "Wieder das Heft in die Hand zu bekommen", wie ein Beamter sagt. Ohne Erfolg: Über eine Stunde lang ist der Mariannenplatz fest in der Hand von Randalierern, Sympathisanten und Schaulustigen. Die Polizeibeamten scheinen für die Eskalation nicht gewappnet zu sein: Vor dem pausenlosen Hagel der Pflastersteine schützen sie nur Helm und Kampfanzug, die Plastikschilde bleiben im Fahrzeug. Begleitet von pausenlos feuernden Wasserwerfern, versuchen sie dennoch, auf den Platz vorzudringen. Lange Zeit ohne Erfolg. Immer wieder weichen die Beamten im Hagel der Steine und Leuchtraketen zurück.

Die Polizei versucht, den Mariannenplatz mit einem Kordon aus Beamten und Fahrzeugen zu umschließen - ein Vorhaben, das mehr Zeit in Anspruch nimmt, als offenbar im Sandkastenspiel dafür kalkuliert. Die Erklärung von Landesschutzpolizei-Direktor Gernot Piestert am Tag nach der Schlacht: "Der Mariannenplatz ist taktisch ungünstig, sehr lang und stark bewachsen."

Es ist etwa 19.15 Uhr, als zwei Wasserwerfer durch die Waldemarstraße am Südrand des Platzes vorfahren. Sie spritzen sich den Weg frei, verjagen so die im Weg stehenden Menschen. Die Wasserwerfer schwenken nach rechts auf den Platz, und können die Autonomen nun auch von der Seite angreifen. Doch die Gegenwehr wird nicht weniger, den Wasserwerfern geht immer wieder das Wasser aus.

Um das Zentrum der Auseinandersetzungen herum räumen derweil Polizeiketten - teilweise ebenfalls mit Unterstützung durch Wasserwerfer - die Straßen. Die Waldemarstraße, die Manteuffelstraße, schließlich die Adalbertstraße. Überall vertreiben sie weniger "Störer" und Steineschmeißer, als Schaulustige und trotz Versammlungsverbot Versammelte. In das Gebiet zwischen Lausitzer Platz, Kottbusser Tor, Oranienplatz und Mariannenplatz gelangen nur noch Anwohner mit Ausweis. Entlang der Polizeiabsperrungen bleibt es mehr oder weniger ruhig; nur am Kotti ist die Stimmung aufgeheizt.

Erst gegen 20 Uhr - zwei Stunden nach dem ersten Steinhagel - gelingt es der Polizei, sich auf dem Mariannenplatz festzusetzen. Trupps von Polizisten stürmen los und umzingeln Randalierer und Schaulustige. Mehrere hundert Menschen werden in zwei Polizeikessel gedrängt. Die Polizei erklärt den Platz für geräumt. Bis zum späten Abend werden viele der Eingekesselten festgehalten - bis die Polizei geklärt hat, wer zu den "Störern" gehört und wer als Schaulustiger den Randalierern freiwillig oder unfreiwillig als - so der Polizeijargon - "Deckungsmasse" gedient hat.

1. Mai, 20 bis 24 Uhr: Kleine Scharmützel nach der Schlacht. Langsam kehrt Ruhe ein.

Um 20 Uhr hat die Polizei etwa 300 bis 400 Menschen in zwei Blöcken direkt an der St.-Thomas-Kirche und hundert Meter weiter am Bethaniendamm eingekesselt. Es sind all die, die bei der Besetzung des Mariannenplatzes nicht rechtzeitig flüchten könnten. Die schwäbische Polizei, die für die Bewachung der Eingekesselten zuständig ist, diskutiert eine Weile mit den Berliner Kollegen, was zu tun sei. An der Kirche setzen sich zunächst die Schwaben durch und lassen die Personen einzeln frei - nach einer Durchsuchung, aber ohne eine Personalienfeststellung. Der Bethaniendamm selbst ist durch zwei umgestürzte große Bauwagen blockiert, aber fest in der Hand der Polizei. Die Scharmützel verlagern sich Richtung Kottbusser Tor und gegen Mitternacht dann weiter Richtung Hermannplatz.

Um 21.18 Uhr kocht die Stimmung in der Adalbertstraße hoch. Auf dem Pflaster liegt ein lebloser Demonstrant, Sanitäter des DRK fühlen den Puls, der Mann bewegt sich nicht mehr. Die Umstehenden glauben, dass er tot ist, doch als er auf einer Bahre in den Rettungswagen geschoben wird, zuckt das Gesicht des Mannes. Eine Zeugin berichtet, dass der Mann "von Polizisten umgerannt wurde". Mörder-Mörder-Rufe kochen hoch; unterhalb des Betongebirges des Neuen Kreuzberger Zentrums wird es ungemütlich.

Minuten später fliegen von der Mittelinsel des Kottbusser Tors Steine auf die Polizisten in der Adalbertstraße. Der Knotenpunkt ist bis gegen 23 Uhr Zentrum des Krawalls. Im Schutz der Dunkelheit schmeißen auch türkische Jugendliche einzelne Steine auf vorbeirasende Polizeiautos. Die Polizei ist dort ständig in Bewegung. Für den Außenstehenden nicht nachvollziehbar, rückt die Polizei um 22.40 Uhr ab von dem Rondell - um es zehn Minuten später wieder einzunehmen.

Um 23 Uhr ist die Kreuzung Adalbert- und Oranienstraße immer noch auf drei Seiten abgeriegelt, nur Richtung Mariannenplatz dürfen Passanten laufen. Auf dem Pflaster kauern einige Festgenommene; ein Betrunkener ist gefesselt, dafür lallt er ununterbrochen Beleidigungen in Richtung Polizei. Fünf Jungs sind offensichtlich zu jung, um gefesselt zu werden. Eine einzelne Polizistin aus Nordrhein-Westfalen bewacht sie und erklärt unerwartet pädagogisch, dass es "nach Berliner Recht verboten ist, sich auf eine Kreuzung zu setzen. Ihr habt einfach Pech gehabt."

Um 23 Uhr vermeldet die Einsatzzentrale der Polizei, dass "Kreuzberg befriedet" sei. Das stimmt nicht ganz. Um 23 Uhr räumt eine Hundertschaft gerade die Kottbusser Brücke und drängt die Störer ab in Richtung Hermannplatz. Auf dem Rückzug gelingt es ihnen noch einmal, in Höhe U-Bahnhof Schönleinstraße Barrikaden auf die Fahrbahn zu zerren und anzuzünden. Um 23.30 Uhr rast ein Räumfahrzeug heran und schiebt die Müllcontainer an die Seite, ein Wasserwerfer löscht sie.


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