„Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“.

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Peter Nowak
05/05

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onlinezeitung

Jens Matt hat mit seinem Beitrag „Gegen die Dämonisierung des NS-Faschismuseine wichtige Kritik an der Ideologie des Antifaschismus begonnen, die eine Debatte anregen könnte, die hoffentlich auch über den 8.Mai hinaus geführt wird.

Dabei haben die Zuspitzungen in dem Beitrag von Matt den Vorteil, dass man dann in die Details einsteigen kann. So ist schon die Überschrift eine solche Zuspitzung. Denn der Begriff Dämonisierung kann auch so missverstanden werden, dass der NS-Faschismus eben nicht so schlimm wäre. Genauer wäre die Kritik, wenn man die Reduzierung des NS-Faschismus auf die Shoah in den Mittelpunkt stellt. Selbst in vielen linken Debatten wird nicht mehr erwähnt, dass der Antisemitismus und der Antikommunismus für die NS-Bewegung von Beginn an eine Einheit waren. Schon die NSDAP-Vorläufer-Organisation Thule-Bund, agierte in der kurzen Zeit der Bayerischen Räterepublik gegen „jüdische Kaffeehausliteraten“ und gegen „Bolschewisten“. Dass es nicht bei Worten blieb, zeigt die Ermordung des linkssozialdemokratischen Ministerpräsidenten der Bayerischen Räterepublik Kurt Eisner durch ein Mitglied des Thule-Bund. Nach der blutigen Zerschlagung der Räterepublik beteiligten sich deren Mitglieder ungestraft an der Ermordung von vermeintlichen oder tatsächlichen AktivistInnen der Bayerischen Räterepublik. Auch in Berlin hatten die Freikorps bei ihrer Jagd auf AnhängerInnen der Novemberrevolution Hakenkreuze auf ihren Helmen. Hier hatte die NS-Faschistische Bewegung ihre Wurzeln. Von Anfang an hatte sie Unterstützung aus Kreisen der Monarchisten, der abgehalfterten Militärs und führender Industrieller. Diese Unterstützung behielt sie während der Jahre der Weimarer Republik. Doch erst mit Beginn der Weltwirtschaftskrise, deren Folgen sich erst Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts in Deutschland richtig bemerkbar machte, wurde die Unterstützung des Großkapitals für die NS-Bewegung zu einem wichtigen Faktor beim Kampf um die Macht. Bis kurz vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde in verschiedenen deutschen Kapitalzirkeln darum gestritten, ob man eher Hitler oder einen anderen Nationalisten oder vielleicht sogar einem Militär die Aufgabe zufallen lassen sollte, die ArbeiterInnenbewegung und gleich noch die Republik mit zu zerschlagen. Dass Hitler siegreich hervor ging, lag am Charakter der NS-Bewegung. Anders als seine rechten Konkurrenten hatte die NS-Bewegung einen Massenanhang in Teilen der Bevölkerung, der von einer „deutschen Revolution“ träumte, die mit den Juden wie mit den Kommunisten gleichermaßen aufräumen sollte.

In der heutigen Debatte auch in großen Teilen der Linken wird der Charakter des NS-Faschismus als konterrevolutionäre Bewegung gegen Oktoberrevolution in Russland und Novemberrevolution in Deutschland kaum mehr erwähnt. Dabei war es das Verdienst linker WissenschaftlerInnen aber auch GewerkschaftlerInnen, gerade die Zusammenarbeit zwischen NS-Faschismus und Kapital immer wieder herausgearbeitet zu haben. Das war eine Arbeit gegen den herrschenden Konsens in Westdeutschland. Denn in der BRD, wo die KommunistInnenverfolgung in den 50er Jahre fortgesetzt wurde, konnte man natürlich nichts Kritikwürdiges an dem konterrevolutionären Charakter der NS-Bewegung finden. Lediglich der „Antisemitismus“ war offiziell nicht mehr angesagt. So sprach denn auch der aufgeklärte Postnazi, bei Hitler sei ja nicht alles schlecht gewesen, nur dass er den Krieg verloren hat war ein Fehler. Ja, und „das mit den Juden“ hätte er auch nicht so übertreiben sollen. Genau diese Reduzierung des NS-Faschismus auf den Antisemitismus wird heute als neuester Diskurs in Teilen der Linken verkauft und noch mit den Weihen des besonders Radikalen gesehen. Schrittmacher bei dieser Debatte sind wie so oft antideutsche Hardliner und Neokonservative. So schwadroniert der Bahamit ( Anhänger der einst antideutschen heute neokonservativen Bahamas-Gruppe) Gerhard Scheit in einem Debattenbeitrag in der Jungle World: „Zur Debatte steht also nicht mehr „der Sozialismus der dummen Kerls“, sondern die Klassengesellschaft desselben. In dieser „Gehirnschande, wie Karl Kraus einmal die interessierte Vorstellung politischer Wahnvorstellungen nannte, gleicht ein deutscher Materialist dem anderen....“. Während der Ex-Linke mit viel Wortgeschwurfel Marx und die Klassengesellschaft beerdigt, haben es andere leichter. Götz Aly, der nie Marxist war, hat in seinem Buch „Hitlers Volksstaat“ gleich die deutsche Bevölkerung als Hauptnutznießer des NS-Faschismus ausgemacht, der angeblich ein Wohlfahrtsstaat war . Es solle endlich Schluss sein, mit den Anschuldigungen gegen Siemens, Abs und die Deutsche Bank, so Aly. Da fehlt nicht viel und Hartz IV wird zur Antifaaktion verklärt. Dass das NS-Regime Schluss mit Gewerkschaften, mit Betriebsräte und überhaupt all dem machte, was die Kapitalisten nach der Novemberrevolution in höchsten Tönen beklagten, ist für Aly kein Thema. Einen Schritt weiter ging der konservative Historiker Michael Wolfssohn, der SPD-Generalsekretär Müntefering Antisemitismus unterstellte. Dabei hatte der mit seiner wahltaktischen Verve für die soziale Marktwirtschaft weder Antikapitalismus noch gar Sozialismus im Sinn.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis jede Kritik am Kapitalismus Antisemitismus tituliert und der wahre Antifaschismus ein wahres Ja zu Kapitalismus und Individualität geheißen wird. In den Schriften mancher Ex-Antideutscher Hardliner werden schon fleißig entsprechende Argumentationshilfen ausgearbeitet. Manche Antifagruppen, die sich zu Unrecht auf als antideutsch titulieren, weil sie es nicht sind, haben in ihrer politischen Praxis eine regelrechte Aversion gegen das Thematisieren der sozialen Frage entwickelt. Nun ist es unbestritten, dass die auch in der kurzlebigen Anti-Hartz-Bewegung eher reaktionär beantwortet wurde. Doch bevor Linke, die Anti-Hartz-Bewegung deswegen in die rechte Ecke stellen, sollten sie eben mit linken Inhalten dort intervenieren. Beispielsweise mit der Forderung „Klassenkampf statt Standortlogik“. Aber auch der Begriff Klassenkampf ist mittlerweile bei Teilen dieser sogenannten antideutschen Strömung der Antifa-Bewegung verpönt. Dabei kann man die blutige Ausmerzung jeden Klassenkampfgedankens – und agierens als Kern aller faschistischen Bewegungen bezeichnen. Der NS-Faschismus verbindet seinen Kreuzzug gegen den Klassenkampf mit dem Antisemitismus.

Es bedurfte der rot-grünen Regierung, um wegen Auschwitz wieder Belgrad bombarideren zu lassen. Es braucht die neokonservativen Ex-Linken um wegen Auschwitz den Antikapitalismus und Klassenkampf zu einer Spielart des Antisemitismus zu erklären.

Eine radikale Linke muss hingegen den konterrevolutionären Charakter gegen die ArbeiterInnenbewegung des Faschismus im Allgemeinen und der nationalsozialistischen Variante im Besonderen herausarbeiten. Er war eine Kombination von Antikommunismus und Antisemitismus. NS-Gegner zitierten häufig „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass der Kapitalismus immer auch eine faschistische Variante seiner Herrschaftsmethoden bereithält. Die Autonome Antifa in ihren besten Zeiten machte daraus die sicher verkürzte und die Spezifa des NS nicht genügend berücksichtigende Parole „Hinter dem Faschismus steht das Kapital“. Doch anders als die postmodernen Kapitalentschuldungsvarianten war in diesen verkürzten Spruch eine Ahnung von dem Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus. „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“. Hinter dieser Erkenntnis sollte keine linke Kritik am NS-Faschismus zurückfallen. Nur leider halten sich gerade jene, die sich als Grabwächter der Frankfurter Schule gerieren, überhaupt nicht daran.  

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns am 4 May 2005 vom Autor zur Veröffentlichung überlassen.