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Jagd auf linke Links

von Peter Nowak 

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Hausdurchsuchung beim Verantwortlichen für die Linke Liste wegen der Veröffentlichung von Texten einer verbotenen türkischen Vereinigung

Über die Zensur politischer Texte im Internet ist in der letzten Zeit eine heftige Debatte entbrannt. In der Regel konzentriert sich die Auseinandersetzung dabei um rechtsradikale, rassistische und antisemitische Texte. Doch auch Linke haben schon längst die Vorteile des Internet erkannt. Unter dem programmatischen Namen  www.linkeseite.de [0] konnte man die Internetausgabe der Tageszeitung junge Welt ebenso wie aktuelle News der antifaschistischen Szene lesen. Auch die neuesten Repressionsfälle wurden auf der Linken Seite immer exakt aufgelistet. Am Schluss fehlte nie die obligatorische Aufforderung zur Solidarität. Die haben die Betreiber der Linken Seite jetzt selber nötig.

Am Morgen des 3.Mai, sinnigerweise dem Internationalen Tag der Pressefreiheit, wurde die Stuttgarter Wohnung des Linke Seite-Betreibers Oliver Berthold im Raum Stuttgart durchsucht. Neben diversen schriftlichen Unterlagen wurden die gesamte Computeranlage sowie sämtliche Zugangsgeräte zum Internet beschlagnahmt.

Unter den zahlreichen Informationen der Linken Seite waren es Texte der türkischen DHKP-C, die die Staatsmacht auf den Plan rief. Das Kürzel steht für Volksbefreiungspartei/Front, einer marxistisch-leninistischen Organisation, die in der Türkei hauptsächlich in den Elendsvierteln um Istanbul aktiv ist und in den letzten Jahren gelegentlich durch Guerillaaktionen bekannt geworden ist. Ein Großteil der hungerstreikenden und todesfastenden Gefangenen, die sich seit 20.Oktober gegen die Einführung von Isolationsgefängnissen wehren (siehe:  www.noisolation.de [1]), kommt aus dieser nicht nur in der Türkei sondern seit dem 9.8.1998 auch in Deutschland verbotenen Organisation.

Weil auf der Linken Seite neben aktuellen Informationen zum Gefangenenwiderstand in der Türkei auch einige programmatischen Texte der DHKP-C veröffentlicht waren, wird gegen Berthold wegen Unterstützung einer verbotenen Vereinigung ermittelt. Die Razzia sollte dafür die Beweise liefern. Der Betreiber weist den Vorwurf vehement zurück.

"Die Linke Seite ist ein nichtkommerzielles Internetprojekt mit dem Ziel, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu schaffen, zu sensibilisieren, zu informieren und zu animieren. Es geht uns um die unzensierte Diskussion und Verbreitung linker Informationen."

Schon eine oberflächliche Inspektion der Linken Seite macht deutlich, dass es kaum möglich sein dürfte, dem Betreiber vorzuwerfen, er mache sich den Inhalt der dort veröffentlichten Texte zu eigen. Finden sich doch neben den inkriminierten DHKP-C -Erklärungen auch Texte aus anarchistischen, feministischen und autonomen Gruppen.

Doch selbst wenn nicht zur Anklage kommen sollte, ist durch die Razzia das gesamte Internetprojekt akut gefährdet. "Mit dieser Beschlagnahme steht nun das Projekt "www.linkeseite.de" vor dem Aus, da keine Mittel zur Anschaffung eines geeigneten Computers vorhanden sind. Zumal nun wohl auch noch weitere Kosten für Anwälte etc. auf mich zukommen", schreibt Berthold in einer Presseerklärung.

Links

[0] http://www.linkeseite.de/
[1] http://www.noisolation.de/