Jens Matt hat mit seinem Beitrag
„Gegen die Dämonisierung des NS-Faschismuseine wichtige Kritik an
der Ideologie des Antifaschismus begonnen, die eine
Debatte anregen könnte, die hoffentlich auch über den 8.Mai hinaus
geführt
wird.
Dabei haben die Zuspitzungen in dem
Beitrag von Matt den Vorteil, dass man
dann in die Details einsteigen kann. So ist schon die Überschrift
eine
solche Zuspitzung. Denn der Begriff Dämonisierung kann auch so
missverstanden werden, dass der NS-Faschismus eben nicht so schlimm
wäre.
Genauer wäre die Kritik, wenn man die Reduzierung des NS-Faschismus
auf die
Shoah in den Mittelpunkt stellt. Selbst in vielen linken Debatten
wird nicht
mehr erwähnt, dass der Antisemitismus und der Antikommunismus für
die
NS-Bewegung von Beginn an eine Einheit waren. Schon die
NSDAP-Vorläufer-Organisation Thule-Bund, agierte in der kurzen Zeit
der
Bayerischen Räterepublik gegen „jüdische Kaffeehausliteraten“ und
gegen
„Bolschewisten“. Dass es nicht bei Worten blieb, zeigt die Ermordung
des
linkssozialdemokratischen Ministerpräsidenten der Bayerischen
Räterepublik
Kurt Eisner durch ein Mitglied des Thule-Bund. Nach der blutigen
Zerschlagung der Räterepublik beteiligten sich deren Mitglieder
ungestraft
an der Ermordung von vermeintlichen oder tatsächlichen AktivistInnen
der
Bayerischen Räterepublik. Auch in Berlin hatten die Freikorps bei
ihrer Jagd
auf AnhängerInnen der Novemberrevolution Hakenkreuze auf ihren
Helmen. Hier
hatte die NS-Faschistische Bewegung ihre Wurzeln. Von Anfang an
hatte sie
Unterstützung aus Kreisen der Monarchisten, der abgehalfterten
Militärs und
führender Industrieller. Diese Unterstützung behielt sie während der
Jahre
der Weimarer Republik. Doch erst mit Beginn der
Weltwirtschaftskrise, deren
Folgen sich erst Anfang der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts in
Deutschland richtig bemerkbar machte, wurde die Unterstützung des
Großkapitals für die NS-Bewegung zu einem wichtigen Faktor beim
Kampf um die
Macht. Bis kurz vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten
wurde in
verschiedenen deutschen Kapitalzirkeln darum gestritten, ob man eher
Hitler
oder einen anderen Nationalisten oder vielleicht sogar einem Militär
die
Aufgabe zufallen lassen sollte, die ArbeiterInnenbewegung und gleich
noch
die Republik mit zu zerschlagen. Dass Hitler siegreich hervor ging,
lag am
Charakter der NS-Bewegung. Anders als seine rechten Konkurrenten
hatte die
NS-Bewegung einen Massenanhang in Teilen der Bevölkerung, der von
einer
„deutschen Revolution“ träumte, die mit den Juden wie mit den
Kommunisten
gleichermaßen aufräumen sollte.
In der heutigen Debatte auch in
großen Teilen der Linken wird der Charakter
des NS-Faschismus als konterrevolutionäre Bewegung gegen
Oktoberrevolution
in Russland und Novemberrevolution in Deutschland kaum mehr erwähnt.
Dabei
war es das Verdienst linker WissenschaftlerInnen aber auch
GewerkschaftlerInnen, gerade die Zusammenarbeit zwischen
NS-Faschismus und
Kapital immer wieder herausgearbeitet zu haben. Das war eine Arbeit
gegen
den herrschenden Konsens in Westdeutschland. Denn in der BRD, wo die
KommunistInnenverfolgung in den 50er Jahre fortgesetzt wurde, konnte
man
natürlich nichts Kritikwürdiges an dem konterrevolutionären
Charakter der
NS-Bewegung finden. Lediglich der „Antisemitismus“ war offiziell
nicht mehr
angesagt. So sprach denn auch der aufgeklärte Postnazi, bei Hitler
sei ja
nicht alles schlecht gewesen, nur dass er den Krieg verloren hat war
ein
Fehler. Ja, und „das mit den Juden“ hätte er auch nicht so
übertreiben
sollen. Genau diese Reduzierung des NS-Faschismus auf den
Antisemitismus
wird heute als neuester Diskurs in Teilen der Linken verkauft und
noch mit
den Weihen des besonders Radikalen gesehen. Schrittmacher bei dieser
Debatte
sind wie so oft antideutsche Hardliner und Neokonservative. So
schwadroniert der Bahamit ( Anhänger der einst antideutschen heute
neokonservativen Bahamas-Gruppe) Gerhard Scheit in einem
Debattenbeitrag in
der Jungle World: „Zur Debatte steht also nicht mehr „der
Sozialismus der
dummen Kerls“, sondern die Klassengesellschaft desselben. In dieser
„Gehirnschande, wie Karl Kraus einmal die interessierte Vorstellung
politischer Wahnvorstellungen nannte, gleicht ein deutscher
Materialist dem
anderen....“. Während der Ex-Linke mit viel Wortgeschwurfel Marx und
die
Klassengesellschaft beerdigt, haben es andere leichter. Götz Aly,
der nie
Marxist war, hat in seinem Buch „Hitlers Volksstaat“ gleich die
deutsche
Bevölkerung als Hauptnutznießer des NS-Faschismus ausgemacht, der
angeblich
ein Wohlfahrtsstaat war . Es solle endlich Schluss sein, mit den
Anschuldigungen gegen Siemens, Abs und die Deutsche Bank, so Aly. Da
fehlt
nicht viel und Hartz IV wird zur Antifaaktion verklärt. Dass das
NS-Regime Schluss mit Gewerkschaften, mit Betriebsräte und überhaupt
all
dem machte, was die Kapitalisten nach der Novemberrevolution in
höchsten
Tönen beklagten, ist für Aly kein Thema. Einen Schritt weiter ging
der
konservative Historiker Michael Wolfssohn, der SPD-Generalsekretär
Müntefering Antisemitismus unterstellte. Dabei hatte der mit seiner
wahltaktischen Verve für die soziale Marktwirtschaft weder
Antikapitalismus
noch gar Sozialismus im Sinn.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis
jede Kritik am Kapitalismus
Antisemitismus tituliert und der wahre Antifaschismus ein wahres Ja
zu
Kapitalismus und Individualität geheißen wird. In den Schriften
mancher
Ex-Antideutscher Hardliner werden schon fleißig entsprechende
Argumentationshilfen ausgearbeitet. Manche Antifagruppen, die sich
zu
Unrecht auf als antideutsch titulieren, weil sie es nicht sind,
haben in
ihrer politischen Praxis eine regelrechte Aversion gegen das
Thematisieren
der sozialen Frage entwickelt. Nun ist es unbestritten, dass die
auch in der
kurzlebigen Anti-Hartz-Bewegung eher reaktionär beantwortet wurde.
Doch
bevor Linke, die Anti-Hartz-Bewegung deswegen in die rechte Ecke
stellen,
sollten sie eben mit linken Inhalten dort intervenieren.
Beispielsweise mit
der Forderung „Klassenkampf statt Standortlogik“. Aber auch der
Begriff
Klassenkampf ist mittlerweile bei Teilen dieser sogenannten
antideutschen
Strömung der Antifa-Bewegung verpönt. Dabei kann man die blutige
Ausmerzung
jeden Klassenkampfgedankens – und agierens als Kern aller
faschistischen
Bewegungen bezeichnen. Der NS-Faschismus verbindet seinen Kreuzzug
gegen den
Klassenkampf mit dem Antisemitismus.
Es bedurfte der rot-grünen Regierung,
um wegen Auschwitz wieder Belgrad
bombarideren zu lassen. Es braucht die neokonservativen Ex-Linken um
wegen
Auschwitz den Antikapitalismus und Klassenkampf zu einer Spielart
des
Antisemitismus zu erklären.
Eine radikale Linke muss hingegen den
konterrevolutionären Charakter gegen
die ArbeiterInnenbewegung des Faschismus im Allgemeinen und der
nationalsozialistischen Variante im Besonderen herausarbeiten. Er
war eine
Kombination von Antikommunismus und Antisemitismus. NS-Gegner
zitierten
häufig „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“. Damit
sollte
deutlich gemacht werden, dass der Kapitalismus immer auch eine
faschistische
Variante seiner Herrschaftsmethoden bereithält. Die Autonome Antifa
in ihren
besten Zeiten machte daraus die sicher verkürzte und die Spezifa des
NS
nicht genügend berücksichtigende Parole „Hinter dem Faschismus steht
das
Kapital“. Doch anders als die postmodernen
Kapitalentschuldungsvarianten war
in diesen verkürzten Spruch eine Ahnung von dem Zusammenhang von
Faschismus
und Kapitalismus. „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom
Faschismus schweigen“. Hinter dieser Erkenntnis sollte keine linke
Kritik
am NS-Faschismus zurückfallen. Nur leider halten sich gerade jene,
die sich
als Grabwächter der Frankfurter Schule gerieren, überhaupt nicht
daran.
Editorische
Anmerkungen
Der Text wurde uns am
4 May 2005 vom Autor zur Veröffentlichung überlassen.
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