"Für
uns gibt es jetzt kein Minimal- und kein Maximalprogramm; eines und
dasselbe ist der Sozialismus: Das ist das Minimum, das wir heute
durchzusetzen haben." Rosa Luxemburg
Der 60. Jahrestag des Kriegsendes bestimmt die politischen
Auseinandersetzungen dieser Tage. Jeder, der als Demokrat etwas auf
sich
hält, ist derweil
sichtlich bemüht, das Ende des Zweiten Weltkrieges als Triumph von
Freiheit
und
Demokratie zu verklären. In heuchlerischen
Betroffenheitskundgebungen wird
"allen
Opfern von Krieg und Zerstörung" gedacht, werden die
"Aufbauleistungen
unserer Demokratie gewürdigt" und ein vom Makel des
Nationalsozialismus rein
gewaschenes Nationalbewusstsein propagiert. Indem die Verantwortung
für
Krieg und
Zerstörung ausschließlich im Fanatismus, dem Terror und den
Verführungskünsten
"der Nazis" verortet wird, zelebriert die Nation ihre Aussöhnung mit
sich
selbst.
Deutschland habe aus
den Fehlern der Vergangenheit gelernt, die "Erinnerung
an den Nationalsozialismus" sei sogar "elementarer Teil der
nationalen
Identität" (Bundespräsident Köhler), lauten die Phrasen mit denen
parteiübergreifend
die "Rückkehr zur Normalität" beschworen wird. Auf dieser Basis
lassen sich
Auslandseinsätze der Bundeswehr schon mal mit der "historischen
Verantwortung
Deutschlands für Frieden und Demokratie" legitimieren.
Fragen nach der realen Verfasstheit der Warengesellschaft, den
kapitalistischen Ursachen von Faschismus und Krieg, werden da eher
als
störend empfunden. In
zynischer Manier feiert die Demokratie sich selbst, werden die Opfer
von
Krieg und Holocaust ausgeschlachtet, um uns die "freiheitlich
demokratische
Grundordnung" als annehmbarste Form kapitalistischer
Vergesellschaftung zu
verkaufen.
Die NPD als Popanz
staatsbürgerlicher Formierung
Die Wahlerfolge der
NPD in Sachsen haben eine rege Debatte über den "rechten
Umgang mit dem Rechtsextremismus" entfacht. "Extremismusexperten",
Pfaffen
und
Politiker diskutieren angeregt darüber, wie geschwundenes Vertrauen
in die
Demokratie wieder wettgemacht und Bürgerverantwortung und
Zivilcourage
gestärkt
werden könnte. Unaufhörlich wird dabei die Gemeinsamkeit aller
Demokraten
beschworen, die weitere Verschärfung des Demonstrationsrechts
gefordert und
der
Etablierung eines gesunden Patriotismus das Wort geredet. Dabei ist
man
sichtlich bemüht, die Nazis stets als ein der bürgerlichen
Gesellschaft
äußerliches Phänomen darzustellen, als Fehlgeleitete und
Provokateure, die
entweder in
den Schoß der "Zivilgesellschaft" integriert, oder durch die
geballte Macht
des Rechtstaates gebändigt werden könnten. Mit der provokativen
Ankündigung
der
NPD am 8. Mai in Berlin aufzumarschieren, erlangt dieser auf
Gemeinsinn und
Staatsverklärung orientierte Diskurs eine besondere Brisanz. Um zu
verhindern,
dass das "Ansehen unseres Landes Schaden" nehme, mit befürchteten
Rückwirkungen
auf die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen versteht
sich,
rufen Regierung, Parteien, Gewerkschaften, und NGO`s rund um das
Brandenburger
Tor zum "Tag der Demokratie" auf. Zweck der Veranstaltung ist es, so
der
erklärte Wunsch des Bundeskanzlers, "einen kraftvollen Beweis der
Aufrechten
und
Anständigen gegen rechte Gewalt" zu erbringen. Ein Umstand, der bei
einigen
selbsternannten "Linken" wahre Begeisterungsströme auslöst. Und so
ist auch
die
trotzkistische Gurkentruppe Linksruck mal wieder kräftig dabei, neue
Perspektiven
für den Antinazikampf herbeizuphantasieren: "Schröder hat zum
Protest gegen
die NPD gerufen. Wir begrüßen diesen Schritt und fordern alle auf,
sich am
8.
Mai auf den Weg nach Berlin zu machen. Eine breite Front aus SPD,
Grünen,
Attac,
ASG, Gewerkschaften, Migrantenorganisationen und der Antifa kann die
NPD an
diesem Tag stoppen." Nur blöd, dass es beim besagten Spektakel
mitnichten
darum
geht "die NPD zu stoppen", sondern Treuebekenntnisse für "unsere
Demokratie"
zu leisten, was von einem der Schirmherrn der Veranstaltung,
Bundestagspräsident
Thierse, auch ausdrücklich betont wird: "Der Tag der
Demokratie", den der
Senat für den 8. Mai ausgerufen hat, ist keine Demonstration gegen
die NPD.
Wir
rufen auch nicht auf, um Aufgeregtheit zu verbreiten; es geht nicht
darum,
als "letztes Mittel" die Massen zu mobilisieren. Der Tag der
Demokratie soll
vielmehr zeigen, wem dieses Land gehört und wer bestimmt, wie es
darin
zugeht."
Wer dermaßen dummdreist mit der Werbetrommel des Antifaschismus für
dieses
Event wirbt, und viele sich "links" oder "sozialistisch" nennende
Gruppen
und
Organisationen tun dies, macht sich zum Erfüllungsgehilfen
staatsbürgerlicher
Formierung. Wieder einmal zeigt sich, dass das angeblich so clevere
Konzept
des
"breiten antifaschistischen Bündnisansatzes" in letzter Konsequenz
immer
wieder zur Verteidigung des Staus quo führt.
Gegen die Nazis
aber nicht nur gegen die
Das alles soll nicht
bedeuten, dass die Nazis keine Gefahr wären. Sie sind
ein Problem, allerdings eines von vielen. Wie wir bereits an anderer
Stelle
zu
diesem Thema ausgeführt haben, sind wir nicht der Meinung, dass die
Nazis
außerhalb der gegenwärtig stattfindenden autoritären und
nationalistischen
Formierung stehen. Sie verkörpern weder Protest noch Opposition
gegen die
Verhältnisse, sondern radikalisieren die tagtäglich gestreuten
Ideologien
und
Stammtischparolen der Herrschenden in ihrem Sinne. Von daher sind
Nazis
nicht als der
Demokratie äußerliches Extrem zu bekämpfen, sondern als radikale
Protagonisten
bürgerlicher Ideologien und Sichtweisen. So richtig und wichtig es
sein mag,
sich
gegen Nazis zu wehren, so idiotisch ist es sich dabei
"antifaschistisch" in
der "Zivilgesellschaft zu verorten, oder sonst wie positiv auf die
Demokratie
zu beziehen. Der Kampf gegen Nazis ist für uns Teil des umfassenden
antikapitalistischen Kampfes zur Überwindung aller Formen
bürgerlicher
Herrschaft.
Im Gegensatz zum Gros der Restlinken fällt es uns daher auch nicht
im Traum
ein, am 8. Mai den Alliierten Kriegsparteien für ihren Einsatz
danken zu
wollen, die imperialistischen Massaker des Zweiten Weltkrieges als
hehren
uneigennützigen Waffengang für Freiheit und Demokratie zu
glorifizieren, und
von den
imperialistischen Zielsetzungen, die für die Kriegsführung der
Alliierten
bestimmend und alles andere als emanzipatorische waren, zu
abstrahieren.
Keine Macht dem
Staat - Farewell to the Antifa!
Das Wesen des
Antifaschismus besteht darin, dem Faschismus zu widerstehen,
indem man die Demokratie verteidigt. Der Vorschlag der
Antifaschisten läuft
darauf hinaus, angesichts der Gefahr des Faschismus den Kampf gegen
den
Kapitalismus einzustellen, den demokratischen Staat als kleineres
Übel zu
verteidigen
und ihn durch genügend Druck zu zivilisieren. Die Demokratie
verteidigen zu
wollen, beinhaltet den Mythos des Staates als "klassenneutrale
Instanz" zu
akzeptieren, zu befördern und ihm letztendlich zu erliegen. Es
bedeutet, den
Staat zu
stärken, sich seiner Gewalt zu unterwerfen und sich jeder
Möglichkeit der
Selbstaktivität gegen die Staatsgewalt zu berauben. Es bedeutet, das
Proletariat
an den Staat zu fesseln und seiner Repression schutzlos
auszuliefern.
Folgerichtig scheiterte der Antifaschismus immer da, wo er
Effektivität
vorgaukelte -
die Verwandlung der Demokratie in eine offene Diktatur im
breitestmöglichen
Bündnis aller Gutmenschen zu verhindern.
Alle Versuche, den Antifaschismus revolutionär zu bemänteln, führten
entweder
in die Blamage, wenn sich der Staat als demokratische Ordnungsmacht
und
besserer Antifaschist präsentierte, oder in die Katastrophe, wenn im
Namen
der
"antifaschistischen Einheit" auf die Revolution verzichtet wurde.
Als
Ideologie
der Staatsverherrlichung und praktische Anleitung zum
Revolutionsverzicht
ist
der Antifaschismus somit genauso gegen das Proletariat gerichtet wie
der
Faschismus. Wer den Faschismus wirklich erledigen will, muss den
Antifaschismus bekämpfen - und umgekehrt. Die Alternative vor der die Menschheit
angesichts der
destruktiven Entwicklungspotentiale des weltweiten Kapitalismus
steht,
lautet
nicht "Demokratie oder Faschismus", sondern nach wie vor
"Sozialismus oder
Barbarei". Die einzige Perspektive aus dem Dilemma der
Warengesellschaft
herauszukommen, besteht darin, den "Kampf ums Ganze" aufzunehmen,
der
Diktatur des
Kapitals den Krieg zu erklären: Mit allen Mitteln, auf allen Ebenen
und
gegen alle
Ausformungen der bürgerlichen Ideologie!
Für die Staaten -
und klassenlose Gesellschaft!
Editorische
Anmerkungen
Der Text wurde uns am
29.4.2005 von den AutorInnen zur Veröffentlichung überlassen. Er ist
deren Zeitschrift "Sozialismus oder Barbarei" Nr. 12 entnommen.
Kontakt:Gruppe-Inter-Soz@gmx.net
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