Editorial
Randale-Volxfest

von Alfred Fromm
05/02
 
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Wowereit hat richtig erkannt, von den revolutionären Demonstrationen vom O-Platz, Bolle am O-Tor oder Rosa-Luxemburg-Platz ging keine Gewalt aus. Offensichtlich haben sich die Bullen dieses Jahr tatsächlich etwas zurückgehalten. Das Fest am Marianneplatz war voll wie nie zuvor und wurde nicht überfallen. Dennoch entstand Randale. Die Frage ist, von wem ging sie aus und zu welchem Zweck?

Das schöne Fest am O-Platz am Vorabend des 1. Mai war sehr gut besucht trotz der jämmerlichen Beschallung. Die Musik war kaum wahrzunehmen. Das tat der guten Stimmung allerdings keinen Abbruch. Auffallend war der hohe Alkoholkonsum, dagegen wenig süßer Duft. Der Platz war vor lauter Dosen und Flaschen kaum noch begehbar. Im angrenzenden Park tummelten sich Heerscharen von urinierenden Männern. Kein Wunder, dass irgendwann sogar den profittüchtigen jungen Bierverkäufern der Stoff ausging und einige Nochdurstige den Plus-Supermarkt an der Ecke öffneten, um weiteren Nachschub zu besorgen. So weit, so schlecht. Die Bullen räumten, es begann zu regnen und Ruhe kehrte ein...

Am nächsten Abend musste Plus irrwitzigerweise noch mal dran glauben. Doch das war nur eine Marginalie. Die eigentliche Action fand südlich und westlich des M-Platzes statt. Gruppen von depravierten Ghetto-Kids, teilweise mit Emblemen der Türkischen Republik und anderem machistischen Zubehör versehen, angereiste Revolutionstouristen, gefielen sich im Straßenkampf. Sie gefielen sich dabei, auf parkende Autos zu springen, auf ihnen rumzuhüpfen, sie auf den Kopf zu drehen und dergleichen mehr. GenossInnen, die noch auf dem M-Platz ihre Stände abbauten, versuchten, die Kids von ihrem Treiben abzubringen. Ohne Erfolg, ja sie wurden sogar bedroht. Augenzeugen berichteten, die Kids hätten auf die Frage, wen sie denn bekämpfen würden, geantwortet, Nazis und Punks. Die Bullen nicht, denn die wären ja keine Rassisten.

Von der Walpurgisnachtfeier im Mauerpark, an der Eberswalder Straße im Prenzlauer Berg, wird Ähnliches berichtet. Zu viel Alkohol, eine fast tödlich verletzte Frau durch einen Steinwurf, Stress mit Hools.

Zurück zur Politszene. Ein Sprecher der AAB verkündete, die Randale in Kreuzberg hätten die Bullen sich selbst zuzuschreiben, weil sie die Demo vom RL-Platz kommend nicht zum O-Platz durchgelassen hätten, sondern sie am Michaelkirch-Platz für beendet erklärten. Er vergisst dabei, dass zu diesem Zeitpunkt die Randale in Kreuzberg längst am Laufen war. Warum er dennoch die Randale für seine Zwecke bemüht, bleibt unklar.

Das autonome Umbruch-Archiv meint darauf hinweisen zu müssen, "der ganze Krawall" hätte was "mit der neuen deutschen Rolle im Krieg zu tun, dem bevorstehenden Bushbesuch, mit dem Ausverkauf Berlins an die Bankgesellschaft und Wohnungsbaugesellschaften, mit sozialer Armut und dem Brass auf die Polizei, die häufig als (prügelnde) Beschützer der Nazis erlebt wird". Diese Aussage ist etwa so schlau wie alles hat mit allem zu tun, vor allen Dingen verharmlost sie aber den patriarchalischen Gehalt dieses Verhaltens.

Wer sich die Beschreibungen in indymedia oder aber in den bürgerlichen Medien anschaut, findet keine Anhaltspunkte, die dem oben dargestellten Verlauf der Randale widersprechen würden. Von daher stellt sich für Linke die Frage, wie ist die Situation einzuschätzen, was haben wir mit dieser Art von machistischem "Vergnügen" noch zu schaffen?

Wir könnten bspw. sagen, jede Art von Spaß, ob mit oder ohne Gewalt, hat seine Berechtigung. Ob Love Parade oder Kämpfe verfeindeter Hools, ob Saufen bis zur Ohnmacht oder Steine auf Punks, ob Goldene Zitronen oder Deutsches Volkslied, es ist doch alles dasselbe. Wir könnten aber auch sagen, wir verstehen euren Frust, eure Erniedrigung, eure Misere, aber die von euch gewählte Entladung stärkt nur eure beschissene Situation, hilft dabei, euch weiterhin zu unterdrücken, hilft dabei, eure Frauen und Mädchen in patriarchalischer Abhängigkeit zu halten, hilft dabei, euch unglücklich zu machen.

Leider hat die Linke keine Stimme mehr, um dies zu sagen. Sie hat den Kontakt zu den Menschen offenbar verloren, sie ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Der"rote" Senat spart bis es, nach eigener Aussage, "quietscht", die ErzieherInnen aus den städtischen Kitas befinden sich im Arbeitskampf, die Metaller, jetzt auch die Bauarbeiter fangen an zu streiken, wo, bitte schön, bleibt die revolutionäre Alternative? In der Vorbereitung zu den "revolutionären" Mai-Demos kamen diese Themen kaum zur Sprache. Stattdessen verlor man sich in Abgrenzungsgeplänkel. Grottian und sein Bürgerbündnis musste bekämpft werden und diejenigen, die mit ihm sprachen. Heiliger Strohsack, hört auf, eure Energien mit nutzlosen Dingen zu verschwenden. Die Chance ist einmalig, angesichts der neoliberalen Politik der Traditionssozialisten ist links ein Vakuum entstanden, das nur darauf wartet, gefüllt zu werden. Dabei könnte uns selbst Grottian behilflich sein. Wir kümmern uns um die sozialen Kämpfe und Grottian holt uns geile Musik in den Kiez, damit wir nach revolutionärer Tat gemütlich relaxen können. Zu fragen ist wirklich, ob wir nicht eine Kampagne zu Ehren von Wolfgang Neuss starten sollten, "Nieder mit dem Alk, in Deutschland darf nie wieder ein Joint ausgehen".