Was ist "großes Geld"?
aus: Bernt Engelmann, Das ABC des großen Geldes, Köln 1985.

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Was wirklich "großes Geld" ist, darüber gehen die Meinungen, je nach den Umständen und dem Vorstellungsvermögen des einzelnen, weit auseinander:
Wenn beispielsweise Fritz Schulze und Peter Schmidt, beide arbeitslos, weil ohne Lehrstelle, beim Nachhausegehen auf einem leeren Parkplatz eine Brieftasche mit 3.000 (dreitausend!) DM finden, dann ist das für sie - gleichgültig, ob sie dann ihrer Ablieferungspflicht genügen oder nicht - zunächst einmal das "große Geld" ...
Wenn das Ehepaar Bauer, das von 971 DM Invalidenrente sehr bescheiden lebt, eines Tages den sich seit Jahren dahinschleppenden Prozeß mit der Rentenbehörde gewinnt und ihm von der nun fälligen Nachzahlung ein Betrag von 30.000 D-Mark übrigbleibt, dann meint auch dieses ältere Ehepaar, endlich das "große Geld" zu haben ...
Wenn Dr. Müller-Minden, leitender Angestellter eines mittleren Unternehmens mit rund 95.000 DM Jahreseinkommen, wovon ihm nach allen Abzügen aber nur etwa 4.500 DM monatlich für sich und seine Familie übrigbleiben, eines schönen Tages in der Süddeutschen Klassenlotterie zwar nicht das Große Los, aber immerhin steuerfreie 300.000 DM gewinnt, dann ist das auch für ihn das so lange schon erhoffte "große Geld" ...
Und wenn schließlich Fabrikant Meier, Chef und Eigentümer (wenngleich letzteres nur zur Hälfte, denn seine beiden Schwestern sind Erben der anderen Hälfte) eines veralteten, nur noch magere Gewinne erzielenden Betriebs mit etwa 70 Beschäftigten, eine abbruchreife Mietskaserne, die er einmal spottbillig erworben hat, an einen Grundstücksspekulanten äußerst günstig verkaufen kann und Herrn Meier nach Abzug aller Steuern und Unkosten runde 3.000.000 (drei Millionen!) DM übrigbleiben, dann ist auch er davon überzeugt, endlich das ihm bislang fehlende "große Geld" zu haben ...

Nun gibt es aber in der Bundesrepublik Deutschland - und auf diesen Staat und seine Bürger wollen wir uns in diesem ABC des großen Geldes beschränken - eine Vielzahl von Männern und Frauen, für die solche Summen, wie sie Fritz und Peter, das Rentner-Ehepaar Bauer und der Direktor Dr. Müller-Minden jeweils bereits für "großes Geld" halten, überhaupt nichts bedeuten, ja für die auch 3 Millionen Mark, wie sie dem Fabrikanten Meier als "großes Geld" erscheinen, kaum der Rede wert sind. Diese weit reicheren Männer und Frauen würden sich sogar für völlig verarmt halten, hätten sie plötzlich "nur noch" drei Millionen Mark!
Denn für einen, sagen wir, hundertfachen Millionär ist der Verlust von 97 Prozent seines Vermögens eine ebenso große Katastrophe wie für einen kleinen Sparer, dem von seinen Rücklagen - 30.000 DM, die ihm Sicherheit im Alter geben sollten - ganze 900 Mark übriggeblieben sind - unbeschadet der Tatsache, daß der eine nach Verlust von 97 Prozent seines Geldes immer noch dreifacher Millionär ist, der andere aber ein armer Schlucker.

Damit wir uns eine richtige und klare Vorstellung davon machen können, was in diesem ABC mit "großem Geld" nun eigentlich gemeint ist, wollen wir einmal im Geiste Banknoten stapeln, und dabei sollen jeweils 1.000 DM in druckfrischen Hundertmarkscheinen genau einen Millimeter dick oder 'hoch' sein, was ja nicht völlig unrealistisch ist.

Die 3000 DM, die die beiden arbeitslosen Jugendlichen gefunden haben, hätten dann als Hunderter-Päckchen eine Höhe von drei Millimetern; die Rentennachzahlung, die das alte Ehepaar Bauer erhielt, bildete einen drei Zentimeter hohen Packen; der Lotterie-Gewinn des Herrn Dr. Müller-Minden vom 300.000 DM ergäbe einen Geldschein-Stapel von 30 Zentimeter Höhe, und das vermeintliche "große Geld", das dem Fabrikanten Meier vom Verkauf der abbruchreifen Mietskaserne übriggeblieben ist, runde drei Millionen Mark, hätte in gestapelten Hundertern bereits eine Höhe von drei Metern. Das Geld des namenlosen hundertfachen Millionärs, von dem ebenfalls schon die Rede war, ragte in gestapelten Hundertmarkscheinen sogar schon hundert Meter hoch auf - um einen Meter höher als die Türme der Münchner Frauenkirche! Aber auch damit sind wir auch längst nicht beim wirklich "großen Geld".

Als Anfang Juli 1985 die Friedrich Flick Industrieverwaltung Kommanditgesellschaft auf Aktien, Düsseldorf, der Presse ihren Geschäftsbericht für das abgelaufene Geschäftsjahr vorlegte, wies die Bilanz, neben vielen anderen für die Gesellschaft erfreulichen Posten, für 1984 flüssige Mittel (d.h. jederzeit verfügbare Gelder) in Höhe von 348 Millionen DM aus - in Hunderter-Packen gestapelt genau 348 Meter hoch, mehr als das Doppelte des Kölner Doms!
Aber für Dr. Friedrich Karl Flick, der als Alleinerbe des Konzerngründers praktisch auch Alleineigentümer der Friedrich Flick Industrieverwaltung KGaA ist (...), stellen diese 348 Millionen DM flüssige Mittel nur die - im Firmenjargon "Kriegskasse" genannte - Manövriermasse dar, die jederzeit an der Börse eingesetzt werden kann. Sie sind nur ein kleiner Bruchteil seines gesamten Vermögens, dessen Umfang sich nicht genau feststellen, nur ungefähr schätzen läßt. (...)
Immerhin läßt sich mit einiger Sicherheit vermuten, daß das Gesamtvermögen des Dr. Friedrich Karl Flick derzeit zwischen 6 und 8 Milliarden DM beträgt und in Hundertmarkschein-Stapeln eine Höhe von 6.000 bis 8.000 Metern erreichen würde, etwa die des Gaurisankar oder des Mount Everest!
Von solchen aus dem ewigen Eis aufragenden und von sehr dünner, ohne künstliche Sauerstoffzufuhr zum Atmen nicht mehr taugender Luft umgebenen Gipfeln aus sind Unterschiede zwischen Geldpäckchen von 3 Millimetern, 3 Zentimetern, 30 Zentimetern und Geld-Stapeln von 3 Metern Höhe überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Anders ausgedrückt: Aus Reichtums-Höhen wie denen des Herrn Dr. Flick sind jugendliche Arbeitslose und dreifache Millionäre nur als gleichermaßen mittellos zu vermuten, und selbst ein Vermögen, das in Packen aufgetürmt die Münchner Frauenkirche überragt, sinkt dann zur Bedeutungslosigkeit herab. Von Flicks Geld-Gaurisankar aus erscheint der hundertfache Millionär als leicht zu übersehende Ameise.