Neue Spannungen in Kosova
Der Konflikt um "Sigurimi I Atdeut" eskaliert

von Max Brym
05/05

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Seit Wochen geistert eine Organisation mit dem Namen „Sigurimi I Atheut“ (Sicherheit des Vaterlandes) durch die politische Debatte in Kosova. Die stärkste Oppositionspartei PDK behauptet, es gäbe in Kosova eine kriminelle paramilitärische Organisation mit diesem Namen. Als Chef machte sie den stellvertretenden Ministerpräsidenten Adem Salihaj (LDK) aus. Über das Internet und in den Medien bedrohte „Sigurimi I Atdeut“ so unterschiedliche Politiker wie Bujar Bukoshi, Jakup Krasniqi und Veton Surroi mit dem Tod. Einen Antrag der PDK einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu dieser Frage ins Leben zu rufen, wollte die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament nicht folgen. Vor einigen Wochen übergab die PDK der UNMIK ein Dossier von dreißig Seiten. Am Mittwoch, den 4. Mai wurde der UNMIK und der Polizei durch Hashim Thaci eine Dokumentation mit 488 Seiten über diese Vereinigung zugestellt. Die Dokumentation hat es in sich.

„Eine kriminelle terroristische Organisation“

In dem Dossier wird diagnostiziert, „dass Sigurimi I Atdheut politische Morde, Morddrohungen und Wirtschaftskriminalität betreibt“. Neben Adem Salihaj, sollen in diese Aktivitäten drei weitere Minister der Regierung verwickelt sein. Diese heißen Agim Velihu, Melihate Termkolli und Astrid Haraqise. Der Chef der Leibwache von Präsident Ibrahim Rugova, Rame Maraj, soll der militärische Kopf von „Sigurimi I Atdeut“ sein. Der Untersuchungsbericht versucht konkret zu beweisen, dass Morde hauptsächlich an Prominenten aus den Reihen der LDK durchgeführt wurden, die eigene Ambitionen hatten. Genannt werden die Morde an Xhemaijl Mustafa,Tahir Zemaj und an dem Journalisten Shefki Popova. Viel ist in dem Dokument über Korruption und organisierte Wirtschaftskriminalität zu lesen. Die SIA soll auf Präsident Rugova eingeschworen sein und das Ziel haben, „die Clique um Rugova mit Geld und absoluter Macht auszustatten“. Der Anschlag vor einigen Wochen auf den Wagen von Präsident Rugova wurde angeblich fingiert, um eine Terroroffensive in Kosova zu starten.

Wie reagierte Adem Salihaj

Adem Salihaj wies alle Anschuldigungen zurück. Er meinte: „Die PDK wolle das politische Klima vergiften und schade damit ganz Kosova“. Ähnlich äußerte sich die der LDK nahe stehende Zeitung „Bota Sot“, sie schrieb am 6.5.05: „Die Linksextremisten aus den Reihen der PDK versuchen dem Vaterland zu schaden. Sie sind Vaterlandsverräter.“ Die Tonlage beweist zu genüge, wie gespannt die innenpolitische Lage im Lande ist. Adem Salihaj meinte zudem, ohne auf die konkreten Vorwürfe einzugehen: „Die Kampagne wird der PDK schaden.“ Unter den gegebenen Verhältnissen muß das als neuerliche Drohung und nicht als politische Prognose aufgefaßt werden.

Das Weltbild der SIA

Offensichtlich liegen der Zeitung „Koha Ditore“ Auszüge aus dem PDK Dossier über die SAI vor. In der Ausgabe vom Samstag, den 7.5.05, werden geheime Einschätzungen der SAI über kosovarische Politiker abgedruckt. Über Veton Surroi (Vorsitzender der Bürgerbewegung „Die Stunde“) wird folgendes geschrieben: „Bereits sein Vater hat als Kommunist und späterer jugoslawischer Botschafter das albanische Volk verraten“ Veton Surroi ist angeblich der Linie seines Vaters treu geblieben und hätte lange für die jugoslawische UDBA gearbeitet. Heute wird Surroi vorgeworfen: „Ein Agent von Georgs Sorros zu sein“, was ebenfalls „gegen die Interessen der Nation sei“. Dem Chefredakteur von „Koha Ditore“, Baton Haxhiu, wird ein „unsäglicher Haß gegen Präsident Rugova“ unterstellt und seine Treffen mit „UCK Kriminellen“ im Grand Hotel in Prishtina werden aufgeführt. Selbst Parlamentspräsident Nexhat Daci wird eine negative Vergangenheit vorgehalten. Der Kommandeur der TMK, Agim Ceku, ist angeblich ein „französischer Agent“ und somit tendenziös auf der Seite Serbiens. Andere werden beschuldigt, in Albanien mit Kriminellen und Enveristen (Anhängern Enver Hoxhas) gearbeitet zu haben. Einigen Politikern auf der Abschußliste der SIA wird der Kontakt mit Fatos Nano (gegenwärtig Ministerpräsident in Albanien) vorgeworfen. Nano ist angeblich ein „griechischer Agent“. Die Dokumente vermitteln einen echten Eindruck, denn der rechte Flügel der LDK hat tatsächlich ein Weltbild, bestehend aus extremen Chauvinismus, Verschwörungstheorien verbunden mit absolutem Machtanspruch. Die Dokumente sind nicht harmlos, sondern sollten sie echt sein, stellen sie konkrete Morddrohungen dar.
 

Editorische Anmerkungen

Der Text erschien zuerst am 07.05.2005 bei Indymedia. Max Brym lebt als freier Journalist in München.