Vor 30 Jahren: Saigon ist frei!

Südvietnam nach der Befreiung: Das Vermächtnis Ho Chi Minhs ist erfüllt!

05/05

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EXTRABLATT der KPD/ML vom Mai 1975, verteilt auf den revolutionären 1. Mai-Demos
Für die Jugend- und Studentenbewegung und die aus ihr hervorgegangenen K-Gruppen war die Vietnam-Solidarität ein Focus, um den man sich zusammenschloss. Der Sieg im Frühjahr 1975 der kambodschanischen und vietnamesischen KommunistInnen über den US-Imperialismus markiert den Beginn des Zerfalls der K-Gruppenbewegung vermittelt über die Frage, worauf sich nun die Internationale Solidarität zu beziehen habe.
Fünf Jahre später wird sich als erstes die KPD auflösen.

14 Tage nach der Befreiung Phnom Penhs durch die kambodschanischen Befreiungsstreitkräfte wurde Saigon, die letzte Bastion des USA-Imperialismus in Vietnam, befreit. Die Ho-Chi-Minh-Schlacht, am 26. April um 17 Uhr begonnen, endete in vier Tagen mit der Errichtung der revolutionären Volksmacht in Ho-Chi-Minh-Stadt. Das von der USA-imperialistischen Propaganda immer wieder an die Wand gemalte „kommunistische Blutbad" erwies sich als die reaktionäre Lüge, die sie immer war. Das Gegenteil war der Fall: Mit dem Einzug der Befreiungsstreitkräfte in Ho-Chi-Minh-Stadt zog Frieden, nationale Eintracht, patriotische Begeisterung, Ruhe und Ordnung in die Stadt ein, die in den Tagen des Zerfalls des Marionettenregimes durch plündernde, mordende und vergewaltigende Soldaten der Marionettenarmee in Chaos und Panik getrieben worden war.

Als zwei Stunden nach dem endgültigen Abzug aller Amerikaner die Spitzen der Befreiungsfront in Ho-Chi-Minh-Stadt einzogen, war der Spuk zuende. Nach den Berichten von Korrespondenten der Nachrichtenagenturen AFP und Reuters vollzog sich ihr Einmarsch folgendermaßen: „Acht jubelnde, winkende Männer in einem total überladenen Jeep mit der FNL-Flagge bilden die Vorhut der einmarschierenden Truppen. Danach folgen in kurzen Abständen Panzer, Mannschaftswagen, weitere Jeeps und Lastwagen. Die Fahrzeuge halten immer wieder an, Soldaten springen heraus und schütteln lachend den Zivilisten am Straßenrand die Hände. Viele Saigoner spenden den Siegern Beifall." „Inzwischen macht sich eine friedliche, ja beinahe ausgelassene Stimmung breit. Überall diskutieren die Bewohner der Stadt in kleinen Gruppen mit den Kommunisten, die sich selbst als Befreier fühlen. Zwischen Panzerwagen und Flugabwehrkanonen wird das Abendessen gekocht." Die westlichen Korrespondenten, die dies berichten, können sich völlig frei bewegen. Sie berichten weiter: Überall in der Stadt werden die Fahnen der FNL gehißt, auf den Regierungsgebäuden wehen weiße Fahnen, bis Befreiungssoldaten sie durch die Flagge der Revolutionären Regierung ersetzen. Mit Schüssen in die Luft feiern Jugendliche die Befreiung der Stadt und des ganzen Landes.

Hunderte von Saigonern jubelten den Befreiungsstreitkräften zu, als sie über die Einheitsstraße auf den Präsidentenpalast zufuhren. Radio Befreiung, wie Radio Saigon nach der Übernahme durch die revolutionäre Regierung heißt, berichtete, daß beim Einzug der Befreiungsstreitkräfte Kinder sich rote Armbinden umlegten, Gewehre der Saigoner Soldaten nahmen und den Willkommenssalut schössen. Die Befreiungssoldaten wurden von der Bevölkerung mit Reis, Fleisch und Limonade versorgt. Die Bewohner von Cholon, dem Chinesenviertel von Saigon, zündeten zur Feier der Befreiung ein Feuerwerk an. Die Befreiungsstreitkräfte erließen Anordnungen, die der Sicherung der revolutionären Volksmacht und der Normalisierung des Lebens dienen.

Die USA-Imperialisten wurden aufgefordert, ihre Marine aus den südvietnamesischen Hoheitsgewässern abzuziehen und die gewaltsame Evakuierung abzubrechen. Alle ausländischen Regierungen wurden aufgefordert, von den USA-Imperialisten und den geflohenen Marionetten geraubtes südvietnamesisches Eigentum zurückzugeben. Diese Aufforderung richtet sich insbesondere an Thailand, wohin sich Luftwaffenoffiziere mit einem großen Teil der Kampfflugzeuge absetzten. Die Bevölkerung von Ho-Chi-Minh-Stadt wurde aufgefordert, wieder an ihren Arbeitsplätzen zu erscheinen, auch die Beamten und Angestellten des alten Verwaltungsapparates.

Dieser Aufruf wurde von der Bevölkerung vollständig erfüllt. Am letzten Freitag waren die Geschäfte wieder geöffnet, der Verkehr auf den Straßen floß unbehelligt. Kinder und Befreiungssoldaten regelten den Verkehr. Wasser und Stromversorgung waren nicht einmal für einen halben Ttg unterbrochen.

Auf den Straßen Saigons tragen Mönche buddhistische Fahnen zusammen mit FNL-Fahnen und die Massen sangen patriotische Lieder.

Viele Einwohner von Saigon umringen auf den Straßen Befreiungskämpfer und fragen nach ihren Verwandten in anderen Teilen Südvietnams und nach Freunden und Angehörigen im Norden. Die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft wurde sofort in Angriff genommen. Alle Parteien und Organisationen des alten Regimes wurden aufgelöst, insbesondere die Verrätergewerkschaft. Die Befreiungsgewerkschaft besetzte das Gewerkschaftshaus. Alle Zeitungen und Publikationsorgane, die sich in Privatbesitz befinden, müssen zunächst ihr Erscheinen einstellen.

Alle Einrichtungen der USA-imperialistischen kulturellen Infiltration wurden aufgelöst, die Prostitution verboten, die „Vergnügungs"lokale geschlossen. Auf wirtschaftlichem Gebiet werden alle Dienstleistungsbetriebe, Lagerstätten und Handelsunternehmen der Marionettenregierung und der USA-Imperialisten in Volkseigentum umgewandelt. Das Eigentum der Marionetten und der Feinde des Volkes wird ebenfalls Volkseigentum. Das Eigentum aller Bürger und aller Ausländer, die sich loyal gegenüber der Volksmacht verhalten, wird garantiert. Die Banken und Verkehrsunternehmen werden Volksbesitz.

Mit der Befreiung ganz Südvietnams ist der Weg zur Erfüllung des Pariser Friedensabkommens frei. Alles das, was Thieu sabotierte, wird jetzt durchgeführt: Die nationale Eintracht ist verwirklicht, die USA-imperialistische Einmischung beendet. Die demokratischen Freiheiten des Volkes sind garantiert.

Eine Politik der Unabhängigkeit und Neutralität, der friedlichen Koexistenz mit allen Staaten wird möglich. Der 1. Mai in Ho-Chi-Minh-Stadt war der Tag der Siegesfeier.

Ganz Saigon war geschmückt mit der Flagge der Revolutionären Regierung und patriotischen Parolen. An einer Siegesparade der Befreiungsstreitkräfte beteiligten sich lausende von Bürgern der Stadt, revolutionäre Arbeiter, patriotische Schüler und Studenten, buddhistische Mönche und Menschen aus allen Bevölkerungsschichten. Mit der Befreiung von Ho-Chi-Minh-Stadt ist das heilige Vermächtnis des großen Führers des vietnamesischen Volkes erfüllt. Durch die Befreiung ganz Südvietnams wird der Weg frei zur Vollendung der national, demokratischen Revolution und der ohne Unterbrechung folgenden sozialistischen Umwälzung. Damit ist auch der Weg frei für die friedliche Wiedervereinigung des seit über zwei Jahrzehnten geteilten Landes. Bis zur Vollendung der nationaldemokratischen Revolution und dem Übergang zur sozialistischen Revolution in Südvietnam wird sicher noch einige Zeit verstreichen, in der sich beide Teile des Landes aufeinander zu entwickeln werden. Doch: „Unser Vaterland wird gewiß wiedervereinigt werden. Die Vietnamesen im Süden wie im Norden werden bestimmt unter einem Dach vereinigt". Das ist das gerechte Anliegen der ganzen vietnamesischen Nation, die Genosse Phamn Van Dong, Ministerpräsident der Demokratischen Republik Vietnam noch einmal bekräftigt.

Die Wiedervereinigung wird im Zeichen des Sozialismus erfolgen.

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien in. Die Rote Fahne, Zentralorgan der KPD, 6 Jhg. Nr. 18. Seite 9.

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