Wir arbeiten am meisten 
und verdienen am wenigsten


trend-Interview mit einem streikenden Piloten 

05/01 trdbook.gif (1270 Byte)  trend online zeitung Briefe oder Artikel: info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat Oranienstr. 45 D-10969 Berlin

Karl, bevor wir zu den aktuellen Ereignissen kommen, könntest Du Dich bitte kurz unseren LeserInnen vorstellen?

Ja, ich bin Ende 20, seit über zwei Jahren Pilot und lebe hauptsächlich in Berlin. Ich sage hauptsächlich, weil ich auch in Frankfurt/M ein Zimmer habe, da ich dort stationiert bin. Ich muss also ständig pendeln.

Meine Geburtsstadt will ich nicht verlassen, sonst könnte ich ja gleich zu Emirates wechseln. Die zahlen mehr als doppelt so viel wie die Lufthansa.

Wie bist Du Pilot geworden?

Zunächst habe ich ein gesellschaftswissenschaftliches Studium absolviert und anschließend habe ich die Pilotenlizenz bei Lufthansa erworben. Die musste ich aus eigener Tasche bezahlen.

Wieviel Geld musstest Du dafür auslegen?

80.000,- Mark. Plus Lebenshaltungskosten - da kommt man nach zwei intensiven Jahren Ausbildung schon leicht auf über 100.000,- Mark. Und in den letzten Jahren hat die Ausbildung zwischenzeitlich sogar mal 140.000 Mark gekostet.

Hast Du das inzwischen abgezahlt?

Nein, ich zahle immer noch monatlich 1200,-- DM ab.

Wie hältst Du Dich fit für Deinen Job?

Ich treibe Sport, ernähre mich gut, rauche nicht, meide jegliche Drogen. Clubs kann ich nur kurz besuchen, da ich Angst habe, mein Hörvermögen zu vermindern. Wir werden ständig gesundheitlichen Checks unterzogen, und ich muss vier Mal im Jahr mein theoretisches und praktisches Können im  Flugsimulator unter Beweis stellen. Die Lufthansa ist da sehr strikt. Das ist auch nötig und gut so. Schliesslich erwarten die Passagiere von Lufthansa Top-Qualität, gerade auch im Cockpit.

Nur sollte dafür auch die Entlohnung adäquat sein.

In der Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, bei Eurem Streik handle es sich um einen Luxusstreik. Es ist die Rede von Piloten, die mehr als 300.000 DM im Jahre verdienen und jetzt zusätzlich 30% verlangen. Verrätst Du uns, wie viel Du verdienst?

Ja, natürlich. Ich bin jetzt als Co-Pilot knapp über zwei Jahre dabei und habe ca. 4.500,-- DM im Monat netto.

Das ist ja auch nicht mehr als ein Studienrat hat und der muss seine Ausbildung nicht selbst zahlen.

Ja, das stimmt. Nur langgediente Flugkapitäne kurz vor der Pensionierung mit 55 verdienen um die 300.000 Mark brutto. Das klingt viel, sind aber umgerechnet auf netto auch nur ca. 13.000 bis 15.000 DM monatlich. Außerdem muss man wissen, dass diese Zahl fast niemand erreichen kann, weil die Voraussetzungen dafür kaum jemand erfüllen kann: Eintritt bei der Lufthansa mit 20 Jahren, niemals für eine andere Fluggesellschaft geflogen sein und 55 Jahre alt sein und einen Jumbo fliegen. Ich weiß nicht, ob die VC in diesem Bereich noch Verhandlungsmasse sieht. Wichtig ist auf jeden Fall die Erhöhung insbesondere der unteren Einkommensstufen, denn ich kenne viele junge Kollegen, die sich überlegen, ins Ausland abzuwandern, um endlich die Schulden los zu werden.

Damit wären wir beim eigentlichen Thema. Warum seid Ihr denn mit Eurer Gewerkschaft "Vereinigung Cockpit", kurz VC, aus der ehemaligen Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) ausgeschert und habt Euch selbständig gemacht, warum seid Ihr nicht auch Mitglied bei ver.di geworden?

Die DAG war ja immer ein ziemlich zahmer Verein. Kaum hatte der Arbeitgeber ein Angebot gemacht, hat die DAG schon zugestimmt. Nicht nur in unserem Bereich. Wir haben lange gezögert bis wir endlich überzeugt davon waren, dass wir unsere Interessen innerhalb und mit der DAG schlecht vertreten konnten. Unsere Mitgliedschaft dort war eher ein Bremsklotz. Wir mussten fürchten, ver.di würde sich als ein noch größerer Bremsklotz erweisen. Diese Befürchtung hat sich jetzt bestätigt. Die versuchen, uns kaputt zu machen, weil ihnen die ganze Richtung nicht passt. Die wollen alles über einen Kamm scheren, obwohl doch die Bedingungen überall völlig verschieden sind. Ich halte das für den Ausdruck eines antiquierten Kommunismus, für Gleichmacherei dort, wo es nur nach hinten losgehen kann.

Was hast Du denn gegen Kommunismus?

Kommunismus ist für mich eine Einheitssoße ohne Freiheit. Das kann auf Dauer nicht funktionieren, das haben wir ja gesehen.

Zurück zu Cockpit. Wie erklärst Du Dir denn die starke Kampfbereitschaft bei der VC?

Als die Lufthansa Anfang der Neunziger, 1991/92, in Schwierigkeiten war, haben wir enorme Zugeständnisse gemacht. Wir haben einen Sanierungsbeitrag in Höhe von 35 bis 40% geleistet. Und damit deutlich mehr als die anderen Lufthansa-Beschäftigten. Das sollten sich diejenigen, die am Donnerstag gegen uns auf dem Frankfurter Flughafen demonstriert haben, mal ins Gedächtnis rufen. Hätten wir das nicht gemacht, gäbe es die Lufthansa vielleicht gar nicht mehr. Dieser, unser Beitrag wird überhaupt nicht gewürdigt, weder von der Geschäftsleitung, noch von den protestierenden Kollegen, schon gar nicht von ver.di und dem DGB. Uns wird vorgeworfen, das jetzt zurück haben zu wollen. Wenn das so wäre, müssten wir zwischen 60 und 70 % verlangen. Das resultiert mathematisch aus dem unterschiedlichen Grundwert, der für beide Berechnungen zugrunde gelegt wird.

Wenn man sich unsere Gehälter anschaut, erkennt man, dass wir am unteren Ende im internationalen Vergleich stehen. Nur die SAS zahlt noch weniger. Die Kollegen bei United Airlines beispielsweise, die im letzten Jahr 28% erkämpft haben, verdienen das Doppelte und bewegen sich damit auch nur im Mittelfeld. Bei Cathay Pacific verdient man fast das Dreifache.

Gleichzeitig arbeiten wir bei Lufthansa so ziemlich am meisten von allen verglichenen Airlines. - Also: wir arbeiten am meisten und verdienen am wenigsten !

Die Lufthansa bietet nun linear 12 - 13 % für die nächsten 4 Jahre, d.h. ca 3 % jährlich. Das ist eine Frechheit. Unsere Forderung beläuft sich auf 24 %. Damit sind wir der Lufthansa ohnehin schon sehr weit entgegen gekommen.

Wir dürfen einfach nicht zulassen, dass die Schere weiter auseinanderklafft. Wir leben in einer globalisierten Welt. Überall wird geschimpft, die Globalisierung würde zu Lohndrückerei führen. Das müssen wir verhindern, sonst findet die Lufthansa im heutigen Wettbewerb um talentierte Arbeitskräfte keinen Nachwuchs mehr. Gerade die Zielgruppe der potentiellen Nachwuchspiloten kann z.B. im IT-Bereich weitaus mehr verdienen als bei Lufthansa als Pilot. Jetzt haben wir die Möglichkeit zu kämpfen. Damit werden sich auch die Dinosaurier aus ver.di und Co. abfinden müssen. Ich glaube, die haben nur Angst, dass wir ihren eigenen Mitgliedern zeigen, dass man solche Riesenorganisationen nicht braucht, um Erfolg zu haben. Im Gegenteil : kleinere, schlagkräftige Gewerkschaften können weitaus mehr erreichen für ihre Mitglieder. Man muss sich doch mal vorstellen, was ver.di für einen Riesenapparat hat, wie viel Funktionäre von diesem Apparat abhängig sind. Da traut sich doch keiner, eine eigene Meinung zu haben und uns z.B. zu unterstützen. - Aber das nur nebenbei.

Um es abschliessend noch einmal ganz klar zu sagen :

Die Schmerzgrenze wurde eindeutig überschritten. Jetzt müssen wir kämpfen !

Wir wünschen Dir und Euch viel Erfolg bei Eurem Kampf.

Die Lufthansa muss Euch gerecht bezahlen. Da sind wir mit Euch einer Meinung. Wer mehr zur VC wissen will, kann ja deren Website aufsuchen: www.vcockpit.de 

Das Interview führte Alfred Fromm.