Der Krisenprozess des Kapitals
05/02
 
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Marx war kein Oekonom, sondern ein Revolutionaer, ein Kommunist. Er war insofern ein Kritiker der buergerlichen Gesellschaft und deren Grundlage: der politischen Oekonomie.

Er war gleichzeitig auch ein Historiker, indem er die sukzessiv aufeinander folgenden Produktionsweisen: Urgesellschaft, Altertum, Feudalismus und Kapitalismus jeweils dialektisch aufeinander bezog und deren Voraussetzung wie auch Zerstoerung bzw. Aufhebung analysierte. Darin entdeckte er aber gleichzeitig auch ihr inneres Band: die Entwicklung der Produktivkraefte.
Er war auch Natur- und Gesellschaftswissenschafter sowie kritischer Philosoph. Wenn in seiner Arbeit die Analyse der buergerlichen Oekonomie die Dominanz traegt, so deshalb, weil durch sie Gesellschaft gebildet wird bzw. ihr Fundament darstellt. Als Marx sich von den Junghegelianern trennte und stattdessen Hegels Idealismus und Positivismus grundlegend kritisierte, war er sich schon klar, dass auch die buergerliche Gesellschaft keine Ewigkeit in sich trug, sondern genauso, wie alle anderen historischen Produktionsweisen an ihren immanenten Widerspruechen zugrunde gehen wuerde. Ihm kam es in seiner Arbeit darauf an, diese Widersprueche herauszuarbeiten und damit theoretisch die Revolution hin zu einer hoeher entwickelten Produktionsweise voranzutreiben. Das vorantreibende Element in der Geschichte ist die Kritik, die Negativitaet, die dann weiterfuehrt zur Negation der Negation = Aufhebung. Aufhebung wiederum bedeutet gleichermassen: aufbewahren, wie zerstoeren, wie auf eine neue Stufe heben. Und dementsprechend ging Marx methodisch mit Hegels dialektischer Philosophie, wie auch den Visionen der Sozialutopisten/Fruehsozialisten wie auch mit den Ausarbeitungen der Nationaloekonomen um. Das, was er als fortschrittlich und theoretisch richtig analysierte, floss in seine Darlegungen und weitere kritische Analysen ein - und auch in seine Praxis der Organisierung der internationalen Arbeiterbewegung, u.a. dem Kommunistischen Bund und der IAA. Seine theoretische Arbeit galt der Schulung der Arbeiterklasse, sie sollte die theoretische Waffe im Klassenkampf darstellen. Auf keinen Fall war sein Werk gedacht als positive Anleitung fuer Kapitalisten, um etwaige Krisen des Kapitals zu verhindern - oder, wie es die "Realsozialisten" praktizierten, eine "sozialistische" Wert- und Akkumulationstheorie zusammenzustuempern. Mittelerweile ist ja klar geworden, dass das "realsozialstische" Modell surrealistischer Staatsoekonomie genau an diesem oekonomistischen Positivismus und der Affirmation buergerlicher Wertgesetzmaessigkeit zugrunde gegangen ist.

Wenn wir uns dem Feld der "Kritik der politischen Oekonomie" zuwenden, so muessen wir dies stets mitdenken und mit be-greifen. In seinem Gesamtwerk weist Marx stets daraufhin, dass die buergerliche Gesellschaft gegenueber der feudalistischen einen ungeheuren Fortschritt darstellt. Dies, weil sich in dieser Produktionsweise die Produktivkraefte dynamisch und hemmungsloser als im Feudalismus entwickeln koennen und weil die "privaten" Einzelarbeiten nun ueber den sich herausbildenen Weltmarkt aufeinander bezogen wurden und zusammenflossen. Dadurch wurde die produktive Arbeit aller Arbeitenden zusammengefasst und die bornierten Schranken beseitigt. Weiter sah er einen Fortschritt darin, dass sich in der buergerlichen Gesellschaft die Individualitaet und das wissenschaftliche Vermoegen der Produzenten herausbildet, wenn auch in einem sehr widerspruechlichen Prozess:

"Je groesser der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Groesse des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto groesser die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhaeltnismaessige Groesse der industriellen Reservearmee waechst also mit den Potenzen des Reichtums." (1)

Die Produktivkraft wird also nur zum Zweck der Kapitalakkumulation eingesetzt und bedingt damit gleichzeitig die Produktion von Surplusarbeit auf immer hoeherer Stufenleiter und damit gleichzeitiger Zunahme der organischen Zusammensetzung, also Zunahme des capital constante und capital fixe gegenueber dem variablen capital. Und dies ist ein allgemeines Gesetz der Akkumulation: also Einverleibung von Mehrarbeit und damit die Ueberzaehligmachung lebendiger Arbeitskraft. Dies insbesondere seit der dynamischen Entwicklung seit der formellen Subsumtion unter das Kapital, der Dominanz der relativen Mehrwertabpressung. Dieser Gesamtprozess fuehrt dazu, dass "der Austausch von lebendiger Arbeit gegen vergegenstaendlichte, d.h. das Setzen der gesellschaftlichen Arbeit in der Form des Gegensatzes von Kapital und Lohnarbeit - die letzte Entwicklung des Wertverhaeltnisses und der auf dem Wert beruhenden Produktion" ist. "Ihre Voraussetzung ist und bleibt - die Masse unmittelbarer Arbeitszeit, das Quantum angewandter Arbeit als der entscheidende Faktor der Produktion des Reichtums. In dem Masse aber, wie die grosse Industrie sich entwickelt, wird die Schoepfung des wirklichen Reichtums abhaengig weniger von der Arbeitszeit und dem Quantum angewandter Arbeit als von der Macht der Agentien, die waehrend der Arbeitszeit in Bewegung gesetzt werden und die selbst wieder - deren powerful effectiveness - selbst wieder in keinem Verhaeltnis steht zur unmittelbaren Arbeitszeit, die ihre Produktion kostet, sondern vielmehr abhaengt von allgemeinen Stand der Wissenschaft und dem Fortschritt der Technologie, oder der Anwendung dieser Wissenschaft auf die Produktion. (...) Der wirkliche Reichtum manifestiert sich vielmehr - und dies enthuellt die grosse Industrie - im ungeheuren Missverhaeltnis zwischen der angewandten Arbeitszeit und ihrem Produkt wie ebenso im qualitativen Missverhaeltnis zwischen der auf eine reine Abstraktion reduzierten Arbeit und der Gewalt des Produktionsprozesses, den sie bewacht. (...) Der Diebstahl an fremder Arbeitzeit, worauf der jetzige Reichtum beruht, erscheint miserable Grundlage gegen diese neuentwickelte, durch die grosse Industrie selbst geschaffne. Sobald die Arbeit in unmittelbarer Form aufgehOert hat, die grosse Quelle des Reichtums zu sein, hoert und muss aufhoeren, die Arbeitszeit sein Mass zu sein und daher der Tauschwert [das Mass] des Gebrauchswerts. Die Surplusarbeit der Masse hat aufgehoert, Bedingung fuer die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein, ebenso wie die Nichtarbeit der wenigen fuer die Entwicklung der allgmeinen Maechte des menschlichen Kopfes. Damit bricht die auf dem Tauschwert ruhnde Produktion zusammen, und der unmittelbare Produktionsprozess erhaelt selbst die Form der Notduerftigkeit und Gegensaetzlichkeit abgestreift. Die freie Entwicklung der Individualitaeten und daher nicht das Reduzieren der notwendigen Arbeitszeit, um Surplusarbeit zu setzen, sondern ueberhaupt die Reduktion der notwendigen Arbeit der Gesellschaft zu einem Minimum, der dann die kuenstlerische, wissenschaftliche etc. Ausbildung der Individuen durch die fuer sie alle freigewordne Zeit und geschaffnen Mittel entspricht." (2)

Marx ging es im Wesentlichen darum, herauszufinden, wann der Zeitpunkt erreicht ist, in dem objektiv die Grundlage fuer eine hoehere Gesellschaftsform - der Kommunismus - in der buergerlichen Gesellschaft herangereift sei. Diese Gesellschaft wird nicht mehr auf der Lohnarbeit und der Ware-Geld-Beziehung beruhen. Die Menschen regeln die Produktion, ohne die azwischenkunft des Marktes und des Geldes. Aber auch die Art und Weise, wie und was die Menschen produzieren, wird sich wandeln.

Auch im Kapital I nimmt er die Tendenz des schwindenden Wertes, der Aushoehlung des Wertgesetzes durch die Produktivkraefte nochmal auf: "Die Proportionen gegeben, worin die Maschinerie Wert auf das Produkt uebertraegt, haengt die Groesse dieses Wertteils von ihrer eignen Wertgroesse ab. Je weniger Arbeit sie selbst enthaelt, desto weniger Wert setzt sie dem Produkt zu. Je weniger Wert abgebend, desto produktiver ist sie und desto mehr naehert sich ihr Dienst dem der Naturkraefte." (3)

Zum 15. Kapitel , Kapital Bd. III, MEW 25

Die Entwicklung der Produktivkraft bedeutet Fall der Profitrate und beschleunigte Akkumulation, die Akkumulation beschleunigt den Fall der Profitrate. Dadurch wird wiederum hoehere organische Zusammensetzung, Zentralisierung des Kapitals hervorgerufen. Die Masse der Akkumulation kann trotz fallender Rate weiter wachsen. Weitere Auswirkungen des Falls der Profitrate: es finden weniger Neuinvestitionen statt und dadurch Anwachsen des Krisenprozesses mit Ueberproduktion, Spekulation - Anwachsen der relativen Ueberbevoelkerung.

Die kapitalistische Produktion als Reichtumsproduktion hat historischen Charakter und tritt in Widerspruch zur Entfaltung der Produktivitaet.
Zins und Grundrente leiten sich vom Profit (also Mehrwert) ab und Zins und wie auch die Grundrente fallen mit der sinkenden Profitrate, obwohl sie anteilsmaessig gegeneinander zunehmen koennen. Profit, Zins und Rente sind Anteile am Mehrwert, den sie anteilsmaessig unter sich aufteilen. Der Mehrwert wird also unter den besitzenden Klassen von fungierendem Kapitalbesitzer, Geldkapitalbesitzer und Grund- und Bodenbesitzer aufgeteilt.

Die Produktion von Mehrwert im unmittelbaren Produktionsprozess, der sich in der Ware materialisiert und keine andere Schranke kennt - Produktionsmittel vorausgesetzt - als die Arbeitermasse ist nur der erste Akt der Akkumulation. Das Gesamtprodukt, in dem vorgeschossnes Kapital an Produktionsmitteln wie variables Kapital und Mehrprodukt enthalten ist, muss verkauft werden, sich realisieren, damit ein Teil davon wieder in den Produktionsprozess zurueckfliessen kann. Produktionsprozess und Realisierungsprozess sind aber zeitlich und raeumlich voneinander und auch begrifflich getrennt und unterschiedlich. Der Realisationsakt unterliegt aber diversen Beschraenkungen:

1) Proportinalitaet der verschiedenen Produktionszweige (Sektor I. und II)
2)Konsumtionskraft aufgrund antagonistischer Distributionsverhaeltnisse (Revenue der Kapitalisten und Loehne der Arbeiter)
3) Akkumulationstrieb, Trieb nach Vergroesserung des Kapitals (Produktion von Mehrwert auf erweiterter Stufenleiter)

Hier noch kurz zu Michael Heinrichs Ausfuehrungen (auf S. 8 in seinem Papier). Er schreibt da: "Nicht die Konsumnachfrage der Arbeiterklasse, sondern vor allem der Umfang der Investititionsnachfrage der Kapitalistenklasse entscheidet ueber das Verhaeltnis von Produktion und Konsumtion. Allerdings kann Marx die Begrenzung des Akkumulationstriebes nicht weiter begruenden." Dies hat Marx jedoch an anderer Stelle gemacht - und wir finden in der MEGA (was Engels nicht an gleicher Stelle rezitiert hat):
"Concentration der Capitalien. Accumulation der grossen Capitalien duch Vernichtung der kleinern. Attraction. Entcapitalisierung = Aufloesung der Mittelverbindungen von Capital und Arbeit. Es ist nur die letzte Potenz und Form des Processes, der die Arbeitsbedingungen in Capital verwandelt, dann das Capital vervielfacht und auf erweiterter Stufenleiter reproducirt, endlich die auf vielen Punkten der Gesellschaft gebildeten Capitalien von ihren Besitzern trennt und in den Haenden groesserer Capitalisten centralisiert. Mit dieser aeussersten Form des Gegensatzes, die Production, wenn auch in entfremdeter Form, in gesellschaftliche verwandelt. Gesellschaftliche Arbeit und im wirklichen Arbeitsprozess Gemeinsamkeit der Productionsinstrumente. Die Capitalisten werden als Functionaere des Processes, der zugleich diese gesellschaftliche Production und damit die Entwicklung der Productivkraefte beschleunigt, in demselben Maass ueberfluessig als sie procura der Gesellschaft die Nutzniessung ziehn und als Eigenthuemer dieses gesellschaftlichen Reichtums und Commandeuts der gesellschaftlichen Arbeit aufgeblaeht werden. Es geht ihnen wie den Feudalen, deren Ansprueche in dem selben Maass als ihre Dienste ueberfluessig wurden mit dem Aufkommen der buergerlichen Gesellschaft, sich in blosse zeitwidrige und zweckwidrige Privilegien verwandelten und damit ihren Untergang entgegeneilten."

Im 27. Kapitel V. Abschnitt erscheint diese Anmerkungen in anderer Gestalt und angereichert mit Analysen ueber das Aktien- und zinstragende Kapital:

"Das Kapital, das an sich auf gesellschaftlicher Produktionsweise beruht und eine gesellschaftliche Konzentration von Produktionsmitteln und Arbeitskraeften voraussetzt, erhaelt hier direkt die Form von Gesellschaftskapital (Kapital direkt assoziierter Individuen) im Gegensatz zum Privatkapital und seine Unternehmungen treten auf als Gesellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privatunternehmungen. Es ist die Aufhebung des Kapitals als Privateintum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise selbst. 3.) Verwandlung der wirkliche fungierenden Kapitalisten in einen blossen Dirigenten, Verwalter fremdes Kapitals, und der Kapitaleigentuemer in blosse Eigentuemer, Geldkapitalisten." (S. 452) "Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst und daher ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als blosser Uebergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. Als solcher Widerspruch stellt er sich dann auch in der Erscheinung dar. Er stellt in gewissen Sphaeren das Monopol her und fordert daher die Staatseinmischung heraus. Er reproduziert eine neue Finanzaristokratie, eine neue Sorte Parasiten in Gestalt von Projektenmachern, Gruendern und bloss nominellen Direktoren; ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf Gruendungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums." Der Kredit "bietet dem einzelnen Kapitalisten oder dem, der fuer einen Kapitalisten gilt, eine innerhalb gewisser Schranken (nicht alle sind so schnell aus dem Schneider, wie der Schneider...A.G.) absolute Verfuegung ueber fremdes Kapital und fremdes Eigentum und dadurch ueber fremde Arbeit. Verfuegung ueber gesellschaftliches, nicht eignes Kapital, gibt ihm Verfuegung ueber gesellschaftliche Arbeit. Das Kapital selbst, das man wirklich oder in der Meinung des Publikums besitzt, wird nur noch die Basis zum Kreditueberbau. Es gilt dies besonders im Grosshandel, durch dessen Haende der groesste Teil des gesellschaftlichen Produkts passiert. Alle Massstaebe, alle mehr oder minder innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise noch berchtigten Explikationsgruende verschwinden hier. Was der spekulierende Grosshaendler riskiert, ist gesellschaftliches, nicht sein Eigentum." (S. 454/455)

Akkumulation/Zentralisation von Kapital - verbunden mit Akkumulation von Geldkapital, der Trennung der Kapitalisten vom "eigenen" unmittelbaren Produktionsprozess, die Verfuegung ueber fremde Arbeit (mittels dem Finanzkapital, dem Kredit), die sie nicht mehr unmittelbar kontrollieren (wobei sich die Verfuegung ueber den Mehrwert ueber Rechtstitel geltend macht) foerdert die Spekulation, das Gluecksrittertum und verschaerft damit die Krisen.

Die Realisierungsmoeglichkeit ist gegenueber der Produktivitaet und der Masse der Produktion zu eng.
Die Expropriation der Expropriateure wird auf erweiterter Stufenleiter vom Kapital selbst vollzogen, wodurch der Vergesellschaftungsgrad des Kapitals immer groessere Dimensionen annimmt.

(1) (Kapital I, 23. Kapitel, Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, in MEW 23, S. 673)

(2) Grundrisse, Bd. 42, S. 600/601

(3) MEW 23, S. 411

Editorische Anmerkungen:

Dieser Artikel ist eine Spiegelung von
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