Demo vom 8. Mai 2005
NACHTRAG zum Text "Kinder der Kolonisierten wehren sich"


Von Bernhard Schmid (Paris).
05/05

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Die Demonstration der "Eingeborenen der Republik" zum 8. Mai - Jahrestag nicht nur des Kriegsendes in Europa, sondern auch des kolonialen Massakers in den algerischen Städten Sétif und Guelma ­ fand tatsächlich statt. An ihr nahmen rund 3.000 Menschen teil, was nicht so schlecht ist, zumal angesichts des massiven Gegenwinds in den großen Medien. Sie zogen von der zentral gelegenen Place de la République in die vorwiegend von Immigranten bewohnten Viertel im Pariser Norden.

Dass die Teilnehmerzahl damit (relativ) stattlich ausfiel, hängt auch damit zusammen, dass die Koordinierung der Sans papiers-Bewegung (Selbstorganisation der "illegalen" Immigranten) wie auch die demokratische Opposition Togos zu dem Marsch mobilisiert hatten. In dem westafrikanischen Land Togos herrschte 38 Jahre lang der, von Frankreich unterstützte, "Präsident auf Lebenszeit" Eyadema Gnassingbé. Als dieser im Februar 05 endlich unter die Erde kam, setzte die Armee aber seinen Sohn Faure Gnassingbé als Präsidenten ein. Bei einer von Manipulation geprägten Wahl wurde "Bébé Gnass" am 24. April angeblich im Amt bestätigt. Während die USA und die übrige EU auf Abstand gingen, unterstützt das offizielle Frankreich weiterhin den Diktator. Wie bereits am 1. Mai, nahmen auch am 8. Mai mehrere hundert Immigranten aus Togo (das kleine Land zählt vier Millionen Einwohner, und nur wenige tausend Einwanderer in ganz Frankreich) an einem sehr kraftvollen Demoblock teil.

An der, sehr lebendigen, Spitze der Demonstration wurden Transparante zur Erinnerung an die Massaker der französischen Kolonialmacht vom 8. Mai 1945 in Algerien getragen. Dabei wurde aber stets auf den Doppelcharakter des Datums ­ "Tag der Freude, Tag der Trauer/des Massakers" ­ hingewiesen, um keine Relativierung des Sieges über den NS aufkommen zu lassen. In weiteren Demoblöcken forderten Schwarze "Reparationen für die Sklaverei". Umstritten blieb die Präsenz des französisch-kamerunischen Schauspielers Dieudonné M¹bala, der aufgrund seiner wiederholten antisemitischen Ausfälle von den OrganisatorInnen für unerwünscht erklärt worden. Mehrere Persönlichkeiten etwa von der französischen KP verließen den Sammelplatz wegen der Anwesenheit von "Dieudo". Dieudonné und seine Bodyguards verließen ihrerseits den Demozug vor der Hälfte der Strecke.

Die Abschlusskundgebung fand, nach einem Zug durch die "Araberviertel" bei der Metrostation Barbès, vor der Kirche Saint-Bernard im Pariser Norden statt. Sie symbolisiert nach wie vor die erste starke Welle von "Sans papiers"-Kämpfen, die im Frühjahr und Sommer 1996 zu einer Welle von (u.a.) Kirchenbesetzungen führten.

In linken und migrantischen Kreisen bleibt die Initiative der "Eingeborenen der Republik" (Indigènes de la République) nach wie vor umstritten. Während die einen darin eine begrüßenswerte "Aneignung der eigenen Geschichte durch die Nachfahren der Kolonisierten" als Teil einer universalistischen Emanzipationsbewegung erblicken, befürchten andere die Konstituierung einer "Bewegung auf ethnisch-kommunitaristischer Grundlage". Wird der beabsichtigte Kongress der "Indigènes de la République", der nun am letzten Wochenende im Juni 2005 stattfinden wird, Klärung verschaffen?

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde uns vom Autor am 17.5.2005 zur Verfügung gestellt.