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B.O.N.E. fordert alles:
„Arbeit muss unbezahlbar werden“

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Mit seinen stetig steigenden Teilnehmerzahlen (ca. 20 000) hatte der Kreuzberger 1.Mai seinen festen Platz im Hauptstadtkalender gefunden. Ist es also erlaubt, ihn als Massenphänomen unterschiedslos zwischen Berlin-Marathon, Karneval der Kulturen, Nacht der Museen und der unvermeidlichen Love Parade einzureihen? Ein "Event", dessen Qualität daran gemessen wird, wer und vor allem wie viele andere auch da sind? Das Attribut revolutionär bezöge seine Berechtigung einzig daher ein angenehm diffuses Gefühl von Regelbruch zu vermitteln. Ein ähnliches Prickeln das zahlenmäßig vergleichbare Menschenmengen empfinden wenn sie, außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten, am Sonntag zum Kaufhof am Alex geladen werden. Zitat Werthebach[1]: "Es gibt doch gar keinen Sowjetblock mehr, wofür kämpfen die? Ich kann keine Inhalte erkennen!"

Artikuliert sich hier vielleicht doch die oft beschworene Sehnsucht nach einem wirklich anderen Leben? Ist das Demoverbot ein treffsicherer Affekt? Noch besser, gibt es klares, von vielen geteiltes, Bewusstsein von der Unvereinbarkeit der gesellschaftlichen Wirklichkeit und dem Anspruch auf menschliche Emanzipation? Siegt die Aufklärung, kommt die Revolution? Wir jedenfalls haben uns nach so vielen Fragezeichen darauf besonnen, für einen Moment einfach etwas zu hoffen - ja eine derartig irrationale, menschenfeindliche und auf Zerstörung angelegte Form wie der Kapitalismus darf und wird nicht das Ende der Geschichte sein!

Und wer macht die Geschichte? Eben, und hier seid ihr nun unsere MitstreiterInnen und AnsprechpartnerInnen für Ideen die mit dem Bestehenden brechen und Antworten jenseits des herrschenden Systems und dessen Logik suchen. Um uns vorzustellen und in einen Dialog zu treten, der uns mehr voneinander wissen lässt, dieses Papier.

Das Kapital braucht immer Arbeit - aber braucht die Arbeit das Kapital?

Heute könnten mit immer geringeren Aufwand an gesellschaftlicher Arbeit die Grundbedürfnisse der Erdbevölkerung befriedigt werden. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen diesem Potential und der erlebbaren Welt liegt in der Besonderheit der kapitalistischen Produktionsweise. Wirtschaftliche Aktivität entfaltet sich nur bei berechtigter Erwartung einer Gewinnentwicklung am Markt, völlig unabhängig von den Wünschen und auch den Überlebenschancen, der ihm ausgelieferten Menschen.

Ausgeliefert? Umgekehrt: Ohne die von lohnabhängigen Menschen geleistete Arbeit gibt es keine Mehrwertproduktion, d.h. Aneignung unbezahlter Arbeitsleistung – hierdurch entsteht das Klassenverhältnis. Die aktuelle Behauptung, dem Kapital ginge die Arbeit aus, ist ein Verschleierungsversuch und/oder Ausdruck eigener Hilflosigkeit, die sich in Selbstbetrug flüchtet. Börsen und Spekulationsgewinne stellen nur eine Umverteilung der in der Produktion erzielten Profite dar. Ohne Lohnarbeit verlöre der Kapitalismus seine Existenzgrundlage, er ist unauflöslich von ihr abhängig.

Die Ableitung des revolutionären 1.Mai vom Kampftag der Arbeiterklasse ist also durchaus schlüssig. Traditionell teilen wir als RevolutionärInnen uns den 1. Mai mit den Gewerkschaften. Führen wir also den gleichen Kampf oder handelt es sich hier um etwas ganz anderes?  Konkreter Anlass unserer Überlegungen ist auch die angeblich „Neue Ökonomie“ mit ihren Call-Centern und E-commerce-Firmen. Diese beschränken sich auf  wenige Hierarchieträger, meist existiert nur die Geschäftsführung mit einer Projektleitungsebene oben. Damit sind sie Firmen eines neuen Typs: Das mittlere Management mit seinen Herrschafts- und Kontrollfunktionen wird wegrationalisiert. Motivation entsteht durch einen betont lockeren Umgangston (es ist erlaubt, den Chef zu duzen) sowie einer Flexibilisierung der Arbeitszeit und entsprechend der Freizeit. Viele Lohnabhängige fanden daher zu einer positiven Identifikation mit ihrem Betätigungsfeld. Nun kann dieser Wolf aber soviel Kreide fressen wie er mag, sein wahres Ausbeutungswesen wird er nie verleugnen können. Es gehört zu unserer gemeinsamen Alltagserfahrung - wenn es ernst wird zählt für Bosse nur unsere Verwertbarkeit und für Vermieter und Banken nur unser Bares.

Die Kompetenzerweiterung der Produzierenden halten wir allerdings nach wie vor für einen Schritt in Richtung einer selbstbestimmteren Gesellschaft. Heute oft praktizierte Teamarbeit bewegt sich in den Schranken kapitalistischer Zwangskollektivität. Doch auch wenn die Produzierenden unter den gegebenen Verhältnissen die Arbeitshetze für das Kapital (noch) verinnerlicht haben, - unter der Bedingung, dass sich die Arbeitenden in einem bewusstpraktischen Prozess als 'Klasse für sich' konstituieren und den Klassenkampf für sich neu entdecken müssen kann das Erlernte revolutionär wirken.

Viele Beschäftigte der „Neuen Ökonomie“ waren bisher betont bezugslos zu traditionellen Kampfformen. Sie erleben nun langsam ihre Täuschung und finden den Weg zurück zur Idee der Gewerkschaft. Fortschritt? Unbestritten haben Gewerkschaften die Funktion, den Einzelnen einen gewissen Schutz vor der Willkür des Kapitals zu bieten.

Die Institution Gewerkschaft – ein Zukunftsmodell?

Die wichtigste Funktion der Gewerkschaften besteht darin, dass sie auf Seiten der Arbeiter das Mittel sind, das kapitalistische Lohngesetz, d.h. den Verkauf der Arbeitskraft nach ihrem jeweiligen Marktpreis, zu verwirklichen, d.h. die Konjunkturen des Marktes für sich auszunutzen. Diese Konjunkturen selbst aber liegen außerhalb der Einwirkungssphäre der Gewerkschaften. Sie können deshalb das Lohngesetz nicht umstürzen; sie können im besten Fall die kapitalistische Ausbeutung in die jeweilig »normalen« Schranken weisen, keineswegs aber die Ausbeutung selbst stufenweise aufheben. Es gab historisch sogar Arbeitskämpfe, die ohne oder gar gegen Gewerkschaften geführt werden mussten. Forderungen politischer oder gar revolutionärer Natur wurden von den traditionell von der Sozialdemokratie dominierten Gewerkschaften - da plötzlich radikal – bekämpft (z.B. 1912-1923).

Erst um auch der Frauenbewegung die Spitze zu nehmen nahmen sie Forderungen nach Geschlechterquotierung und „Kindergartenplätzen“ in ihren Maßnahmenkatalog auf. Gewerkschaften sind traditionell Männerbünde. Das klassische Mitglied ist der männliche Facharbeiter (sie sind am stärksten im Bergbau etc.). An ihm und seiner männlichen Arbeitsbiographie (ohne Unterbrechung im Arbeitsleben, ...) orientiert sich gewerkschaftliches Wirken. Insofern, (und mit ihren traditionellen hierarchischen Aufstiegschancen) stützen und reproduzieren sie immer noch und erneut patriarchale Strukturen.

Stellvertreterpolitik isoliert sich grundsätzlich von möglichen Forderungen einer nach Emanzipation strebenden Basis. Der als Institution zwangsläufig verselbständigte Apparat der lebenslang berufenen Funktionäre in den Aufsichtsräten wirkt autoritär und damit antiemanzipatorisch, er verfügt über die Mitgliedsbeiträge, hortet Informationen und hat das Verhandlungs- und Entscheidungsmonopol. Unsere Gewerkschaftskritik wollen wir jedoch nicht als Plädoyer gegen Organisierung an sich verstanden wissen. Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf ist aber eine horizontale Organisierung der SystemgegnerInnen, die vertikale Strukturen wie Vorstände und stellvertretende Delegierte bewusst ausschließt. 

Die Gewerkschaften sangen lange das Loblied der friedlichen Nutzung der Atomenergie. Kritik am kapitalistischen Wachstumsfetisch war und konnte nie ihre Sache sein. Die ökologischen Lebensgrundlagen der Gesellschaft sollen heute „nachhaltig“ ausgebeutet werden, um die Restlaufzeit des Kapitalismus zu strecken. Motiv der einer gesellschaftlichen Produktion darf nicht die Realisierung von Profiten am Markt, sondern die Befriedigung der materiellen, kulturellen und sozialen Bedürfnisse aller Menschen sein - auch der nicht kaufkräftigen. Eine Steuerung der gesellschaftlichen Produktionsprozesse durch die Gemeinschaft der Produzierenden und Konsumierenden ist nicht nur nötig, sondern auch möglich.

Hierzu verinnerlichen sie das kapitalistische Konkurrenzmodell ohne Wenn und Aber und wirken entsolidarisierend. Der von DGB-Gewerkschaften mitgetragene Produktivitätswahn verschärft ungeachtet aller individuellen Verdrängungs- und Kompensationsstrategien unser entfremdetes und frustriertes Leben. Eine Folge sind häufig genug nach innen oder gegen die Umwelt gerichtete Aggressionen. Die Kehrseite der "Individualisierung" (Ulrich Beck) ist eine atomisierte Gesellschaft, deren Mitglieder sich nur noch als KonkurrentInnen wahrnehmen. Der "Exportweltmeister" produziert psychisches Elend auf Rekordniveau.

Der DGB propagiert folgerichtig den volksgemeinschaftlichen Schulterschluss mit dem im Lande anwesenden Kapital. Die mitgetragene Diskussion um den "Standort Deutschland" offenbart ein nationales Element im DGB. Aufgabe einer Organisation der Lohnabhängigen ist nicht die Verteidigung der "deutschen Arbeit", sie hätte ihren Kampf über alle staatlichen Grenzen hinweg zu führen. "Zwei Nationalitäten gibt es in Wirklichkeit in jedem Lande: die der Ausbeuter und die der Ausgebeuteten!" (Flugblatt des Spartakusbundes 10/1916) So ist auch die sogenannte 'Mitbestimmung' noch nicht einmal ein Schritt in die richtige Richtung. Sie integriert die Produzierenden unter die Zwecke des Kapitals und leitet an zur Selbstausbeutung oder Ausbeutung anderer.

Revolution durch Institution ist Konterrevolution

„Wer, wenn nicht wir?“ (DGB-Werbeslogan)

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B.O.N.E.
basisdemokratisch, organisiert, neurotisiert und sich emanzipierend  trifft sich ab dem 8. Mai jeden Dienstag um 20 Uhr im A-Laden, Rathenower Str. 22, 10559 Berlin, 
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[1] Der Berliner Innensenator auf der Pressekonferenz zum Verbot der revolutionären 1. Mai - Demonstration